Em Oelieden 1875 - 1934

Em(il) Oelieden

Em Oelieden zählt heute zur "vergessenen Bonner Maler-

generation". Sein Leben war überaus bewegt, von vielen

Reisen und längeren Studienaufenthalten an den unter-

schiedlichsten Orten geprägt. Im Grunde war und blieb er

ständig auf Wanderschaft. Vor Ort in Bonn hat er - mit

Unterbrechungen - in Summe maximal 10 Jahre zugebracht.

Als 33-jähriger, junger Mann kam er (auf Freiersfüßen)

erstmals nach Bonn, respektive nach Remagen. Nach

seiner Heirat mit Helene Carpaciola verließ er Bonn

aber wieder, um mit dem Ausbruch des ersten Weltkrieges

1914 "halsüberkopf" aus Flandern, wo er zwischzeitlich

ein Haus gekauft hatte, wieder zurückzukehren.

Albert Küppers brachte ihn zwischenzeitlich im Atelier

seines Sohnes im heute denkmalgeschützen "Wachhäuschen" des Poppelsdorfer Schlosses unter (siehe Biografie Otto Küppers). Auch dieser Bonn-Besuch blieb ein kurzes Intermezzo. Erst Jahre später - etwa um 1930 herum - sollte Em Oelieden auf Anraten seiner Freunde in Bonn sesshaft werden. Seine Bonner Freunde vermittelten ihm verschiedene (Aushilfs-)Arbeiten als Kunstlehrer und Kunstberater, verwalteten "sein" Geld und besorgten ihm einen kleinen Kredit bei der Stadt Bonn, damit er sich am Rochusweg in Bonn-Dottendorf ein Häuschen bauen konnte. Wirtschaftlich war und blieb Em Oelieden jedoch ohne Fortune. Er war bitterarm, verkaufte trotz Ausstellungserfolgen nur ganz wenige Bilder und lebte mit seiner vielköpfigen Familie "von der Hand im Mund". Obwohl man für ihn und seine Familie einen Anspruch auf Wohlfahrts-Unterstützung bei der Stadt Bonn erstritten hatte, holte er "sein" Geld - wohl aus Stolz - nicht ab. Die Situation wurde auch nach Hitlers Machtergreifung nicht besser. Zwar wurde Em Oelieden als einer von fünf Bonner Künstlern im April 1933 in den "Bonner Fünferausschuß der Bildenden Künste" gewählt, dem die Aufgabe oblag, dem neuen nationalsozialistischen Bonner Oberbürgermeister Ludwig Rickert und seinem Kulturbeauftragten Dr. Hirtz in allen von der Stadt in Auftrag gegebenen oder geförderten künstlerischen Angelegenheiten beratend zur Seite zu stehen. Doch wurde dieser Ausschuß nach knapp einem halben Jahr wieder aufgelöst. Ein Antrag auf Aufnahme von Em Oelieden in die Reichskammer der bildenden Künste wurde nie gestellt, und so kam er auch gar nicht erst in den Genuß einer öffentlichen Kunstförderung. 1933/34 verkaufte er kein einziges Bild. Am 20. Oktober 1934 stolperte Em Oelieden in Bonn über einen lockeren Hydrantendeckel, stürzte zu Boden und verstarb im Alter von 59 Jahren an seinen Verletzungen. Sein Haus wurde im Krieg durch eine Fliegerbombe zerstört. Große Teile seines Nachlasses konnten aus dem Schutt gerettet werden und wurden später durch seine Tocher Beatrice Oelieden der Stadt Bonn vermacht.

Zwei seiner drei Sohne sind im Krieg gefallen.

Em Oelieden bei der Arbeit

Aus kunsthistorischer Sicht wird Em Oelieden heute eine Entwicklung vom Realismus über den Impressionismus zum Expressionismus und aus diesem heraus zu einem "verhaltenen" Kubismus zugeschrieben. Auch wenn er nie persönlichen Kontakt zu August Macke und dessen Umfeld hatte und erst eine Doppelausstellung "Oelieden - Macke" 1928 im Kölner Kustverein auf Oeliedens "geistige" Verwandtschaft zum "Rheinischen Expressionismus" aufmerksam machte, wird er in Bonn doch gerne als "Rheinischer Expressionist" oder vielmehr als "Post-Expressionist" vereinnahmt. Allerdings muss darauf hingewiesen werden, dass Em Oelieden mit einiger Berechtigung auch als "flämischer Expressionist",  - maßgeblich geprägt duch seine längeren Wohnaufenthalte in Antwerpen und Brügge und seinen dortigen Freundeskreis - gelten kann. Kunstgeschichtlich bedeutsam sind sicherlich auch seine Experimente mit Metallstiften, vor allem Echtblei-, Kupfer-, Gold- und Siberstifte, deren Material- und Zeichentechnik er aus dem 16. Jahr- hundert übernahm und weiterentwickelte.

Daten zur Person

1875    Em Oelieden wird als Emil Oelieden in Lobberich (an der niederländischen

            Grenze) geboren.

1878    Vater Johann-Arnold Oelieden ist Deutscher, von Beruf Schuhmacher

            und Postbote. Er verstirbt in Folge eines Raubüberfalls.

            Mutter Maria-Katharina Oelieden geb. Potine stammt aus dem nieder-

            ländischen Roermond und verdingt sich nach dem Tod des Vaters als

            Büglerin.

1891    Emil Oelieden erlernt den Maurerberuf, geht auf Wanderschaft (Walz)

            und arbeitet als Stukkateur zunächst in den Niederlanden, dann in

            England und schließlich in Deutschland (Berlin).

1893    Emil Oelieden fertigt Gipsmodelle für Professor Rudolf Virchow und darf

            im Gegenzug dessen anatomische Vorlesungen besuchen.

1896    Emil Oelieden wandert weiter nach Düsseldorf und arbeitet im Atelier

            eines Bildhauers und Steinmetzes.

1900    Er heiratet die Tochter des Bildhauers (1. Ehe). Wenig später wird ein

            Sohn geboren. Die Ehe hat keinen Bestand und wird bald darauf gelöst

1903    Er wird Leiter für die Bildhauer- und Stuckarbeiten am Düsseldorfer

            Diorama-Gebäude (Intern. Kunst- und Gartenbauausstellung)

1904    Arbeit als Keramiker und Silberschmied. Seine Entwürfe für Gefäße und

            Schmuck werden in Düsseldorf, Wiesbaden und Hamburg ausgestellt.

1905    Emil Oelieden reist in den Norden (Dänemark, Schweden, Norwegen).

            Nach der Rückkehr nach Düsseldorf entscheidet er sich, Kunstmaler zu

            werden. Er nennt sich fortan Em Oelieden.

1906    Prof. Eduard von Gebhardt nimmt ihn als Privatschüler und Ateliergehilfen

            an. Em Oelieden lernt bei ihm "sehen" und "zeichnen".

            Er stellt erste Bilder in Hamburg aus. Der Reeder Albert Ballin wird sein

            Mäzen, finanziert ihm eine zweijährige Studienreise nach Spanien,

            Marokko, Tunesien und Algerien.

1908    Em Oelieden kehrt als "Maler" zu Studien bei Gebhardt und Carl Reiser

            (Landschaftsmaler bekannt für deine Schneebilder) nach Düsseldorf

            zurück. Er reist nach Berlin und nach Flandern. Danach kommt er

            nach Bonn. Hier heiratet er in 2. Ehe Helene Carpaciola aus Remagen.

            Er stellt in der Kunst- und Buchhandlung Cohen (Am Hof) aus.

1908    Em Oelieden reist mit seiner Frau für zwei Jahre nach Paris. Er lernt dort

bis        Wilhelm Lehmbruck, Bernhard Hoetger, Auguste Rodin und Rainer Maria

1910    Rilke - damals Sekretär bei Rodin - kennen.

            Zwischenzeitlich kommt er zu Stipp-Visiten nach Bonn zurück, um weitere

            Ausstellungen vorzubereiten (1909 bei Cohen, 1910/11 im Leopold-

            Hoesch-Museum in Düren, wieder bei Cohen, im Bonner Bürgerverein

            und im Kunstsalon "Zirkel", 1913 schließlich im Städtischen Museum Villa

            Obernier),

1911    Zweite Flandern-Reise nach Brügge, Gent und Sluis. In Mol kauft das

            Ehepaar Oelieden ein kleines Häuschen. Em Oelieden nimmt weitere

            Studien bei Isaac Israels, dem niederländischen Genremaler in

            Antwerpen auf.

1912    Em Oelieden arbeitet für einige Zeit bei dem Anatom Prof. Siegfried

            Mollier in München und hört dessen Anatomievorlesungen.

1913    Em Oelieden stellt seine Serie "Steinewerfer" sowie die Serie "Mutter und

            Kind" in München aus. Von München aus reist er zu Studienzwecken in die

            Schweiz, dann weiter nach Italien. Er erkrankt an einer Malaria, kehrt

            daraufhin eiligst nach München, Darmstadt und Bonn zurück, um

            schließlich nach Flandern weiterzureisen.

            Zurückgekehrt nach Flandern schließt er intensive und langandauernde

            Freundschaften mit George Minne, Gustave van de Woestyne, Valerius 

            de Saedeleer und Leo Mechelaere. Außer in dem Haus in Sluis wohnt er

            mit seiner Frau nun auch in Tiegem. Er kommt in Sint-Martens-Latem,

            einem Künstlerdorf bei Kortrijk, mit "der ganzen Künstlergeneration der

            flämischen Expressionisten" zusammen und wird einer von ihnen. Die

            flämische Landschaft mit ihren Feldern, Weiden, Wolken und dem unver-

            gleichlichen Licht wird sein großes Thema. Es ist wohl die kreativste Zeit 

            in Oeliedens Künstlerleben.

1914    Mit Ausbruch des 1. Weltkrieges flüchtet das Ehepaar Oelieden

           "halsüberkopf", krank und völlig mittellos - ihr Haus in Sluis wird

            enteignet- nach Bonn. Albert Küppers, Bildhauer und Kunstlehrer an der

            Uni in Bonn, bringt sie vorübergehend in dem Atelier seines Sohnes Otto

            Küppers unter.

            Em Oelieden "steht" den Krieg als Dolmetscher und Kulturgut-Berater im

            Generalhauptquartier der Deutschen in Brüssel durch und darf - mit

            einem Heimatschein für Bonn versehen - gelegentlich zu seiner Familie

            reisen.

1915    Tochter Beatrice wird in Bonn geboren.

1916    Helene Oelieden, die von ihrem Mann stets nur Elena gerufen wurde,

            stirbt. Mit der Serie "Mutter und Kind" hat er ihr ein bleibendes Denkmal

            gesetzt.

1920    Em Oelieden heiratet in 3. Ehe Else Oelieden, geborene Hermann. Else ist

            von Beruf Lehrerin und könnte (alleine) für den Unterhalt der Familie auf-

            kommen. Em Oelieden will aber seine Frau auf allen seinen Reisen um

            sich haben, und so gibt sie ihm zuliebe ihren Beruf auf.

            Sie wohnen unterschiedlich lange "hinter dem Siebengebirge", dann in

            der Eifel und im Hunsrück. Else schenkt ihrem Mann drei Kinder, zwei

            Jungen und ein Mädchen.

1928    Einladung von Freunden aus Em Oeliedens Pariser Studienzeit nach

            Norwegen. Die Familie verkauft daraufhin ihr gesamtes Hab und Gut und

            reist über Dänemark und Schweden nach Norwegen, wo Em Oelieden

            magnetisch von Edward Munchs Werken angezogen wird. (Es ist nicht

            belegt, ob sich die beiden Maler in Norwegen persönlich begegnet sind.)

            Nach dem "Norwegen-Abenteuer" folgen bewegte Jahre für die Familie

            mit Reisen nach Flandern (Brügge), nach Frankreich, Schweiz und Italien.

Em Oelieden: "Mitternachtssonne in Norwegen" 1928; Aquarell; 35 x 50 cm (h x b); aus dem Nachlass von Dr. Karl-Ernst Hümmer und Maria Hümmer-Fey (1923 -2007)

1930    Auf Anraten der Bonner Freunde wird Em Oelieden mit seiner Familie in

            Bonn ansässig. Sie besorgen und verwalten einen Baukredit, damit er in 

            Bonn-Dottendorf (Rochusweg) ein kleines Häuschen für die Familie

            errichten lassen kann.

            Nach Andeutungen von Beatrice Oelieden fällt ihr Vater in eine tiefe

            Depression. Die Freunde besorgen ihm eine Anstellung:

            In der Heimschule des Klosters Maria Laach in der Eifel wird er Leiter des

            Kunstunterrichts und gleichzeitig - als Ausgleich für die Internatsunter-

            bringung seiner Kinder - Künstlerischer Berater der dortigen "Tellspiele".

            In der Folgezeit muss Em Oelieden häufiger auf seine "Realwährung"

            zurückgreifen und eigene Werke gegen Lebensmittel und Dinge des

            täglichen Bedarfs eintauschen.

Em Oelieden: "Die Pavlova"

            Aus dieser Zeit stammt auch die neben-

            stehende Grafik, die die berühmte rus-

            sische Tänzerin Anna Pawlowna Pavlova

            (1881-1931) in ihrer von Mikhail Fokine

            choreografierten Paraderolle als "Ster-

            benden Schwan" darstellt. Damals ver-

            körperten die Pavlova und ihr Partner

            Vaslav Nijinsky den Inbegriff der klas-

            sischen Tanzkunst. Unerreichbar und

            abgehoben. Mit sicherer Hand bannt

            Em Oelieden die "schwebend-insich-

            gekehrte Haltung" der Pavlova auf Papier.

            Er lithografiert das Motiv und stellt

            eine Auflage von 120 Stk her. Leider

            wird die komplette Auflage durch eine

            Unachtsamkeit des Malers beim Trans-

            port völlig durchnässt. Nur wenige Blätter

            können gerettet werden. Eines erhält

            Dr. Karl-Ernst Hümmer im Tausch gegen Naturalien, die er vom damaligen

            Erzeuger-Großmarkt an der Bornheimer Straße in Bonn besorgt und den

            Oeliedens zukommen lässt. Unter anderem zahlt Oelieden auch das Schul-

            geld für seine Kinder an die Stadt Bonn durch Bilderdeputate ab.

            Bis zu Hitlers Machtergreifung 1933 fehlt es nicht an "ehrenvollen"

            Ausstellungsmöglichkeiten: Er stellt u.a. zusammen mit Oskar

            Kokoschka, Lovis Corinth, Max Schlevogt und Alexej von Jawlenski in

            Wiesbaden (Kunsthalle), in Aachen (Suermond-Museum) und in Köln

            (Kölnischer Kunstverein) aus, aber keiner kauft etwas. Er bleibt auf allen

            seinen Werken sitzen und spürt natürlich immer deutlicher die drohend

            aufziehenden politischen Gewitterwolken, die auch seine Kunst in den

            gefährlichen Wirbel einer "Entartetung" hineinziehen. Er kann (und will)

            sich nicht dagegen wehren sondern verfolgt stattdessen geradezu stur die

            Maxime, Kunst ohne jegliche Konzessionen zu machen .

1933    Das wirtschaftliche Aus ist für Em Oelieden als Künstler besiegelt. Nun

            kann und darf keiner mehr offiziell seine "Realwährung" annehmen.

1934    Em Oelieden stirb an seinen Verletzungen, die er sich beim Sturz über

            einen lockeren Hydrantendeckel auf dem Straßenpflaster zuzieht. Er ist

            59 Jahre alt.

Exemplarische Arbeiten von Em Oelieden

Das Städtische Museum Bonn besitzt einige Werke von Em Oelieden, die dieser der Stadt als Ausgleich für das geschuldete Schulgeld seine Kinder übereignete:

Em Oelieden: "Weiße Rosen" auis der Oelieden-Ausstellung von 1927 im Städtischen Kunstmuseum Bonn "Villa Obernier"

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