Künstlerprofil Franz Paul Türoff 1873-1942
Anmerkung: Die Schreibweise des Nachnamens Türoff wird in einigen Dokumenten
auch als Tyroff angegeben. Um Missverständnisse zu vermeiden, wird
im Weiteren einheitlich der Nachname Türoff verwendet.
1873 In der preussischen Ortschaft Ranis erblickt am 2. Mai 1873 ein kleiner
Junge das Licht der Welt. Ranis ist der größte Ort in dem überwiegend
durch Landwirtschaft geprägten Landkreis Ziegenrück, der zu dieser Zeit
knapp 16.000 Menschen zählt. Ranis ist durch seine Burg, die gleichzeitig
auch Sitz der Kreisverwaltung ist, bekannt. Die Eltern des kleinen Jungen
sind evangelisch. Sie lassen das Kind auf den Namen Franz Paul Türoff
taufen. Der Vater, Franz Türoff, ist bei einer großen Versicherung ange-
stellt. Der kleine Franz Paul, den alle zur besseren Unterscheidung von
seinem Vater nur Paul nennen, wächst in gutbürgerlichen Verhältnissen
auf.
1879 Paul Türoff wird in Ranis eingeschult. Mit 10 Jahren wird er zu Verwandten
- wahrscheinlich zu der Familie einer seiner (katholischen) Tanten - nach
Bayern geschickt, um in einem "großstädtischen" Internat eine höhere
Schulausbildung zu erlangen. Zwischenzeitlich wechselt Paul einmal
das Gymnasium. Nicht wegen schlechter Noten, sondern weil ihm offen-
sichtlich eine musisch-philologischer Schulausrichtung - wie sich im Laufe
der Zeit herausstellt - deutlich mehr liegt als eine mathematisch-physi-
kalische, die sein Vater ursprünglich für ihn vorgesehen hatte. Der Vater
ist inzwischen zum Bürovorsteher und leitenden Angestellten der Ver-
sicherungsanstalt Sachsen-Anhalt aufgestiegen. Aber Paul möchte kein
Wissenschaftler, kein Techniker und auch kein Kaufmann werden. Er ist
musisch begabt und als er im Laufe des Jahres 1892 sein Abitur macht,
steht für ihn fest, dass er zur Münchner Kunstakademie gehen will, um
Künstler zu werden. Er bereitet sich auf die Aufnahmeprüfung vor, er-
stellt eine Vorlagenmappe mit Zeichnungen und fiebert dem Vorstel-
lungsgespräch entgegen. Am Ende ist alles viel leichter, als er es sich
vorgestellt hatte. Er erhält einen positiven Bescheid von der Akademie
der Bildenden Künste München.
1893 Am 24.10.1893 schreibt er sich für ein Studium der Malerei bei Prof.
Wilhelm von Lindenschmit (der Jüngere), einem anerkannten Münchner
Historienmaler ein. Er erhält die Matrikelnummer 1147.
Als Prof. Lindenschmit (1829-1895) nur wenig später verstirbt, wechselt
Paul Türoff zu Prof. Franz von Defregger (1835-1921), der schon damals
einen ausgezeichneten Ruf als Genre- und Portraitmaler besitzt und zu
den führenden Kapazitäten seines Standes zählt.
Paul Türoffs Talent wird entscheidend von seinem Lehrer in Richtung einer
realistischen Portraitmalerei geprägt. Die Portraitmalerei wird fortan Paul
Türoffs Berufung.
Welche Beweggründe dazu führten, dass Paul Türoff von München nach
Bonn reist und dort auch bleibt, ist unklar. Vielleicht war es eine seiner
vielen Bildungsreisen gewesen, die ihn in nahezu alle namhaften Museen
des Rheinlandes führten, um dort stilistische Portraitstudien anzustel-
len. Vielleicht haben ihn aber auch die Reize der Rheinländerinnen dazu
bewogen, dauerhaft in Bonn zu bleiben.
Paul Türoff war vom Persönlichkeitstyp her eher ein ruhiger, belesener
junger Mann mit einem durchaus geschliffenen gesellschaftlichen Auf-
treten. Offensichtlich macht die Anwesenheit eines Münchner Portrait-
malers, der ein Schüler des bekannten Franz von Defregger ist, in Bonn
Furore. Schon bald ist Paul Türoff ein gern gesehener Gast in den Häu-
sern des gehobenen Bonner Bürgertums, insbesonderte der Professoren
und der Honoratioren rund um die Rheinische Friedrich-Wilhelms-Univer-
sität zu Bonn. Diese richten sich gerne repräsentativ ein und dazu ge-
hören nun mal auch gemalte Portraits des jeweiligen Hausherren und
seiner Gemahlin. Ein typisches Beispiel ist das Wohnhaus der Pfennings-
dorfs, eines Universitätsprofessors für Praktische Theologie in der
Poppelsdorfer Alle 108 in Bonn, das als Ganzes mit Einrichtung und
Hausrat in Form einer Stiftung erhalten und gepflegt wird. Es vermittelt
ein gutes Bild des Lebens wie auch der Lebensauffassungen in der da-
maligen Zeit.
1907 Paul Türoff beteiligt sich erstmals an den Ausstellungen Bonner Künst-
ler im Städtischen Kunstmuseum Villa Obernier. 1882 wurde die Villa
Obernier an der Koblenzer Straße in Bonn von dem früh verstorbenen
Medizinprofessor Franz Obernier zusammen mit dessen Kunstsammlung
und seines Barvermögens der Stadt Bonn mit der Auflage vermacht,
dort ein Museum einzurichten. Am 3. Mai 1884 wurde die Villa als
Städtisches Museum "Villa Obernier" der Öffentlichkeit mit einer zweitä-
gigen Eröffnungsfeier zugänglich gemacht. In der Folgezeit wurde das
Haus allerdings nach Ansicht der bildenden Künstler "zweckentfremdet",
da es nach langem Leerstand zum überwiegenden Teil den institutio-
nellen Bonner Musikvereinen für Proben und Konzerte zur Verfügung
stand.
Erst nach der Jahrhundertwende organisieren sich die Bildenden Künstler
in Bonn mit dem (Teil-)Ziel, die Villa Obernier entsprechend dem Stif-
tungszweck für eigenorganisierte Ausstellungen zu nutzen. Paul Türoff
wird Mitglied (des Vorläufers) der "Bonner Künstlervereinigung" und
engagiert sich aktiv darum, die Bildende Künstler in einer eigenen "Be-
rufsvereinigung" zusammenzufassen.
1908 Paul Türoff wird von seinen
Malerkollegen in den Verwal-
tungsrat des Städtischen Mu-
seums Villa Obernier und zum
sachverständigen Juror für die
"Ausstellungsbeschickungen"
gewählt. Dies bestätigt die hohe
Wertschätzung, die Paul Türoff
im Kreis seiner Kollegen wie
auch der Persönlichkeiten in der
(kulturellen) Verwaltungsspitze
der Stadt Bonn genießt. Er
stellt unter anderem seine Bil-
der im "Salon Cohen" (im Obergeschoss der späteren Buchhandlung
Bouvier in der Straße Am Hof) aus. In diesen Räumlichkeiten veran-
staltete August Macke 1913 die Ausstellung: "Rheinische Expressionisten",
die als "mediale Geburtsstunde" der rheinischen Expressionisten gilt.
1914 Paul Türoff zieht nach Oberkassel um und verlegt auch sein Atelier
dorthin. In der Regel fertigt er Vorskizzen seiner Gesellschaftsportraits
vorab bei dem/der jeweiligen Auftraggeber/in an. Es ist ihm wichtig, die
Lebensumgebung des Portraitierten kennenzulernen und Elemente davon
in seine Bilder einzuarbeiten. Allerdings besteht er darauf, dass der Auf-
traggeber ihn in aller Regel in seinem Atelier in Oberkassel aufsucht und
dazu - das stellt er zur Bedingung - eines der Bonner Personenschiffe auf
dem Rhein benutzt. Vielleicht will er damit eine "Entschleunigung" bei sei-
nen häufig doch sehr gestressten Auftraggebern erreichen. Schon bald
ist der Ausdruck: "Ich bin auf Türoff-Reise" unter "Eingeweihten" ge-
bräuchlich und ein Hinweis darauf, dass der Jeweilige zu dem mehr oder
minder priviligierten Kreis der (portraitierten) Honoratioren gehört.
Paul Türoffs Ruf als ein ausgezeichneter Portraitist spricht sich auch
außerhalb Bonns herum. Er wird häufiger zu Ausstellungen eingeladen,
kann diese jedoch nur selten beschicken, da er nur wenig Zeit hat, auch
andere themenbezogene Gemälde zu erstellen. Dennoch verfolgt er als
Mitglied der "Bonner Künstlervereinigung von 1914" die Strömungen und
Tendenzen der Kunst im regionalen, nationalen und internationalem
Umfeld.
Es gelingt ihm und seinen Mitstreitern, bei der Stadt das Privileg zu er-
kämpfen, regelmäßig eigene Ausstellungen der "Bonner Künstlerver-
einigung 1914" im Städtischen Kunstmuseum (ohne Einfluß anderer
Institutionen!) organisieren zu dürfen. Kriegsbedingt wird der Beschluß
allerdings erst später, nach Beendigung der Kampfhandlungen, in der
Praxis umgesetzt.
Paul Türoff ist zu Beginn des ersten Weltkrieges 41 Jahre alt. Ob er
als Soldat, respektive später als Ersatzreserve eingezogen wird, ist
nicht überliefert.
1920 "Mit großem Zulauf aus der Bevölkerung" wird die erste Ausstellung der
inzwischen als eingetragener Verein institutionalisierten und als "freie Ver-
tretung" der Bonner Künstler anerkannten "Bonner Künstlervereinigung
1914 e.V." im Städtischen Museum "Villa Obernier" eröffnet.
Paul Türoff beteiligt sich in den folgenden 20-er Jahren regelmäßig mit
eigenen Werken - meist Portraits - an der zweimal pro Jahr stattfinden-
den Frühjahrs- und Herbstausstellung, zu der auch vereinzelte ausgesuchte
Künstler mit besonderem Bonn-Bezug eingeladen werden. Die Werke
Paul Türoffs sind 1920, 1921, 1922, 1923, 1924, 1925, 1928, 1929 und
1931 zu sehen.
1930 Zu Beginn der 30-er Jahre ändert sich die Zusammensetzung der Mit-
glieder in der "Bonner Künstlervereinigung". Die Rheinischen Expressio-
nisten, allen voran der 1914 im Krieg gefallene August Macke, erhalten
mehr Aufmerksamkeit. Der Expressionismus wird nun auch in Bonner
Künstlerkreisen nicht mehr als beiläufig relevante, sondern als dauerhaft
eigenständige Kunstrichtung wahrgenommen. Es kommt die Diskussion
auf, ob man die bisher doch recht heterogen-individualistische "Bonner
Künstlervereinigung" nicht stärker profilieren könne, in dem man sie auf
eine einheitliche Malrichtung ausrichte. (So etwa, wie "Der Blaue Reiter",
"Die Brücke" etc.). Intern wird viel und leidenschaftlich diskutiert. Zwei
Positionen stehen sich gegenüber: Die eine Gruppe - unter ihnen ist Paul
Türoff und Louis Ziercke, stehen auf dem Standpunkt, die "Bonner Künst-
lervereinigung" sei in erster Linie eine Bonner Institution und gebe somit
einen Überblick über die aktuellen Arbeiten Bonner Künstler, die in aller
Regel "eine gemäßigte, verkaufbare Kunst" dem Publikum präsentieren.
Die anderen Gruppe plädiert für eine stärkere Hinwendung zur Moderne.
Man wolle eine Plattform für avangardistische Kunst sein, wolle daran mit-
wirken, den klassischen Naturalismus zu überwinden und aktuelle neue
Einflüsse - wie die Neue Sachlichkeit und sozialkritische Arbeiten - in der
breiten Bevölkerung zu verankern. Der Bonner Generalanzeiger vermel-
det in einem Artikel am 6.5.1931: "Durch die aktuelle Jahresausstellung
der "Bonner Künstlervereinigung 1914" weht ein frischer Wind. Das mag
daran liegen, dass jüngere Kräfte am Werk sind. Kräfte, die sich mit den
malerischen Problemen heftig auseinandersetzen und dem Traditionellen
noch nicht verhaftet sind."
1931 Paul Türoff stellt 1931 zum letzenmal seine
Arbeiten im Rahmen der "Bonner Künstler-
vereinigung 1914" im Städtischen Museum
Villa Obernier aus. Wenig später beendet er
seine Mitgliedschaft. Er greift damit einer Ent-
wicklung vor, die 1933 zum schleichenden
Aus der "Bonner Künstlervereinigung" führt.
Mit Hitlers Machtergreifung erhält der natio-
nalsozialistische Oberbürgermeister Rickert
und sein Kulturbeauftragter Dr. Hirtz Zugriff
auf das Städtische Museum "Villa Obernier".
Sie nutzen dies, um "neue Strukturen in der
Kulturarbeit" durchzusetzen und allen selbst-
organisierten Künstlergruppen die öffentli-
chen Ausstellungsmöglichkeiten zu entziehen.
Fortan ist die Zulassung der Künstler in der
Reichskammer der bildenden Künstler in
Berlin Voraussetzung, um öffentliche Förde-
rung zu erhalten und im Städtischen Museum ausstellen zu können.
Paul Türoff malt - unabhängig von dieser Entwicklung - unbeirrt weiter
seine Gesellschaftsportraits. Als naturalistischer Portraitist steht er ohne-
hin nicht in der Gefahr, zu den "Entarteten" zu zählen und da er jegliche
systemkritischen Assoziationsmöglichkeiten in seinen Bildern vermeidet,
kann er ungestört in seinem Atelier in Oberkassel weiterarbeiten.
1936 Paul Türoff besucht im Frühjahr auf gesonderte Einladung die schlesische
Adelsfamilie "von Heydebrand und der Lasa" auf deren Gut in Klein-Tschun-
kawe, das noch im selben Jahr in "Preußenfeld" umbenannt wird. Nach
einem Eintrag im Gästebuch genießt der Maler vom 20. März bis zum 3.
April die Gastfreundschaft von Georg von Heydebrand und der Lasa
(1889 - 1964) und seiner Gemahlin Sigrid, geborene Gräfin von Waldersee
(1895-1976). Er portraitiert seine Gastgeber vor Ort in separaten Einzel-
gemälden. Die beiden Gemälde wurden durch alle Unbilden der damaligen
Zeit hindurch (Kriegswirren, Flucht aus Schlesien) gerettet. Sie hängen
heute bei Sunhild Boeddinghaus - der jüngsten Tochter der Familie - in
Hilden bei Düsseldorf.
Paul Türoff: Portraits von Georg von Heydebrand und der Lasa
und seiner Gemahlin Sigrid (Öl auf Lw. 1936)
1942 Paul Türoff stibt am 19.06.1942 im Alter von 69 Jahren in Oberkassel.
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