Künstlerischer Werdegang Heinz Brustkern

Schriftstellerische Aktivitäten

 

1948             Entsprechend dem Rat seines Arztes bei der Entlassung aus der

                     Rehabilitationsklinik - beginnt Heinz damit - wohl aus ureigenstem

                     persönlichen Bedürfnis heraus - seine Kriegserlebnisse schriftstelle-

                     risch aufzuarbeiten und - zunächst nur für sich - zu dokumentieren.

                     Hierüber ist wenig bekannt. Erste, durchgängig in Erzählform bear-

                     beitete Manuskripte entstehen, werden aber von Heinz gegenüber

                     der Familie, Freunden und Bekannten- zumindest in den Anfangs-

                     jahren - "strikt unter Verschluß gehalten".

                     Mit den Gesetzmäßigkeiten der Librettos in Oper und Schauspiel ver-

                     traut, ist Heinz Brustkern sich wohl der Unzulänglichkeit seiner ersten

                     eigenen - ausschließlich autodidaktisch angeeigneten - schriftstelle-

                     rischen Tätigkeiten durchaus bewußt. Konsequenterweise belegt er

                     in der Folgezeit (bis in die späten 90-er Jahre) Schriftstellerkurse, die

                     über die VHS und das Literaturhaus Bonn angeboten werden.

           

                      Heinz Brustkern hat eine Vielzahl von Manuskripten - sowohl Prosa

                      wie Lyrik - hinterlassen. Sie liegen aber aktuell noch nicht in einer

                      aufgearbeiteten Form vor. Nur seine Erzählung: "Der Mahlstrom"

                      wurde 2008 in einer limitierten Auflage von seinem Sohn Jan

                      Brustkern editiert.

 

                      Neben dem ganztägigen Besuch der höheren Handelsschule, den

                      abendliche Weiterbildungskursen und dem gelegentlichen Schwarz-

                      markt-Handel (mit dem er - zumindest bis zur Währungsreform -

                      seine wirtschaftliche Existenz absichern muss), bleibt Heinz relativ

                      wenig Zeit, seine musischen Ambitionen gezielt weiterzuentwickeln.                   

                      Zur Zersteuung besucht er - soweit er es sich

                      leisten kann - aktuelle Kinofilme in der Bonner

                      Südstadt. An der Kinokasse des Lichtspielhauses 

                      "Scala" in der Maxstraße steht er hinter einer

                      ausnehmend hübschen jungen Frau.

                      Sie will sich - ebenso wie er - den Spielfilm:

                      "Die Sünderin" (mit Hildegard Kneef in der

                       Hauptrolle) ansehen. Im Kino kommen sie

                       ins Gespräch.

                      Sie sind sich auf Anhieb sympatisch, verab-

                      reden sich und gehen bald regelmäßig mit-

                      einander aus.

 

1951/52        Heinz Brustkern und Marlies (Maria Elisabeth)

                      Weingart heiraten.

                      Marlies stammt aus einer in Mayen (Eifel) an-

                      sässigen Steinmetzfamilie (Firma: Gebrüder

                      Weingart). Udo Weingart, ein Vetter von Marlies,

                      hatte sich bereits zu Lebzeiten einen Namen als

                      Bildhauer, Pionier und Erstbesiedler des "Lapidea-Geländes" in

                      Mayen gemacht. Auf seine Initiative hin fand dort regelmäßig das

                      auch im internationalen Rahmen bekannte Bildhauersymposium

                     "LAPIDEA" statt.

                      Nach dem Tod ihrer Mutter und der Wiederverheiratung ihres

                      Vaters lebte Marlies bis zu ihrer Heirat bei ihrer Ziehtante in

                      Mayen.

                      Das frisch verheiratete Paar hat Glück: Eine Witwe vermietet dem

                      jungen, berufstätigen Paar auf Vermittlung von Professor Riede

                      eine kleine Zwei-Zimmer-Wohnung im Dachgeschoss des Eckhau-

                      ses "Am botanischen Garten 26" zur Reuterstraße.

                     (Das Haus existiert heute nicht mehr, da es dem geplanten Ausbau

                      der Reuterstraße als verkehrstechnisch wichtige Hauptdurchfahrts-

                      straße durch Bonn im Wege stand und Anfang der 60-er Jahre ab-

                      gerissen wurde.)

                      Das Paar richtet sich in der Dachgeschosswohnung häuslich ein.

                      Sohn Jan Brustkern erblickt am 30.07.1952 das Licht der Welt.

Malerische Aktivitäten

 

1952             Heinz Brustkern beginnt zu malen. Eines seiner frühen Ölbilder zeigt

                     in thematischer Anlehnung an ein von August Macke häufig verwen-

                     detes Motiv den Blick aus dem Fenster der Dachgeschosswohung

                     quer über die rückwärtigen Gärten auf den Ortsteil Bonn-Poppelsdorf

                     mit dem markanten Kirchturm von Sankt Sebastian.

links: Heinz Brustkern o.T. (1952           rechts: Heinz Brustkern o.T; Öl auf Lw;

         Ausblick aus dem Dachgeschoss-            (Blick über die Felder auf die

         fenster des Hauses: "Am bota-                Kirche Sankt Sebastian in Bonn

         nischen Garten 26")                                Poppelsdorf)

                                  

        

                     Ganz allmählich bessern sich die Zeiten. Das deutsche Wirtschafts-

                     wunder beginnt und nimmt zunehmend "Fahrt" auf. Bald schon zeigen

                     sich erste Auswirkungen im Alltagsleben der Menschen.

Niehbuhrstraße 2

1959             Das Haus "Am Botanischen Garten 26" wird

                     abgerissen. Die dreiköpfige Familie zieht in

                     den ersten Stock einer Neubauwohnung in

                     die "Niehbuhrstraße 2" in Bonn um.  Das

                     Stadtviertel gilt in den frühen Nachkriegs-

                     zeiten als Szenetreff der Bonner Künstler.

                     Nur ein wenig weiter die Straße herunter

                     liegt beispielsweise das ehemalige Atelier-

                     haus des Bonner Malers Carl Nonn, der 

                    "um die Ecke herum" -in der Weberstraße -

                     eine Kneipe besaß und diese vor dem

                     Wiederaufbau vermietet hatte. Auch andere

                     Künstlerkneipen und Literatentreffs sind in dem Viertel rund um die

                     Niehbuhrstraße zu finden.         

Carl Nonns Atelierhaus

                     Man kann sich (im bescheidenen Umfang)

                     endlich wieder etwas leisten. Kunst und

                     Kultur blühen auf, was sich nicht zuletzt

                     in einem erheblich erweiterten kunstver-

                     mittelnden Kursangebot an allgemeinbil-

                     denden Schulen und in der Erwachsenen-

                     bildung (Volkshochschul-, Museums und

                     Atelierkurse) zeigt.

 

                     Heinz Brustkern nutzt als einer der ersten

                     dieses Angebot. Er belegt an der VHS Bonn

                     die Kurskombination "Malen und Zeichnen".

                    

Hans Dotterweich

                     Sein Lehrer ist Hans Dotterweich. Hans

                     Dotterweich (1920 - 1988) - ein Schüler

                     von Herm Dienz - ist ein ausgebildeter

                     Kunstpädagoge und lehrt im Hauptberuf

                     das Fach: "Kunst und Gestaltung" an ei-

                     nem Gymnasium in Waldbröhl.

                     Dotterweich hatte ein Faible für besonders

                     große Bilder, für Szenarien und Theater-

                     kulissen und so signiert er spasseshalber

                     einige seiner Werke mit "Don Juan

                     Dotterweich", was zu seiner klammheimlichen Freude in der dama-

                     ligen Kunstszene zu "Johann Dotterweich" uminterpretiert wird. Um

                     das Verwirrspiel um seinen Namen noch weiter zu treiben, zeichnet

                     Hans Dotterweich fortan alle seine Werke nur noch mit dem Alias-

                     namen: "Juan." (Auf den Punkt hinter Juan legte er Wert!)

                     Dotterweich - alias Juan. - erkennt schon bald das malerische Talent

                     seines Schülers Heinz Brustkern. Er nimmt den jungen Mann unter

                     seine Fittiche, gibt ihm privat Unterricht und vermittelt ihn an seinen

                     Freund und Malerkollegen Willy Maria Stucke.

Willy Maria Stucke

                     Stucke (1909 - 1987) ist eine sehr umtriebige

                     Persönlichkeit im Bonner Kunst- und Kultur-

                     leben. Als Vorsitzender des Bonner Künstler-

                     bunden (BKB) und der Künstlergruppe Bonn

                     verfügt Stucke über sehr gute Beziehungen

                     zu Politik und Wirtschaft. Er kennt nahezu alle

                     lokalen Politiker, Industrielle und Künstler im

                     Köln-Bonner Raum persönlich. Zusammen mit

                     Professor Lützeler initiiert er bereits unmittelbar

                     nach Kriegsende die Einführung eines freien,

                     fakultätsübergreifenden Kunst- und Kulturange-

                     bots an der Friedrich-Wilhelm-Universität Bonn.

                     Willy Maria Stucke gibt Heinz Brustkern den Rat, sich als Gasthörer

                     in einen mehrsemestriegen Malkurs im Rahmen des "Studium Gene-

                     rale" am Institut für Kunsterziehung der Universität Bonn (ehemalige

                     Pädagogische Hochschule Bonn) einzuschreiben.

Heinz Brustkern

                     Hier lernt Heinz Brustkern die verschiedenen

                     künstlerischen Darstellungsweisen und Repro-

                     duktionstechniken im Detail kennen. Heinz ab-

                     solviert den Kurs mit Bravour und nimmt an-

                     schließend weitere Privatstunden bei Dotter-

                     weich und Stucke, die gemeinsam in der

                     Beethovenstraße in Bonn einen Atelierraum

                     für ihre private Zeichenschule angemietet

                     hatten.

                     Dotterweich und Stucke führen den zurückhal-

                     tenden, eher einzelgängerischen jungen Mann

                     in die Bonner Künstlerszene ein, die sich da-

                     mals im Künstlerkeller "Zur Kerze" in der

                     Bonner Königstraße (unweit der Niehbuhrstraße) trifft. Hier lernt

                     Heinz Brustkern am wöchentlichen Künstlerstammtisch unter an-

                     derem die Maler: Franz M. Jansen (1885-1958), Joseph

                     Fassbender (1903 - 1974) und Hann Trier (1915 - 1999)

                     näher kennen. Man besucht sich gegenseitig im Kreis der Familien.

                     Viele dieser Bonner Nachkriegskünstler sehen sich mit ihren

                     Werken in der direkten Nachfolge des "Rheinischen Expressio-

                     nismus".

                     Die Rheinischen Expressionisten (Hauptvertreter neben August

                     Macke u.a. Heinrich Campendonk, Max Ernst, Franz S. Henseler,

                     Franz M. Jansen, Carlo Mense. Heinrich Nauen und Hans Thuar)

                     machten 1913 durch die "Ausstellung Rheinischer Expressionisten"

                     im Obergeschoss der Bonner Buchhandlung Cohen (später

                     Bouvier, heute Thalia) erstmals auf sich aufmerksam.

 

August Macke

                     August Macke organisierte diese inzwischen

                     legendäre Ausstellung in Bonn, womit er im

                     Titel wie auch in der künstlerischen Auffas-

                     sung einen unter Künstlern und Kunstkriti-

                     kern viel und heiß diskutierten Kontrapunkt

                     zur zeitgleichen "Dresdener Brücke" sowie

                     zum "Blauen Reiter" in München setzte.

                    (Macke war selbst auch Mitglied der Münch-

                     ner Künstlergruppe "Blauer Reiter").

 

                     Was Wunder, dass Heinz Brustkern (in dieser

                     Umgebung) seine eigenen künstlerischen An-

                     sätze ebenfalls zunächst in einer (Wieder-)Aufnahme der rheinisch-

                     expressionistischen Malweise und der diesbezüglichen Bildästhetik

                     sieht?

                     Unter Anleitung seiner Lehrer - Dotterweich und Stucke - setzt er sich

                     in der Folgezeit sehr intensiv mit dem Werk August Mackes auseinan-

                     der, studiert detailliert dessen Bild- und Motivgeometrien und ver-

                     sucht, die spezifische Farbigkeit, die auf eigentümlich einprägsame

                     Weise charakteristisch für August Mackes Gesamtwerk ist, zu analy-

                     sieren und für sich umzusetzen. 

                     Insbesondere das "Farbuniversum", das August Macke im letzten Jahr

                     vor seinem frühen Tod (1914) in Form seiner "farbigen Formen I bis

                     III" sowie der "Farbkompositionen I und II" schuf, beeindruckt ihn

                     zutiefst.

 August Macke 1913       August Macke 1913         August Macke 1913

"Farbige Formen I"        "Farbige Formen II"         "Farbige Formen III"

 August Macke 1913                                August Macke 1913

"Farbkomposition I"                                "Farbkomposition II"

                     Die analytische Beschäftigung mit dem Rheinischen Expressionismus

                   - insbesondere mit dem Werk August Mackes - beeinflusst Heinz

                     Brustkerns weiteres malerisches Werk in starkem Maße.

                     Dabei ist es weniger die Malweise der Expressionisten als vielmehr

                     die anmutungsgeladene Wirkung der "Macke-Farben" sowie die Wir-

                     kung der Farbkontraste, die ihn interessiert und der er in einer ihm

                     eigenen künstlerisch-analytischen Art nachspürt.

                     Um das Wesen des (Macke'schen) Expressionismus besser kennen-

                     zulernen, reduziert Heinz Brustkern die Bildmotive in Mackes Werken

                     auf die ihm wichtig erscheinenden Bild- und Motivgeometrien sowie

                     auf das gegeneinandergesetzte "Farbspiel" in den Werken.

Macke-Zyklus

                     Im Rahmen seines Macke-Zyklus entstehen eine Vielzahl farbana-

                     lytisch-abstrakter Werke, die in unterscheidlichen Malmittelarten

                    (Aquarell-, Tempera-, Kasein-, Acryl- und Ölfarben) auf diversen

                     Bildträgern (Tapetenrückseiten, Zeichen- und Malpapiere, Malpappen,

                     Hartfaserplatten und Leinwänden) gemalt, immer wieder neue

                     Aspekte des "Macke'schen Farbuniversums" aufgreifen.

       

linke und mittlere Reihe:                                    rechte Reihe:

Bildvorlagen von August Macke                    Geometrie- und Farbanalyse

(zur Verdeutlichung sind hier alle Werke              von Heinz Brustkern

 fast größen- und formatgleich dargestellt)          (abstrakt, ohne Motivbezug)

August Macke: Tunisreise

                     Insbesondere die Farbigkeit der Aqua-

                     rellserie aus Mackes "Tunisreise" ver-

                     innerlicht Heinz Brustkern so sehr, dass

                     er sich Mitte der 70-er Jahre veran-

                     lasst sieht, ähnliche Reisen nach Ma-

                     rokko und Tunesien zu unternehmen,

                     nur um das Erlebnis dieser "shpäri-

                     schen Farbigkeit in eigenen Aquarellen

                     und Bildern umzusetzen und damit in

                     gewisser Weise auch wieder "loszu-

                     werden". Seine frühen Arbeiten, die

                     als "Reiseaquarelle" noch ganz dem

                     Macke-Stil verbunden sind, wandeln

                     sich mit der Zeit.

Heinz Brustkern: Tunisreise

                      Heinz Brustkern malte seine

                     "Reiseaquarelle" überwie-

                      gend nach Motivskizzen, die

                      er in den 60-er und 70-er

                      Jahren von seinen Urlaubs-

                      reisen mitbrachte. Neben

                      Marokko und Tunesien be-

                      reiste er - zusammen mit

                      seiner Frau - Ober-und Mittel-

                      italien, Südfrankreich, Jugos-

                      lawien und die deutsche

                      Nordseeküste.

                      Hier hatte es ihm vor allem

                      die nord- und westfriesischen Inseln mit ihren besonderen Licht-

                      verhältnissen, die "opulenten" Sonnenuntergänge und vor allem

                      die unvergleichlichen, meist von Wind und Wellengang geprägten

                      Wetterphänomene über dem Meer angetan. 

Heinz Brustkern: Dorf in den Dünen (Friesische Inseln)

                     In den späten 70-er Jahren verändern sich Heinz Brustkerns Aqua-

                     relle zunehmend. Die Farben werden kräftiger, die Konturen kontrast-

                     reicher. Die zuvor flächenorientierte Darstellung geht mehr und mehr

                     in eine linien- bzw. strichorientierte Darstellung über. Seine Reise-

                     aquarelle aus Dubrovnik und dem Montenegro markieren deutlich

                     einen Wendepunkt in seinem Schaffen. Heinz Brustkerns Arbeiten

                     lösen sich nun zusehend aus der Gegenständlichkeit, die Farbe 

                     gewinnt als Anmutungsträger eine neue Qualität.

                     Heinz Brustkern: Stadtansichten von Dubrovnik

                      Heinz Brustkern findet seinen Weg zur Abstraktion über das Gestal-

                      tungsmittel Farbe. Was in seinen Geometrie- und Farbanalysen (des

                      Macke'schen Farbuniversums) bereits angelegt ist, verdichtet sich zu

                      einem persönlichen Credo:

                      Das Wesen eines Gegenstandes (oder einer Motivszene) lässt sich

                      nicht durch seine naturgetreue Abblildung, nicht durch die Doku-

                      mentation seiner äußerlichen Verfassung, sondern nur durch seine

                      Wirkung, seinen psychischen "Eindruck" (auf den Betrachter)

                      wiedergeben.

                      Farbe ist dabei der stärkste, weil emotionalste Wirkungsträger. Farbe

                      besitzt - stärker noch als Gestalt und Form - eine eigene Ausdrucks-

                      qualität, die direkter und unmittelbarer wirkt, als die physische

                      Form:

                                        "Psyche geht vor Physe!"

 

                      Besonders deutlich wird Heinz Brustkerns Credo in seinen Aquarell-

                      studien zur wetterabhängigen Farbstimmung am Meer:

 

Heinz Brustkern: Sonnenuntergang im Wellenspiel

                     Wie gut Heinz Brustkern mit der Anmutungsqualität von Farben "zu

                     spielen" weiß, lässt sich auch anhand einiger Aquarellstudien bele-

                     gen, die er zunächst ohne jeglichen Motivvorsatz gemalt hat und die

                     dennoch - ganz ungegenständlich - das Wesen blühender Blumen

                     ganz elementar - nur durch das "Setzen von Farbe" charakterisieren.

                     Auf ausgedehnten Kunst- und Kulturreisen, die Heinz Brustkern mit

                     seiner Frau Marlies in den Folgejahren unternimmt, lernt er die Werke

                     bedeutender Nachkriegskünstler vor Ort in Museen und Ausstel-

                     lungen u.a. in New York, Paris, Venedig sowie zur Dokumenta in

                     Kassel kennen.

                     Die Werke inspirieren ihn. Er beschäftigt sich mit den Künstlern, ihren

                     Ideen und Kunstauffassungen. Häufig stellt er eigene Versuche an,

                     die den (Farb-)Stil seiner Vorbilder aufnehmen. Später übermalt er

                     diese Bilder (mit wenigen Ausnahmen) aber wieder.

                     Er begegnet dem "Pariser" Kubismus von Pablo Picasso, George

                     Braque, Juan Gris und Robert Delaunay, dem "russischen" Konstruk-

                     tivismus von Wassily Kandisky und Kasimir Malewitsch, dem

                   "amerikanischen" Neo-Expressionismus eines Jackson Pollock und

                     Marc Tobey, dem "europäischen" Dada in den Werken von Max Ernst

                     und Hans Arp sowie der Farbzonen- und Tachismus-Malerei von Marc

                     Rothko und Sam Francis.                

ab 1975         Zeit der Suche und der malerischen Orientierung

                     Das alles prägt ihn und gibt ihm eine vage Vorstellung

                     davon, in welche Richtung sich seine eigene Malerei weiter-

                     entwickeln könnte.

 

                     Heinz Brustkerns malerische Prägungen:

Pablo Picasso
George Braque
Juan Gris
Robert Delaunay
Wassilij Kandinsky
Kasimir Malewitsch
Jackson Pollock
Marc Tobey
Max Ernst
Hans Arp
Marc Rothko
Sam Francis

                     Heinz Brustkern löst sich Mitte der 70-er Jahren aus der "engen

                     Umarmung Mackes" (wie er es selbst ausdrückte). Er beginnt unter

                     dem stilistischen Einfluß der "großen Nachkriegsmaler" (s.o.) mit dem

                     Ausdrucksmittel Farbe zu experimentieren. Aus dieser Zeit sind ver-

                     hältnismäßig wenige Bilder heute noch vorhanden. Die wenigen zei-

                     gen aber deutlich Heinz Brustkerns konsequentes Bemühen, die Geo-

                     metrieen und Farbstile der Nachkriegsmaler zu analysieren, zu ver-

                     arbeiten und für sich zu "subsummieren". 

Heinz Brustkern: Zeit der Suche und der malerischen Orientierung - Werkadaptionen

Werkreihe Farbstrichgrafiken

                     In der Folgezeit entsteht eine eigenständige Reihe von Farbstrich-

                     grafiken, die - ohne jeglichen Motivvorsatzes und bar jeder Gegen-

                     ständlichkeit - ausschließlich die Farbwirkung im Voreinander, Neben-

                     einander und Übereinander von Strichen thematisiert und somit letzt-

                     endlich die reine Ästhetik und Harmonie von "Farbe" erkundet:

Heinz Brustkern: Serie der Farbstrichgrafiken

                     Die Eindrücke und Erfahrungen, die Heinz Brustkern aus seinen Farb-

                     experimenten zieht, lässt er bewußt sehr langsam "sacken", um sie

                     auf diese Weise "bis auf ihre Essenz einzudampfen".

                     Tatsächlich ist kaum ein Werk von Heinz Brustkern "in situ", also un-

                     mittelbar vor Ort - quasi im physischen Anblick einer Farbharmonie

                     entstanden!

                     Er ist der festen Überzeugung, dass nur nachhaltig überdachte und

                     verarbeitete Eindrücke Eingang in ein künstlerisches Oevre finden

                     dürfen.

                     Anders als die von ihm geschätzten Expressionisten sollen seine

                     Werke "eben nicht aus dem Moment heraus" entstehen und somit

                     Gefahr laufen, flüchtig und oberflächlich zu sein. Insbesondere in

                     seinem bildnerischen Werk bemüht er sich, nur nachhaltig überdachte

                     oder zur ästhetischen Eigenerfahrung  verdichtete künstlerische

                     Lösungen zu entwickeln.

                     Dieser Drang ist so groß, dass Heinz Brustkern mit allen seinen

                     Werken regelmäßig "in Revision geht" und diese - soweit sie ihm in

                     seinem ästhetischen Empfinden noch nicht "gefestigt" genug erschei-

                     nen - in seinem Atelier aussortiert und komplett übermalt!

                     Zwei Maler sind ihm besonders wesensnah. Sie sind ihm - Zeit seines

                     Lebens - Wegweiser und Inspiratoren in einem:

Ernst Wilhelm Nay

                     Ernst Wilhelm Nay geb.  11.06.1902 Berlin

                                                    gest. 08.04.1986 Köln

                     Deutscher Maler mit internationalem Rang

                     und weitgehend paralleler Werkentwicklung

                     zu Heinz Brustkern (vom gegenstandsbezo-

                     genen Expressionismus zur abstrakten Poly-

                     phonie von Form und Farbe). Nay wird we-

                     gen seiner starken Farbklänge und Farb-

                     kontraste dem "deutschen Informell" zuge-

                     rechnet. Nay lebte und arbeitete seit 1951

                     bis zu seinem Tod in Köln. Er ist auch als

                     Dozent und Farb-Theoretiker: "Vom Gestalt-

                     wert der Farbe" (1955) bedeutsam.

Erst Wilhelm Nay
Serge Poliakoff

                     Serge Poliakoff  geb.  08.01.1906 Moskau

                                                gest. 13.10.1969 Paris

                     Serge Poliakoff zählt zu den bedeutensten

                     Vertretern der abstrakten Malerei und gleich-

                     zeitig zu den "großen Farbmystikern", die

                     sich in den späten 30-er Jahren in Paris zu-

                     sammengefunden haben. Spätestens seit

                     seiner Teilnahme an der Bienale in Vendig

                     und der Dokumenta II und III in Kassel

                     sind seine Werke zum kulturellen "Allge-

                     meingut" geworden.

Serge Poliakoff: Schwebende Formen

                     Heinz Brustkern erahnt, dass eine Lösung, mit der er als Maler die

                     verschiedenen künstlerischen Ansätze zu einem neuen Ganzen ver-

                     binden kann, aus einer individuellen "Kombination" von klarer Farbe

                     (Faktor 1) und klarer abstrakter Fläche (Faktor 2) bestehen muss.

Serge Poliakoff: Schwebende Formen

                     Der Besuch der Ausstellung

                     "Serge Poliakoff" vom 24.03

                     bis 10.04. 1964 in den

                     Städtischen Kunstsamm-

                     lungen Bonn leitet Heinz

                     Brustkerns Hinwendung zur

                     Abstraktion als eigenes sinn-

                     lich erlebbares Gestaltungs-

                     ziel ein. Poliakoffs Werke

                     sprechen Heinz Brustkern

                     ganz direkt und unmittelbar

                     an. Er spürt, dass diese

                     Werke "in sich völlig stimmig sind". Das künstlerische Credo Serge

                     Poliakoffs macht sich Heinz auch selbst zu eigen: "(Äußerliches)

                     Weglassen heißt (Innerliches) Zufügen! Was ich suche, ist die

                     Reinheit in der Farbe, denn Farbe ist ein ganz eigenes Universum

                     mit ganz eigenen Gesetzen".

Ernst Wilhelm Nay: "Verwandlung" (1950)

                     1950 malt Ernst Wilhelm

                     Nay mit dem nebenstehen-

                     den Bild ein Schlüsselwerk

                     der "Modernen Malerei" und

                     beeinflusst damit eine gan-

                     ze Generation deutscher

                     Nachkriegskünstler, die

                     dem abstrakten Expres-

                     sionismus, auch als "Infor-

                     mell" bezeichnet, zuzu-

                     rechnen sind. Auch Heinz

                     Brustkern unterliegt der

                     Faszination dieses Werkes. Er spürt, dass jedes Detail in diesem

                     Bild einfach "stimmig" ist. Jede Linie, jede Farbe, Form und Fläche

                     kann und muss nach seinem Empfinden nur so und nicht anders

                     gestaltet sein.

                  Es reizt ihn ungemein, gleichartig stimmige Bilder zu schaffen.

                     Heinz Brustkerns Adaptionsprozess startet damit, dass er die Ge-

                     staltungsstile seiner Vorbilder nachempfindet, um sich dann in einer

                     zweiten Phase in einem Prozess von Übermalungen wieder soweit

                     von ihnen zu lösen, bis nur das "Verbindende und Essenzielle" übrig-

                     bleibt. Seine früheren Studien zur expressionistisch-sphärischen

                     Farbigkeit und zur Bild- und Motivgeometrie in August Mackes Werk

                     helfen ihm dabei, das "Verbindende und Essenzielle" zu erkennen und

                     dementsprechend herauszuabeiten.

                     Ende der 70-er Jahre fokussiert sich Heinz Brustkerns Bildwelt zu-

                     nehmend auf eine Art "individualisierter Farbflächenmalerei". Eine

                     Vielzahl von abstrakten Ölgemälden - mal im Stile Nays, mal im Stile

                     Polikoffs gemalt - entstehen als separate Werkreihen parallel

                     zueinander.

                     Und obwohl die beiden Werkreihen zunächst sehr unterschiedlich

                     erscheinen, gibt es doch eine starke Verbindung zwischen ihnen.

                     Alle gemalten Farbflächen sind in Form, Farbe und Verteilung klar und

                     einfach, vor allem aber "in sich stimmig".

Nay-Zyklus

Heinz Brustkern: Auswahl aus seiner "Nay-Werkreihe"

Poliakoff-Zyklus

Heinz Brustkern: Auswahl aus seiner "Poliakoff-Werkreihe"

                     Heinz Brustkern hält Zeit seines Lebens alle seine Werke akribisch

                     zusammen. Obwohl mehrfach von seinen Lehrern (und Galeristen)

                     dazu gedrängt, verweigert er sich als "eingefleischter" künstlerischer

                     Einzelgänger komplett dem neu aufkeimenden Nachkriegs-"Kunst-

                     betrieb".

                     Er leht die ihm von Hans Dotterweich und Willy Maria Stucke angetra-

                     gene Mitgliedschaft - beide wollen für ihn bürgen - in der Künstler-

                     gruppe Bonn sowie jegliche Beteiligung an Ausstellungen und

                     Galerieveranstaltungen kategorisch ab. 

                     Dem Druck des "Kunstproduzieren-Müssens", dem einige seiner Be-

                     kannten und Freunde aus der Künstlerkneipe "Die Kerze" aus nahe-

                     liegenden familiären und finanziellen Gründen ausgesetzt sind, will er

                     sich auf keinen Fall unterwerfen.

 

                     Nein, der "Kunstbetrieb" ist nicht seine Sache !

                    

                     Dies mag einerseits daran gelegen haben, dass er als Betriebs-

                     kostenrechner kaum echte Chancen für sich und seine Familie sah,

                     mit dem Verkauf seiner Werke ein vergleichbar gesichertes Ein-

                     kommen wie in der Industrie zu erzielen. Zum anderen mag ihm als

                     abschreckendes Beispiel ein Künstlerkollege aus seinem näheren

                     Bekanntenkreis vor Augen gestanden haben, der "auf Teufel heraus

                     Kunst produzieren musste" und "alles, aber auch wirklich alles - egal

                     ob gut oder schlecht" - an seinen Galeristen vertragskonform abzu-

                     liefern hatte.

                     (Anmerkung des Autors: Wahrscheinlich ist damit Joseph Fassbender

                     gemeint, der damals von der Galerie: "Der Spiegel" in Köln vertreten

                     wurde. Siehe Künstlerprofil: Joseph Fassbender)

                     Stichwort: Künstlerische Freiheit


                     Heinz Brustkern wollte frei bleiben, frei - seine Bilder zu jeder Zeit

                     nach eigenem Gusto überarbeiten und ändern zu können.

                     Nur wenige seiner Kasein-, Öl- und Acrylbilder betrachtete Heinz als

                     wirklich vollendet und fertiggestellt.

                     Er nimmt sich die Freiheit, einen Großteil seiner Werke im Jahres-,

                     manchmal auch im Mehrjahresrhythmus - erneut herauszuholen, um

                     sie nach längerem - teilweise mehrwöchigem Betrachten vollständig 

                     zu übermalen. Tatsächlich hat Heinz Brustkern den größten Teil

                     seiner frühen Werke nachweislich sechs- bis siebenmal komplett

                     übermalt, so dass aus der frühen Nachkriegszeit eigentlich nur

                     Aquarelle und einige grafische Übungsarbeiten in ursprünglicher

                     Fassung und somit unverändert überliefert sind. 

 

                     Alle anderen Werke sind - bis auf wenige Ausnahmen - erst mit ihrer

                     endgültigen Fertigstellung - und somit erheblich später signiert und

                     datiert worden.

                     Bei den wenigen Ausnahmen sind frühere Signierungen erkennbar

                    "ummalt" worden, woraus zu entnehmen ist, dass Heinz diese

                     Arbeiten eigentlich schon zu einem früheren Zeitpunkt als vollendet

                     ansah, sich dann aber entschloss, die Arbeiten nach einer weiteren

                     Revision doch noch einmal final zu überarbeiten.

1996/97       In Heinz Brustkern festigt sich die Überzeugung, dass er nunmehr

                     künstlerisch "auf dem richtigen Weg zu einer eigenen Handschrift"

                     sei. Er hat sich über die Jahre hinweg einen gesicherten eigenen

                     Form- und Farbkanon für die Aneinanderreihung, Überlagerung und

                     Kontrastierung von Farbflächen erarbeitet und dabei seinen eigenen

                     Gestaltungsstil gefunden.

                     Zwei Gemälde, die er um das Mileniumjahr 2000 herum gemalt hat,

                     markieren einen gewissen Höhepunkt seiner künstlerischen Arbeit.

                     Fast programmatisch hängen sie an der Stirnseite seines Ateliers und

                     zeugen dort - inmitten seines umfangreichen bildnerischen Lebens-

                     werkes - von einer unverkennbar eigenen künstlerischen Hand-

                     schrift:

 

                     Eben der Handschrift von Heinz Brustkern!

Heinz Brustkern: "Atelierbild I + II"

                     Zu seinen ureigensten künstlerischen Überlegungen und Überzeu-

                     gungen hat sich Heinz Brustkern zu Lebzeiten nie in der Öffentlich-

                     keit und im privaten Kreis leider nur sehr selten geäußert.

                     Er war und blieb künstlerisch ein Einzelgänger.

                     Das macht es im Nachherein so außerordentlich schwierig, seinem

                     malerischen - wie sicher auch seinem literarischen -  Werk in allen

                     Nuancen gerecht zu werden.

 

Am 8. November 2008 hat Heinz Brustkern friedlich und ohne zu leiden diese Welt verlassen. Er wurde auf dem Kottenforst-Friedhof in Bonn-Ückesdorf beigesetzt.

 

Heinz Brustkern: Dorffriedhof

Dorffriedhof

 

Der Ahnen Gräber

bewegen mich kaum,

räumt die Grabsteine ab

und macht Platz für Andere.

Als ich das sagte,

wußte ich nicht,

was ich mir vorenthielt.

Ich hatte die Rechnung

ohne den Wirt gemacht.

Von einem Tag auf den anderen

fühlte ich mich plötzlich allein.

Die Bilder vergangener Tage

holten mich ein.

Dorfleben in mir erwachte,

entrücktes Gemeinschaftsgefühl.

Die da beieinanderlagen

hatte der Tod verschwistert.

Rings war das Hügelland

als Wellen des Lebens.

Im Zickzack der Fluren

übte ich mein eigenes

Requium ein.

 

Heinz Brustkern

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