Emil Zuppke I  (1895 bis 1980)

Portraitfoto Emil Zuppke

1895  Emil Zuppke erblickte am 3.8.1895 als

          ältester Sohn von Emil Zuppke (Vater)

          und dessen Gemahlin Amalie Zuppke -

          geborene Leiber -  in Stockach am

          Bodensee das "Licht der Welt". Die

          Familie des Vaters hatte bäuerliche

          Wurzeln und kam ursprünglich aus

          Stolp, einer rund 15.000 Einwohner

          zählenden Stadt in Pommern. Die

          Mutter stammte aus einer angesehenen,

          über Jahrhunderte in Stockach ansäs-

          sigen Familie. Nach seiner Geburt wurde

          der Junge in der örtlichen Pfarrkirche

          von Stockach auf den Namen Emil

          August Erwin Zuppke getauft. Er

          wuchs im katholischen Glauben auf.

          Seine frühkindlich-familiäre Grund-

          prägung erhielt er von seiner Mutter.

          Sie vermittelte ihm auch die Liebe zu

          seinem landschaftlich idyllisch gelegenen Geburtsort. Zeitlebends betrachtete

          Emil Zuppke den Bodensee und dessen Umgebung als seine eigentliche

          Heimat.

Siegburg um 1900

vor     Emil Zuppke zieht mit seinen Eltern aus

1900  dem baden-württembergischen

           Stockach am Bodensee in's Rheinland.

           Seine Eltern lassen sich in Siegburg

           nieder.

 

1901  Emil Zuppke wird 1901 in Siegburg ein-

          geschult. Dort besucht er ab 1906 das

          örtliche, damals von den Benediktinern

          der St. Michael-Abtei geführte (altspra-

          chige) "Gymnasium an der Zeithstraße",

          das 1980 in "Städtisches Anno- Gymna-

          sium Siegburg" umbenannt wurde. Über Emil Zuppkes schulische Leistungen

          und den weiteren Bildungsweg ist nur wenig bekannt. Immerhin muß durch

          die Schule eine tief religiöse Vorprägung des Jungen erfolgt sein. Schon früh

          zeigt sich auch sein gestalterisches Talent. Die bildende Kunst begeistert ihn

          besonders. Emil Zuppke zeichnet und malt schon als Schüler und Gymnasiast

          sehr gerne.

          Offensichtlich spürt der Junge die anstehenden Umbrüche im künstlerischen

          Stilempfinden, in den neuen Darstellungstechniken sowie im allmählichen

          Wandel der ästhetischen Sichtweisen seiner Zeit. Die "wilhelminische Ära"

          geht ihrem Ende entgegen. Die sogenannte "Moderne" bricht an. Und da tut

          sich insbesondere im "quicklebendigen" künstlerischen Umfeld von Düssel-

          dorf, Köln und Bonn besonders viel. 

          Mit ziemlicher Sicherheit hat Emil Zuppke schon damals die Kreativ-Szene

          in den beiden Nachbarstädten Siegburgs - Köln und Bonn - beobachtet und

          die beiden wichtigsten "Orientierungsausstellungen" ihrer Zeit auch persön-

          lich besucht, um sich im wahrsten Sinne des Wortes "ein Bild" von der

          damaligen künstlerischen Avangarde zu machen.

1912  In Köln findet vom 25. Mai bis 30. September 1912 die Kölner Sonder-

          bund-Ausstellung statt. August Macke setzt als Ausstellungsberater bei

          Alfred Flechtheim mit Unterstützung anderer namhafter Kuratoren und

          Künstler der "Cölner" Sezession durch, dass die Maler der "Brücke" (Berlin)

          und des "Blauen Reiters" (München) in dieser Ausstellung - der vierten des

          Deutschen Sonderbundes (nach den drei Ausstellungen in Düsseldorf) -

          Berücksichtigung finden.        

Gelände der Sonderbundausstellung am Aachener Tor in Köln 1912

          Tatsächlich sollte es eine wahrhaft epo-

          chemachende Ausstellung avantgardis-

          tischer Positionen und Kunstströmun-

          gen werden, die schließlich am

          Aachener Tor in Köln geballt dem

          Publikum präsentiert und vorgestellt

          werden. Die Ausstellung schockiert und

          wird - wohl aus allgemeinem Unver-

          ständnis vor allem Ungewohnten und

          Neuen - in weiten Kreisen der

          Bevölkerung abgelehnt. Letztendlich

          aber vereinigt die Kölner Sonderbund-

          Ausstellung von 1912 in Deutschland

          alles, was später Rang und Namen in der europäischen Kunstwelt hat: van

          Gogh, Degas, Gauguin, Cesanne, Picasso, Matisse, Munch, Liebermann und

          Dix, Kirchner, Heckel, Kokoschka, Kandinsky, Nolde, Marc, Macke, Mense,

          Pechstein und viele andere mehr.

Plakatentwurf zur Ausstellung 1913 in Bonn

1913   In Bonn findet die legendäre Ausstel-

           lung Rheinischer Expressionisten

           vom 10. 07. bis 10. 08. 1913 im Ober-

           geschoss der Verlagsbuchhandlung

           Cohen (später Bouvier, Am Hof 20 -

           gegenüber dem Haupteingang der

           Bonner Universität) statt. August Macke

           mit seinen weitgefächerten Verbindun-

           gen initiiert und kuratiert diese

           Ausstellung. Er möchte einen

          "Gegenpol" zu der Münchner und

           Berliner Expressionistenszene setzen,

           ohne aber eine Festlegung auf eine

           spezifisch rheinische Auffassung des

           expressionistischen Kunststils zu

           treffen. Insofern spiegelt die Bonner

           Ausstellung ein breites Spektrum

           individueller künstlerischer Einzel-

           positionen wieder, deren "Klammer"

           der gemeinsam von den beteiligten

           Künstlern gewählte Oberbegriff

          "Expressionismus" ist.

 

Original- Einladungskarte zur Aus-stellung Rheinischer Expressionisten in Bonn.

          Die Werke von insgesamt 16

          rheinischen Künstlern sind in der

          Ausstellung zu sehen:

          o Heinrich Campendonk

          o Ernst Moritz Engert

          o Max Ernst

          o Otto Feldmann

          o Franz S. Henseler

          o Franz M. Jansen

          o Joseph Kölschbach

          o August Macke

          o Helmuth Macke

          o Marie von Malachowski-Nauen

          o Carlo Mense

          o Heinrich Nauen

          o Olga Oppenheimer

          o Paul Adolf Seehaus

          o William Straube

          o Hans Thuar

           Und der 18-jährige Gymnasiast Emil Zuppke ist mitten drin, umgeben von

           den "Impulsträgern der Moderne"! Wahrscheinlich wird er den Umbruch und

           den absoluten Kontrast zur "Scheinmonumentalität" der auf Repräsentation

           bedachten Kunst des Deutschen Kaiserreiches deutlich verspürt und in sich

           aufgenommen haben.

           In ihm keimt der Wunsch auf, sich aus den damals noch sehr strengen

           Denk- und Verhaltensmustern des wilhelminischen Zeitalters zu lösen und

           ein ähnlich ungebundener und ein ähnlich "freidenkender" Künstler zu

           werden.

           Auf Drängen seiner Eltern muss der diesen Wunsch allerdings zurückstellen.

           Ihr Junge soll einen "ordentlichen Beruf" ergreifen und Lehrer werden!

           Aber wenn schon Lehrer - so denkt sich der junge Mann - dann eben ein

           Lehrer, der Kunst vermitteln kann, also ein Kunstlehrer oder ein Kunster-

           zieher. Er beginnt ein entsprechendes Studium am Lehrerseminar der Uni-

           versität Bonn (später Pädagogische Akademie bzw. Pädagogische Hoch-

           schule PH Bonn).

           Der 1. Weltkrieg macht ihm einen Strich durch die Rechnung.

1914   Emil Zuppke ist noch keine 19-Jahre alt, als der 1. Weltkrieg ausbricht. Er

           sieht sich gezwungen, seine pädagogische Ausbildung alsbald zu unter-

           brechen, sammelt aber bereits erste praktische Erfahrungen, indem er als

           angehender Kunsterzieher an einer Volksschule hospitiert und sich seine

           ersten Meriten im Lehrberuf verdient. 

           Die Oberste Deutsche Heeresleitung unter den Generälen Falkenhayn,

           Hindenburg und Ludendorf steuert - ganz der Strategie des "Schlieffen-

           Plan" folgend - auf einen Zweifrontenkrieg gegen Frankreich und gegen

           das zaristische Russland zu. Dafür braucht man weitere Soldaten.

 

1915   Emil Zuppke wird in Siegburg gemustert. Seine anfängliche Rückstellung als

           angehender Lehrer wird aufgehoben. Noch im selben Jahr erfolgt bereits

           seine Rekrutierung zum "vaterländischen Dienst an der Waffe". Nach einer

           kurzen Grundausbildung wird er als Kanonier an die Front nach Russland

           geschickt.

 

1916   Nach ersten Erfolgen (Schlacht von Tannenberg etc.) erstarrt der Krieg im

           Osten mehr und mehr zum Stellungskampf. Wie so viele andere seiner

           Kameraden auch, ist Emil Zuppke von den andauernden Stellungskämpfen,

           die entgegen aller vorherigen enthusiastischen Erwartungen kaum noch

           Geländegewinn bringen, schnell desillusioniert.

           Der Krieg im Osten dauert aber noch bis zum 15. Dezember 1917 an, ehe

           ein separater Waffenstillstand zwischen Deutschland und Russland abge-

           schlossen wird. Ihm folgen die Friedensverhandlungen von Brest-Listowsk.

           Damit werden die im Osten gebundenen deutschen Heereskräfte für den

           Einsatz an der Westfront frei.

 

1918   Emil Zuppke wird nach Frankreich verlegt. Er überlebt - anders als August

           Macke, der nur sechs Wochen nach seiner Einberufung 1914 in Frankreich

           fällt - den zunehmend aussichtloser werdenden Stellungskampf gegen die

           alliierte Übermacht im Westen. Kurz vor Ende des Krieges im November

           1918 wird Emil Zuppke noch schwer verwundet und in ein Kriegslazarett

          "verfrachtet".

           Wo und wie der 1. Weltkrieg für Emil Zuppke persönlich endet, ist nicht

           überliefert. Nach seiner Entlassung aus dem Kriegslazarett kehrt der 23-

           Jährige zur Rekonvaleszenz in sein Elternhaus zurück. Eine "wirre" Zeit,

           geprägt von Hungersnöten und einschneidenden Entbehrungen für die

           deutsche Zivilbevölkerung folgt. Kunst und Kultur stehen für alle vom

           Krieg betroffenen Menschen zunächst weit hinten an. Man kämpft vielfach

           ums nackte Überleben.

           Die wirtschaftliche Rezession führt zu einer immer schärferen Geldent-

           wertung ("gallopierende Inflation"). Papiergeld wird innerhalb weniger

           Monate faktisch substanzlos. Nahezu alle Bürger sind von der Hyper-

           inflation betroffen und verlieren ihr gesamtes angespartes Vermögen.

 

           Am 9.11.1918 dankt der Deutsche Kaiser zusammen mit dem Kronprinzen

           ab. Die Monarchie hat abgewirtschaftet und mit ihr sind die "Gesellschafts-

           und Kulturstrukturen der Wilhelminischen Epoche "zur geschichtlichen

           Makulatur geworden".

           Politische Versammlungen, Demos, Unruhen und Lagerkämpfe begleiteten

           den mühsamen Neustart Deutschlands in die "Weimarer Republik". 

          

           Ein Neustart ist auch für die ehemals arrivierten "Kulturtreibenden" schwer.

           Das Gute, das Schöne, das Ästhetische, das Edle (und Adelige) ist "den

           brutalen Realitäten des Krieges zum Opfer gefallen". Die klassischen Werte

          "Ruhm, Ehre, Anstand, Glaube" zählen nur noch wenig. Ernüchterung,

           Realismus, Pragmatismus und eine neue proletarische Sachlichkeit treten

           an ihre Stelle. Dies wirkt sich auch auf die vor dem 1. Weltkrieg noch

           oportunen Stilrichtungen in den bildenden Künsten - und hier insbesondere

           auf den Rheinischen Expressionismus aus. 

August Macke: Rheinischer Expressionismus - Szenen aus dem bürgerlichen Leben

           zwischen 1910 und 1914

           Zeigten die Expressionisten vor 1914 noch fröhliche, zumindest aber

           heitere, bunte Szenen aus dem bürgerlichen Alltagsleben (Flanieren im Park,

           Fensterbummel, Zirkus- und Zoobesuche etc.), so werden die dargestellten

           Motive nach dem Krieg ungleich gesellschaftskritischer. In den Nachwirkun-

           gen des verlorenen 1. Weltkrieges wird nun auch Hunger, Elend und

           Verzweifelung ein Thema der künstlerischen Auseinandersetzung und

           Stellungnahme.

           Die Tonalität in den Bildern der Künstler ändern sich. Mit wenigen Ausnah-

           men (und Ausnahmen bestätigen die Regel!) werden die Bilder dunkler und

           monotoner. Auch die künstlerischen Ausdrucksmittel wandeln sich. Kohle-

           und Tintenzeichnungen, Holz- und Linolschnitte stehen im Rheinischen

           Expressionismus der Nachkriegsära nun gleichrangig neben Aquarellen,

           Ölgemälden und anderen eher kunsthandwerklichen Gewerken (Schnitze-

           reien, Steinmetzarbeiten, Mosaike, Tuch- und Wandteppichproduktionen

           etc.).

Rheinischer Expressionismus mit gesellschaftskritischen Motiven (ab 1920)

           obere Reihe: Heinrich Campendonk - Die Betttler; Hans Thuar - Im Zugriff

           untere Reihe: Franz M. Jansen - Aufruhr; rechts: - Menschen von Gestern

1919   Emil Zuppke bemüht sich um eine Wiederaufnahme seiner pädagogischen

           Ausbildung, muß aber feststellen, dass die entsprechenden Lehrerseminare

           in Bonn unmittelbar nach Kriegsende noch nicht wiedereröffnet sind.

           Andererseits werden aber Lehrer mit praktischer Erfahrung überall dringend

           gesucht. Und so erhält Emil Zuppke aufgrund staatlicher Ausnahme- und

           Übergangsregelungen zunächst zeitlich limitierte Lehraufträge für den Ein-

           satz in den Volksschulen von Beuel und Schwarzrheindorf. Offensichtlich

           bewährt er sich in seiner praktischen Lehrtätigkeit vor Ort.

           Um (nachträglich) sein Staatsexamen abzulegen und damit die Voraus-

           setzungen für eine dauerhaft beamtete Lehrer-Laufbahn zu schaffen,

           schreibt sich Emil Zuppke an der Universität Bonn ein und besucht parallel

           zu seiner Lehrtätigkeit einschlägige Pädagogik-, Psychologie- und Geo-

           logievorlesungen. Seine fachpraktischen Fähigkeiten als Kunstlehrer

           vertieft er durch entsprechende Kurse bei dem Bonner "akademischen

           Zeichenlehrer" Prof. Albert Küppers (1842-1929). Dieser hat sich zunächst

           als veritabler Bildhauer in Bonn einen Namen gemacht und bietet an der

           Universität Bonn neben seinen Vorlesungen zur "medizinisch-wissen-

           schaftlichen (Zeichnungs-)Dokumentation" auch Seminare im Fach

          "künstlerische Anatomie" sowie Aktzeichnungs- und Malkurse für seine

           Studenten an. (Letztere sollen übrigens sehr beliebt und ein Geheimtipp

           unter den Studenten gewesen sein).         

Emil Zuppke: Studien in künstlerischer Anatomie, Kompositionslehre und Zeichentechnik

                    (Zur Vergrößerung bitte auf die Abbildungen klicken.)

           In diese Zeit fallen auch Emil Zuppkes Bemühungen, sich als selbständiger

           Künstler zu profilieren. Erste - stilistisch noch sondierende - Aquarelle

           (Wasserfarben), Gouache (Temperafarben) und Ölbilder entstehen.

Emil Zuppke: Aquarelle, Gouache und Ölgemälde aus den frühen 20-er Jahren. Thematisch beschäftigt sich der junge Künstler bevorzugt mit Natur- und Körper-studien. Ein expressionistischer Einfluß ist unverkennbar (Zur Vergrößerung bitte 

auf die Abbildungen klicken).

1919   In der Folgezeit wird Emil Zuppke als festangestellter Grundschullehrer in

           Lannesdorf, einem durch die Ansiedlung von Industrie- und Gewerbebetrie-

           ben stetig anwachsenden Ortsteil der damals noch selbständigen Kommune

           Godesberg tätig. 

           Zu dieser Zeit war jeder Klasse in der Grundschule jeweils ein Klassenlehrer

           zugeteilt, der übergreifend alle Fächer einer Jahrgangsstufe lehrte. Emil

           Zuppkes besonderes Augenmerk galt von Anfang an der Kunsterziehung. Er

           bemüht sich darum, statt als Klassenlehrer als Fachlehrer mit dem Haupt-

           fach Kunsterziehung anerkannt und übergreifend in allen Klassen eingesetzt

           zu werden. Der "Kunstlehrer Zuppke" ist - wie sich schon bald zeigt - bei

           seinen Lannesdorfer Schülern überaus beliebt. Zum einen sicherlich, weil

          "Kunst" offiziell kein Prüfungsfach ist, zum anderen, weil Emil Zuppke frei

           nach dem Motto:"Kunst soll spannend sein und einfach Spaß machen" jeden

           seiner Schüler in dessen Kreativität individuell fördert und - je nach

           Begabung - systematisch an eine intensivere künstlerische Betätigung

           heranführt.  

1923   Emil Zuppke lernt die Godesberger Lehrerin Anna Maria Weber kennen. Sie 

           heiraten, gründen eine Familie und ziehen in ein Haus im Zentrum von Bad

           Godesberg - unmitttelbar gegenüber dem Godesberger Bahnhof gelegen -

           um. Die Töchter Dietlind und Uta werden geboren.

Das Lehrerehepaar Emil und Anna Maria Zuppke (geb. Weber). Foto von 1923

Bad Godesberg (um 1925): Burgruine, Stadt, Wohnhaus Zuppke, Familienidyll im Garten mit der erstgeborenen Tochter Dietlind (Zur Vergrößerung bitte die jeweiligen Fotos anklicken).

künstlerische Entwicklung

           Finanziell abgesichert durch seine Arbeit als Lehrer, macht sich Emil Zuppke

           zunehmend auch als bildender Künstler einen Namern. Er zeichnet, malt

           und vervollkommnet vor allem seine technische Ausdrucksfähigkeiten in der

           Anfertigung von Linolschnitten.

           Linolschnitte zwingen einen Künstler durch ihre Konzentration auf einfache

          "harte" Kontraste dazu, das darzustellende Motiv im Moment der Entstehung

          "festzufrieren". Eine geschnittene Linie, eine im wahrsten Sinne des Wortes

           aus dem Vollen "herausgearbeitete" Kontur oder eine erst einmal "freige-

           stellte" Fläche lässt sich so gut wie nicht mehr korrigieren. Anders als in der

           Malerei, wo man durch Übermalung Veränderungen in der Wirkung eines

           Motivs relativ leicht umsetzen kann, muß beim Linolschnitt von Anfang an

         "alles sitzen". Das zwingt den Künstler neben einer sicheren Beherrschung

           der "Schnittechnik" dazu, die Linien- und Flächenkontrast-Wirkung jedes

           Motivteils schon vor dem eigentlichen Darstellungsprozess im Detail "vor

           Augen zu haben". Zudem führen die darstellungstechnischen Beschrän-

           kungen im Holz- bzw. Linolschnitt zwangsläufig dazu, den Motiven eine

           gewisse Dramatik und "überspitzte" Kontrastdynamik zu geben.              

Emil Zuppke: frühe Arbeiten - Linolschnitte; Handabdrucke in kleiner Einzelauflage

(1 - 5 Stk; signiert). Zur Vergrößerung bitte auf die jeweiligen Abbildungen clicken.

1921  Im städtischen Museum Haus Obernier Bonn findet am 10 Juli 1921 eine

          Ausstellung mit dem Titel "Kunst und Wissen" statt. Es ist nicht gesichert

          belegt, ob Emil Zuppke bereits an dieser Ausstellung - wie später an der 

          gleichnamigen Ausstellung im Jahre 1925 - mit eigenen Werken vertreten

          war. Hier machte er die Bekanntschaft mit einen jungen Berliner Künstler,

          Melchior Grossek, der schon damals als ein "Meister des Scherenschnittes"

          bekannt war. Emil Zuppke freundete sich mit dem fast gleichaltigen Kaplan

          aus Berlin an und erwirbt später auch einige seiner Arbeiten. Grosseks

          Scherenschnitt-Bilder faszinieren Emil Zuppke wegen der teilweise aus-

          gesprochen brutal dargestellten Schreckensbilder eines anonymisierten

          Krieges, und der damit verbundenen Entmenschlichung und Entwürdigung.

 

          In der Folgezeit erhalten auch seine eigenen Linolschnitte häufiger einen

          hintergründig religiös-sozialkritischen Bezug.    

 

1924  Im Zuge der Profilierung des Kurortes Bad Godesberg versuchen die da-

          maligen Gemeindeoberhäupter Dr. Falk und Bürgermeister Josef Zander,

          die in Godesberg ansässigen Bildenden Künstler in einem Förderkreis zu-

          sammenzufassen, um ihnen entsprechende Ausstellungs- und Profilierungs-

          möglichkeiten in der stadteigenen Villa Stollwerk in der Kaiserstraße in Bad

          Godesberg anbieten zu können. Man verspricht sich von dieser Maßnahme

          eine "kulturelle Bereicherung "der Godesberger Bürger, vor allem aber eine

         "anspruchsvolle Unterhaltung der vermögenden Kurgäste in der Stadt."

          Und so initiiert man städtischerseits die Bildung einer Künstlergruppe, die als

         "Ring Godesberger Künstler" bis Mittte der 30-er Jahe und später - nach dem

          Ende des 2. Weltkrieges (ab dem 16.10.1947 als erneute Neugründung)

          nachweisbar ist.

       Ring Godesberger Künstler

          Emil Zuppke schließt sich schon in der frühen Gründungsphase dieser Künst-

          lergruppe an. Mitglieder des "Rings Godesberger Künstler" sind (vor dem 2.

          Weltkrieg) neben Emil Zuppke der Theatermaler Alfred Karl Müller (beauf-

          tragt mit der Leitung der Gruppe), Toni Wolter, Louis Ziercke, Alexander

          Fischel, Magda Felicitas Auer, Walter Rath, Carl Bettin und Heinrich Pützhofen

          - Esthers. Hans -oder eigentlich richtiger - Johan Adrian von Voorhuysen

          sowie Carl van Ackeren sind zunächst als locker assoziierte Mitglieder und

          später als ständige Ehrengäste mit dabei. Mit Sicherheit stand Emil Zuppke

          im engen Kontakt zu seinen Godesberger Künstlerkollegen und war ihnen

          teilweise sogar in persönlicher Freundschaft verbunden. Man besuchte sich

          gegenseitig und setzte sich in Vorbereitung der gemeinsamen Ausstellungen

          des "Rings Godesberger Künstler" intensiv mit den jeweils gewählten

          Ausstellungsthematiken, den Kunstauffassungen und den eingereichten

          Werken der Kollegen auseinander.

          Ausstellung: "Die schaffene Heimat" 1924

          Die erste "offizielle" Ausstellung des Rings Godesberer Künstler fand unter

          dem Titel: "Die schaffende Heimat" im Rahmen der sogenannten "Weih-

          nachts-Werbe-Wochen (WWW)" im Godesberger Stollwerkhaus statt. Bewußt

          hatte man die Ausstellung städtischerseits als offene Verkaufsausstellung für

          anspruchsvolle Bad Godesberger Kurgäste konzipiert. Neben dem künstle-

          rischen Programm wurden daher auch hochwertige kunstgewerbliche,

          garten- und innenarchitektonische Objekte - heute würde man diese als

         "lifestyle-Produkte" bezeichnen - angeboten. Der kommerzielle Hintergrund

          der Ausstellung tat der versammelten Godesberger Künstlerschaft gut, ergab

          sich doch hier die seltene Gelegenheit, ohne Umweg über Kunsthändler und

          Galeristen Direkteinnahmen aus dem eigenen Kustschaffen zu erzielen.

          Die Ausstellung "Die schaffende Heimat" wurde ein voller Erfolg und in den

          Folgejahren zum wesentlichen Element der WWW Weihnachts-Werbe-Wochen

          in Godesberg.

          Emil Zuppke präsentierte zu seiner ersten Ausstellung 1924 eine Auswahl

          von grafischen Druckblättern, die ihn - wie reportiert wurde - "als vielver-

          sprechenden jungen Künstler und autonomen Wegbegleiter der

          Rheinischen Expressionisten" auswiesen.

Emil Zuppke: Auswahl von Linoldrucken 1923/1924

                   links oben: Schädelstätte;      rechts oben: Die Stadt;

                   unten:    Die Schlafenden;      unten: Portrait Ludwig Wagner

        Vorbilder und "Wegweiser"

           Zweifellos sind Emil Zuppkes frühe Arbeiten in starkem Maße von den

           Werken der Rheinischen Expressionisten beeinflusst worden. Wahrschein-

           lich dienten ihm - neben August Macke selbst  - (dieser war 10 Jahre zuvor

           bereits gefallen) vor allem Ernst Moritz Engert, Franz M. Jansen und Adolf

           Seehaus als kreative "Wegweiser", um eine ganz eigene Ausdrucksform in

           und mit den Mitteln des Linolschnittes zu entwickeln. Als eine der ersten

           Reflexionen auf den rheinischen Expressionismus kann Emil Zuppkes früher

           Scherenschnitt: "Der Gartenbaum" gelten, den er zu Übungszwecken in

           identischer Form parallel auch als Linolschnitt ausführte:       

Emil Zuppke: "Der Gartenbaum", Scherenschnitt, ca. 9 x 12 cm; um 1918

           Alle drei Künstler (Engert. Jansen und Seehaus) bearbeiteten zwar unter-

           schiedliche Medien, doch hatten diese eins gemeinsam. Sie erhielten ihre

           expressionistische Wirkung durch starke Hell-Dunkel-Kontraste. Ob die

           Scherenschnitte von Ernst Moritz Engert - Emil Zuppke hatte drei in seinem

           Atelier stets vor Augen - , ob die grob typisierenden Holzschnitte von Franz

           M. Jansen aus dessen zeitkritisch-reflektierender Mappe: "Menschen von

           Gestern" oder die fast beängstigend ausdrucksstarken Kohlezeichnungen

           von Adolf Seehaus. Sie alle "lebten" aufgrund ihrer extrem kontrastierenden

           Flächenkonturen.

"Wegweiser" Ernst Moritz Engert

Drei Unikat-Scherenschnitte von Ernst Moritz Engert aus dem Besitz der Familie Zuppke

"Wegweiser" Franz M. Jansen

Franz M. Jansen: Holzschnitte (obere Reihe):  Wahrheit; Familie; Stühlerücken

untere Reihe: Physiognomien aus der Mappe: Menschen von Gestern (ab 1918)

"Wegweiser" Paul Adolf Seehaus

Paul Adolf Seehaus: Kohlezeichnung                   Emil Zuppke: Linolschnitt   

              "Frauen am Kreuz"                                                   "Ehe"

Die fast beängstigend ausdrucksstarke Kohlezeichnung von Adolf Seehaus beeindruckte Emil Zuppke zutiefst und inspirierte ihn offensichtlich zu seinem Linolschnitt "Ehe". Dabei verwendet er auch andere Bildelemente aus Seehaus-

Werken wie z.B. die dreieckig spitz aufragenden Untergrund-Schollen aus dem

Ölbild "Leuchtturm".

        Expressionistische Linolschnitte

           Tatsächlich entwickelt Emil Zuppke in der Folgezeit (20-er und 30-er Jahre)

           eine ausgesprochene Meisterschaft in der Technik des Linolschnitts. Thema-

           tisch verbindet er (vordergründig) traditionelle Elemente und Symbole aus

           der christlich-sakralen Motivwelt mit zeitaktuellen gesellschaftlich-sozialen

           Umfeldern. Hintergründig macht er damit - teilweise recht drastisch - auf

           Missstände und Fehlentwicklungen aufmerksam.

Emil Zuppke: Linolschnitte (obere Reihe links: "Ehe", rechts "Passion II"; untere Reihe:

                       links "Christus und die Stadt", rechts: Ausschnitt aus "Im Zeichen des

                       Kreuzes" (beziehungsweise "Welttheater")

                       (alle im Privatbesitz der Familie Zuppke)

Motivinterpretationen:

  • Ehe = Mann und Frau am Kreuz - Scherbenhaufen und flammende Hölle
  • Passion II = Großstadt-Leiden durch Industrie, Verkehr und Vereinsamung
  • Christus und die Stadt = umgeben von Armut, Gebrechen und Prostitution
  • Im Zeichen des Kreuzes = Macht, Geldgier, Narzismus oder: Reiche und Arme

Emil Zuppke: kleine Auswahl von Linolschnitten mit christlicher Ikonografie und über-

                    wiegend sozialkritischen Interpretationsbezügen

                    untere Reihe: "Weihnachtsbilder" (mit Geburt und Sterben Jesu am

                    Kreuz)

 

Emil Zuppke: "Gedankenwelt" (Selbstportrait des Künstlers) wohl um 1925

        Der Wolframbund

1925  Offiziell war der Wolframbund, benannt nach Wolfram von Eschenbach

          (1170-1220), - neben Walther von der Vogelweide der wohl bedeutendste

          Dichter des Mitttelalters im mittelhochdeutschen Sprachraum - keine

          Künstlervereinigung, sondern verstand sich explizit "als katholische

          Konkurrenzinstitution zu den Buchgemeinschaften, die als wirtschaftliche

          Buchabsatzorganisationen nach dem 1. Weltkrieg aus dem Boden schossen.

          Innerhalb kurzer Zeit hatten Buchgemeinschaften eine beträchtliche

          Bedeutung für die politische Meinungsbildung und die kulturelle Bildung in

          der proletarischen Arbeiterbewegung kurz nach dem 1. Weltkrieg gewonnen.

          Hier wollte man - wohl aus Kirchenkreisen heraus - einen ausgeprägt

          christlichen Gegenpol zu den überwiegend atheistischen, nihilis-

          tischen und häufig teilnahmslos-fatalistischen Lebenseinstellungen großer

          Teile der Bevölkerung durch die Betonung der Bedeutung eines gefestigten

          katholischen Glaubens setzen.

          Wie viele Künstler ihrer Zeit sympathisierte Emil Zuppke mit den ideellen

          Zielen des Wolframbund, da er in ihm die ethischen Werte der römisch-

          katholischen Kirche repräsentiert und als Katholizismus auch in breitere

          Bevölkerungsschichten getragen sah. Im Kern verstand sich der Bonner

          Wolframbund primär als Buchclub und damit als überwiegend literarisch-

          pilosophische Denkvermittlungs-Institution. Möglicherweise wurde der

          Bonner Wolframbund durch den Pfarrer Dr. Bernard Custodis in's Leben

          gerufen, der ab 1910 über Jahrzehnte hinweg die Gemeinde der heiligen

          Elisabeth von Thüringen in der Elisabethkirche in der Bonner Südstadt

          betreute.  Als kunstsinniger Pfarrer und Seelsorger war es ihm ein Anliegen,

          seinen Schutzbefohlenen die christliche Kirchenkunst und deren lange

          Tradition zu vermitteln. Und so organisierte man eigene Kunstausstellungen,

          Führungen, Seminare und Diskussionsrunden zu Fragen der Auslegung

          eines zeitgemäß christlichen Kunstverständnisses. Nach und nach wurde

          der Wolframbund ein Sammelbecken für "Kirchenkünstler". Diese setzten

          sich damit von den überwiegend profan arbeitenden Künstlerkollegen ab

          und standen in gewisser Weise auch in einer besonderen Obhut und einer

          besonderen (wirtschaftlichen) Fürsorgepflicht der Kirchenorganisationen.

          Emil Zuppke sympathisierte als Kunstpädagoge mit dem Bonner Wolfram-

          bund. Ob er im Wolframbund Bonn Mitte der 20-er Jahre bereits als

          Kirchenkünstler registriert war, ist nicht belegt, aber doch sehr wahrschein-

          lich. Immerhin wurde er zur Teilnahme und Mitwirkung an der Ausstellung

         "Kunst und Wissen" des Bonner Wolframbundes - im Untertitel: "Eine

          Ausstellung moderner religiöser Kunst" - explizit eingeladen. Man war zu

          dieser Zeit bereits auf ihn und seine Werke aufmerksam geworden.

Zeitschriften-Illustrationen von Emil Zuppke (oben links): "Die heilige Familie in der Mietskaserne"; (oben rechts):  "Der Schnittter (Tod)", (unten links): "Das Volkslied"

(unten rechts): "Der Fabrikarbeiter". (Zur Vergrößerung bitte auf die Abbildungen klicken).

         Regelmäßig fordern die Halbmonatszeitschriften "Jungland" und "Werkjugend"

         des Volksverein-Verlages, der als Pulikationsorgan der "katholischen Arbei-

         ter-Internationale" mit dem Bonner Wolframbund kooperierte, Emil

         Zuppkes Linolschnitte zur Illustration ihrer Zeitschriftenartikel an. In den

         Redaktionen war man bezüglich der Bildtitel nicht wählerisch und passte

         diese - sofern das Motiv der Intention des jeweiligen Artikels entsprach,

         jeweils so an, dass beispielsweise aus einem "Weihnachtsbild" die Illustration

         einer (Heiligen) "Familie in einer Mietskaserne" wurde.

         Die mediale Veröffentlichung und Verbreitung seiner Linolschnitte bringt Emil

         Zuppke nach und nach den Ruf eines modernen Kirchenkünstlers ein.

         Siehe auch: "Christus an Rhein und Ruhr - zur Wiederentdeckung des Sakra-

         len in der Moderne 1910-1930"  (Nr. 55 Schriftenreihe des August-Macke-

         Hauses, Bonn)

       Ausstellung: Kunst und Wissen 1925

          Schon in der Einladung zu dieser Ausstellung, die vom 19.11. bis 4.12.1925

          im Kapitelsaal der Elisabethkirche in Bonn statttfand, ist der hehre Anspruch

          des Wolframbundes formuliert, man habe versucht, jene zeitgenössischen

          Künstler zu finden, die "Wesentliches und Schöpferisches " zur modernen

          religiösen Kunst zu sagen haben. Und so liest sich die Liste der eingeladenen

          Künstler wie ein "Who is who" in der Riege der damals aktuellen modernen

          Kirchenkünstler:

          Jan (Johan) Thorn Prikker (1868-1932)

          Kirchenmaler, Glasmaler, Gestalter von Mosaiken und monumentalen Wand-

          bildern. Gilt als Überwinder des kirchlichen Historismus. Professuren an der

          Kunstgewerbeschule Krefeld (1904-1910), an der Kunstakademie München 

          (1920-23), an der Kunstakademie Düsseldorf (1923-1926) und an den

          Kölner Werkschulen (1926-1932). Zu seinen Schülern in Krefeld gehörten die

          Rheinischen Expressionisten Heinrich Campendonk und Helmuth Macke.

 

          Anton Wendling (1891-1965)

          Meisterschüler von Jan Thorn Prikker an der Kunstakademie München. Assis-

          tent von Heinrich Nauen an der Kunstakademie Düsseldorf. Professur für

          Mosaike und Glasmalerei an der Kunstgewerbeschule Aachen, ab 1936

          ordentlicher Professor für Zeichnen und technische Illustration an der TH

          Aachen. Auch Anton Wendling zählt zu den Überwindern des kirchlichen

          Historismus.

 

          Heinrich Nauen (1880-1940)

          Maler, Zeichner, Mosaik- und Kirchenkünstler (Monumentale Fresken,

          Kirchenfenster). Zählt zusammen mit seiner Frau - Marie von Melachowski-

          Nauen - zu den führenden Vertretern des Rheinischen Expressionismus.

          Professur für Malerei an der Kunstakademie Düsseldorf. Mitbegründer der

          (progressiven) Künstlergruppe: "Das Junge Rheinland". Gastgeber auf Burg

          Dilborn für viele befreundete Künstler, Kunsthistoriker, Galeristen und

          Sammler: u.a.

          Campendonk, Dix, Heckel, Hölzel, Klee, August Macke, Helmut Macke,

          Franz Marc sowie Alfred Flechtheim, Walter Kaesbach, Karl Ernst Osthaus

          und Edwin Suermondt. Sicher einer der bedeutendsten "Kunst-Netzwerker"

          seiner Zeit.

 

         Heinrich Maria Dieckmann (1890-1963)

         Maler, Designer, Kirchenkünstler. Gilt als Mitbegründer der modernen, sakra-

         len Glasmalerei. Schüler von Jan Thorn Prikker . Später Professur und

         Direktor an der Kunstgewerbeschule in Trier. Ausgestaltung von über 60

         Kirchen und Klostergebäuden (u.a. Fenster im Dom zu Trier, Sankt Aposteln

         in Köln, Chorfenster im Kloster Marienthal (bei Wesel) u.v.a.m.

 

          Peter Hecker (1884-1971)

          Monumentalmaler, vor allem als Kirchenmaler im rheinischen Raum tätig.

          Einer der maßgebenden Vertreter der "Liturgischen Bewegung", die das

          Altargeschehen und die "Christo-Zentriertheit" in den Mittelpunkt allen

          künstlerischen Ausdrucks stellt. Sein "Heiland des 20.Jahrhunderts" ist durch

          Kriegseinwirkungen zerstört, zählt aber wegen seiner drastisch dargestellten

          menschlichen Dekadenz immer noch zu den Referenzwerken der modernen

          sakalen Kunst.

 

          Josef Strater (1899 - ?)

          Zunächst einer der "jungen Wilden" unter den Kirchenkünstlern. Schüler von

          Heinrich Dieckmann. "Querdenker". Erschloss neue Materialien und "avangar-

          distische Materialkombinationen" für die Kirchenkunst (Flaschenböden, Gra-

          natenhülsen, Kochtöpfe, Soldatenhelme, Schrottplatz- und Müllhaldenfunde).

          Später verliert sich leider sein künstlerischer Lebensweg.

 

          Willy von Beckerath (1868-1938)

          Maler, Designer, Architekt. Zunächst Anhänger einer mythologischen - stark

          von Max Klinger beeinflussten - Malerei. Später Möbel-, Haushaltsgeräte-,

          vor allem aber "Kirchenausstattungsdesigner". (Gebetsbänke, Beichtstühle,

          Weihwasserbecken, Taufbecken, Kleinplastiken und Musterdekore). Arbeitete

          mit am Konzept und der Realisierung einer katholisch-sozialen Reform-

          Wohnsiedlung  (Gartenstadt Hellerau). Einflussreicher Mitbegründer der

          Münchner und Dresdener "Werkstätten für Handwerkskunst".

          Ähnlich wie die legendäre "Ausstellung Rheinischer Expressionisten" 1913

          ist in Bonn 12 Jahre später wieder eine Ausstellung zu sehen, die das

          Potential zur Weiterentwicklung und Ausprägung eines ähnlich "epochalen

          Kunststils" - jetzt im Bereich der modernen Sakralkunst als künstlerische

          Überwindung und Nachfolge des kirchlichen Historismus - beinhaltet.

          Und wieder ist Emil Zuppke von "Impulsträgern" - diesmal von ausgesuchten

          Vertretern einer modernen Sakralkunst umgeben. Emil Zuppkes Zugehörig-

          keit zu diesem Kreis ist leicht erklärt. Seine Linolschnitt-Technik hat viele

          Gemeinsamkeiten mit den tradierten Gestaltungsprinzipien der Glasmalerei -

          insbesondere mit der Gestaltung von Buntglasfenstern für Kirchen, Kapellen,

          Andachts- und Gebetsräumen. Beide Disziplinen beruhen auf der Kontrast-

          wirkung von "harten" Flächen- und Steg-Abgrenzungen. Insofern ist es kaum

          verwunderllich, dass sich die beiden Darstellungsarten auch stilistisch

          gegenseitig beeinflussen.

          Und da kann Emil Zuppke mit seinen Werken durchaus Neues in Hinblick auf

          Motivwahl, zeitgemäßer Darstellung und neuen stilistischen Umsetzungen

          bieten. Wohl um die Beziehungen seiner Ausstellungsexponate zu den

          Werken seiner Künstlerkollegen transparent zu machen,

          schickt Emil Zuppke seinem Ausstellungspart den Entwurf eines Kirchen-

          fensters voran, das in vielerlei Hinsicht Elemente seiner Linolschnitt-Technik

          mit Elementen seines eigenen Malstils verbindet. Bemerkenswert ist auch

          die Gesamtaufteilung seines Entwurfes: rechts und links jeweils zwei "kubis-

          tisch" ineinander verschränkte biblische Figurenmotive - verbunden durch

          ein "figürlich neutrales" Mittelfenster, dessen drei übereinander plazierte

          ikonografische Elemente Erläuterungshilfen für die Figurenfenster rechts

          und links geben.

          Die Kentnisse christlich ikonografischer Symbole und Bildelemente - wie

          beispielsweise das "Stundenglas" als Symbol für Vergänglichkeit im linken

          Bildteil oder der gereichte "Kelch" im rechten Bildteil als Symbol für

          selbstlose Hilfe (bei der Speisung des Lazarus) spielen auch in Emil Zuppkes

          späteren Wirken eine große Rolle, helfen sie doch entscheiend bei seinen

          heimatkundlichen Forschungen zur Interpretation der Herkunft,

          Identifikation und Bedeutung von alten Weg- und Grabkreuzen im direkten

          Umfeld von Bonn und Bad Godesberg.

          Ausstellungsexponate von Emil Zuppke 1925

Emil Zuppke: Entwurf eines 3-teiligen Glasfensters für die Ausstellung "Kunst und Wissen 1925" (Möglicherweise ist der Entwurf als Reflexion auf ein früheres Werk des mitausstellenden Jan (Johan) Thorn Prikker entstanden).

Emil Zuppke: Linolschnitt  Emil Zuppke: Linolschnitt  Emil Zuppke: Linolschnitt

"Heilige Familie"              "Sonnengesang"              "Sonnenkind"

Emil Zuppke: Kohlezeichng  Emil Zuppke Aquarell     Emil Zuppke Aquarell

"Golgatha"                         "Berggehöft"                 "Pappelreihe"

         (Zur Vergrößerung bitte auf die jeweilige Abbildung clicken)

1927  Nebenberuflich bewirbt sich Emil Zuppke um eine Kunsterzieherstelle am

          damaligen "Deutschen Kolleg", einer 1920 von Edmund Schopen gegründe-

          ten höheren Privatschule mit Internatsbetrieb im Villenviertel von Bad

          Godsberg (Rheinallee 26). Er wird angenommenm und erteilt in der Folgezeit

          Kunsterziehung sowohl an der Volksschule in Lannesdorf als auch am

         "Deutschen Kolleg". Unter Emil Zuppkes Leitung werden am Deutschen Kolleg

          verschiedene Arbeitsgemeinschaften, unter anderem für Fotografie und

          Bühnenbau eingerichtet. Man kooperiert eng mit den "Rheinischen Werk-

          stätten für Bühnenkunst" in Godesberg, einem überregional tätigen Unter-

          nehmen für den Entwurf und den Verleih von Theaterdekorationen, an dem

          Emil Zuppkes Kollegen vom Ring Godesberger Künstler  - Alfred K. Müller

          sowie Heinrich Pützhofen-Esters  (1879-1957) - beteiligt sind. Auch der

          Malerkollege Louis Ziercke - seines Zeichens freiberufliher Grafiker und

          (Aushilfs-) Lehrer für Freihandzeichnen an der Volksbildungsstätte in

          Godesberg, verdient dort als Kulissenmaler sein Geld.

          Zur eigenen Weiterbildung schreibt sich Emil Zuppke 1927 erneut an der

          Universität Bonn ein. Im kunsthistorischen Institut der Uni besucht er die

          Vorlesungen von Professor Wilhelm Worringer (1881-1965), der sich zu die-

          ser Zeit aktuell mit "Theorie und Praxis des Deutschen Expressionismus"

          beschäftigt und über seine Frau - Marta Worringer - selbst eine bedeutende

          expressionistische Künstlerin - direkten  Kontakt in die "Rheinische Expres-

          sionistenszene" und den einschlägigen Künstlergruppen (Cölner Sezession,

          Gereonsclub, Das junge Rheinland etc.) pflegt.

          Zudem hört sich Emil Zuppke die Vorlesungen des jungen "philosophischen

          Literaturwissenschaftlers" Heinrich Lützeler (1902-1988) an. Lützeler

          dozierte damals schwerpunktsmäßig über "Phänomene christlicher Kunst"

          und galt als maßgeblicher Vertreter der Bewegung "Renouveau catholique" in

          Deutschland. Seine Erkenntnisse und sozialkritischen Anmerkungen

          veröffentlichte Lützeler unter anderem in der katholischen Zeitschrift

         "Hochland", für die auch Emil Zuppke bereits gearbeitet und vereinzelte

          Illustrationsbeiträge (Linolschnitte) erstellt hatte.

          Worringer und Lützeler lieferten Emil Zuppke - jeder auf seine Weise - den

          theoretischen Unterbau für dessen eigene künstlerische Arbeiten, mit denen

          der Kunstpädagoge schon zuvor erste Ausrufungszeichen als "autonomer

          Expressionist" (Ausstellung 1924: Die schaffende Heimat") sowie als "christ-

          licher Kirchenkünstler" (Ausstellung des Wolframbundes 1925: "Kunst und

          Wissen") gesetzt hatte.

       Schulische Aktivitäten (als Kunstpädagoge)

         Mit seinen jüngeren Schülern aus der Grundschule in Lannesdorf besprach

         Emil Zuppke im Rahmen ihrer Kunsterziehung unter anderem regelmäßig

         die Figuren und Charaktere des rheinischen Kasperle-Theaters. Er selbst

         liebte das "Kasperle-Spiel" und so wurde er von seinen Schülern - schon

         wegen seiner spannenden Kasperle-Theatergeschichten - geliebt und verehrt.

         Sie hingen an ihrem Lehrer. Emil Zuppke hatte zeitlebens ständig einen

         selbstgeschnitzten Satz der Figuren zu Unterrichtszwecken  "parat" - zumal

         er festgestellt hatte, dass Kinder im Spiel oft sehr viel aufnahmebereiter und

         lernfähiger sind als im bloßen Frontalunterricht. "Und manche Einsicht kann"

         - so seine Überzeugung - "ein Kasperle einfach dreimal besser

         herüberbringen als jeder Lehrer." (Siehe dazu auch Werkverzeichnis Emil

         Zuppke (10): Kasperle- und Schattenspielfiguren)

         Neben den lehrplanüblichen Zeichen- und Malübungen bemühte sich Emil

         Zuppke unablässig darum, seinen Schülern die Freude am eigenen kreativen

         Gestalten zu vermiteln. So gestaltete er beispielsweise zum Weihnachtsfest

         1927 zusammen mit seinen Schülern einige Krippen, die -wie in den Annalen

         des Deutschen Kollegs zu lesen ist  - die Weihnachtsbotschaft in einer

        "überaus freien, schülergerechten Form" behandelten. Die Krippen sollen -

         den Schülerphantasien entsprechend - teilweise mit recht drastisch gestalte-

         ten und durchaus gewöhnungsbedürftigen Gips- und Pappfiguren bestückt

         gewesen sein. Leider sind diese unter Anleitung von Emil Zuppke entstande-

         nen plastischen Arbeiten nicht erhalten geblieben. Auch die seinerzeit im

         Unterricht szenarisch entworfenen und anschließend bunt bemalten Glas-

         flächen in den Fenstern des hinteren Schulaula-Anbaus sind später undoku-

         mentiert "verschütt" gegangen.

          Ein weiteres Beispiel für den pädagogisch geschickten Einsatz künstlerischer

          Ausdrucksmittel im Schulunterricht mag mit Emil Zuppkes Leidenschaft für's

          Theaterspielen zusammenhängen. Neben dem Kasperle-Spiel für seine

          jüngeren Schüler in Lannesdorf übte und pflegte Emil Zuppke auch die Kunst

          des "Schattenspiels". Eine alte, tradierte Form der phantasievollen Unter-

          haltung, in die er seine etwas älteren Schüler am Deutschen Kolleg gerne

          mit einbezog. Im Rahmen des Kunstunterrichtes ließ er geeignete Kulissen

          zu jedem seiner Stücke in Form von Tuschezeichnungen von seinen Schülern

          entwerfen, die dann im Rahmen der nachmittäglich angebotenen Arbeits-

          gemeinschaft Bühnenbild in Scherenschnitt- und Laubsägeform konkret um-

          gesetzt wurden. So mancher seiner Schüler - darunter unter anderem auch

          der Godesberger Künstler Arno Reins ist - wie von diesem dankbar reportiert

          wird - "auf diese Art und ohne jeden Zwang mit bis zu vier klassischen

          Theaterstücken pro Schuljahr intensivst" vertraut gemacht worden.

 

1928  Ausstellung im städtischen Museum Obernier, Bonn

         Auf Initiative von Heirich Pützhofen-Esters, der als offizielles Mitglied der

        "Bonner Künstlervereinigung (von 1914)" seine Bildwerke wie auch seine

         Aktivitäten als Mitinhaber und künstlerischer Leiter der inzwischen landesweit

         bedeutsamen "Rheinischen Werkstätten für Bühnenkunst (Godesberg)" de-

         tailliert dem theater- und kulturaffinen Bonner Publikum vorstellen und er-

         läutern wollte, erhielt der Künstler städtischerseits die Zusage, eine ent-

         sprechende Themenausstellung im städtischen Kunstmuseum von Bonn (=

         Haus Obernier an der Koblenzer Straße) organisieren zu dürfen.

         Zu dieser Aussellung läd Heinrich Pützhofen-Esters exklusiv seine Godes-

         berger Kollegen Emil Zuppke (offiziell als Vertreter der Arbeitsgemeinschaft

         Bühnenbild am Deutschen Kolleg in Godesberg) sowie den Kollegen Louis

         Ziercke (als verantwortlichen Kulissenmaler der "Rheinischen Werkstätten")

         ein. Im Rahmen der Ausstellung wird üblicherweise den beteiligten Künstlern

         gestattet, einen aktuellen Überblick über das eigene Schaffen zu geben.

         Emil Zuppke stellt ausgewählte Linolschnitte sowie zwei seiner zwischen-

         zeitlich neu entstandenen Gouachen aus.        

Emil Zupke: "Sinnende Frau" Guache auf Papier: 56,5 x 42,5 cm (h x b); signiert und datiert: 1928; Sammlung Michael Hümmer

         Die christlichen Thematiken seiner Linolschnitte, die Emil Zuppke zuvor dazu

         nutzte, auf seine Art sozialkritische Stellungnahme zu beziehen und auf

         gesellschaftliche Fehlentwicklungen aufmerksam zu machen, nehmen in den

         weiterhin betont expressionistischen Linolschnittten des Künstlers gegen

         Ende der 20-er Jahre allmählich ab. Er setzt sich nun - wohl beeinflusst durch

         die Werke und die diesbezüglichen Diskussionen mit seinen Künstlerkollegen

         im "Ring Godesberger Künstler" verstärkt mit Landschaftsmotiven

         auseinander.

Emil Zuppke: "Rheindampfer" (Linolschnitt) 1928

        Unter anderem taucht nun der Rhein , die charakteristische Kontur der

        Drachenfels-Ruine, die Godesburg und andere regionale Sehenswürdigkeiten

        in seinen Werken auf. Meisterhaft versteht Emil Zuppke es, in dem ihm ange-

        stammten Linolschnitt-Medium "dramatische Akzente" zu setzen. Er erprobt

        damit neue Ausdrucksmöglichkeiten in der Landschaftsdarstellung. Ein Linol-

        schnitt, den er in der Ausstellung im städtischen Museum Haus Obernier in

        Bonn zeigt, ist "Rheindampfer" betitelt (siehe oben). Hier arbeitet Emil Zuppke

        mustergültig die expressionistisch-dramatischen Möglichkeiten des Mediums

        in der Landschaftsdarstellung auf. Der dunkle Qualm des rheinaufwärts

        dampfenden Rheinschiffes kontrastiert mit den wild bewegten Wolken über

        dem Rheintal. Die Rauchfahne des Schiffes teilt das Bild in zwei Hälften.

        Sie "lastet" wie ein riesiger Keil auf dem Fluß und verschiebt so den eigent-

        lichen inhaltlich-thematischen Schwerpunkt des Bildes vom Rheindampfer

        auf die Landschaft und das dynamische Wolkenbild.

Erich Zuppke: "Bauerngehöft am Bodensee". Meisterlicher Linolschnitt mit fast malerischer Landschaftswirkung. Wellen-, Wolken- und Spiegelbild des Gehöfts überlagern sich zu einem homogenen "dramaturgischen" Ganzen.

1928  Ausstellung: Die schaffende Heimat (2)

        Zum Ende des Jahres beteiligt sich Emil Zuppke erneut an der Godesberger

        Werbe-Weihnachts-Woche (WWW), die wieder unter dem Titel: "Die schaffende

        Heimat" steht und eine Musteraustellung der Werke von lokalen Künstlern,

        Kunsthandwerkern, Architekten, Innenausstatter und Gartengestalter umfasst.

        Für den Präsentationsbereich "Kunst" in der Ausstellung ist der "Ring Godes-

        berger Künstler" verantwortlich und so steuern - neben Emil Zuppke -

        Heinrich Pützhofen-Esthers, Toni Wolter, Louis Ziercke, Walter Rath, Heinrich

        Pützhofen-Hambüchen, Georg Günther, Hermann Winkler und der Bildhauer

        Carl Bettin einige ihrer Werke zu dieser Ausstellung bei.

        Emil Zuppke stellt eine Auswahl seiner Gouachen mit Landschaftsmotiven, ver-

        mutlich Rheinmotive, aus. Wie die Presse anschließend berichtet, soll "Die

        schaffende Heimat" erneut ein voller Erfolg gewesen sein. Viele Kurgäste

        hätten die Gelegenheit genutzt, sich mit werthaltigen Weihnachtsgeschenken

        und Erinnerungsstücken an ihren Aufenthalt in Bad Godesberg für ihre häus-

        liche Ausstattung einzudecken.

         Eine kurze Zeit lang erwägt der inzwischen 33-jährige Kunstpädagoge Emil

         Zuppke, sich ganz der Kunst zu widmen und als "freier" Künstler weiterzu-

         machen. Letztendlich entscheidet er sich dagegen.

         Emil Zuppke ist eher der zurückhaltende, bescheidene Typ von Künstler, der

         den öffentlichen Auftritt scheut und sich nur mit innerem Widerwillen in den

         Vordergrund schieben lassen will. Er ist weder ein "Kunstmanager", noch ein

         ausgesprochener "Kunstproduzent".

         Seine künstlerischen Werke spiegeln in dieser Zeit erkennbar einen gewissen

        "Eigenkosmos" wieder, der ihm wichtig ist, weil er dadurch seine künstlerische

         Unabhängigkeit gegenüber den Kollegen wahren kann. Unabhängig zu sein -

         auch im Finanziellen - ist ihm sehr wichtig. Zudem ist er ein wirklich guter

         Lehrer, der Beruf und (künstlerische) Berufung ideal miteinander verbinden

         kann. Und so entscheidet er sich gegen ein Leben als "freier" Künstler.

1929  Ob als Ausgleich oder als Belohnung für diesen Beschluss unternimmt Erich

          Zuppke im darauffolgenden Jahr eine Studienreise nach Paris.

          Das dort entstandene Selbstbildnis zeigt einen durchaus selbstbewussten,

          gereiften jungen Mann neben einem offenen Fenster, in dem die Front der

          römisch-katholischen Kathedrale des Erzbistums Paris - "Notre Dame" - zu

          erkennen ist.

          Kein weltfremder Bohemien, kein "durchgeknallter" Künstler, sondern ein

          gesetzter Mann in Anzug und Krawatte!

          Um ihn herum die Insignien seiner Persönlichkeit. Hinweise geben die Kirche

          (als Symbol für die unverrückbar tiefe christliche Glaubensüberzeugung), der

          angeschnittene runde Tisch mit der daraufstehenden Blumenvase (häufiges

          Motiv von Stillleben und Symbol für "natürliche" Ästhetik) sowie ein franzö-

          sisches Journal (Symbol für kulturelle Belesenheit und Intellektualität). Die

          Blumenvase ist - auch dies ein zusätzlicher Hinweis - randständig rechts mit

          dem Künstlermonogramm (E über Z für Emil Zuppke) versehen.

Emil Zuppke: "Selbstbildnis" Linolschnitt, Paris 1929

1931  Die "völkische Bewegung" gewinnt auch in Bad Godesberg zunehmend an

          Boden. Der Stadtrat beschließt, ein neues Heimatmuseum - verbunden mit

          einer "Volksbibliothek" einzurichten. Das Ereignis soll mit einer repräsenta-

          tiven Kunstausstellung im Kurfürstenhof in Bad Godesberg gefeiert werden.

          Für die Ausstellung wählt man den programmatischen Titel "Regionale 1931".

Emil Zuppke: "Damenbildnis", 1930

          Die "Regionale 1931" soll - so die ur-

          sprüngliche Planung - in einer Art Be-

          standsaufnahme das lokale Kunstge-

          schen in Godesberg dokumentieren. Die

          gesamte Godesberer Künstlerschaft, da-

          runter natürlich auch der "Ring Godes-

          berger Künstler" ist aufgerufen, geeig-

          nete (möglichst der völkischen Idee ent-

          sprechende) Zeichnungen, Gemälde und

          Skulpturen für die Eröffungsfeier einzu-

          reichen. Emil Zuppke reicht zu der Aus-

          stellung ein für ihn ungewöhnliches

         "Damenbildnis" ein, das er ein Jahr zuvor

          von seiner Ehefrau Anna Maria gemalt

          hat.

         1929 war Emil Zuppkes Malerkollege

         Toni Wolter, knapp 54-jährig, infolge

         einer Nierenbeckenentzündung verstor-

         ben. Auf Drängen der Stadtverwaltung

         gibt dessen Frau - entgegen dem ur-

         sprünglichen Reglement - gleich mehrere

         Werke ihres Mannes zur "Regionale 1931" frei. In der Presse wird die Aus-

         stellung daraufhin zu einer posthumen Gedächtnisausstellung für Toni Wolter

         umfunktioniert und entsprechend besprochen. Eigentlich sollte die "Regionale"

         dazu dienen, "das Schaffen aller regionalen Künstler in regelmäßigem (= jähr-

         lichem) Abstand in breiten Schichten des Volkes zu verankern". Die

        "Regionale 1931" erfüllte diese programmatische Zielsetzung aber nur be-

         grenzt. Letztendlich wurde das neue Ausstellungskonzept weder von der

         Bevölkerung noch von der Presse wirklich angenommen und so sah man sich

         gezwungen, die "Regionale" wegen Besuchermangels schon im Folgejahr

         wieder abzusetzten.

         Die Kunstvereine in Düsseldorf, Köln und Bonn nahmen das Godesberger

         Regionale-Konzept später wieder auf. Es wurde nach dem 2. Weltkrieg - ein

         durchaus erfolgreiches Ausstellungsformat.

1931  Einzelausstellung im städtischen Museum - Haus Obernier - Bonn

           Im März 1931 erhält Emil Zuppke eine Einzelausstellung im Obergeschoss

           des städtischen Museums - Haus Obernier - Bonn zugesprochen. Hier zeigt

           der Künstler eine Auswahl seiner neu geschaffenen Werke - vor allem Land-

           schaftsaquarelle und Gouachen. Besonderen Reiz erhält diese Ausstellung,

           weil im Erdgeschoss sowie im Museumsanbau eine Auswahl der Werke von

           Else Krüger sowie anderer namhafter auswärtiger Künstler zu sehen sind,

           die der damals aktuellen Düsseldorfer (Mal-)Schule zugerechnet werden

           können (Pudlich, Pankok, Steib, Gobiet, Krutzwicki, Schöllgen, Hergarten

           etc.)

           Es ist auffällig, dass Emil Zuppke in seiner Einzelausstellung 1931 keinen

           Abdruck seiner expressionistischen Linolschnitte mehr zeigt. Das mag zum

           großen Teil daran liegen, dass der auch im Alltagsleben immer stärker auf-

           keimende Nationalsozialismus (und das damit verbundene Gedankengut)

           immer stärker an Einfluss gewinnt.

           Den kritisch-sensiblen Künstler, den "malenden" Schullehrer und engagieren

           Kunstpädagogen Emil Zuppke mag dies schon relativ früh dazu bewogen

           haben, seine Motive - politisch unverfänglicher - in der Landschaftsmalerei

           zu suchen. Nur in der Darstellung der "spirrig" wirkenden Bäume und ihres

           Geästes lässt sich noch eine gewisse "Reminiszenz" an Emil Zuppkes frühere

           expressionistische Linolschnitt-Meisterschaft ablesen.

1933  Unmittelbar nach der Machtergreifung Hitlers am 30.01.1933 beginnt die

          "Gleichschaltung der Deutschen Kunst", deren staatsorganisatoriche Basis

           von Joseph Göbbels durch das Reichskulturkammergesetz am 22.09.1933

           geschaffen wurde. Siehe Kapitel: "Künstler in der NS-Zeit".

           Zuständig für das Deutsche Kulturgut ist zukünftig alleine die Reichskultur-

           kammer in Berlin mit ihren verschiedenen Reichskammern.

           Für alle professionellen, deutschen Maler und Bildhauer ist die "Reichskam-

           mer der Bildenden Künste" zuständig, die auch die Standes- und Berufs-

           vertretung aller ihr zugehörigen Künstler übernimmt. Die Mitgliedschaft in

           der Reichskulturkammer ist für alle professionellen "Deutschen Künstler"

           verbindlich und zwingend vorgeschieben.

           Alle bisherigen Standesorganisationen (inklusive aller freien Künstlergruppen

           und -vereinigungen) werden aufgelöst bzw. zwangsweise in die Reichs-

           kulturkammer überführt. Personen ohne Arierausweis werden nach und nach

           ausgeschlossen.

           Zudem werden Künstler und Künstlerinnen ausgeschlossen, deren Werke

           systemkritische Inhalte und/oder "entartete" Kunst darstellen. Die

           entsprechenden Feststellungen werden durch einschlägige Gaukammer-

           Ausschüsse - für Bonn und Bad Godesberg ist die Gaukammer

           Köln-Aachen zuständig - getroffen. Die Ausschüsse entscheiden in der Regel

           nach eigenen "Feldbeobachtungen", die von parteilich gebundenen

         "(NS-)Kunstbeauftragten" durchgeführt werden. Zulässig sind auch private

           Beobachtungen und private Anzeigen, sofern sie von "arischen" Bürger

           stammen.

           Anonyme Denunziationen sind an der Tagesordnung und werden von

           allen Künstlern gefürchtet, deren Werke nicht dem "Volksgeschmack"

           entsprechen. Neuaufnahmen in die Reichskulturkammer erfolgen

           ausschließlich auf Antrag.

 

1936  Einzelausstellung im städtischen Museum - Haus Obernier - Bonn

          In der Oktober-Ausstellung des städtischen Museums stellen Wilhelm Heise,

          Ernst Meurer und Emil Zuppke - jeder exklusiv in einer Folge aneinander-

          grenzender Räume im Erdgeschoss, Obergeschoss und Anbau ihre jeweils

          aktuellen Werke aus. Die mit dem Namen der jeweiligen Künstler überschrie-

          benen Einzelausstellungen sollen einen charakteristischen Querschnitt ihrer

          Werke und ihrer Darstellungsstile aufzeigen.

          Um seinen Linolschnitten aus den 20-er Jahren "Genüge zu tun", fertigt Emil

          Zuppke speziell für diese Ausstellung den Linolschnitt: "Kartenspieler" an.

          In diesem zeigt er exemplarisch sein ganzes über Jahrzehnte erworbenes

          Können. Zudem stellt der Künstler jeweils einige Beispiele seiner

          Zeichnungen und Aquarelle und Gouachen aus den Bereichen Landschafts-

          malerei, Portraits und Stillleben aus.

       Emil Zuppke: "Die Kartenspieler", Linolschnitt, 1936. Möglicherweise hat Emil

       Zuppke in diesem Bild drei seiner Künstlerkollegen portraitiert. Der Spieler

       vorne rechts ist Franz M. Jansen, der den Rheinischen Expressionisten zuge-

       rechnet wird, "wie aus dem Gesicht geschnitten". Jansens expressionistische

       Holzdrucke, vor allem seine Serie "Menschen von Gestern" aus dem Jahr 1918

       haben deutlichen Einfluss auf Emil Zuppkes Linolschnittwerke gehabt.

       Wahrscheinlich war Emil Zuppke auch einige Male bei seinem Kollegen Franz

       M. Jansen und dessen Frau "Fifi" Kreutzer in deren Atelierhaus in Büchel zu

       Gast. Der große Kartenspieler in der Mitte wird wohl der Bad Godesberger Künstler-

       kollege Hans van Voorthuysen sein.

1937  Die organisatorische Gleichschaltung der Deutschen Kunst im Sinne einer

         "nationalsozialistisch geprägten Volkskultur" ist weitgehend abgeschlossen.

          Nur diejenigen, die als Mitglieder der Reichskammer der Bildenden Künste

          registriert sind, erhalten fortan staatliche Förderungen, öffentliche Aufträge

          und Ausstellungsmöglichkeiten in staatlichen Museen sowie im offiziellen

          deutschen Kunsthandel. Letztendlich bedeutet der systematische Entzug der

          wirtschaftlichen Grundlage ein Berufsverbot für alle "unorganisierten" Künst-

          ler in Großdeutschland.

          Inwieweit Emil Zuppke als Gründungsmitglied des "Rings Godesberger

          Künstler" von dieser Entwicklung direkt betroffen ist und demnach offizielles

          Mitglied der Reichskammer der Bildenden Künste wurde, ist unbekannt. 

          Wahrscheinlich wurde er hauptberuflich als Lehrer eingestuft und seine

          künstlerischen Ambitionen daher nicht im Sinne eines "professionellen, auf

          Erwerbstätigkeit ausgerichteten Künstlertums" gewertet. Nur dann wäre er

          (alleinig) von der Reichskammer der Bildenden Künste als für ihn

          zuständigen Berufsverband vertreten worden. Anders als seine Künstler-

          kollegen im "Ring Godesberger Künstler" war er damit aber auch bezüglich

          der ideologiebedingten Ansprüche der Nationalsozialisten, die diese an eine

         "Deutsche Kunst" stellten, außen vor.

          Dennoch war es auch für ihn als malenden Kunstpädagogen opportun, sys-

          temkritische Thematiken und Motive in seinen Werken tunlichst zu vermei-

          den, zumal er weiterhin Kontakt zu den Künstlerkollegen in der inzwischen

          offiziell zur "Arbeitsgemeinschaft Godesberer Künstler in der Reichskammer

          der Bildenden Künste (AGGK)" umbenannten Künstlergruppe beibehalten und

          damit zumindest im Gästestatus zu ihren Ausstellungen eingeladen werden

          wollte.

1938  Die Nationalsozialisten erheben Anspruch auf den Namen "Deutsches Kolleg"

          Emil Zuppke ist als Kunstpädagoge an diesem privat geführten Gymnasium in

          Godesberg tätig. Kurzerhand "liquidieren" die Nazis das Gymnasium. Die

          Schüler gehen daraufhin größtenteils auf eine andere, privat geführte Ersatz-

          schule, das "Pädagogium Godesberg  Otto-Kühne-Schule, kurz PÄDA" ge-

          nannt - über. Auch Emil Zuppke wechselt seinen Arbeitgeber.

         Obwohl sich nachweislich einige der im "Ring Godesberger Künstler " or-

         ganisierten Künstler gegen die formale Auflösung ihrer "freien" Interessens-

         gemeinschaft wehren, ist deren Liquidation nicht aufzuhalten.

         Man versucht, den Zusammenhalt auf persönlicher Ebene aufrecht zu erhalten

         und "akquiriert" - soweit es noch geht - unabhängige Ausstellungsmöglich-

         keiten für die Gruppe. Am 22. November 1938 findet die letzte gemeinsame

         öffentliche Ausstellung der Gruppe noch unter dem Signet des Ring Godes-

         berger Künstler im großen Saal des Rathauses von Bad Godesberg statt.

         Laut den Aufzeichnungen von Louis Ziercke stellt auch Emil Zuppke seine

         Werke auf dieser Weihnachtsausstellung, die den beziehungsreichen Titel:

        "Bilder der Stille" erhält, aus. Emil Zuppke zeigt seine Serie: " Bäume und

          Landschaften".

       Kriegszeit

1939  Am 1. September 1939 begann mit dem "Blitzkrieg" gegen Polen der 2. Welt-

          krieg. Die ursprünglich im Rathaus von Godesberg geplante Weihnachtsaus-

          stellung 1939 - zu der eigentlich nur noch "Reichskammermitglieder" zuge-

          lassen werden sollten - muss entfallen. Daraufhin organisieren die Künstler

          für sich eine eigene, private Weihnachtsausstellung in den Geschäftsstellen

          und Reaktionsräumen der lokalen Zeitungspresse. (General-Anzeiger, West-

          deutscher Beobachter, Rundschau und Rheinzeitung).

          Weihnachtsausstellung 1939 (privat organisiert)

          Carl Bettin, Georg Günther, Josef Heinen, Hans von Voorthuysen, Louis

          Ziercke und Emil Zuppke präsentieren in den Redaktionsräumen der Zeitun-

          gen - jeweils im Zweiergespann und erneut unter dem Ausstellungsmotto:

         "Bilder der Stille" - ihre aktuellen Werke. Wahrscheinlich haben auch andere

          Künstler aus der Arbeitsgemeinschaft Godesberger Künstle (AGGK) ihre

          Werke zu dieser dezentralen Ausstellung eingereicht, konnten aber zum

          Eröffungstag wohl nicht mehr persönlich anwesend sein, weil sie - wie auch

          Emil Zuppke - zum "Dienst an der Waffe" eingezogen waren.

          Emil Zuppke ist als deutscher Staatsbürger mit 45 Jahren noch knapp im

         "wehrfähigen" Alter (18 - 45 Jahre). Er wird rekrutiert und als kampferfahre-

          ner Artillerist des 1. Weltkriegs zu einer Artillerie-Ausbildungskompanie nach

          Thorn/Polen beordert. Emil Zuppke wird zum Leutnant befördert und erhält 

          eine spezialisierte Ausbildung zum Artillerie-Ausbildungsoffizier. Nach deren 

          Abschluß wechselt er als Oberleutnant zu einer Artillerie-Ausbildungseinheit

          nach Düsseldorf und später nach Hamm. Es folgen relativ kurze Kampfein-

          sätze in Russland und am Atlantikwall in Frankreich. Nach seiner Beförderung

          zum Hauptmann wird der inzwischen 50-jährige Zuppke gegen Kriegsende

          als Kommandeur einer schweren Geschützeinheit zur Verstärkung des stra-

          tegischen Küstenschutzes in Oberitalien nahe der französischen Grenze ein-

          gesetzt.

          Die einschlägige Versorgungslogistik sowohl im deutschen Heer als auch

          beim italienischen Achsenmacht-Bündnispartner ist ab 1942/1943 allerdings

          bereits ziemlich desolat. Es fehlt vor allem an Ersatzteilen und geeigneter

          Munition für die schweren Geschütze. Auch die Einsätze italienischer

          Partisanenverbände machen dem Kommandeur zu schaffen.

          Nach ihrer Landung auf Sizilien rücken die Alliierten - trotz heftigen Wider-

          stands vornehmlich deutscher Truppen - schnell auf dem italienischen Fest-

          land vor. Nach Mussolinis Sturz schert Italien durch einen Separatfrieden mit

          den Alliierten als ehemaliger Bündnispartner aus der Achsen-Allianz mit den

          Deutschen aus. Die deutsche Wehrmacht kämpft auf italienischem Boden

          weiter, um ihre Südflanke zu schützen.          

1945  Hauptmann Zuppkes schwere Artillerie-Kompanie gerät - wegen Muni-

           tionsmangels ohne ernsthafte Gegenwehr - in Oberitalien in amerikanische

           Kriegsgefangenschaft. Emil Zuppke wird in Livorno interniert, verhört und

           1945 an die für das Rheinland zuständige englische Militärverwaltung

           übergeben. Der 2. Weltkrieg ist damit für ihn zu Ende.

          Die Kriegszeit im Überblick (Stationierungen von Emil Zuppke)

          09/1939 - 11/1939         Bonn,  Rekrutierung als Reserve-Offizier

          11/1939 - 08/1940         Thorn, Ausbildung zum Artillerie-Ausbilder (Leutn.)

          09/1940 - 10/1941         Düsseldorf,  Artillerie-Ausbilder (Oberleutnant)

          10/1941 - 12/1941         Kampfeinsatz in Russland (Smolensk/Sytschewka)           01/1942 -  ? /1942         Hamm, Offiziersschulung schwere Artillerie

          1943      -     1944          Küstenschutz Atlantikwall (Frankr.)

          1944      -     1945          Küstenschutz Oberitalien (Hauptmann)

          Künstlerische Aktivitäten während des Krieges

          Emil Zuppkes künstlerisch-kreative Tätigkeit ist natürlich während seiner

          Dienstzeit in der deutschen Wehrmacht stark eingeschränkt, aber nicht gänz-

          lich unterbrochen.

          Anfänglich - während seiner Zeit in Thorn, Düsseldorf und Hamm - zeichnete

          er mit einem Tuschestift auf 20 x 30 cm großen Papierbögen Karikaturen, die

          das Soldatenleben seiner Artillerie-Kameraden in der Kaserne auf humoris-

          tische Weise auf's Korn nehmen. Natürlich geht es um Verpflegung, um die

         "Marotten" und "Lebensweisheiten" der Vorgesetzen, um Einzugs-, Ver-

          setzungs- Urlaubs-, Flirt- und Unterhaltungsszenarien der Soldaten.       

Emil Zuppke: Auszug von Karikaturzeichnungen zum Soldatenleben 1939 - 1942

                    (Zur Vergrößerung bitte auf die Abbildungen klicken)

          Wie viele andere Künstler auch, hatte Emil Zuppke in seinem Gepäck stets

          ein Reise-Skizzenbuch dabei, in das er Eindrücke und interessante Motive,

          die er an seinen sehr unterschiedlichen Einsatzorten beim Kampfeinsatz in

          Russland, am Atlantikwall in Frankreich sowie als Kommandeur einer

          schweren Küstenbatterie in Oberitalien vorfand, per Bleistiftzeichnung

          fixierte.

          (Siehe Werkverzeichnis: Skizzenbücher sowie Russland- und Italienmappe)

          In aller Regel beschränkten sich seine Motive auf Landschaften. Nur sehr

          selten sind Personen "eingestreut". Das konkrete Kriegsgeschehen, Waffen

          und Zerstörungen, blendete Emil Zuppke in seinen Skizzen komplett aus.

          Einzig die realistischen Portraitskizzen einiger seiner Artillerie-Kameraden

          (in Uniform) sowie die beeindruckenden Konterfeis von russischen Kriegs-

          gefangenen und russischen Bäuerinnen, die während seines Einsatzes

          in Russland entstanden, weisen auf Kriegszeiten hin.

        

Emil Zuppke: Stillleben mit Militär- und Künstlerutensilien (1944/45). Typisch für Emil Zuppkes Motivwahl in dieser Zeit: Bäume und Landschaften hier: Ein spirrig verästelter (entlaubter) Baum in karger Hügellandschaft.

Emil Zuppke: Portraitskizzen von Kameraden (2), russischen Kriegsgefangenen (4)

                    russische Bäuerin (1),  Russische Dame (1)    (alle 11/1941)

          In Vorbereitung möglicher späterer Ausarbeitung hat Emil Zuppke einige

          seiner Landschaftsskizzen als Erinnerungsstütze mit handschriftlichen Farb-

          angaben zur Tonalität des jeweiligen Motives versehen. Gelegentlich fertigt

          er in seinen Skizzenbüchern auch kleine, flüchtige Aquarelle (maximal in

          Postkartengröße) an, um die spezifischen Stimmungen vor Ort "einzufangen".

          Vielfach entstehen nach diesen Aufzeichnungen später großformatigere Arbei-

          ten (in aller Regel Gouachen mit Temperafarben). 

Emil Zuppke: Beispiele für nachträgliche Ausarbeitung der Skizzen aus seinen Skizzen-

                    büchern (siehe oben)  als großformatige Tempera-Gouachen

          Die Gesetzmäßigkeiten der Freilichtmalerei hatte Emil Zuppke - parallel zu

          seiner Verpflichtung als Artillerie-Ausbildungsoffizier - während seiner Zeit in

          Düsseldorf im Detail kennengelernt. Dort machte er die Bekanntschaft von 

          Professor Junghanns, der an der Kunstakademie Düsseldorf lehrte.

          Prof. Julius Paul Junghanns (1875 -1958) war eine einflussreiche Persönlich-

          keit in Düsseldorf. 1904 - mit gerade mal 28 Jahren wird er bereits als

          Professor an die Düsseldorfer Kunstakademie berufen und in der Folge zum

          Leiter der Meisterklasse für Tier- und Freilichtmalerei ernannt. Als führender

          Vertreter der von Adolf Hitler als deutsche "Blut- und Boden-Kunst"

          bezeichneten Kunstrichtung genießt der die besondere Wertschätzung der

          NS-Machthaber und wird entsprechend hofiert. 

          Übergangsweise zum stellvertretenden Akademieleiter und Dekan ernannt,

          wirkt Junghanns in der Folgezeit maßgeblich an der Durchsetzung einer

          betont "Deutschen Kunst" an der Kunstakademie Düsseldorf mit.

          So müssen rund die Hälfte aller Professoren auf Druck der Nationalsozialisten

          wegen ihrer "volksfeindlich-zersetzenden" Kunstauffassungen - darunter

          Paul Klee, Ewald Matare und Heinrich Campendonk - die Akademie verlassen.

 

          In dieser Zeit sammelt Professor Junghanns einen Kreis vielversprechender

          junger deutscher Meisterschüler um sich. Dieser (Förder-)Kreis reduziert sich

          allerdings zu Kriegsbeginn deutlich, da viele seiner Schüler ab 1939 einge-

          zogen werden und als Wehrmachtsangehörige nicht mehr für weitere

          Studien- und Förderprojekte in der Akademie zur Verfügung stehen können.

          Die meisten dieser talentierten jungen Maler werden weitab von Düsseldorf

          stationiert und fallen im Laufe des Krieges.

 

          Als Kunstpädagoge und Wehrmachtsoffizier bemüht sich Emil Zuppke darum,

          diejenigen Künstlerkollegen, die - wie er - am Einsatzort Düsseldorf kaser-

          niert sind, zu einem "lockeren" Kreis kunstinteressierter Wehrmachtsange-

          höriger zusammenzuführen. Man trifft sich in Emil Zuppkes Quartier in

          der Kaserne, diskutiert regelmäßig über aktuelle und historische Kunstströ-

          mungen, besucht gemeinsam Museen und Ausstellungen und organisiert -

          soweit dies die Dienstpläne zulassen  - auch gemeiname Malausflüge, meist 

          an den Niederrhein. Prof. Junghanns läßt es sich auf diesen Exkursionen nicht

          nehmen, dem relativ heterogen zusammengesetzten Malerkreis die Beson-

          derheiten der Freilichtmalerei näherzubringen und auf Tricks und Tipps zur

          Bildkomposition und zur Farbanlage der Bilder hinzuweisen.    

          Aus seiner Zeit in Düsseldorf resultiert auch Emil Zuppkes persönliche Freund-

          schaft zu dem talentierten jungen Maler Max Müller, der aus Hagen stammt 

          und sich "Müller von Hagen" (Künstlername) nennt. Sie malen gemeinsam.

          Emil Zuppke vornehmlich Aquarelle und Gouachen, Müller von Hagen

          vorwiegend Ölgemälde.

          Unter anderem malt Müller von Hagen 1941 ein Portrait seines Freundes. 

          Es zeigt Emil Zuppke als einen eher kantig-hageren Mann, der mit

         "wachen" Augen und einer gewissen Gelassenheit seine Pfeife raucht und

          damit sowohl die nachdenkliche Distanz eines sensiblen Künstlers, als auch

          die Bestimmtheit eines kommandierenden Offiziers vermittelt. Leider ist über

          den Maler Müller von Hagen nur wenig bekannt. Auch er ist gegen Ende des

          zweiten Weltkrieges gefallen. Emil Zuppke sandte alle Unterlagen und die bei

          ihm eingelagerten Ölbilder aus dieser Zeit an dessen Familie und behielt nur

          einige Skizzen sowie das ihm von seinem Freund zugedachte eigene

          Portraitbildnis.

 

Müller von Hagen: Portraitbildnis von Emil Zuppke, Öl auf Leinwand, 50 x 40 cm, Düsseldorf (1941)
Detailausschnitt Augenpartie

        Nachkriegszeit - Die Stunde Null

1946  Emil Zuppke kehrt Anfang 1946 aus der Internierung, die die amerikanische

           und englische Militärverwaltung für gefangen genommene Offiziere der

           deutschen Wehrmacht in Livorno eingerichtet hatte, nach Bad Godesberg

           zurück. Er wird der englischen Militärverwaltung im Rheinland überstellt. Bei

           der englischen Militärverwaltung lag bereits ein Antrag vor, alle ehemaligen

           Lehrer des Deutschen Kollegs - sofern sie den Krieg überlebt hatten - sofort

           wieder in den Schuldienst zu übernehmen. Dem Antrag wird stattgegeben

           und so nimmt Emil Zuppke im Rang eines Studenrates seine Arbeit als

           Kunstlehrer am Pädagogium Otto-Kühne-Schule (PÄDA) wieder auf.

           Zusätzlich unterrichtet er dort in der Folgezeit die Fächer Erdkunde, Biologie

           und Mathematik. Wie schon zuvor, gilt allerdings sein besonderes Interesse

           der Kunsterziehung.

           Der inzwischen 51-jährige Studienrat Emil Zuppke ist ein anerkannt guter

           Kunstlehrer, der es schafft, die besonderen Talente seiner künstlerisch

           begabten Schüler zu erkennen und soweit zu bündeln, dass ihnen der Weg

           zu einem weiterführenden Hochschulstudium im Kunstbereich offen steht.

           Tatsächlich berufen sich nicht wenige seiner Schüler aus der ersten Nach-

           kriegsgeneration in ihren Biografien explizit auf ihren damaligen Kunstlehrer

           Emil Zuppke, der ihren weiteren künstlerischen Lebensweg vorgeprägt habe

          und ihr maßgeblicher künstlerischer "Impulsgeber" in dieser Zeit gewesen sei.

1947  Nach und nach "normalisieren" sich die Lebensverhältnisse für die Zivilbevöl-

           kerung wieder. Man hat den Krieg überlebt und ist mit Aufräum-, Reparatur-

           und Neubauarbeiten beschäftigt. Und weil die Versorgungslage in der Bevöl-

           kerung noch schwierig ist, blüht allenthalben der Schwarzmarkthandel. Man

           geht "organisieren", versorgt sich - soweit es geht - durch Realtauschge-

           schäfte oder durch "Maggeln" und "Fringsen" (Kohlenklau) mit dem Lebens-

           notwendigsten.

           Ein regelrechter Hunger nach Unterhaltung, nach leichterer wie auch

           nach anspruchsvollerer Kunst entsteht. Nahezu alle vor dem Krieg für Kunst-

           ausstellungen verfügbaren Räumlichkeien sind zerstört oder anderweitig von

           den Besatzungsmächten requiriert worden. Auch das Städtische Museum -

           Haus Obernier - in Bonn fiel den Bomben beim schweren Luftangriff vom

           18.10.1944 zum Opfer. Die Ruine brannte vollständig aus und wurde später

           abgerissen. Und so ist es den Privatinitiativen des Godesberger Schulamts-

           leiters Thünker, des designierten Bonner Museumsdirektors Dr. Walter

           Holzhausen sowie den Künstlervertreter Martin Frey (Godesberg) und

           Willy M. Stucke (Bonn) zu verdanken, dass die Ersatzräumlichkeiten der ehe-

           maligen Michaelschule an der Friesdorfer Straße - ein hölzener Baracken-

           trakt - vor ihrem Um- und Neubau für eine erste Übersichts- und Verkaufs-

           ausstellung Bonner und Godesberger Künstler freigeräumt werden konnte.                                                           

          1. Große Nachkriegs-Weihnachtsausstellung der Stadt Bonn 1947

          Alles was in der Region Rang und Namen in Sachen Kunst hat - auch "frisch

          zureiste" Künstler wie Paul Magar und andere - nehmen an dieser Ausstellung

          teil. Aufgrund der beengten Platzverhältnisse wird jedem der beteiligten

          33 (!) Künstler die Präsentation von jeweils zwei neugeschaffenen Werken

          zugestanden.

          Damit soll einerseits den Künstlern geholfen werden, sich beim regionalem

          Kunstpublikum nach dem Krieg wieder zurückzumelden und andererseits dem

          kunstsinnigen Publikum Gelegenheit geboten werden, zu sehen, in welche

          Richtung sich die neue deutsche Nachkriegskunst entwickeln wird. Nach

          Hitlers und Göbbels Kunstdiktat von 1933 war künstlerisch ein gewisses

          Vakuum um die "Deutsche Kunst" herum entstanden. Ein Vakuum, das nicht

          so ohne weiteres wieder aufgefüllt werden konnte. Man braucht einfach Zeit,

          um den Anschluß an die wichtigsten internationalen Kunstströmungen wieder

          aufzunehmen.

         Emil Zuppke nimmt mit zwei Werken an dieser "Bestandsaufnahme" teil.

Emil Zuppke: Zwei Versionen seiner "Zeitungsleser unter der Laterne" (Linolschnitt

                    und Gouache von 1947). Emil Zuppke thematisiert damit den

                    "Informationshunger" der Bevolkerung kurz nach dem Krieg. Vielfach

                    war die Stromversorgung in den zerstörten Häusern noch unzureichend,

                    so dass man abends das Licht der (Godesberger) Parklampen zum

                    Zeitungslesen nutzte. Sammlung: Lars Gagner, Stockholm

          Weitere ausstellende "Künstler der 1.Stunde" waren:

          aus Godesberg: Carl von Ackeren. Herman Berges, Clemens Pasch, Erika

          Lenzner, Annemarie Suckow, Magda Auer, Alexander Fischel, Martin Frey,

          Rudolf Gosekuhl, Paul Hanert, Paul Magar, Yngve Nilsson, Hermann Schmitz-

          Mayen, Ruth Underberg, Hans von Voorthuysen und Emil Zuppke

          aus Bonn:  Hans Bauer, Otto Baumann, Hans (Juan) Dotterweich, Jupp Heinz,

          Ernst Meurer, Gustav Peers, Illa Simmet, Willy M. Stucke, Julius Bretz, Helmut

          Mense, Carlo Mense, Hans Engel, Maria Haerle, Grete Schlegel sowie die Ver-

          treter der Alfterer Donnerstaggesellschaft - Hubert Berke und Hann Trier.

 

          Leider sind die einzelnen Exponate dieser "Bestandsaufnahme" nicht durch-

         gängig fotografisch dokumentiert worden. Die Ausstellung wird aber - wie in

         den Rezessionen der regionalen Zeitungen zu lesen ist - vom Publikum sehr

         gut angenommen. Sie verfehlt allerdings wegen des immensen individuellen

         Stil-Angebotes ihren Zweck, Orientierung über eine bevorzugte Nachkriegs-

         stilrichtung zu geben.

         Das Publikum ist angesichts der Vielfalt des Angebotes eher verwirrt, zumal

         - wie festgestellt wird - alle Künstler selbst noch experimentieren und nach

         einer eigenen Positionierung und Standort-Bestimmung im internationalen

         Stilvergleich zwischen Kubismus, Abstraktion, Konstruktivismus, Futurismus,

         Informel etc. suchen.

         Auf der Suche nach einem neuen Nachkriegsstil

         Auch Emil Zuppke experimentiert.  Er adaptiert verschiedene dieser neuen 

         malerischen Stilarten, nimmt Motive und malerische Anleihen von Malern wie

         Henri Matisse, Georges Braque, Juan Gris und Amedeon Modigliani auf, um sie

        - ohne sie zu kopieren - in seine eigenen Werke einfließen zu lassen.  

Emil Zuppke: Künstlerischer Neuanfang - Versuche und Experimente zur "Stunde Null"

1948 Mit der Währungsreform vom 20.06.1948 beginnt für die "Eingeborenen von

          Trizonesien" die deutsche Wirtschaftswunderzeit. ("Wir sind die Eingeborenen

          von Trizonesien" = Liedtitel der 1. Kölner Karnevalssession nach dem Krieg -

          gemeint sind die Bewohner der amerikanischen, englischen, und franzö-

          sischen Besatzungszone). Die Wirtschaft kommt als "soziale Marktwirtschaft"

          unter dem deutschen Wirtschaftsminister Ludwig Erhard allmählich wieder in

          Schwung.

1949 Nach der Verkündung des Grundgesetzes am 23.05.1949 erhält Bonn einen

          Sonderstatus als provisorische Bundeshauptstadt. Dies hat für die Stadt und

          ihre Künstler nachhaltige Konsequenzen nicht nur im politischen, sondern

          auch im städtebaulichen und kulturellen Bereich. Die Initiative "Kunst am

          Bau", nach deren parlamentarischer Verabschiedung die öffentliche Hand

          angewiesen ist, bis zu 3 Prozent der jeweils geplanten Bausumme in

          baubegleitender Kunst anzulegen, zieht nicht wenige Künstler an, sich im

          erweiterten Umfeld von Köln und Bonn niederzulassen.

          Zudem erfährt Bonn im Zuge der Errichtung der Ministerien und Bundesämter

          sowie durch die neu angesiedelten diplomatischen Vertretungen und

          Botschaften eine intensive Förderung seiner kulturvermittelnden Infrastruk-

          turen. Der Bau und Betrieb der Bonner Beethovenhalle sowie der Bonner

          Oper wertet die Stadt auch international als "Musikstadt" auf.

          Später folgt durch die Bauten der Museumsmeile (Bundeskunsthalle,

          Kunstmuseum Bonn, Rheinisches Landesmuseum, Haus der Geschichte etc.)

          auch eine Aufwertung im Bereich der Bildenden Kunst sowie - von Helmut

          Kohl initiiert - der Geschichtsforschung und Geschichtsdokumentation.

       Rheinische Denkmalpflege

         Emil Zuppke ist auf seine Art schon früh an der Entwicklung einer regionalen

         Geschichtsforschung und Geschichtsdokumentation in Bonn und Bad Godes-

         berg beteiligt. Neben seiner erfolgreichen Tätigkeit als Lehrer und Kunstpäda-

         goge am Pädagogium Otto-Kühne-Schule engagiert er sich bereits in den

         50-er Jahren intensiv in der rheinischen Denkmalpflege. In Zusammenarbeit

         mit dem Rheinischen Landesmuseum erstellt er einen Kataster historischer

         Wegekreuze im gesamten Landkreis Bonn. Neben der Registrierung obliegt

         ihm auch eine Bestimmung und Einordnung der jeweiligen Artefakten. Und hier

         erweisen sich Emil Zuppkes durch jahrzehntelang geübte Kreativumsetzungen

         erworbene Kenntnisse der Symbole und Zeichen im christlich-ikonografischen

         Bereich als besonders wertvoll und hilfreich. Schon bald ist er ein gefragter

         Spezialist in der Interpretation der Herkunft und Funktion rheinischer Weg-

         kreuze.

         Emil Zuppke tritt bereits kurz nach Ende des Krieges dem Arbeitskreis des

         Godesberger Heimat- und Geschichtsverein bei. Man bemüht sich darum,

         historische Unterlagen für die Rekonstruktion und den Wiederaufbau von

         Godesberger Baudenkmälern in alten Archiven zu suchen und für private und

         öffentliche Bauherren bereitzustellen. Inbesondere fühlt man sich verpflichtet,

         die in öffntlicher Hand befindlichen, durch die Wirrnisse des Krieges stark in

         Mitleidenschaft gezogenen und inzwischen durch Verwitterung und Grün-

         bewuchs weitgehend verrotteten historische Wegmarkierungen auf Godes-

         berger Gebiet aufzuarbeiten.

         Emil Zuppke erweitert sein Arbeitsgebiet der historischen Wegkreuze zunächst

         um das Thema Grenzsteine und andere Formen historischer Grenzziehungen

         (Pfähle, Baum-Markierungen, Mauern, Wälle etc.).

         Schließlich nimmt er auch das erheblich umfassendere Thema "Grabkreuze"

         in sein Arbeitsgebiet mit auf. Historische Grabkreuze und ihre Interpretationen

         stellen deutlich höhere Ansprüche an das entsprechende Hintergrundswissen,

         da zusätzlich zur ikonografischen Bedeutung der abgebildeten Symbole und

         Schriftzeichen stets auch Informationen über die jeweilige Person und ihre

         Lebensumstände zu eruieren sind, an die das jeweilige Grabkreuz erinnern

         soll. Seine Forschungsergebnisse veröffentlicht Emil Zuppke in den "Godes-

         berger Heimatblättern".

         1963 erscheint die erste, vom "Verein Heimatpflege und Heimatgeschichte

         (VHH) Godesberg" herausgegebene Ausgabe der Godesberger Heimatblätter.

         In den Folgejahren (bis 1977) steuert Emil Zuppke in nahezu jeder Ausgabe

         einen Beitrag mit seinen kunstwissenschaftlichen Forschungsergebnisse bei.

         Daneben hält er Vorträge und bietet sachkundige Führungen für Interessen-

         ten und Laien zu den jeweiligen Artefakten im regionalen Umfeld an.

Emil Zuppke: Kataster-Dokumentation historischer Wegkreuze im Landkreis Bonn fü+r das

                    Rheinische Landesmuseum Bonn

Künstlerisches Schaffen in der Nachkriegszeit

         Auch wenn sich Emil Zuppkes zeitliches Engagement im heimatkundlichen

         Bereich vervielfacht, hält er doch an seiner künstlerischen Berufung fest. Er

         malt und zeichnet unermüdlich weiter. Vor allem in den 50-er und 60-er Jahren

        "arbeitet er seine Skizzenbücher aus dem Krieg auf", spürt den örtlichen

         Gegebenheiten und den damals empfundenen Landschaftsstimmungen nach,

         die er während seines Einsatzes in Oberitalien und Südfrankreich erlebt und

         aufgezeichnet hatte.

         Maltechnisch bevorzugt er inzwischen die Tempera-Malerei, die er in vielerlei

         Hinsicht ausreizt. So setzt er beispielsweise eine Zeit lang Rauhfasertapeten

         als Malgrund ein, wohl wissend, dass ein und dasselbe Bild - je nach aktuellen

         Lichtverhältnissen bei seitlichem Streiflicht, "plattem Auflicht", bei partieller

         Beleuchtung oder aus dem Schatten betrachtet - völlig unterschiedliche

         Motivanmutungen und Stimmungen beim Betrachter auslösen kann.

         In gewisser Weise kehrt er in seine Jugendzeit zurück. Seine Werke nehmen

         die volltönige Farbgebung der rheinischen Expressionisten vor dem

         1. Weltkrieg wieder auf. Sie sind bunt und erinnern in ihrem Farbspiel und

         in ihrer Lichtsetzung entfernt - aber keineswegs unabsichtlich - an August

         Mackes "Tunisreise".

         Malerische Entwicklung (am Beispiel Boote)

Emil Zuppke:  (obere Reihe) konstruktiver Stil;  (untere Reihe) reduktiver Stil

                     (Zur Vergrößerung bitte auf die Abbildungen klicken)

Emil Zuppke: expressionistischer Stil "Dorfansicht" Guache, 34 x 24 cm (h x b), (1948/50)

Emil Zuppke: adaptierte (expressionistische) Stilformen

 

           Zeichnerische Entwicklung 

           Emil Zuppkes Zeichenkunst weißt einige für ihn typische Besonderkeiten

           aus. Wahrscheinlich ist es auf die jahrzehntelange Übung und Erfahrung des

           Künstlers in der präzisen Bildgestaltung von Linol- und Holzschnitten

           zurückzuführen, dass er auch in seinen ungeheuer dichten und diffizilen

           künstlerischen Handzeichnungen den harten Schwarz-Weiß-Kontrast bevor-

           zugt. Schattierungen legt er als mehr oder weniger enge Strichschraffuren

           an, wodurch viele seiner Handzeichnungen den Charakter von Stahlstichen

           annehmen. Wie am Beispiel seiner "Totentanz"-Serie eindrucksvoll belegt

           werden kann, versteht Emil Zuppke es meisterhaft, selbst in schwierig-

           sten Detaildarstellungen ein "Zulaufen" oder "Versuppen" der Flächen-

           wirkung sowohl in den hellen, als auch in den dunklen Bildpartien zu ver-

           meiden. Seine Zeichnungen bleiben in ihrer räumlichen Konfiguration stets

          "transparent". Vorder- und Hintergrund, Höhen und Tiefen, Licht- und

           Schattenwurf sind (selbst in Gewandfalten) eindeutig bestimmbar. 

Emil Zuppke: Detail aus dem Zeichnungszyklus: "Totentanz" Offensichtlich hat Emil Zuppke dem Maler an der Staffelei seine eigenen Gesichtszüge gegeben.
Foto Emil Zuppke

1960  Emil Zuppke erreicht das Pensionsalter

           für Lehrer. Er kann aber nicht von der

           Kunstvermittlung lassen und so lehrt            er noch volle 10 Jahre freiwillig als

           Kunstpädagoge an "seinem" PÄDA

           (Pädagogium Otto-Kühne-Schule)

           weiter. Sein Beruf ist ihm auch weiter-

           hin Berufung.

           Und so wird das Bild eines schlanken,

           inzwischen weißhaarigen älteren

           Herren, der hoch aufgerichtet auf 

           seinem Fahrrad auf dem Weg zur

           Schule ist oder kreuz und quer zum

           Besuch eines interessanten Baudenk-

           mals durch Godesberg radelt, für viele

           Godesberger ein alltäglicher und durch-

           aus vertrauter Anblick. Viele kennen ihn

           ja auch noch als Lehrer aus ihrer

           eigenen Schulzeit.

1976  In Anerkennung seiner Verdienste um die Denkmalpflege wird Emil Zuppke

           zum Ehrenmitglied des Vereins für Heimatpflege und Heimatgeschichte

           ernannt.

1977  Im Folgejahr 1977 wird ihm auf Initiative seines

           inzwischen zum Godesberger Bürgermeisters ge-

           wählten Freundes und Kollegen Heinrich Hopmann

           vom Landschaftsverband Rheinland im Rahmen

           einer Feierstunde im Godesberger Rathaus der

           neugestaltete Rheinlandtaler verliehen.

           Im gleichen Jahr verstirbt Emil Zuppkes Ehefrau

           Anna Maria, mit der er durch 53 Jahre verbunden

           war. Ihr Tod geht ihn schwer an. Aber selbst im

           hohem Alter - Emil Zuppke ist inzwischen über 80

           Jahre alt - arbeitet der Künstler tagtäglich sehr diszipliniert in seinem Atelier

           in der Godesberger Kronprinzenstraße 35. Hier bewohnt er - zusammen mit

           seinen Töchtern Dietlind Zuppke und Uta Gagner eine großzügige Villa mit

           einem sonnigen parkähnlich angelegten Garten.

Emil Zuppke: Wohn und Atelierhaus in der Kronprinzenstraße 35 in Bad Godesberg

        Das Spätwerk Emil Zuppkes

           In gewisser Weise stellt das Spätwerk Emil Zuppkes künstlerisch eine

           Essenz seines Schaffens dar. Sieht man von einzelnen Linolschnittten ab,

           die Emil Zuppke u.a. im Auftrag Godesberger Karnevalsvereine zur

           Anzeigengestaltung sowie zur Ausgestaltung von Programmheften schuf,

           konzentriert sich der Künstler in seinen letzten Lebensjahren konsequent auf

           die Erkundung der gestalterischen Basiselemente Farbe und Form. Dabei

           interessiert ihn weniger die Darstellung eines konkreten Motivs, als vielmehr

           dessen Erkennbarkeit und die emotionalen Wirkungsmöglichkeiten, die durch

           eine betont expressionistische Farbgestaltung entstehen. In aller Regel be-

           stehen seine Spätwerke inhaltlich aus kunstvoll aneinandergereihten "Land-

           schafts-Chiffren" für Berge, Wasser, Wolken und Einzelbäumen bzw. Baum-

           gruppen. Hunderte von Farbstudien in Aquarell- oder Gouachetechnik

           entstehen.         

Emil Zuppke: Landschaften (Aquarell-Farbstudien auf Papier) 1977-1980

1980  Ein bewegtes, der bildenden

           Kunst, der Kunsthistorie und

           der Kunstpädagogik

           gewidmetes Leben neigt sich

           dem Ende zu.

           Emil Zuppke verstirbt - still und

           friedlich - im Alter von 85

           Jahren am 26. September 1980

           in seinem Haus in Bad

           Godesberg.

           Er überlebt den früh gefallenen

           August Macke um tagesgenau

           66 Jahre.

           Emil Zuppke wird im Familien-

           grab - begleitet von einer

           Vielzahl ehemaliger Schüler,

           Freunde und Bekannte - auf

           dem Godesberger Hochkreuz-

           Friedhof begraben.

 

 

           Bild rechts:

           Emil Zuppke: "Spiel der Hände"

           (1929)     

          Todestag 26.09.1980

Familiengrab Zuppke auf dem Hochkreuz-Friedhof von Bad Godesberg

          Emil August Erwin Zuppke war

          mit seinen eigenen künstleri-

          schen Arbeiten - vor allem mit

          seinen meisterlichen Linol-

          schnitten der 20er und 30er

          Jahre - ein autonomer "Weg-

          begleiter" der Rheinischen

          Expressionisten und zugleich

          ein namhafter Vertreter der

          sakralen Kunst im Rheinland.

          Als Mitglied des Rings Godes-

          berger Künstler beeinflusste

          er - zusammen mit seinen

          Künstlerkollegen - maßgeblich

          die Kunst der "Zwischenzeit"

         (zwischen den beiden Welt-

          kriegen). Als erfahrener Kunst-

          pädagoge war er nach dem

          zweiten Weltkrieg Bezugs-

          person und Ziehvater junger

         Bonner Künstler und als Kunst-

          historiker ein veritabler, der

          regionalen Denkmalpflege

          verpflichteter Heimatforscher. 

 

       Nachtrag: Posthume Ausstellungen / Beteiligungen

1982 „Die Generation der Vergessenen“

         Lichtbildvortrag von Dr. Irmgard Wolf von der Arbeitsgemeinschaft Bildung

           und Kultur e.V. in der Stadthalle Bad Godesberg.

           Frau Dr. Wolf erinnerte in ihrem Lichtbildvortrag an das Wirken derjenigen

           Künstler, die als Mitglieder des "Rings Godesberger Künstler" die Zwischen-

           zeit (zwischen den beiden Weltkriegen) künstlerisch maßgeblich mitge-

           prägt haben, aber dann leider weitgehend in Vergessenheit“ gerieten. So

           unter anderem: Carl v. Ackeren, Alexander Fischel, Rudolf Gosekuhl, Hans

           v. Voorthuysen, Toni Wolter, Louis Ziercke und Emil Zuppke. Die große

           Publikumsresonanz auf ihren Vortrag führte zu einer Sonderausstellung

           im Folgejahr.

 

1983 „Die Generation der Vergessenen“

          Kunstausstellung der Arbeitsgemeinschaft Bildung und Kultur e.V. in den

            Räumlichkeiten der Volkshochschule Bad Godesberg. Entsprechend dem

           gleichnamigen Lichtbildvortrag von Dr. Irmgard Wolf aus dem Vorjahr 1982

           waren rund 60 aus den Beständen/Nachlässen der Künstler zusammen-

           getragene Originalwerke zu sehen. Die erst nach dem 2. Weltkrieg dem

          "Ring Godesberger Künstler" beigetretenen Maler Paul Magar, Martin Frey

           und Arno Reins wurden nicht der „Generation der Vergessenen“

           zugerechnet und blieben daher unberücksichtigt.


1994 „Emil Zuppke - Russland 1941 – 1943“

           Privatausstellung von Ingrid von der Dollen in deren Anwesen in Honnef.

          In Vorbereitung auf den 100. Geburtstag des Künstlers zeigte Frau von

          Dollen Aquarelle und Zeichnungen aus Emil Zuppkes gleichnamigen

          Mappenwerk.


1996 „Gedenkausstellung Emil Zuppke“

         Der „Verein Heimatpflege und Heimatgeschichte (VHH) Godesberg“

           organisierte anlässlich des 100.Geburtstages seines Ehrenmitglieds

           eine große Retrospektiv-Ausstellung der Werke Emil Zuppkes im

          „Haus an der Redoute“ in Bad Godesberg. Eine Auswahl von insgesamt

           60 repräsentativen Arbeiten aus allen Phasen seines künstlerischen

           Schaffens wurden vorgestellt.

 

1999 „Emil Zuppke – Italienische Landschaften und Bäume“

         Privatausstellung der Töchter des Künstlers in dessen Wohn- und

           Atelierhaus in der Kronprinzenstraße 35 in Bad Godesberg. Gezeigt wurde

           ein thematischer Auszug aus dem Künstler-Oeuvre.

 

2000 „Christus an Rhein und Ruhr – Die Wiederentdeckung des

           Sakralen in der Moderne“

           Museumsausstellung im August-Macke-Haus, Bonn. Emil Zuppke war in

           dieser Ausstellung mit vier Linolschnitten aus seiner frühen Schaffens-

           phase beteiligt.


2010 „800 Jahre Godesburg“

         Jubiläumsausstellung im Stadtarchiv Bonn. Zu dieser Ausstellung wurden

           verschiedene Burgansichten von Godesberger Künstlern, darunter zwei

           Aquarelle und ein Linolschnitt aus den 30-er Jahren von Emil Zuppke

          gezeigt.