Robert Gerstenkorn (1877 - 1965)
1877 Robert Gerstenkorn erblickt am 4. Februar 1877 in
Wetzlar an der Lahn das Licht der Welt. Sein Vater -
Franz Gerstenkorn - ist ein erfolgreicher Kaufmann
in Wetzlar. Er stammt seinerseits aus einer durch-
aus "kunstaffinen" Familie. Sein Vater, Roberts
Großvater - Karl Gerstenkorn - war ein hochange-
sehener Tischlermeister in Koblenz, der für seine
kunstgewerblichen Möbelentwürfe bei zeitgenös-
sischen Gewerbeausstellungen bedeutende Ehren-
preise und Auszeichnungen, darunter die "Preus-
sische Staatsmedaille" sowie den Titel "Hoftischler-
meister" verliehen bekam. Zum Verwandtenkreis
der Familie Gerstenkorn zählt auch die bekannte Malerfamilie von Kügelgen,
die in mehreren Generationen als Portraitisten von Fürsten, Erzbischöfen,
Wissenschaftlern und Gelehrten im Raum Köln-Bonn-Koblenz-Mainz tätig war.
Robert verkehrt schon in jungen Jahren öfters in seiner akademisch gebilde-
ten Maler-Verwandtschaft, die in Bacharach ansässig ist. Hier darf er im
Maleratelier zuschauen, wie "Portraits Gestalt annehmen". Von der Übertra-
gung der gezeichneten Vorskizzen und Portraitstudien auf Leinwand über das
Anlegen des Hintergrundes bis zur naturalistischen Ausmalung prachtvoller
Roben und der Gesichter. Dieser "Prozeß der Menschwerdung" fasziniert
Robert. Das möchte er später auch einmal können!
Anders als seine malende Verwandschaft setzt sein Vater aber eher auf eine
solide kunsthandwerkliche "Prägung" seines Sohnes, der damit vielleicht
einmal in die Fußstapfen seines Großvaters Karl treten könne.
1887 Nach der Volksschule (Einschu-
lung 1883) besucht Robert
Gerstenkorn die königliche Ge-
werbeschule zu Coblenz. Diese
wird 1890 zum Realgymnasium
Koblenz umgewandelt. Ein beson-
derer Schwerpunkt des Realgym-
nasiums bildet die intensive mu-
sikalische Früherziehung der
Schüler. Später wird aus dem
Kaiser-Wilhelm-Realgymnasium
das heutigen Eichendorff-Gym-
nasium. Ob Robert Gerstenkorn ein besonders guter Schüler war, ist nicht be-
legt. Kunst und Musik sind seine Lieblingsfächer. Er hat offensichtlich in den
musischen Fächern besonderes Talent, zeichnet und malt für sein Alter gut
und spielt darüber hinaus auch sehr gut Geige.
1889 In Koblenz wird das "Conservatoium Coblenz" unter Leitung des Musikdirek-
tors Raphael Maszkowski (1838-1901) gegründet.
1891 Nach bestandener Aufnahmeprüfung wechselt Robert Gerstenkorn auf das
neue Koblenzer Musikkonservatorium und studiert bei Prof. Maszkowski zwei
Semester lang Violine, Violoncello und Gesang. So ganz scheint ihm aber die
möglicherweise auf Druck seines Elternhauses zustande gekommene Ent-
scheidung, sich zu einem Musiker ausbilden zu lassen, nicht zu begeistern.
Die Effizienz des privat zu entrichtenden Schulgeldes mag dem Vater mit
seinem kaufmännischen Hintergrund nicht genügend gewährleistet gewesen
zu sein. Jedenfalls schickt man den 15-jährigen jungen Mann zur weiteren
Ausbildung zu Verwandten nach Köln.
1892 Robert Gerstenkorn beginnt in Köln eine Lehre im kunstgewerblichen
Bereich, möglicherweise als Kunsttischler oder Kunstmaler in einem örtlichen
Handwerksbetrieb (unbestätigt). Daneben besucht er die "Gewerbliche Fach-
schule der Stadt Köln", die unter der Leitung von Friedrich Romberg - seines
Zeichens Bauingenieur - in drei Fachabteilungen aufgeteilt und seit 1886 in
einem Neubau am Kölner Salierring untergebracht ist. Robert ist dem kunst-
handwerklichen Zweig der "Gewerblichen Fachschule zu Köln" zugeordnet.
Aus diesem Zweig entwickelt sich später zunächst die "Kölner Kunstgewerbe-
schule" und daraus - unter dem Einfluß der Deutschen Werkbundbewegung
(ab 1910) - die renommierten "Kölner Werkschulen".
Es gibt (vage) Hinweise darauf, dass Robert Gerstenkorn (während seiner
Lehrzeit) auch an der "Königlichen Kunstgewerbeschule München" ange-
meldet war und dort einige Zeit verbrachte (unbestätigt).
1895 Robert Gerstenkorn schließt nach drei Jahren seine "Kölner Ausbildung" mit
einer Abschlußprüfung an der "Gewerblichen Fachschule Köln" ab. Er hat vor,
praktische Erfahrungen zu sammeln und geht - wie damals noch vielfach
üblich -"auf die Walz" (Gesellen-Wanderschaft).
bis
1898 In den folgenden drei Jahren heuert er bei verschiedenen Kunsthandwerkern
und einschlägigen Handwerksbetrieben an, die die malerische Ausgestaltung
von Patrizierhäusern, öffentlichen Gebäuden, Kirchen und Gaststätten für
ihre Auftraggeber ausführen. In der Regel ist Robert Gerstenkorn dort mit
figürlich-dekorativen Malerarbeiten - meist in Freskotechnik - betraut, deren
manuelle Ausführung er nach den Motivvorgaben der beauftragten Maler-
meister zu übernehmen hat.
Dies weckt in dem Zwanzigjährigen den Wunsch, sich auch - und verstärkt -
für künstlerische Konzeptions- und Entwurfsarbeiten zu qualifizieren, um
später einmal eigene Entwürfe den Kunden vorlegen und mit ihnen abstim-
men zu können. Er möchte frei kreativ sein und "die Kunst der Kunst"
studieren. Ein Akademiestudium scheint ihm geeignet zu sein.
Münchner Studienzeit
1899 Robert Gerstenkorn besucht in der Folgezeit (1899 bis 1901) - laut eigen-
biografischen Angaben - die staatliche Kunstakademie in München.
Offensichtlich ist dort aber keine formale Einschreibung erfolgt. Die einschlä-
gigen offiziellen Matrikelbücher weisen in der fraglichen Zeit zumindest keinen
Studenten namens Gerstenkorn auf. Dies kann verschiedene Gründe haben:
Möglicherweise hat Robert Gerstenkorn (nur) an den damals zahlreichen, im
Rahmen eines "Studium Universale" angebotenen Gast-Seminaren der
Münchner Kunstakademie teilgenommen oder er hat gegen Zahlung privater
Studiengebühren eine der vielen "akademischen" Kunstschulen in München
oder im nahen Münchener Umfeld besucht, die von den Professoren der
Kunstakademie in enger Anlehnung an den Lehrplan der Akademie außerhalb
des Hauses privat angeboten wurden. Nicht wenige junge Künstler nahmen
wegen der höheren Effizienz und der deutlich größeren künstlerischen Freiheit
dieses Studienangebot wahr, auch wenn sie damit in der Regel keinen
offiziell anerkannten Studienabschluß erwarben. Insbesondere für junge
Frauen stellte der Besuch einer der privaten Münchner Kunstschulen den
einzigen Weg dar, um eine "akademische" Ausbildung als "freie" Künst-
lerinnen zu erhalten. Zumindest solange, bis die bayrischen Regierungs-
behörden (erstmals 1904) ein Frauenstudium an besonderen, ausgewählten
Hochschulen des Landes erlaubten.
Tatsächlich entbrannte damals auch ein tiefgehender "Richtungsstreit" in der
Professorenschaft der Kunstakademie München über die Auslegung der
Studieninhalte, die zu einer bewußten Abkehrhaltung in der unzufriedenen
Studentenschaft und letztlich zur "ersten Münchner Sezession" (ab 1892 bis
1901) führte. Vertreter des "progressiven" Flügels (u.a. Hans Thoma, Wilhelm
Trübner, Franz von Stuck, Max Liebermann, Lovis Corinth) wandten sich
gegen den "kaiserlich befürworteten Konservatismus in der Kunst" und
gegen den "erstarrten Historismus", den der Münchner Malerfürst Franz von
Lenbach und andere Professoren an der Kunstakademie lehrten. Als Student
konnte man "Farbe bekennen", in dem man sich aus Protest bewußt nicht
immatrikulieren ließ. Ob sich Robert Gerstenkorn zum Kreis der "Münchner
Sezessionskünstler" bekannte, ist nicht bekannt. Zweifellos stand er aber
eher auf der Seite der "Progessiven" und kannte im Detail deren unter-
schiedliche Malauffassungen. Dafür spricht, dass Robert Gerstenkorn zwi-
schen 1899 und 1901 bereits an Ausstellungen im Münchner Kunstverein
beteiligt war. Der Münchner Kunstverein - gegründet 1823 - zählt zu den
ältesten Kunstvereinen Deutschlands. In ihm fanden sich damals vornehm-
lich bürgerliche, großbürgerliche und industrielle Kunstmäzene zusammen.
Als weitgehend unabhängige Institution stand der Münchner Kunstverein
schon damals in dem Ruf, neue, moderne Kunstströmungen zu fördern.
Er war (auch) offen für die Künstler der "Münchner Sezession".
München war damals neben Paris, Mailand und Rom eine der "quirrlichsten"
europäische Städte im Bereich der Bildenden Künste. Hier tat sich viel Neues:
Der "Jugendstil" - initiiert als "Art Nouveau" in Paris von Alphons Mucha -
war ursprünglich eine malerisch-grafische Kunstform. Sie fand bereits in
Paris Eingang in Reklame, Werbung und Produkt-Kommunikation (Style
Mucha), entwickelte sich dann aber in München - propagiert und benannt
nach der dort erscheinenden Zeitschrift "Jugend" zu einer kompletten
Moderichtung. Ob in der Wohn- und Geschäftshausarchitektur, in der Innen-
architektur, im Möbeldesign, im Stoff- und Tapetendesign - überall feiert der
Jugendstil "fröhliche Urständ". Schmuck-, Pretiosen-, Haushaltsgegenstände,
eben alles was modern erscheinen soll, wird in jener Zeit mit den typischen
floralen "Jugend"-Stilelementen verziert. Natürlich beherrscht auch Robert
Gerstenkorn den "Jugendstil". Rein malerisch bezieht er sich in dieser Zeit
gerne auf den Schweizer Maler Ferdinand Hodler.
Ferdinand Hodler (1853-1918)
Robert Gerstenkorn besucht mehrere Ausstellungen von Ferdinand Hodler,
der als herausragender zeitgenössischer Jugendstilmaler und als welt-
weit anerkannter Maler des Symbolismus gilt. In Hodlers Gemälden glaubt
Gerstenkorn (um die Jahrhundertwende) bereits zu erkennen, in welche
Richtung sich der "Jugendstil" in Deutschland bzw. der Stil des "Art Nouveau"
(in Frankreich) weiterentwickeln könnte. Es scheint sicher, dass der 25-jähri-
ge Robert Gerstenkorn den knapp doppelt so alten Ferdinand Hodler auch
persönlich kennengelernt hat.
Allerdings sieht Robert Gerstenkorn im Jugendstil (nur) eine momentane
Moderichtung, die mit den eigentlichen Entwicklungen in der Bildenden Kunst
wenig zu tun hat. Denen kann er nur "auf die Spur kommen", wenn er Stu-
dienreisen unternimmt, die alten Meister auf sich einwirken läßt, zugleich
aber auch offen für Neues ist, um unbekanntes "künstlerisches Terrain" zu
entdecken und zu erkunden.
Studien- und Malreisen
1902 Jeweils von München aus unternimmt Robert Gerstenkorn zwischen 1902 und
1904 ausgedehnte Studien- und Malreisen. Sein Weg führt ihn nach Italien,
nach Frankreich, Belgien und in die Niederlande. Und überall besucht er Aus-
stellungen. Er besucht Museen, Kirchen und Paläste. Eine Unmenge von Ein-
drücken, von Malauffassungen und Malstilen strömt auf ihn ein und er läßt
sich viel Zeit, das Ganze zu "verdauen". Nachfolgend sind diejenigen Künstler
mit jeweils einigen Werken aufgeführt, deren Malweise - nach Bekundungen
von Robert Gerstenkorn - einen besonderen Einfluß auf sein Wirken hatten:
Giotto di Bordone (1267-1337)
In Italien besucht Gerstenkorn auf den Spuren des Frührenaissance-Malers
Giotto di Bordone dessen Wirkungsstätte in Florenz, Assisi, Padua und
Mailand. Er ist fasziniert von Giottos meisterlicher Frescotechnik und der
für damalige Verhältnisse fast revolutionäre Malweise, in der Giotto seine
großen Figurengruppen in Decken- und Wandgemälde ausgeführt hat.
obere Reihe: Jan van Eyck (1390 - 1441)
Jan van Eyck ist ein Vertreter der altniederländischen Malerei. Er ist es,
der von der überwiegend säkulären, kirchlichen Kunst zur profanen
Kunst "überschwenkt" und - damit verbunden - einen deutlich naturalis-
tischeren Blick auf den Menschen und seine Lebensumstände erlaubt. Das
"Alltagsleben" von Handwerkern, Händlern und Kaufleuten wird zunehmend
thematisiert und in "Genrebildern" umgesetzt, die weitab der "biblischen
Kirchenmalerei" ganz andere (bürgerliche) Geschichten erzählen.
untere Reihe: Hans Memling (1433-1494)
Der deutsche Maler Hans Memling wird gerne als "Erneuerer" der profanen
Portraitmalerei bezeichnet. Die ungeheuer präzise gemalten Gesichter seiner
Figuren haben alles Starre und Typendisierende der mittelalterlichen Malerei
verloren. Die Physiognomien der portraitierten Personen zeigen den jeweili-
gen Menschen in seiner ganzen Individualität und unverwechselbaren Eigen-
heit. Memling gilt als Wegbereiter des Renaissancebildnisses in den Nieder-
landen. Auf ihn beziehen sich viele der großen niederländischen Meister.
Hieronymus Bosch (1450 - 1516)
Hieronymus Bosch - eigentlich Jheronimus van Aken - gilt als Meister
der Darstellung und bildlichen Umsetzung von Allegorien (= Sinnbilder für
abstrakte Begriffe und Sachverhalte). In Boschs überaus detailreichen Ge-
mälden, die kunsthistorisch dem Zeitraum der Renaissance zugerechnet
werden, ist jede dargestellte Szene, jedes Objekt, jede Figur, jedes Land-
schaftsdetail mit einer hintergründigen Bedeutung "aufgeladen". Die kon-
krete inhaltliche Auslegung der von ihm verwendeten Symbole ist bis
heute vielfach noch ungeklärt und spekulativ, zumal der Künstler weder
schriftlichen Aufzeichnungen noch Kommentare zu seinen Bildern hinterließ.
Gustave Courbet (1814-1877)
Gustave Courbet wird - wie sein Malerfreund Jean Baptiste Corot
(1796-1875) - der Schule von Barbizon zugerechnet. Barbizon ist ein
kleiner, bäuerlich geprägter Ort in der Nähe von Paris. Dort fanden sich
zwischen 1830 und 1870 - frei und zwanglos - sehr unterschiedliche
Künstler - vor allem Landschaftsmaler - zu einer Interessensgemeinschaft
zusammen. Darunter auch politisch tätige "Revoluzzer". Custave Courbet
beispielsweise war aktives Mitglied der "Pariser Kommune" (revolutionärer
Pariser Stadtrat von 1870/71). Man wollte etwas grundlegend Neues und
Revolutionäres auch in der Kunst schaffen und beeinflußte damit maßgeb-
lich die Entstehung des französischen Impressionismus. Courbert vertrat
in dieser Gruppe malerisch die Position des französischen Realismus. Diese
Kunstrichtung lehnt die Darstellung geschichtlicher, mythologischer und
biblich-religiösen Thematiken, die damals noch üblich war, als "Fiktion und
Hirngespinnste im Volk" ab. Die Maler wenden sich statt dessen program-
matisch der ungeschminkten Wirklichkeit, eben dem Realistischen, zu. Sie
malen genau das, was sie sehen.
Der Impressionismus geht noch einen Schritt weiter. Auch hier malt man
das, was man sieht. Allerdings in einer betont subjektiveren Form.
Denn das, was man tatsächlich wahrnimmt, ist eher ein persönlicher Ein-
druck des Gesehenen, eben eine Impression.
Edgar Degas (1834-1917)
Robert Gerstenkorn lernt die Abeiten Edgar Degas 1904 in Paris kennen.
Auf Anhieb ist er von dessen impressionistischer Malweise fasziniert. Diese
Malauffassung läßt ihn nicht mehr los. Er fühlt sich "angerührt", seine Krea-
tivität ist nachhaltig geweckt. Fast gierig nimmt Robert Gerstenkorn die
Sichtweise des Impressionismus auf, versucht, diesen Stil in eigenen Zeich-
nungen, Aquarellen und Ölbildern auf seine Art umzusetzen. Ein Kennzei-
chen des Impressionismus ist die vermeintliche Dominanz der Farben und
des Lichtes über die Kontur und die linienhafte Abgrenzung. Körper und
Körperlichkeit entstehen weniger aus scharfen, linearen Konturkanten, son-
dern viel mehr aus den Farbkontrasten nebeneinanderliegender Flächen!
Frühe Werke und Arbeiten
Auf seiner Malreise nach Flandern und an die Nordseeküste portraitiert
Robert Gerstenkorn Krevettenfischer, flandrische Kinder und Jugendliche in
einem eigenen, vom Impressionismus geprägten Malstil. Auch seine Land-
schaftsbilder - vor allem die damals entstandenen Hafenansichten von
Dünkirchen, Ostende und Niewpoort- zeigen deutlich realistisch-impres-
sionistische Stilelemente.
1904 Robert Gerstenkorn zieht von München nach Koblenz um und wird in den
folgenden zwei Jahren als Kunstmaler im rheinisch-moselländischen Raum
tätig. Neben "gut verkäuflichen" regionalen Landschaftsmotiven - meist
Rhein- und Moselansichten - fertigt er im Kundenauftag auch Portraitgemälde
betuchter Koblenzer Bürger an. Malerisch "sortiert" und "verarbeitet" Robert
Gerstenkorn in dieser Zeit die vielfältigen Eindrücke, die er auf seinen
Studienreisen gesammelt hat.
Seine Portraitwerke sind von der klassisch niederländischen Malerei eines
Jan van Eyck und Hans Memling beeinflußt, seine Landschaften entsprechen
denen der "Schule von Barbizon". Malerisch dienen Jean Baptiste Corot und
Gustave Courbet als Vorbilder. Robert Gerstenkorn drängt es innerlich dazu,
einen eigenen Malstil zu entwickeln. Er tritt der "Nationalen (Künstler-)Ver-
einigung Koblenz / St. Goar" bei, um im Kontakt mit anderen Malerkollegen
eine eigene künstlerische Handschrift zu entwickeln.
Viel scheint dies aber nicht gebracht zu haben, denn der nunmehr 28-jährige
Künstler entschließt sich, Koblenz zu verlassen, um ein ergänzendes Kunst-
studium in Stuttgart aufzunehmen.
Stuttgarter Studienzeit
1906 Robert Gerstenkorn schreibt sich an der königlichen Akademie der bildenden
Künste in Stuttgart ein. Bedingt durch seine malerische Vorausbildung wird er
gleich in die Fachklasse für Landschafts- und Portraitmalerei aufgenommen.
Die Professoren Karl Haider (1846 - 1912) und Carlos Grethe (1864-1913) be-
treuen seine Fachausbildung. Bei Prof. Robert Poetzelberger (1856-1930) er-
lernt er die Genremalerei im Stil des französischen Imperssionismus und im
Rahmen des von Adolf Hölzel angebotenen Faches "Komponierschule" wird
er mit der Hölzel'schen Farbenlehre - auf die später auch Hölzels Schüler
Johannes Itten im Bauhaus zurückgreift - in Theorie und Praxis vertraut ge-
macht. Adolf Hölzel läßt seine Schüler Übungen in "Abstrakter Farbkom-
position" ausführen und thematisiert dabei verschiedenen Abstraktions-
ebenen, in denen sich bildende Künstler ausdrücken könnten. Er bereitet
damit den Weg vom malerischen Impressionismus zum Expressionismus vor.
Während im Impressionismus der Eindruck - also die persönlich Rezeption des
Künstlers auf die ihn umgebende Umwelt - ausschlaggebend ist, spielt im
Expressionismus der individuelle Ausdruck - also die elementare Wiedergabe
des bei ihm ausgelösten Erlebnisses die entscheidende Rolle. Dafür ist eine
gewisse Abstraktion des Gegenständlichen und eine subjektive Interpretation
der eigenen Gefühlswelt des Künstlers notwendig.
"Einflussreiche" Lehrer und Professoren der Stuttgarter Studienzeit
Reihe 1: Karl Haider (1846-1912) - Landschafts- und Portraitmalerei
Reihe 2: Carlos Grethe (1864-1913) - Landschafts- und Portraitmalerei
Reihe 3: Robert Poetzelberger (1856-1930) - Genremalerei + Impressionismus
Reihe 4: Adolf Hölzel (1853-1934) - Farb-Abstraktion + Expressionismus
1909 Nach seiner Studienzeit in Stuttgart zieht
es Robert Gerstenkorn zurück in's Rhein-
land. Es ist nicht ganz sicher, ob er zum
Abschluß seines Studiums den "Akademie-
brief" der Akademie der Bildenden Künste
in Stuttgart erhalten hat. Offensichtlich
sieht er aber seine künstlerische Ausbil-
dung als keineswegs vollendet an. Er läßt
sich in Köln nieder, malt rheinische Land-
schaften und mehrfach den Kölner Dom.
Im Kölner Wallraf-Richartz-Museum stu-
diert er die (mittelalterliche) "Kölner Maler-
schule" und läßt sich von Stefan Lochner und den altdeutschen Meistern
Albrecht Althofer und Lucas Cranach beeinflussen. Auf der Suche nach einem
eigenen Malstil übernimmt und "belebt" er - vor allem in seinen Portrait-
gemälden - immer wieder die Traditionen der hochmittelalterlich-altdeutschen
Malerei.
Auch Robert Gerstenkorns Landschaftsgemälde sind in dieser Zeit deutlich von der Stilistik und der Malauffassung von Lochner, Althofer und Cranach geprägt.
Denkmalpflege und Heimatschutz
ab
1909 Robert Gerstenkorns gekonnte, mittelalterlich-traditionsbezogene Malweise
erregt in Fachkreisen Aufsehen und so wird er in der folgenden Zeit immer
häufiger von staatlichen Kunstkonservatoren und Restauratoren als sach-
kundiger Berater bei deren Restaurationsaufträgen, insbesondere wenn es
um Gemälderestaurierungen in Kirchen und in mittelrheinischen Burgen geht,
beratend herangezogen. Man schätzt sein Talent, sich in die Malweise mittel-
alterlicher Künstler hineinzudenken, so dass er in der Lage ist, auch größere,
unrettbar verlorene Teile ohne Stilbruch malerisch zu ersetzen.
Der damalige Provinzialkonservator der Rheinprovinz, Professor Paul Clemen
(1866 - 1947), der an der Universität in Bonn Kunstgeschichte lehrt und u.a.
das Bonner Kunsthistorische Institut aufbaute und leitete, wird auf Robert
Gerstenkorn aufmerksam. Professor Paul Clemen ist eine ausserordentlich
einflußreiche Persönlichkeit im damaligen Kunst- und Kulturbetrieb. Sein Wort
hat Gewicht, was unter anderem darauf zurückzuführen ist, dass er den da-
malige Kronprinz des Deutschen Reiches und späteren Deutschen Kaiser
Wilhelm II an der Bonner Universität in Kunstgeschichte unterrichtete und
daher stets einen bervorzugten Zugang zu seinem prominenten Schüler hatte.
Professor Clemen überredet Robert Gerstenkorn, dem 1907 von ihm gegrün-
deten "Rheinischen Verein für Denkmalpflege und Heimatschutz" beizutreten
und bereitet ihm damit den Boden für seine weitere Karriere vor. Robert
Gerstenkorn lernt als Protege von Professor Clemen viele im damaligen
wilhelminischen Kunst- und Kulturbetrieb wichtige Persönlichkeiten kennen.
Als "ausübender" Künstler - er selbst ist von 1910 bis 1912 eingetragenes
Mitglied des Deutschen Künstlerverbandes in München - vertritt er in diver-
sen Vereinen und Verbänden die Interessen seiner "Gilde".
1912 Robert Gerstenkorn tritt dem "Verband der Kunstfreunde in den Ländern am
Rhein" bei. Dieser hat seinen Verwaltungssitz in Koblenz. In ihm fanden sich
Vertreter aus Kunst, Politik und Wirtschaft aus rheinischen, elsässischen und
deutschschweizerischen Städten und Kommunen zu einer Interessensgemein-
schaft zusammen. Der Verband und seine Zeitschrift: "Die Rheinlande" war-
ben für die Idee einer kulturellen Gemeinschaft der "Länder am Rhein". Der
Verband förderte Autoren und bildende Künstler durch Preise, Veröffent-
lichungen und Ausstellungen. Zu diesem Zweck gründete man hochrangige
Kunstkommissionen in Düsseldorf, Frankfurt, Darmstadt, Stuttgart, Karls-
ruhe, Straßburg, Basel und Hagen. Der Verband bestand aus rund 2000
Mitgliedern, vorrangig Adeligen, Industriellen und Künstlern. Robert
Gerstenkorn sieht sich zu dieser Zeit als "künstlerisch-dokumentarischer
Sachwalter" der Landschaften und Leute in den Ländern am Rhein. Unter
anderem illustriert er historische Anekdotensammlungen, Heimatbücher und
landeskundliches Schriften, die das Leben entlang Deutschlands größten Fluß
beschreiben. Im Zuge der allgemeinen deutschnationalen "Euphorie" vor
dem 1. Weltkrieg finden solche Zeitschriften reißenden Absatz. Robert
Gerstenkorns Name wird erstmals über die Grenzen des Rheinlandes hinaus
bekannt.
1914 Um als Deutscher Staatsbürger seine Pflicht zu tun, tritt Robert Gerstenkorn
im Zuge der allgemeinen Mobilmachung als 37-Jähriger der Freiwilligen Sani-
tätskolonne (FSK) des Roten Kreuzes bei. Er verbleibt damit in der Garnisons-
stadt Koblenz und versieht in den dort - frontnah zu Frankreich - eingerich-
teten Soldatenlazaretten seinen Dienst. "Gestorben wird viel" vermerkt er
und wechselt später aus dem freiwilligen Sanitätsdienst beim Roten Kreuz in
den Dienst des Friedhofsamtes der Stadt Koblenz. Dort ist er hauptamtlich
tätig und von 1916 bis zum Kriegsende 1918 für die Anlage und Gestaltung
der Kriegsgräber auf dem neu eingerichteten städtischen "Ehrenfriedhof für
die Gefallenen des ersten Weltkrieges" zuständig.
1915 Robert Gerstenkorn heiratet und gründet mit Franziska (Franzi), geborene
Auster, in Koblenz eine Familie.
1918 Am 11. November 1918 endet der 1. Weltkrieg. Die deutsche Bevölkerung ist
infolge der Niederlage desillusioniert und hat massiv an den Folgen der überall
auftretenden Versorgungsengpässe zu leiden. Armut, Hunger, Arbeitslosigkeit
und - in deren Folge - eine zunehmende Perspektivlosigkeit bilden - vor allem
in den Städten - den Humus für eine politische Radikalisierung. Der deutsche
Kaiser dankt ab. Mit ihm geht auch die "Vorherrschaft" des Adels und des
weitgehend elitär eingestellten Bildungsbürgertums verloren. Das hat gravie-
rende Auswirkungen auf nahezu alle Kulturbereiche, da diese vor dem Krieg
in erheblichen Maße durch Adel und Großbürgertum personell und finanziell
gefördert und unterstützt worden waren. Vor allem den "brotlosen" Künsten
und ihren Vertretern - Maler, Bildhauer, Dichter und Literaten - "bricht der
Boden weg".
Einzig die "darstellenden Künste" können - sofern sie "Unterhaltung für's Volk"
in Form von Film, Funk und Massenunterhaltungen (Schauspiel-, Revue-,
Variete-Aufführungen etc.) bieten, ihr Vorkriegsniveau halten und ausbauen.
Die "wilden Zwanziger" kündigen sich an. Aus den USA schwappt die Revue-
Tanz und Jazz-Welle (Charleston etc.) in die Großstädte nach Europa über.
Ironie und Nonsense wird in Clubs und auf den vielen neugegründeten Klein-
kunstbühnen, darunter auch einige sehr bissige Kabarettbühnen - hoffähig.
Und obwohl - oder gerade weil - es weiten Teilen der Bevölkerung wirtschaft-
lich schlecht geht, sucht man "hemmungslos" Ablenkung und Zerstreuung
von den Nöten des Alltags. Man lebt in einer Zeit tiefgreifender sozialer und
politischer Umbrüche (Time of Change - The Roaring Twenties). In der Garni-
sonsstadt Koblenz ist davon allerdings nur verhältnismäßig wenig zu spüren.
Engagement in Künstlervereinigungen und Berufsver-tretungen
Der wirtschaftlichen Not gehorschend, versucht Robert Gerstenkorn, Künstler
und Kunstinteressierte zu einer Interessensgemeinschaft zusammenzuführen.
Sinn ist es, "die notleidenden Künstler der Region über Wasser zu halten".
Tatsächlich gibt es zur damaligen Zeit in ganz Koblenz - nach Erhebungen der
Stadt - kein einziges ausgewiesenes privates Künstleratelier. Ausnahmslos
alle professionellen Künstler leben "von der Hand im Mund". Auch die Aus-
stellungs- und öffentlichen Präsentationsmöglichkeiten sind für die bildenden
Künstler in der Garnisonsstadt Koblenz, die seit 1822 auch Hauptstadt der
Rheinprovinz ist, überaus beschränkt. Die Stadt bietet keine Infrastrukturen
für Künstler, verfügt weder um einen Ankaufsetat für zeitgenössische Kunst,
noch über eigene Ausstellungsflächen. Robert Gerstenkorn versucht, die
Situation zu ändern. Er wendet sich im Laufe des Jahres 1919 im privaten
Rahmen an seine Künstlerkollegen und die wenigen ausgewiesenen Kunst-
sachverständigen und Kunstliebhaber der Stadt.
1920 Robert Gerstenkorn gründet - zusammen mit seinen
Künstlerkollegen den wirtschaftlichen Interessens-
verband und Ausstellungsverein "Das Boot e.V."
Neben ihm sind unter anderem die Künstler Herm
Dienz (1891-1980), Hans Sprung (1884-1948), Hans
Dornbach (1885-1952), Heinrich Hartung (1888-
1966) und Oscar Raber (1892-1947) im "Boot e.V."
engagiert. Zunächst organisiert man wechselseitige
Atelierausstellungen im privaten Kreis und versucht
durch Aufrufe in den Lokalzeitschriften, Gelder für
die Vereinsaktivitäten locker zu machen: "Kauft
nicht nur Pelze und Juwelen, um euch vor der ständig fortschreitenden Geld-
entwertung zu retten. Kauft Kunstwerke, Gemälde und Skulpturen lebender
Künstler! Damit schafft ihr ideelle Werte und helft, die schwer ringende deut-
sche Kunst zu retten."
Um den Lebensunterhalt für seine Familie zu sichern, nimmt Robert Gersten-
korn Werbe- und Reklameaufträge verschiedener regionaler Unternehmen an
und betätigt sich unter anderem als "Gebrauchsgrafiker". Doch zieht es ihn
immer wieder zur "freien" Kunst zurück.
Am 20.09.1920 wird sein Sohn Hans Robert in Koblenz geboren.
1921 Robert Gerstenkorn intensiviert seine berufsständische Arbeit mit und für
Berufskollegen. Er wird Mitglied im Künstlerbund "Westmark".
1924 Robert Gestenkorn tritt dem Mittelrheinischen Künst-
lerbund und der Literarischen Gesellschaft Koblenz
bei. Zusammen mit Prof. Dr. Karl d'Ester versucht er,
die Idee des grenzüberschreitenden deutschen Kul-
turraumes "Rheinland" im Bewußtsein und im Selbst-
verständnis der Bevölkerung stärker zu verankern.
Das Heimatbuch "Wir Rheinländer" erscheint, an
dessen inhaltlicher und grafischen Ausstattung
Robert Gerstenkorn maßgeblich beteiligt ist.
Ausstellungserfolge
Nach und nach wird Robert Gerstenkorns malerisches Ouevre durch seine
Beteiligung an regionalen und überregionalen Kunstausstellungen bekannt:
1924 Große Kunstausstellung in den Messehallen Köln-Deutz
1925 Sonderausstellung mittelrheinischer Kunst in der Stadthalle Koblenz '25
1926 Beteiligung an der großen Düsseldorfer Kunstausstellung '26
1927 Ausstellung im Rhein-Museum Koblenz
1928 Ausstellung im Schloß-Museum Koblenz
Beteiligung an der großen Düsseldorfer Kunstausstellung '28
Internationale Schifffahrtsausstellung in Basel
Ausstellung der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein
1929 Gemeinschaftsausstellung Mittelrheinische Kunst in der Stadthalle
Koblenz '29
Ausstellungsbeteiligung im Aachener Suermont-Museum, in Metz
und im Künstlerhaus in Berlin.
1930 Sonderausstellung in der Volksbank Koblenz, diverse Atelieraus-
stellungen bei befreundeten Malern,
Erste feste Galerievertretungen u.a. bei der Galerie Abels in Köln.
Mit zunehmender Bekanntheit werden Robert Gerstenkorns Werke sowohl
von privaten wie öffentlichen Institutionen (Museen, Kirchen, Banken,
Geldhäuser, Messe- und Ausstellungsorganisationen) geordert und gekauft.
1931 Robert Gerstenkorn tritt dem Reichsverband Bildender Künstler Deutschlands
e.V. bei. Der Reichsverband wurde 1927 als (freiwillige) Berufs- und Stan-
desvertretung der bildenden Künstler in den Zeiten der Weimarer Republik
gegründet. Er umfasst 1931 etwa 9.000 Künstler/Künstlerinnen.
1933 Nach Hitlers Machtübernahme errichteten die Nationalsozialisten die zentrale
Reichskulturkammer in Berlin, zu der auch die Reichskammer der bildenden
Künste mit ihren 16 Fachverbänden gehörte. Alle übrigen (freien) Berufs-
vertretungen und Künstlerverbände wurden per Dekret im September 1933
zugunsten der zentralen, von Berlin aus gesteuerten Künstlervertretung
aufgelöst. Die Mitgliedschaft in der Reichskammer der bildenden Künste
beziehungsweise in einer der 16 Fachverbände wurde für alle professionell
arbeitenden Künstler im Reichsgebiet obligatorisch.
1934 Robert Gerstenkorn wird nach dem Verbot und der organisatorischen Auf-
lösung der alten (Weimarer) Künstler-Berufsvertretung eingetragenes
Mitglied des "Bundes deutscher Maler und Graphiker e.V.", der als Fach-
verband innerhalb der Reichskammer der Bildenden Künste die zentale
Berufsvertretung aller deutschen Künstler übernimmt und im Zuge der
"Gleichschaltung der Deutschen Kunst" alle künstlerischen Projekte der
öffentlichen Hand gesamtplanerisch initiiert, inhaltlich koordiniert und unter
den eingetragenen Mitgliedern ausschreibt. Dazu gehören unter anderem
die Projekte im Rahmen der "Initiative Kunst am Bau", alle öffentlichen
Kunstpreise und Kunstwettbewerbe, alle Kunstförderungsmaßnahmen /
Stipendien der öffentlichen Hand, alle Ausstellungsbeteiligungen in staat-
lichen Museen, alle Museums- und Sammlungsankäufe staatlicher Organi-
sationen sowie massive Hilfestellungen zur zentralen, deutschlandweiten
Vermarktung und Verkauf der Kunstwerke.
Mit diesem Maßnahmenpaket gelingt es den Nationalsozialisten innerhalb
weniger Jahre, die Lebens- und Arbeitsbedingungen der Künstler und
Künstlerinnen im Dritten Reich nachhaltig zu verbessern.
Wesentliche Voraussetzung, um in den Genuß der Berufsförderung für
Künstler über die Reichskammer der bildenden Künste zu gelangen, ist
neben dem Nachweis einer hauptamtlich-künstlerischen Tätigkeit, die
Vorlage des "Ariernachweises" sowie eine künstlerische Unbedenk-
lichkeitsbescheinigung der zuständigen (nazionalsozialistischen) Gau-
kammer, die damit politisch mißliebige Künstler und deren Kunstauffas-
sungen im Sinne einer "undeutsch-entarteten Kunst" von vornherein
ausschließen kann. Robert Gerstenkorn dürfte keine Schwierigkeiten ge-
habt haben, die erforderlichen Nachweise zu führen und die Unbedenk-
lichkeitsbescheinigung der zuständigen Gaukammer Koblenz-Trier zu
erhalten.
1935 Robert Gerstenkorn ist unter anderem für das Staatsarchiv Koblenz tätig.
Er setzt seinen 1932 erhaltenen Auftrag zur künstlerisch-graphischen Gestal-
tung der Gemeindewappen des Mittelrhein-Gebietes fort. Zunehmend er-
hält er von der Stadt Koblenz und der Gebietskörperschaft der Rheinprovinz
Einzelaufträge zur Gestaltung von Monumental-Wandbildern.
1937 Längerer Gastaufenthalt in der Abtei Maria Laach auf Einladung des national-
konservativ eingestellten Abtes Ildefons Herwegen. Hier entstehen die beiden
Aquarellmappen "Bei der Arbeit" und "Ora et labora".
Robert Gerstenkorn: Blätter aus den Aquarellmappen: "Ora et labora" und "Bei der Arbeit"
1939 Robert Gerstenkorn ist 62 Jahre alt, als der 2. Weltkrieg ausbricht. Er unter-
hält ein eigenes Kunstatelier in seinem Wohnhaus in Koblenz. Neben Auf-
tragsportraits namhafter Koblenzer Bürger beschäftigt er sich in seinen freien
Arbeiten überwiegend mit Landschaftsmalerei. Zahlreiche Ölgemälde, Aqua-
relle und Farbzeichnungen entstehen und werden in Kunstausstellungen
gezeigt. Unter anderem beschickt der inzwischen weit über die Grenzen der
Rheinprovinz hinaus anerkannte Künstler Ausstellungen im gesamten Reichs-
gebiet von Berlin, Breslau, Danzig, Dresden, Posen, über Luxemburg, Trier,
Wiesbaden, Mainz und (natürlich) in seiner Heimatstadt Koblenz.
Auswahl einiger Portraitarbeiten von Robert Gerstenkorn
(Zur Vergrößerung bitte in die Abbildungen klicken)
Landschaftsgemälde von Robert Gerstenkorn
(Zur Vergrößerung bitte in die Abbildungen klicken)
1944 Die Stadt Koblenz zählte vor Beginn der alliierten Flächenbombardements
noch 94.417 Einwohner. Nach dem verheerenden Luftangriff vom 6.11.1944
waren 87 % der Innenstadt zerstört und unbewohnbar geworden. Große Teile
der Bevölkerung wurden nach Thüringen evakuiert. Rund 9.000 Einwohner
blieben in der Stadt und fanden Schutz in den 15 Großbunkern und 8 Stollen.
Der größte Stollen befand sich unter der Festung Ehrenbreitstein. Auch das
Haus der Familie Gerstenkorn war getroffen und unbewohnbar geworden. Im
Atelier ging der gesamte Bildbestand aus der frühen Zeit - auch die Arbeiten
der Münchner und Stuttgarter Studienzeit - verloren. Die Familie wurde nach
Thüringen evakuiert. Am 19. März 1945 besetzten die Amerikaner Koblenz.
1948 Robert Gerstenkorn kehrt mit seiner Familie nach Koblenz in sein inzwischen
wieder aufgebautes Wohnhaus zurück. Zur "Stunde Null" ist er 71 Jahre alt.
Er betätigt sich weiterhin als freier Maler und ist bemüht, sich einen neuen,
verkaufbaren Atelierbestand an Gemälden zuzulegen. Gefragt sind vor allem
Portraits historischer Personen sowie Landschafts- und Städtebilder mit regio-
nalen Sehenswürdigkeiten. Wie schon in den Vorkriegszeiten versucht er - in
gewisser Weise als Nestor - die notleidende mittelrheinische Künstlerschaft zu
einer Interessenvereinigung zusammenzubringen. Zusammen mit dem Kob-
lenzer Maler und Kunstprofessor Hanns Altmeier (ein Bruder des damaligen
rheinland-Pfälzischen Ministerpräsidenten Peter Altmeier) gründet er zunächst
den "Mittelrheinischen Künstlerverband", der 1948 zur "Arbeitsgemeinschaft
Bildender Künstler am Mittelrhein" (AKM) umfirmiert.
Im selben Jahr nimmt er seine Ausstellungstätigkeiten wieder auf. Die erste
große Ausstellung, in der seine neuen Bilder zu finden sind, ist die "Inter-
nationale Ausstellung für christliche Kunst der Gegenwart", die in Köln orga-
nisiert wird. Er hat Erfolg. 1950 kauft die Staatskanzlei des Landes Rhein-
land-Pfalz sein Gemälde "Blick auf Koblenz".
1950 Robert Gerstenkorn wird eine Festanstellung als Sachverständiger und Berater
der Landesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften und Bildwerke der Lan-
desregierung Rheinland-Pfalz angeboten. Bis 1953 ist der Künstler - neben
seiner freiberuflichen Malerei - in dieser Funktion tätig.
1953 Ein Zyklus mit "Stadtkölner Motiven" von Robert Gerstenkorn erscheint und
wird über namhafte Galerien (Abels in Köln, Conzen in Düsseldorf und
Vollmüller in Koblenz) verkauft. Diese sind es auch, die die weitere Vermark-
tung der Unikat-Bilder für den inzwischen 76-jährigen Maler übernehmen.
Seine neuen Ölbilder sind in der Folgezeit in Darmstadt (Mathildenhöhe), in
Düsseldorf, Köln, Bonn, Koblenz und Mainz zu sehen.
1956 Robert Gerstenkorn erhält aus der Hand des Bundesräsidenten Theodor Heuss
im Bonner Palais Schaumburg das Bundesverdienstkreuz 1. Klasse verliehen.
1957 Anläßlich seines 80. Geburtstages ehrt die Stadt Koblenz ihren verdienstvollen
Mitbürger durch eine Festschrift.
Im selben Jahr erleidet Robert Gerstenkorn einen tragischen Unfall, der ihn
zwingt, seine künstlerische Arbeit für immer einzustellen. Leider ist darüber
nicht allzuviel bekannt.
Robert Gerstenkorn zieht in die Nähe des Wohn- und Arbeitsortes seines
Sohnes Dr. Hans Robert Gerstenkorn (1920 - 1970) nach Bonn um. Sein
Sohn ist als Ministerialrat im Bundesverkehrsministerium (vormals Bundes-
postministerium) in Bonn tätig. Er leitet dort das Referat für Bibliotheks-,
Dokumentations- und Museumswesen. In Bonn verbingt Robert Gerstenkorn
seine letzten Lebensjahre.
1965 Am 12.08. 1965 verstirbt der Maler im Alter von 88
Jahren in Bonn. Auch wenn Robert Gerstenkorn kei-
ner der dominierenden malerischen Stilrichtungen
seiner Zeit zuzurechnen ist, hat er doch eine unver-
kennbar eigene Stilistik in Erweiterung, teilweise so-
gar Fortführung und Weiterentwicklung der mittel-
alterlichen Malweise gefunden.
Durch sein unermüdliches, stets auch das Wohl sei-
ner Malerkollegen im Auge behaltendes berufsstän-
disches Engagement hat er sich große Meriten ver-
dient. Vielfach war er im Hintergrund tätig.
Seine Werke sind heute in den Sammlungen und
Depots nahezu allen rheinischen Museen vertreten.
Zur Navigation bitte zum Seitenanfang zurückkehren und die nebenstehende (grau
hinterlegte) Kapitelanwahl benutzen oder klicken Sie die unterstrichenen Stichworte in den Texten an.