Emil Zuppke II (1895 - 1980)

Nachtrag: Wirken als Kirchenkünstler

Emil Zuppke wurde am 3. August 1895 in Stockach am Bodensee geboren und in einem gutbürgerlichen, mittel-ständisch geprägten Elternhaus in römisch-katholischen Glauben erzogen. Er ist der älteste Spross der Familie, hat (später) mehrere Geschwister und wächst zunächst in

Stockach in einem engen, verwandschaftlich aber durchaus weitverzweigten Umfeld auf. Landwirte, Lehrer, Priester, Komunalbeamte und einige gewählte Würdenträger (Bürgermeister), zählen - wie die "Leiber-Chronik" aus-

weist, zur Familie der Mutter.  Sein Vater Emil Zuppke - ein preussischer Steuerinspektor war - wohl der Liebe wegen - nach Stockach zugezogen.

Die grundlegenden individuellen, sozial- und gesellschaftsethischen Werteprägungen erhielt der kleine Emil überwiegend von seiner Mutter Amalie Zuppke, einer warm-herzigen tiefreligösen Frau, die aus der angesehenen, in Stockach und Umgebung schon über Jahrhunderte ansässigen Familie Leiber stammte.  Sie war es auch, die schon früh in ihrem Sohn den Drang nach kreativer Gestaltung und Ausdruck weckte und später sein sich zunehmend entwickelndes darstellendes Talent förderte. Bei aller mütterlichen Liebe blieb sie aber stets bodenständig und realitätsbezogen.

Pfarrkirche St. Oswald, vor-mals St Marien in Stockach

Ihr kleiner Sohn sollte zwar empfindsam, aber keinesfalls überkandidelt und zu weichlich für das wahre Leben sein. Sie legte Wert auf eine gewisse Eigen-ständigkeit und persönliche Unabhängigkeit ihres Sohnes. Gesellschaftliches Ansehen und Prestige, gepaart mit christlichem Glauben, Hilfsbereitschaft und Anstand waren Leitlinien, die sie als Mutter in ihrer Familie realisiert sehen wollte.

Ihr Sohn wird kurz nach der Geburt in der barocken katholischen Pfarrkirche Sankt Marien in Stockach auf den Namen Emil August Erwin Zuppke getauft. Die Kirche wurde 1932/33 abgerissen. An ihrer Stelle errichtete man die neue Pfarrkirche Sankt Oswald mit ihrem markanten Zwiebelturm. Um die Jahrhundertwende zieht die Familie - bedingt durch eine berufliche Versetzung des Vaters in das Steueramt nach Siegburg -  in die Rheinprovinz (= "Rheinpreussen" von 1822 bis 1945) um.

Emil Zuppke wird 1901 in einer der drei katholischen Volksschulen Siegburgs einge- schult. Hier erhält er auch den Unterricht zu seiner "1. heiligen Kommunion". 1905 /06 wechselt er in das konfessionsgebundene altsprachliche "Gymnasium an der Zeithstraße" über. Dieses Gymnasium wurde 1620 als "Lateinschule" von den Benediktinern der Sankt Michaels-Abtei auf dem Michelsberg in Siegburg gegründet. Seit 1980 trägt es den Namen "Städtisches Anno Gymnasium Siegburg", benannt nach dem Heiligen Sankt Anno, dessen Gebeine in einem Schrein auf dem Michels-berg aufbewahrt werden. Im "Anno" unterrichtete später auch Emil Zuppkes erstge-borene Tochter Dietlind als Studienrätin.

Über die schulischen Leistungen des Gymnasiasten Emil Zuppke ist wenig bekannt. Laut Aussagen seiner Töchter Dietlind und Uta muss er aber ein durchaus aufge-

schossener und guter Schüler gewesen sein, der "offen und neugierig" auf die sich damals ankündigenden gravierenden Veränderungen in der Politik (1. Weltkrieg, Militarisierung, Abdankung des Kaisers), in der Gesellschaft (Arbeiterbewegung, Klassenkämpfe, Inflation, Verarmung) und in der Kultur (aufkommende "Moderne") reagierte.  Nachweislich hatte Emil Zuppke schon als Schüler mehrfach die epochalen Kunstausstellungen im näheren Umfeld Siegburgs wie die "Sonderbundausstellung" 1912 in Köln und die "Ausstellung Rheinischer Expressionisten" 1913 in Bonn besucht. Er war zutiefst beeindruckt von dem, was er sah. Beeindruckt vor allem von der Freiheit der Künstler, revolutionär Neues zu denken. Beeindruckt aber auch von der Möglichkeit, kreativ zu werden und für sich selbst neue stilistische Umsetzungen in der Wiedergabe realer Umwelt zu generieren. Die Möglichkeit, Bildthemen durch interpretatorische Auslegungen seiner eigenen Gedankenwelt zu gestalten, fasziniert ihn. Letztendlich hat ihn diese Faszination dazu bewegt, ernsthaft einer künstlerischen Tätigkeit näher zu treten.

Es waren seine Eltern, die ihm dazu rieten und darauf drängten, keinem idealisiertem "Wolkenkuckucksheim" nachzujagen, sondern statt dessen einen gesicherten Beruf mit Renten- respektive Pensionsansprüchen anzustreben, idealerweise also Lehrer zu werden. Emil akzeptierte den Wunsch der Eltern. Aber wenn er schon Lehrer werden sollte, dann eben ein Kunstlehrer-, ein Kunstpädagoge.

Letztendlich ist es heute kaum noch bestimmbar, woher Emil Zuppke sein schon in

der Gymnasialzeit angelegtes Faible zu künstlerisch-ästhetischen Gestaltung bezog.

Da schwelte etwas unter der Oberfläche. Er zeichnete viel, analysierte die herkömmlich-zeitgenössischen Kunststile und und erprobte sich in der freien Umsetzung und Verarbeitung von Bildthemen, die ihm in Bildbänden und Werkausstellungen berühmter und international anerkannter Künstler auffielen. Sicherlich zählte der französische Impressionismus, der Futurismus sowie die zunehmend konstruktiv-abstrakten Bildwelten der russischen Avangarde - aber auch der 1913 sich erstmals in der öffentlichen Wahrnehmung konstituierende "Rheinische Expressionismus" der Köln-Bonner Gruppe um August Macke zu seinen wesentlichen Beeinflussungen.

Zu seinem bevorzugten künstlerischen Darstellungsverfahren - dem Linolschnitt - fand Emil Zuppke erst, nachdem er nach Beendigung des 1. Weltkrieges verwundet aus einem Lazarett in Frankreich nach Hause entlassen worden war. Seine allerersten eigenen Linolschnittwerke datieren aus dem Jahr 1918. Sie basieren im wesentlichen auf Scherenschnitten und druckgrafischen Werken, die Emil Zuppke in Zeitschriften und Magazinen - zum Teil auch in Gebetsbüchern und religiös-kirchlicher Literatur fand.

persönliche Freundschaften und Prägungen

Einschneidende Bedeutung hatte für ihn die Begegnung mit Melchior Grossek, mit dem sich Emil Zuppke in der Folgezeit auch persönlich anfreundet.

Melchior Grossek wurde am 6. Januar 1889 in Bralin in Schlesien, nahe der polnischen Grenze als ältestes von fünf Geschwistern geboren. Er ist damit knapp 6 Jahre älter als Emil Zuppke. Sein Vater war ein einfacher Landwirt, der - mehr schlecht als recht - einen eigenen kleinen Hof in Bralin bewirtschaftete.

Melchior Grossek studiert - mit einem Stipendium der katholischen Kirche versehen-  nach seinem Abitur im Hauptfach katholische Theologie an der Universität in Breslau. Daneben absolviert er - im Nebenfach - ein Kunststudium bei dem Landschaftsmaler Prof. Heinrich Tübke (1876 - 1951) an der Kunstakademie in Breslau. 1913 wird Melchior Grossek zum Priester geweiht und ist bis 1920 als Kaplan in Berlin tätig. 1920 läßt er sich beurlauben, um seine künstlerische Befähigung weiter auszubauen. Bis 1922 ist er als priesterlicher Weiter- und Fortbildungsgast im Priesterseminar in St. Johannes in München, anschließend in Aachen und schließlich im Collegium Albertinum in Bonn, das noch heute zum erzbischöflichen Ordinariat von Köln gehört, gemeldet.

Melchior Grossek arbeitet hauptsächlich an seinem umfangreichen Werkzyklus: "Totentanz", mit dem er den Tod von zwei seiner Brüder verarbeitet. Alois und

Georg Grossek sind beide im ersten Weltkrieg gefallen. Daneben schreibt Melchior Grossek religiöse Beiträge für den örtlichen Rundfunk/Landfunk, dem er - ebenso

wie dem Film - eine zunehmende Bedeutung als Verbreitungsmedium des katholischen Glaubens sowie eines christlich-ethischen Alltagsverhaltens zuschreibt.

Städtisches Museum "Villa Obernier" Im Krieg durch Bombadierung zerstört. Coverfoto des gleichnamigen Buches ISBN-Nr 3-929607-16-6 S

Am 10.Juli 1921 findet im städtischen Museum Villa Obernier in Bonn unter dem Titel 

"Kunst und Wissen" eine Ausstellung statt, zu der der Berliner Kaplan Melchior Grossek eingeladen ist. Er stellt dort seine damals noch nicht komplett fertiggestellte Werkreihe "Totentanz" aus. In der Vorankündigung der Ausstellung wird der Künstler als "Meister des Scherenschnittes" bezeichnet. Anders als die damals üblichen Scherenschnitte, die bis dahin thematisch eher dem häuslich-dekorativem Bereich zugeordnet werden, sind die Werke

von Melchior Grossek eine höchst eindrucks-volle Kombination aus Scherenschnitt und Druckgrafik. Seine Bilder schockieren, da sie in der Regel die Brutalität eines anonymen Krieges ungefiltert darstellen. Bei ihm ist Kunst weder schön noch ästhetisch, sondern eher "aufrührerisch-abstossend" und "widerlich" (Pressezitat).

 

Emil Zuppke ist von der dargestellten Thematik der brutalen Entmenschlichung,  Verrohung und Entwürdigung der Menschheit im und durch den Krieg zutiefst faszi-niert. Als gläubiger Christ sieht er in den Greuel des Kriegsgeschehens das Wirken des "Antichristen", des Satans und Teufels repräsentiert. Der Tod, personifiziert

durch ein in jedem Bild erscheinendes menschliches Skelett, ist böse, hinterhältig, zerstörend, unzüchtig und verführend. Emil Zuppke wird in Grosseks "Totentanz-Ausstellung" von 1921 erstmals mit einer Anwendung der Scherenschnitttechnik konfrontiert, die durch ihre kontrastbezogene Linienführung direkt und einprägsam die "Personifizierung des Perfiden" auszudrücken vermag. Emil Zuppke spricht Melchior Grossek auf der Ausstellung an. Sie lernen sich kennen, diskutieren miteinander und stellen schnell fest, dass sie in künstlerischer Hinsicht ähnliche Ansichten besitzen. Es ist ihre gemeinsame christlich-soziale Grundauffassung, vor allem aber die Ablehnung jeglicher totalitären und politischen Gewalt, die beide verbindet und eint.

Melchior Grossek: "Totentanz des Weltkriegs"

Künstlermappe mit 15 Tafeln, Scherenschnittgrafiken, veröffentlicht 1923

Melchior Grossek: Scherenschnitt-Grafiken aus "Totentanz des Weltkrieges":

links (von oben nach unten)                rechts:

"Das Lied des Todes"                         "Edelwild"

"Verschüttet"                                     "Kampfpause"

"Auf der Wacht I"                               "Auf der Wacht II"

"Der Meldereiter"                               "Fliegerjagd"

(Zur Vergrößerung bitte auf die Abbildungen klicken)

Melchior Grossek: "Der Zeppelin" , farbig hinterlegter Scherenschnitt (1920)

Nach dem Ende der Ausstellung "Kunst und Wissen" erwirbt Emil Zuppke ein typisches Werke aus der Scherenschnitt-Serie "Totentanz" von Melchior Grossek.

Melchior Grossek: "Blutrausch" im Besitz von Emil Zuppke (Original Scherenschnitt-Grafik 1921)

Unter dem Eindruck des "Blutrausch"-

Scherenschnittes von Melchior Grossek fertigt Emil Zuppke Ende 1923 den nebenstehenden Linolschnitt  "Der Trommler" im Format 16 x 9 cm (h x b)

an. Es ist dies einer von insgesamt

sechs "Original-Handdruck"-Abzügen,

die Emil Zuppke in der Regel selbst von seinen Linolschnitt-Vorlagen zog, um deren Ausführung und Wirkung zu beurteilen. Weitere Abzüge sind nicht bekannt. Der Druckstock befindet sich

aktuell (noch) im Familienbesitz.

 

Dargestellt ist der Tod, ikonografisch durch ein aufrecht schreitendes Ge-

rippe symbolisiert, das sich trommelnd vor einem waffenstrotzenden Heer seinen Weg über die Schädel der Feinde

bahnt.

 

Die ikonografisch-gestalterische Nähe der beiden Arbeiten von Melchior Grossek ("Blutrausch") und Emil Zuppke "Der Trommler" ist unverkennbar.

 

Nach und nach vertieft sich die Bekanntschaft der beiden jungen Künstler und geht schließlich in Freundschaft über. Sie besuchen einander. Emil Zuppke hat Melchior Grossek (wohl) des öfteren im Bonner Collegium Albertinum besucht, wo dieser in einer der Stuben für Priesteramtskandidaten in seiner Bonner Zeit als Gast unter-gebracht war.

Sie tauschen sich vor allem in Hinblick auf ihre bevorzugten künstlerischen Techniken aus - Melchior Grossek bevorzugte die Scherenschnitttechnik - Emil Zuppke den Linol- und Holzschnitt. Was die beiden Techniken miteinander verbindet, ist die starke, ausschließlich auf Konturkontraste aufbaufbauende grafische Wirkung. Insofern ist es verständlich, dass sich beide Künstler unter gegenseitiger Anleitung darin versuchen, selbst ebenfalls die korrespondierende Technik des jeweils anderen auszuprobieren und für sich weiterzuentwickeln.

Melchior Grossek:  Sankt Franziskus                     Emil Zuppke: Sankt Franziskus 

                                 Sonnengesang                                                Sonnengesang

In seinen frühen Linolschnittwerken zeigt Emil Zuppke noch  beschaulich-natürliche Landschaftsmotive, Wolken, Bäume, Wegmarken (in freier Landschaft), Häuser und Dorfansichten:

Auswahl früher Linolschnitt-Arbeiten von Emil Zuppke

Das ändert sich unter dem nachhaltig-starken Eindruck der "Totentanz"-Werke

von Melchior Grossek relativ schnell. Bei Emil Zuppke, der sich mit dem Totentanz-Zyklus  seines Freundes in dessen Bonner Ausstellung intensiv auseinandersetzt, löst dies eine thematische Abkehr von seinem bis dahin bevorzugten Landschaftssujets aus. Der Mensch als Individualperson rückt statt dessen zunehmend in seinen Fokus. In aller Regel werden die abgebildeten Personen durch ihr spezifisches bildliches Umfeld charakterisiert. Das bildliche Umfeld verweist ikonografisch auf typische situationsspezifische Verhaltensweisen, auf gesellschaftliche Stellung, auf Ansehen und Image der dargestellten Person(en).

Emil Zuppkes Linolschnitte werden in der Folgezeit durch gezielt eingesetzte ikonografische Elemente gesellschaftlich "engagierter". Erste durchaus proletarisch- sozialkritische Aspekte bindet er in seine Arbeiten ein  (Zur Vergrößerung bitte auf

die Abbildungen klicken).

Abb. links:                      Abb. mitte:                    Abb. rechts:

Der (nackte) Arbeiter        Der (hungernde) Prolet,  Die (alleingelassene) Frau

vor rauchenden Schloten   krank und frierend         vor anonymer Großstadtkulisse

Im Vorfeld einer geplanten neuen Scherenschnittmappe, die Melchior Grossek (in vollständiger Abgrenzung zum "Totentanz"-Zyklus) "Das Leben" nennen will, stimmt er sich mit Emil Zuppke bezüglich der Thematiken seiner neuen Werke kollegial ab. Das geht soweit, dass Melchior Grossek und Emil Zuppke als Künstler und zutiefst gläubige Katholiken versuchen, gemeinsam eine thematische Bildfolge zum Leben Jesu Christi  "Das Leben" zu erstellen und diese zur Basis zukünftig eigener Bildwerke zu machen. Dies leitet bei Emil Zuppke eine allmähliche Hinwendung zu

christlichen Themen in seinen Werken ein. Tatsächlich veröffentlicht Melchior Grossek 1923 - wie angekündigt - in einem Leipziger Kunstverlag seine neue Mappe mit Druckabzügen seiner neuen Scherenschnitte.  Diese umfasst insgesamt 33 Einzelblätter:

Auffällig ist, dass in der Folgezeit auch Emil Zuppke nahezu alle diese neutesta-mentarische Thematiken in seinen Linolschnitten aufnimmt, diese aber nicht als komplette Serie, sondern als (lockere) Einzelmotive in seinem eigenen unverwechselbaren Darstellungsstil ausführt. Seine Werke entstehen, bedingt durch seinen Einsatz als Aushilfsschullehrer in Lannesdorf, über einen längeren Zeitraum. Er sammelt die Werke und legt sie, zusammen mit anderen Motivgruppen, in diversen, vorübergehend angelegten Sammelmappen, Schubern und Alben ab. Gelegentlich stellt Emil Zuppke ausgewählte Abzüge seiner Werke in meist selbst-gebundener Heftform zusammen und schenkt diese seiner Frau.

Emil Zuppke hat seine Werke nur in seltenen Fällen selbst betitelt - erst seine Tochter Dietlind listet später alle (verfügbaren) Linolschnitte Ihres Vaters übergreifend in Form eines Werkverzeichnisses auf und betitelt sie nach den (vermuteten) Inhalten.

Emil Zuppke: Auswahl von Linolschnittarbeiten mit christlicher Ikonografie

Ende 1922 endet die private Auszeit, die sich Melchior Grossek zur Vervollständigung seiner künstlerischen Ausbildung genommen hat. Er reist von Bonn nach Berlin zurück, wo er zunächst explizit mit der Seelsorge von gesellschaftlichen "Sonder-gruppen" (Behinderte, Taubstumme, Strafgefangene und (!) Künstler) betraut wird.

Melchior Grossek: "Franziskus" Original-Scherenschnitt im Eigentum von Emil Zuppke

Anfang 1924 wird er dann zum Pfarrer der Sankt Franziskus Gemeinde in Berlin-Friedrichshagen er-

nannt. Melchior Grossek identifiziert sich mit dem "franziskanischen Geist", verfasst Theaterstücke und Hörspiele über das Leben des heiligen Franz von Assisi und wird innerhalb seiner Gemeinde schon bald als der "kleine Franziskus aus der Mark" bezeichnet. In der Folgezeit wird das Friedrichs-hagener Pfarrhaus so etwas wie ein geistliches Zentrum für zahlreiche persönliche Gäste, für Künstler, Geistliche, christlich-sozialengagierte und kritische Intellektuelle. Vorbild bleibt stets der heilige Franziskus. 1938 übernimmt Melchior Grossek die Pfarrei der heiligen Familie in Berlin-Lichterfelde.

Das "Überleben" der Gemeinde gestaltet sich in der nationalsozialistischen Zeit ziem-lich schwierig, zumal Melchior Grossek mit seiner radikal-pazifistischen Antikriegs-Einstellung häufiger aneckt. Seine Kirche wird im März 1945 schwer getroffen und komplett zerstört. 1954 übernimmt Melchior Grossek das Amt des Diözesanpräses der Katholischen Arbeiterbewegung im Bistum Berlin. Unter anderem organisiert er ein breitgefächertes Bildungsseminarprogramm für seine Schutzbefohlenen und beschickt diverse Kunstausstellungen in Pfarrhäusern und Kirchen mit eigenen Arbeiten zum Thema "Gestaltetes Evangelium". 1964 tritt er in den Ruhestand und verstirbt am 9. Juli 1967 in Berlin-Lichterfelde. Emil Zuppke war und blieb ihm als Freund, Inspirator und prägender Künstlerkollege vor allem in der gemeinsamen Zeit zwischen 1920 und 1922 besonders verbunden.

Im Freundeskreis der Pfarrer

Mietwohnung in der Hohenzollernstraße 20 im Villen-viertel von Bonn-Bad Godesberg (heutige Ansicht)

Das Lehrerehepaar Emil und nna Maria Zuppke bezieht Anfang

der 30-er Jahre mit seinen bei-

den Töchtern Dietlind und Uta eine großräumige Mietwohnung im Erdgeschoss des Hauses Hohenzollernstraße 20 in Bonn-Bad Godesberg. In Verlängerung des seitlichen Eingangs kam man zum damaligen Zeitpunkt in einen Hof mit angrenzendem begrünten Garten, der in den Sommer-monaten regelmäßig als Treff-punkt für Freunde, Verwandte, Nachbarn, Lehrer- und Künstler-kollegen sowie für Geistliche, Musiker und andere "Kulturschaffende" aus dem näheren und weiterem Umfeld der "Zuppkes" diente. Bereits 1924 trat Emil Zuppke dem neugegründeten "Ring Godesberger Künstler"(RGK) bei. Es gehörte zum guten Ton, dass man sich in RGK-Künstlerkreis gegenseitig einlud, die anstehenden Ausstellungsthemen besprach und die geplanten eigenen künstlerischen Beiträge zu den Ausstellungen vorstellte und diskutierte. Gäste waren unter anderem die Godesberger Künstler: Alfred Karl Müller, Toni Wolter, Louis Zierke, Alexander Fischel, Magda Felicitas Auer, Walther Rath, Carl Bettin, Heinrich Pützhofen-Esthers, Johan Adrian von Voorthuysen und Carl von Ackeren.

Auch in den Wintermonaten war bei den "Zuppkes" stets was los. Das Lehrerehepaar führte ein "gastfreundliches offen-zwangloses Haus". Beide waren sehr belesen und allem Neuen - sofern es nicht ihren christlichen Grundüberzeugungen wiedersprach - aufgeschlossen. Der Freundeskreis um die Zuppkes erweiterte sich bald. Neben den Lehrer- und den Künstlerkollegen aus dem Ring Godesberger Künstler (s.o.) waren zunehmend auch Pfarrer und Geistliche aus den umliegenden Kirchengemeinden bei den Zuppkes zu Gast.

Als engagierte Lehrer entwickelten Emil und Anna Maria Zuppke einen "Riecher" für gesellschaftliche Zeitströmungen und thematisierten dies - durchaus unterhaltsam - in ihrem Freundeskreis.  Sie musizierten und konnten - wenn nötig - jederzeit "aus dem Stegreif heraus" Hauskonzerte geben. Tatsächlich war Emil Zuppke nicht nur ein ausgezeichneter Kunstpädagoge sondern auch ein hervorragender Klaviervirtuose, der sich gerne an sein Klavier setzte und nahezu jegliche Melodie - je nach Stimmung seiner Zuhörer - frei improvisieren und variieren konnte.

Als Kunstpädagoge und einfühlsamer Kunstvermittler war er bei seinen Schülern überaus beliebt. Nicht selten kamen Schüler "auf einen Nachmittag" zu Ihnen zu Besuch, um in freiwilligen schulischen Arbeitsgemeinschaften den Kunstunterricht fortzusetzen und durch praktische Arbeiten zu ergänzen. So wurden u.a. Theater-kulissen (für Schattenspiele nach Literaturvorlagen im Deutschunterricht), dramaturgisch aufgeladene Fensterbilder (als themenspezifische Schuldekorationen) und die obligatorischen vorweihnachtlichen Ausstattungen für Sankt-Martins- und Weihnachtsfeiern entworfen und gefertigt. Eine dieser Schüler-Arbeitsgemeischaften, so erinnerte sich die Tochter Uta Zuppke - fertigte einmal unter Anleitung ihres Vaters einen kompletten Satz relativ großer Krippenfiguren aus Gips - "sehr frei, sehr expressionistisch und sehr gewöhnungsbedürftig" - an. 

Msgr Arnold Zimmermann (1902 -1985), Pfarrer an St. Engelbert in Leverkusen -Pattscheid

"Eigentlich war bei uns zuhause immer was los". 

Kaum erwarten konnte Uta Zuppke die Ankunft von "Onkel Arnold", wenn dieser mit wehendem Vollbart und Motorrad um die Ecke in den Hof einbog. Onkel Arnold Zimmermann war Utas Patenonkel - seines Zeichens Pfarrer in Leverkusen-Pattscheid und solange sich Uta erinnern konnte, stets ein guter, vertrauter Freund und geistlicher Wegbegleiter ihrer Eltern. Er brachte den Kindern stets ganz besondere Bücher mit. Kinderbücher, die man sonst nirgendwo

erwerben konnte.  Bei den Mitgliedern seiner Ge-meinde in Leverkusen-Pattscheid war der mit dem päpstlichen Ehrentitel Monsignore (Msgr) ausge-

zeichnete katholische Priester allgemein unter dem Spitznamen "Pfarrer Rauschebart" bekannt. Jeder-mann kannte den umtriebigen Geistlichen, der - wie in einer späteren Laudatio beschrieben wurde -  "für seine Gemeinde brannte". 56 Jahre lang - von 1929 bis 1985 betreute Arnold Zimmermann generationenübergreifend seine Gemeinde.

Pfarrkirche St. Engelbert, seit 1993 unter Denkmalschutz

Unter der Äegide von "Onkel Arnold" wurde 1928/29 das katholische Gotteshaus St. Engelbert von dem bekannten Kirchenarchitekten Bernhard Rotterdam geplant und erbaut. Die asymmetrische Kirche galt Anfang der 30-er Jahre als bespielhaft für einen zeitgenössisch-modernen Architekturstil im Kirchenbau. In den Folgejahren verwirklichte Msgr. Arnold Zimmermann als auftraggebender Bauherr - zusammen mit seinem Freund Bernhard Rotterdam als bauausführenden Architekten - weitere moderne Kirchenbauten im näheren Umfeld: Die Kirche St. Heinrich (1936-1946) sowie die Kirche der Heiligen 3 Könige in Bergisch Neukirchen (1961-1982).

Msgr. Arnold Zimmermann nahm mehrfach "seinen" Architekten Bernhard Rotterdam mit zu den Diskussionsrunden bei den Zuppkes. 

Architekt Bernhard Rotterdam (1893-1974)

Bernhard Rotterdam wurde am 08.02.1893 als

ältestes von 12 Geschwistern des Bauunternehmers Heinrich Rotterdam in Langenfeld-Immigrath geboren. Er studierte Architektur in Köln und wechselte als Meisterschüler in die Architekturklasse von Emil Fahrenkamp an der Kunstakademie Düsseldorf. Als Architekt plante und erbaute er zwischen 1924 und 1973 über 50 Kirchen und Sakralbauten im Rheinland und im rheinisch-bergischen Kreis. Als Praktiker hatte er großen Einfluss auf seine Kollegen. Er gewann  zahlreicher Ausschreibungen und Architekturpreise. Bernhard Rotterdam gilt heute als einer der wegweisenden architektonischen "Neuausrichter" des rheinisch-katholischen Kirchenbaus. Er verstarb am 07.10.1974 in Bensberg. Dort befand sich auch sein ausführende Baubüro - die "Rotterdam Hochbau GmbH".

Gesellschaft für Christliche Kunst e.V.

Bereits 1893 wurde in München die "Deutsche Gesellschaft für christliche Kunst " als überregionale, gemeinnützige und unabhängige Kultureinrichtung in der Rechtsform eines eingetragenen Vereins (eV.) gegründet. Die Gesellschaft war ökumenisch ausgerichtet und förderte satzungsgemäß den "Dialog zwischen Kunst und Kirche durch einen kreativen Gedankenaustausch zwischen Künstlern, Theologen, Philosphen und Kunstfreunden". Die Idee einer solchen Kommunikationsplattform war auch im Rheinland stets präsent gewesen, wurde dort aber nicht überregional und überkonfessionell, sondern in aller Regel lokal und im vorherrschenden römisch-katholischen Glaubensverbund als "lockere" Zusammenkunft an christlicher Kunst interessierter Personen realisiert. In aller Regel fanden sich hier "kunstaffine" Menschen zusammen, die sich einen Überblick über die aktuellen Strömungen im Kirchenbau (Architekturstile der Moderne, Einrichtungen und Ausstattungen) ver-schaffen wollten. Häufig griff man dabei auf die jährlichen Veröffentlichungen und Ausstellungskataloge der "Deutschen Gesellschaft für christliche Kunst" in München zurück, wo man - einmalig in Deutschland - ein eigenes Forschungs- und Museumszentrum für (moderne) christliche (Bau-)Kunst bis heute unterhält. Dort hatte man in einer Ausstellungsmonographie schon früh auf die aufsehenerregenden

und stark gewöhnungsbedürftigen, expressionistischen Kirchenarchitekturentwürfe von Dominikus Böhm hingewiesen, die natürlich auch bei den Gästen der Zuppkes

lebhaft und kontrovers diskutiert wurden. Dominikus Böhm war - so erinnert sich Uta Zuppke - als gerngesehener Gast häufiger bei den Zusammenkünften dabei.

Nach und nach wurden die informellen Zusammenkünften und Diskussionsrunden bei den Zuppkes zu einer Art "Bonner Dependance" der Gesellschaft für christliche Kunst.

Professor Dominikus Böhm (1880-1955)

Dominikus Böhm wurde am 23.10.1880 als jüngstes von 6 Kindern des Baumeisters Alois Böhm in Jettingen geboren. Er absolviert zunächst eine praktische Lehre im Baubereich, studierte anschlies-

send Architektur und findet in schwieriger Zeit schnell eine Anstellung in einem Kölner Baubüro. 1926 wird er zum Professor für Sakrale Kunst an der Werk-kunstschule Köln ernannt. Er kreiert eine "liturgie-orientierte", den Altar in den Mittelpunkt der Gemein-de stellende Kirchenarchitektur" und ist damit Vorden-ker für eine stärkere aktive Einbindung und Beteili-gung der Gläubigen in ihren Kirchen. Letztendlich nimmt seine Liturgieorientierung die Ergebnisse des späteren zweiten vatikanischen Konzils vorweg. Stilistisch zählt Professor Dominikus Böhm auch international zu den bedeutendsten Kirchenarchitekten seiner Zeit. Als dem expressionistischen Stil zuzugerechnender Architekt wird er während des 3. Reiches massiv angefeindet. Er begründet daraufhin den Stil der Neuen Sachlichkeit im Kirchenbau und propagiert eine schnökellose, auf das funktional und liturgisch Wesentliche konzentrierte Gestaltung für neue, "zeitlos-moderne" Gotteshäuser. Nach dem 2. Weltkrieg kümmert sich das "Baubüro Böhm" um den Wiederaufbau und die Neuerrichtung der zahlreichen zerstörten Kirchen im Rheinland. Dominikus Böhm verstand sich aber nicht nur als klassischer Architekt. Konsequent weitete er seine künstlerischen Ambitionen aus. So betätigt er sich unter anderem auch als kreativer Glasmaler und "Lichtgestalter". In der "Gestaltung des Lichts" sah er stets eine der anspruchvollsten Herausforderungen für einen gute Architekten. Dominikus Böhm verstirbt - vielgeehrt - am 06.08.1955 in Köln.

1925 - ein Jahr nach seinem Beitritt zu der neugegründeten Künstlergruppe "Ring Godesberger Künstler" (RGK) tritt Emil Zuppke auch dem Bonner "Wolframbund" bei. Dieser gründete sich anfänglich als katholischer Buchclub, der in Konkurrenz zu den damals aus den Boden schießenden, überwiegend politisch motivierten akade-

mischen und proletarischen "Lesekreisen", ein christlich-moralisches Gegengewicht zu der eher antichristlich und teilweise auch betont anarchistisch-nihilistischen Grund-stimmung nach der Niederlage im 1. Weltkrieg und den anschließenden schweren Zeiten der wirtschaftlichen Depression bilden wollte.

Wie viele Gläubige Katholiken ihrer Zeit sympathisierte Emil Zuppke mit dem Wolframbund, da er in ihm die ethischen Werte der römisch-katholischen Kirche repräsentiert und als rheinischer Katholizismus auch in breitere Bevölkerungs-schichten getragen sah. Für die Redaktion eines halbmonatlich erscheinenden

Journals, das vom Bonner Wolframbund zusammen mit der katholischen deutschen Arbeiter-Internationale herausgegeben wurde, fertigte Emil Zuppke regelmäßig themenadäquate Linolschnitte zur Artikelillustration an. Dies brachte ihm den Ruf eines modernen Kirchenkünstlers ein.

Der Wolframbund verstand sich im intellektuellen Sinne primär als literarisch-pilosophische "Denkvermittlungsinstitution". Daneben widmete sich der Wolframbund auch der Vermittlung bildender Kunst, vor allem natürlich der christlichen Kirchenkunst mit ihrer langen Tradition. Man organisierte eigene Kunstausstellungen, Führungen, Seminare und Diskussionsrunden zu Fragen der Auslegung eines zeitgemäß christlichen Kunstverständnisses.

Nach und nach wurde der Wolframbund ein Sammelbecken für "Kirchenkünstler". Diese setzten sich damit von den überwiegend profan arbeitenden Künstlerkollegen ab und standen in gewisser Weise auch in einer besonderen Obhut und einer besonderen (wirtschaftlichen) Fürsorgepflicht der Kirchenorganisationen.

Eine besondere "Vermittlerrolle" zwischen den Kirchenkünstlern und deren Auftrag- gebern in Bonn nahm Dr. Bernard Custodis ein, der als Pfarrer von 1910-1951 die Gemeinde der St. Elisabethkirche in der Bonner Südstadt leitete.

Pfarrkirche St. Elisabeth, Bonn

In seiner Ägide wurde der Bau der "neo-romanischen" Elisabethkirche als "Filialkirche der Bonner Münster Basilika" mit Raum für rund 2200 Gläubige von dem Mainzer Architekten Ludwig Becker geplant und gebaut. Nach der Grundsteinlegung 1906, der Rohbaufertigstellung 1908 und der ersten "Inbetriebnahme" 19010, erfolgte die Ernennung zur Pfarrkirche und schließlich die Kirchweihe im Jahr 1912. Offiziell verantwortete der beauftragte Architekt Ludwig Becker die Ausgestaltung des gesamten Kircheninnenraumes. Allerdings erwirkten Pfarrer Custodis und sein Kirchenvorstand ein vertraglich vereintes Mitspracherecht an der Auswahl der Künstler für die Innenraumgestaltung der Elisabethkirche. Der Architekt Ludwig Becker vergab vornehmlich Aufträge zur Ausstattung der Kirche an renommierte Künstler aus dem Rheinischen Raum: Alexander Iven, Bildhauer aus Köln (1854-1934) sowie Anton Mormann, Bildhauer aus Wiedenbrück (1851-1940).

Pfarrer Dr. Bernard Custodis

Pfarrer Dr. Bernard Custodis war seinerseits Mitglied der Gesellschaft für christliche Kunst in München und bevorzugte daher Maler und Bildhauer, die über diese Münchner Gesellschaft als moderne, zeitgenössische Künstler eingeführt und entsprechen renommiert waren. So beauftragte er über Ludwig Becker den Holz- und Steinbildhauer Georg Busch aus München (1862-1943) sowie die Gebrüder Schiestl - Heinrich Schiestl, Bildhauer aus Würzburg (1864 - 1940) und Matthäus Schiestl, Maler und Grafiker aus Würzburg (1869 - 1939) mit der Ausgestaltung der Elisabethkirche. Auch deren gemeinsamer Lehrling, Hans Faulhaber (1883 - ca. 1950) erhielt über Ludwig Becker Aufträge von Pfarrer Custodis. Alle benannten Künstler waren persönliche Mitglieder in der Gesellschaft für christliche Kunst in München und im Gesprächs- und Freundeskreis der Zuppkes mit ihren wesentlichen Werken detailliert bekannt. Zur Zeit ist nicht belegt, ob die Künstler seinerzeit von Dr. Bernard Custodis auch persönlich bei den Zuppkes vorgestellt wurden.

Hintergrund:

Die Namenspatronin der großen Bonner Südstadt-Kirche - die heilige Elisabeth von Thüringen - war offiziell am Hofe des Landgrafens von Thüringen erzogen worden, der sich zur damaligen Zeit als Förderer der Dichter und Minnesänger des Hoch-mittelalters profiliert hatte. Unter anderem lebte sowohl Walther von der Vogelweide als auch Wolfram von Eschenbach eine Zeitlang am thüringischen Hof der heiligen Elisabeth. Vielleicht läßt sich daraus auch die besondere Affinität des Pfarrers Dr. Bernard Custodis für den Bonner Wolframbund erklären. Es steht zu vermuten, dass Custodis der "Spiritus rector" (= lenkender Geist) hinter dem Bonner Wolframbund war. (Dies ist allerdings aktuell noch nicht bewiesen).

Nachweislich richtete der Bonner Wolframbund auf Anregung von Pfarrer Bernard Custodis vom 19.11. bis 04.12.1925 eine Austellung mit dem Titel: "Kunst und Wissen 1925" aus. Dr. Bernard Custodis stellte dafür den Kapitelsaal seiner Pfarrkirche zur Verfügung. Laut Einladungsschreiben des Wolframbundes habe man versucht, "jene zeitgenössischen Künstler zu finden, die Wesentliches und Schöpferisches zur modernen religiösen Kunst im Rheinland zu sagen haben und den Ausstellungsbesuchern somit einen Überblick über die wichtigsten Strömungen und künstlerischen Tendenzen in der aktuellen Kirchenkunst geben könnten".

Zu dieser Ausstellung war auch Emil Zuppke explizit geladen.

Als Teilnehmer der Ausstellung lud Emil Zuppke und seine Frau Anna Maria Zuppke im Vorfeld der Veranstaltung seinerseits alle Mitaussteller in den inzwischen etablierten informellen Gesprächskreis der "Bonner Dependance" der Gesellschaft für christliche Kunst e.V zu sich nach Hause ein. Ziel war es, die jeweiligen Beiträge der Mitaussteller sowie die damit verbundenen Gedanken und Absichten kennenzulernen. Neben den Künstlern waren auch die befreundeten Pfarrer und Priester geladen. Ein illustrer Kreis fand sich zusammen. Die Zusammen-künfte bei den Zuppkes dienten neben dem persönlichen Kennenlernen primär der künstlerischen Orientierung. Emil Zuppke war zu sehr Lehrer, Künstler - vor allem aber Kunstpädagoge, um die Gelegenheit verstreichen zu lassen, neue Ideen und

Ansätze zur künstlerischen Gestaltung im modernen christlichen Kirchenbau zu eruieren. Uta Zuppke - die Tochter von Emil Zuppke - erinnerte sich namentlich an folgenden Gästekreis:

Eingeladene Geistliche:

Dr. Bernhard Custodis

Arnold Zimmermann

Hugo Lindmann

Eingeladene (Kirchen-)Architekten:

Dominikus Böhm

Bernhard Rotterdam

Jakob Stumpf

Peter Rieck

Eingeladene Künstler:

Jan (Johan) Thorn Prikker (1862-1932)

Anton Wendling (1891-1965)

Heinrich Nauen (1880-1940)

Heinrich Maria Dieckmann (1890-1963)

Peter Hecker (1884-1971)

Josef Strater (1899-?)

Willy von Beckenrath (1868-1936)

 

(Kurzportraits der Kirchenkünstler siehe Kapitel: Emil Zuppke I / Abschnitt: Der Wolframbund / Ausstellung Kunst und Wissen 1925)

Wegen der Adventszeit und der Vorbereitungen des Weihnachtsfestes stand man allerdings unter Zeitdruck, so das nicht alle Mitaussteller der Einladung folgen konnten.

Leider ist Emil Zuppkes Tagebuch aus dieser Zeit "verschütt gegangen" und nicht mehr auffindbar. Auch seine damals privat erstellten Dokumentationsfotos von den

Exponaten der Ausstellung "Kunst und Wissen 1925" sind  - bis auf wenige Exem-

plare - beim späteren Umzug der Familie Zuppke in das neuerworbene Haus in der Godesberger Kronprinzenstraße 35 - knapp 350 m Luftlinie von der Hohenzollernstraße 20 entfernt - abhanden gekommen.  

Emil und Anna Maria Zuppke waren zeitlebens gläubige Kirchgänger und engagierten sich von Anfang an in ihrer Pfarrgemeinde, der katholischen Herz-Jesu-Kirche im Godesberger Villenviertel. Ab 1904 war die Kirche an der heutigen Beethovenallee geplant und gebaut worden. 1914 wurde sie unter dem Pfarrer Hugo Liedmann zur autonomen Pfarrkirche erhoben. In der Folgezeit begleitete Emil Zuppke und seine Frau sachkundig den Umbau sowie den weiteren Ausbau ihrer Pfarrkirche unter den Architekten Jakob Stumpf und Peter Rieck

Emil Zuppke: Die Kreuzigungsszene

Emil Zuppke: "Ehe", Linolschnitt (1927)

Schon mit der regelmäßigen Veröffentlichung seiner frühen Linolschnitte in den Zeitschriften "Jungland" und "Werkjugend" des 1890 in Köln gegründeten Katholischen Volksvereins e.V. erwarb sich Emil Zuppke den Ruf, ein veritabler "Kirchen-künstler" zu sein. Der Volksverein war ursprünglich ein ge-meinnütziger, katholisch-christlicher Verein gegen die "prole-tarische" Arbeitslosigkeit. Er unterhielt verschiedene spenden-gestützte "Sozialstationen", um die Not der Arbeitslosen im Rheinland zu lindern. In den frühen 20-er Jahren wurde der Volksverein-Verlag zum Sprachrohr und Publikationsorgan

der "Katholischen Arbeiter-Internationale". Emil Zuppke sympathisisierte mit dieser Bewegung. Die Zeitschriften-redaktionen des Volksverein-Verlages forderten gerne zur Illustration ihrer durchaus gesellschaftskritischen Artikel thematisch passende Linolschnitte von Emil Zuppke an, die allesamt auf hintergründigen, aber zeitgemäß "aufgeladenen" christlichen Motiven beruhten. (Siehe Übersicht Linolschnitte). Nach und nach wurden seine Werke auch einer breiteren (katholischen) Öffentlichkeit bekannt, zumal einzelne seiner Linol-schnittmotive auch als würdevolle "Sterbebilder" zur Einlage in katholische Mess-bücher sowie im katholischen Schulkathechismus dienten.

Insbesondere das Motiv der Kreuzigung Jesus Christi beschäftigte den Künstler zeitlebens. In unzähligen Zeichnungen und Skizzen näherte er sich mehr und mehr einem für ihn typischen finalen Kreuzigungs-Szenario, das er dann im Laufe seines Lebens in unterschiedlichen Stilen und Farbvarianten immer wieder neu bearbeitete und umsetzte.

Emil Zuppke: ohne Titel ("Die letzte Nacht / Tod Jesu Christi am Kreuz"), Öl auf Harfaserplatte, hier: schwarz-blaue Fassung (1/4)

Emil Zuppke: Kreuzigungsszene in verschiedenenen Stilen und Farbfassungen

                       (Farbstift- u. Tuschezeichnungen, Aquarelle, Öl etc.)

Emil Zuppke: ohne Titel ("Tod am Kreuz / Die Trauerversammlung") Aquarell, 1962

Emil Zuppke: Magie der Gesichtszüge

Als Kunstpädagoge und Kirchenkünstler war es Emil Zuppke durchaus bewußt, dass jegliche künstlerische Abbildung biblicher Gestalten einen prägenden Eindruck bei den Gläubigen hinterläßt, der für die aktuelle wie auch die spätere Erkennung der jeweils abgebildeten Personen ausschlaggebend ist. In diesem Sinne gibt es in Kirchen und Gotteshäusern geradezu "archetypisch-ausgeprägte" Gesichtszüge bespielsweise für Gottvater, die Propheten, Maria und Josef, die Jünger und Weg-begleiter/innen von Jesus, wie natürlich auch für ihn selbst. Allen diesen Personen-darstellungen ist in der Regel eine gewisse Stille, Selbstversunkenheit und Melan-cholie in den Gesichtszügen zu eigen. Doch wie läßt sich "stilles Leiden" auf die jeweils aktuell neuen Kunststile - auf den Expressionismus, auf die Abstraktion, auf die neue Sachlichkeit etc. übertragen? Eine Frage, die Emil Zuppke sehr bewegt.

Nach und nach versucht der Künstler, eigene stilangepaßte archetypische Gesichts-züge mit der Darstellung stillen Leidens in Skizzen, Aquarellen und Ölgemälden festzuhalten.

Emil Zuppke: ohne Titel ("Das Weltengericht"), Aquarell, undatiert

Emil Zuppke: Auswahl von Zeichnungen und Aquarellstudien zur "Magie der Gesichtszüge"

                       biblischer Gestalten

Emil Zuppke: ohne Titel ("Geheimnisvolles Russland"), Aquarell mit Stiladaptionen an die Bildchiffren traditioneller russischer Kunst, signiert und datiert 1946

Emil Zuppke: Entwürfe für Laternen, Leuchten, Kirchenfenster                        und Glasmalerei

Als ausgebildeter Kunstlehrer und Kunstpädagoge hat Emil Zuppke von seinen Schülern zum Sankt-Martinsumzug in Lannesdorf und später auch im Godesberger Villenviertel regelmäßig Papierlaternen bauen lassen. Er nahm diesen urrheinischen Brauch gerne auf, gab er ihm doch die Gelegenheit, im Kunstunterricht einerseits auf die Wirkung und die physikalische Gesetze der Optik von Lichtfarben und anderer-seits auf die statischen Besonderheiten der Stegverbindungen im Lampinionbau einzugehen. Nicht wenige seiner Schüler nahmen auch gerne sein Angebot wahr,

im Rahmen einer Kunst-Arbeitsgemeinschaft nachmittags an ihren Laternen weiter-zuarbeiten. Emil Zuppke verknüpfte dies gerne mit nachmittäglichen Besuchen in umliegenden Kirchen, um dort den engen Zusammenhang der "Lichtgestaltung" zwischen Kirchenfenstern sowie der "Motivwahl" im Lampinion-Bau zum aktuellen St.-Martinsumzug näher zu erläutern.  

Emil Zuppke: Seitenansicht einer Papierlaterne mit "Maria und Josef"- Zentralmotiv

In Emil Zuppkes Schuber und Sammelmappen sind viele farbige Aquarellentwürfe zu finden, die sich aufgrund der ausgeprägten Farbfeldabgrenzungen (nach entsprechender Überarbeitung) als Kirchenfenster umsetzen lassen. Tatsächlich hat der Künstler auch einige dieser Motive bis zur Produktionsreife weiterentwickelt. Nachweislich stand er mit mehreren Kunstglasereien im Köln-Bonner Raum in Kontakt, um die Realisationsmöglichkeiten prüfen zu lassen. 

Emil Zuppke: "Dreiteiliges Kirchenfenster" Dieser Entwurf wurde 1924 auf der Ausstellung "Kunst und Wissen" im Kapitelsaal der Bonner Elisabeth-Kirche gezeigt. Leider ist  ein Foto der entspre-chenden farbigen Produktionsvorlage nicht mehr vorhanden. Laut Hörensagen wurde das drei-teilige Kirchenfenster in einer Pfarrkirche im Vorgebirge (möglicherweise in Brenig zwischen Köln und Bonn) realisiert. Unbestätigten Berichten zufolge wurde es gegen Ende des 2. Weltkrieges durch Artilleriebeschuss zerstört und (leider) nicht mehr wieder hergestellt.

Emil Zuppke: Weihnachtskarten

Emil Zuppke hat es sich nicht nehmen lassen, für Verwandte, Freunde, Lehrerkolle-gen und Bekannte jedes Jahr individuell eigenerstellte Weihnachtskarten zu zeichnen und zu kolorieren. Im Laufe der Jahre entstanden so einige Hunderte von kleinen Künstlerunikaten, die in der Adventszeit postalisch verschickt wurden. In aller Regel hat Emil Zuppke die Weihnachtskarten mit seinem Kürzel "EZ" signiert. Außer Rest-exemplaren und postalischen Rückläufern sind leider nur wenige davon erhalten geblieben.

Emil Zuppke: Auswahl individuell erstellter Weihnachtskarten (hier nur wenige Restexemplare)

Emil Zuppke: Weihnachtskarte "Im Stall von Bethlehem" (um 1952)

Emil Zuppke: Entwürfe für Andachtsräume

In Emil Zuppkes Sammelmappen finden sich gelegentliche freie Aquarellentwürfe,

die auf eine gewisse Weise "verinnerlichte Räumlichkeiten" im Empfinden des Künstlers darstellen. Das Empfinden der "Gottesnähe" ist bei Emil Zuppke mit dem

Gefühl einer spirituellen räumlichen Nähe verbunden, das in der Regel durch die Architektur und die Lichtsetzung des Innenraumes einer Kirche, bzw. eines Gottes(-wohn-)hauses ausgelöst wird. Als bildender "Kirchenkünstler" versuchte Emil Zuppke (natürlich), solche emotional ansprechende Innenräume zu kreieren. Dabei setzte er weniger auf architektonische Lösungen, als vielmehr auf die Wirkung und Intention von Farben und Farbkontrasten.

Emil Zuppke: "Im Inneren des Doms"              Emil Zuppke: "Tor zur Seele"

Emil Zuppke: Ikonographische Malerei

Als gläubiger Christ, Lehrer und Kunstpädagoge hatte Emil Zuppke zeitlebens ein ganz besonderes Empfinden für Stimmungen und Bedeutungen, die unter der konkret sichtbaren Oberfläche der ihn umgebenden Umwelt das Leben des Menschen beeinflussen und mitbestimmen. Natürlich war Emil Zuppke mit der christliche Ikonographie und damit mit der Bedeutung von Chiffren sowie den tradierten Bild- und Textsymbolen der christlichen Heilsgeschichte bestens vertraut. Als bildender Künstler "spielte" er mit solchen Chiffren und Symbolen und baute sie - teilweise versteckt und verschlüsselt - in seine Werke ein. Viele seiner Werke erhalten

dadurch eine für außenstehende Betrachter häufig nur langsam erschließbare Tiefe und zusätzliche Bedeutungsdimension.

Emil Zuppke: ohne Titel ("Lauf des Lebens") Aquarellentwurf (um 1950);  konstruktive Farbfeld-malerei - ein Fischer bewegt auf einem Fluß seinen Nachen unter einer Brücke an einer Stadt vorbei - Verwendung mehrerer christlich-ikonograpfhischer Bildelemente, so u.a. die Maske als Sinnbild für bedrohliche Naturgewalten, die Fische als christliches Symbol für Nahrung und (koscheres) unbelastetes Essen. die Brücke als Chiffre für die Verbindung von zwei Orten und

als Symbol für Kommunikation und Handel und schließlich die Kirche als zentrales Gotteshaus

und als Zeichen eines gottgefälligen Lebens. Auch dem Nachen und dem Segelboot liegt eine

versteckte Symbolik zugrunde, die an die aus dem altägyptischen Kultur tradierten Vorstellung 

der nach nächtlicher Fahrt stets wiederkehrenden Sonne und der wasserabhängigen Fruchtbarkeit von Böden und Ackerland entlang des Flusses angelehnt ist.

Emil Zuppke: Beispiele für das "kreative Spiel" mit christlichen Chiffren und Symbolen

oben links:  "Dirigierende Hände"                     oben rechts: "Tristesse" (nachdenkliche Clowns)

mitte links:  "Warten auf Rückkehr"                  mitte rechts: "behütetes Leben"

unten links: "Neuorientierung"                          unten rechts: "Mahnung der Toten"

Emil Zuppke: ohne Titel ("Rettende Engel weisen einen Fluchtweg aus der brennenden Stadt"); Aquarellierte Filzstift-Skizze auf Papier; undatiert