Matthias Profitlich (1898-1942)
Matthias Profitlich wurde am 19.11.1898 in Bonn geboren. Er fiel im Alter von
43 Jahren am 14.6.1942 in Russland.
Über Matthias Profitlichs Elternhaus und seine Jugendzeit ist wenig reportiert. 1916/1917 wurde er eingezogen und an die Westfront geschickt, wo er gegen Kriegsende 1918 in der Schlacht von Amiens ("alliierte Hunderttageoffensive") schwer verwundet wurde und seine Kriegsverletzungen bis 1919 in einem Lazarett auskurierte. Nach der Entlassung kehrte der 20-Jährige zu seiner Familie nach Bonn zurück.
Es gelang ihm, 1920 eine Anstellung als Buchbinder am Kunsthistorischen Institut der Universität Bonn zu erhalten. Die Arbeit in der Institutsbibliothek gefiel ihm, füllte ihn aber inhaltlich nicht aus. Die Kunstwerke, mit denen er bei den Restaurierungsarbeiten der Bildbände konfrontiert war, weckten in ihm den Wusch, selbst ebenfalls künstlerisch aktiv zu werden und seine zeichnerischen und malerischen Befähigungen zu erproben. Zunächst kopierte er - rein autodidaktisch - einige der vorgefundenen Werke. Seine Zeichnungen und Farbskizzen fanden allgemeine Anerkennung beim Personal des Kunsthistorischen Instituts und so entschloss er sich, 1921 an der Kunstgewerbeschule Köln ein Studium der Malerei bei Prof. Robert Seuffert (1874-1942) aufzunehmen.
Aus der Kunstgewerbeschule Köln
am Ubierring wurden 1926 die
renommierten Kölner Werkschulen.
Zum Ende des Studiums belegte
Matthias Profitlich auf Vermittlung
von Prof Seuffert zwei Semester
an der Kunstgewerbeschule Berlin
bei Prof. Willy Jäckel.
1928 kehrte er nach Bonn zurück
und eröffnete in seiner Heimat-
stadt ein eigenes Kunstatelier.
Diverse Kunstreisen führten ihn
nach Frankreich und Flandern sowie zu Studienkollegen nach Süddeutschland und Berlin.
Studienreise nach Frankreich
links: Matthias Profitlich "Dorfgasse" rechts: Matthias Profitlich: "le transbordeur"
Öl/LW, 82 x 54 cm (um 1930) -Schwebefähre- Aquarell, 50 x 65 cm
Beide Werke: Sammlung Jochen Schrader, Berlin; Herkunft: aus dem Nachlass
seiner Tante Franziska (Fränze) Profitlich, der Ehefrau des Künstlers
1930 trat Matthias Profitlich der "Bonner Künstlervereinigung 1914" als einer von drei selbstorganisierten berufsständigen Künstlervertretungen im Bonner Raum bei.
Der Gruppe gehörten u.a. die Maler Heinrich Reifferscheid, Louise Zierke, Walter Rath, Em Oelieden und Georg Broel an. Im Folgejahr 1931 beteiligte sich Matthias Profitlich an der regelmäßig stattfindenden Ausstellung der Gruppe im Städtischen Museum Villa Obernier. Mit Hitlers Machtergreifung 1933 änderte sich das "kulturell-künstlerische Klima" in der Stadt. Im Mai 1933 berichtete die Presse von einer "Umgruppierung" in der Bonner Künstlerschaft, in deren Folge die "Bonner Künstlervereinigung 1914" aufgelöst wurde. 1934 fanden zwar noch zwei weitere Ausstellungen der Gruppe statt, allerdings außerhalb Bonns (in Honnef und Gelsenkirchen). Danach kam der "Schichtwechsel". Zwar wurde Matthias Profitlich als einer von fünf Bonner Künstlern im April 1933 in den "Bonner Fünferausschuß der Bildenden Künste" gewählt, dem die Aufgabe oblag, dem neuen nationalsozialis-tischen Bonner Oberbürgermeister Ludwig Rickert und seinem Kulturbeauftragten Dr. Hirtz in allen von der Stadt in Auftrag gegebenen oder geförderten künstlerischen Angelegenheiten beratend zur Seite zu stehen. Doch wurde dieser Ausschuß nach knapp einem halben Jahr wieder aufgelöst.
Fortan war für berufstätige bildende Künstler eine Zulassung bei der "Reichskammer der bildenden Künste" in Berlin zwingend vorgeschrieben, wenn man nicht ein Berufsverbot riskieren wollte, was letztendlich den Verlust aller Fördermaßnahmen für Künstler inklusive der Ausstellungsmöglichkeiten im öffentlichen Raum (Museen und Galerien) sowie ein Beteiligungsverbot an Ausschreibungen der öffentlichen Hand als Auftraggeber bedeutete.
1936 wurde ein Überblick über das Oeuvre von Matthias Profitlich im Rahmen einer Sonderausstellung (Einzelausstellung) im Städtischen Museum Villa Obernier gezeigt. Neben Ölgemälden und Aquarellen präsentierte Matthias Profitlich eine aufsehen-erregende Portraitserie bekannter Bonner Schauspieler, dargestellt in ihren jeweiligen dramaturischen Rollen. "Unwissende" Besucher, die den Hintergrund der Portraitieren offensichtlich nicht kannten, vermeinten in diesen Kohlezeichnungen eine "unzeitgemäße" Kritik an der aktuell herrschenden (nationalsozialistischen) Aufbruchsstimmung zu erkennen. Matthias Profitlich wurde angehalten, eine "Richtigstellung" zu veröffentlichen. Diese scheint allerdings "im Sande verlaufen" zu sein, da sich trotz intensiver Recherchen keine entsprechende Pressenotiz aus dieser Zeit fand.
1939 wurde Matthias Profitlich - knapp über 40 Jahre alt - erneut eingezogen und an die Ostfront geschickt. Er fiel in Russland am 16.Juni 1943.
Das "künstlerische" Leben dieses Bonner Malers dauerte - wenn man von seiner Studienzeit absieht - von 1928 bis 1939, also nur 11 Jahre.
Matthias Profitlich gehört sicherlich der "vergessenen Künstlergeneration" in Bonn an.
Es ist das Verdienst einiger weniger Freunde, Sammler und Mäzene von Matthias Profitlich, in Zusammenarbeit mit den Städtischen Kunstsammlungen Bonn diesen Bonner Künstler zwischenzeitlich zumindest einmal ein wenig aus der Versenkung hervorgeholt zu haben.
1962/63 - inzwischen auch schon über 50 Jahre her - organisierte die Interessens-gemeinschaft anläßlich des hypothetischen 65. Geburtstages sowie des anstehenden 20. Todestages eine retrospektive Ausstellung mit fast 40 repräsentativen Werken des Malers:
"Matthias Profittlich - Gemälde-Aquarelle-Zeichnungen" Städtische Kunstsammlungen Bonn 4. Dezember 1962 bis 6. Januar 1963
Im Vorwort des schmalen Kataloges zu dieser Ausstellung versucht Prof. Heinrich Lützeler eine erste Positionsbestimmung des künstlerischen Schaffens von Matthias Profitlich:
"Aber das vor aller Augen Stehende tat sich ihm in einer neuen Weise auf: Der Poppelsdorfer Weiher, die Plittersdorfer Aue, der Rodderberg und immer wieder die Sieglandschaft. Auffallenderweise sucht er nie den Glanz um den Rhein. Dem strahlend blauen Himmel zog er den grauen vor. Grau verlaufen viele Wege auf seinen Bildern und den Hängen gab er oft ein lastendes Braun... Der Maler liebt in all dem das Schweigen, ja die Verlassenheit (und Melancholie der Gesamtstimmung).
In der Schwermut ist recht eigentlich sein Schicksal beschlossen - Schicksal eines Mannes zwischen den beiden Weltkriegen. Gerade ein Jahrzehnt freien Wirkens blieb ihm und wie bedroht war das in der äußeren und inneren Schwere der Zeit.
Zeichnungen
Bild Titel: Datum: Ausführung: Abmaße: Verbleib:
026 Dreiergruppe 1926 Kohle 48 x 36 ?
027 Vision 1926 Kreide 40 x 32 ?
028 Expression 1927 Feder 45 x 30 ?
029 Pariser Studien 1930 Blei 45 x 30 ?
030 Weibliche Akte 1930/35 Blei 28 x 14 ?
031 Flötespielende Hände 1933 Blei 26 x 37 ?
032 Paviane 1933 Blei 14 x 14 ?
033 Magnolien 1933 Blei 30 x 29 ?
034 Schwertlilien 1933 Blei 31 x 14 ?
035 Männlicher Akt 1933 Blei 40 x 26 ?
036 Löwen 1936 Blei 33 x 25 ?
037 Löwen 1936 Blei 20 x 18 ?
038 Anthurium 1936 Blei 41 x 28 ?
039 Osterglocken 1939 Blei 37 x 29 ?
Gemälde und Aquarelle
Bild Titel: Datum: Ausführung: Abmaße: Verbleib:
001 Schienen bei Betzdorf 1927 Öl auf Lw 56 x 65 ?
002 Blick vom Rodderberg 1928 Öl auf Lw 70 x 90 ?
003 Calla 1928 Öl auf Lw 100 x 90 ?
004 Dorf an der Sieg 1928 Öl auf Lw 60 x 80 ?
005 Poppelsdorfer Weiher 1928 Öl auf Lw 60 x 80 ?
006 Sieglandschaft 1928 Öl auf Lw 60 x 73 ?
007 Michelsberg (Siegburg) 1928 Öl auf Lw 60 x 80 ?
008 Poinsettie 1928 Öl auf Lw 80 x 60 ?
009 Begonien 1929 Öl auf Lw 65 x 55 ?
010 Fabriken an der Sieg 1929 Öl auf Lw 60 x 80 ?
011 Brügge 1929 Öl auf Lw 55 x 65 ?
012 Zwischen den Dünen 1929 Öl auf Lw 55 x 65 ?
013 Herbst im Siegerland 1929 Öl auf Lw 65 x 55 ?
014 Blick auf die Nürburg 1929 Öl auf Lw 60 x 80 SMB -Bonn
015 Weiblicher Akt 1929 Aquarell 30 x 26,5 ?
016 Feuchter Herbsttag 1930 Öl auf Lw 83 x 60 ?
017 Dorfstraße in der Bretagne 1930 Öl auf Lw 48 x 38 ?
018 Seinebrücke 1930 Öl auf Lw 55 x 65 ?
019 Primeltopf 1931 Öl auf Lw 60 x 48 ?
020 Im Siegtal 1931 Öl auf Lw 55 x 65 ?
021 Bildnis Will Wanzer 1932 Öl auf Lw 90 x 60 ?
022 Bildnis Prof W. Gurian 1932 Öl auf Lw 80 x 60 ?
023 Hafen von Marseille 1932 Aquarell 50 x 65 ?
024 Franz. Mittelmeerküste I 1932 Aquarell 50 x 65 ?
025 Franz. Mittelmeerküste II 1932 Aquarell 50 x 65 ?
Neben einigen Bleistift- und Kohlezeichnungen befinden sich im Fundus der Stadt Bonn (Stadtmuseum Bonn) 4 weitere Werke des Künstlers:
Bild Titel: Datum: Ausführung: Abmaße: Reg-Nr:
278 Begonie 1927 Öl auf Lw 55 x 40,5 SMB 1994/72
279 Blick auf die Nürburg 1929 Öl auf Lw 60 x 80 SMB 1991/G261
280 Flußlandschaft a. d. Sieg 1930 Öl auf Lw 60 x 80 SMB 1991/G262
281 Begonie u. Papageientulpe 1930 Öl auf Lw 81 x 61 SMB 1991/G264
Abb. links Abb. mitte Abb. rechts
Nr 021: Bildnis Nr. 029: Pariser frühe Arbeit 1926
Will Wanzer 1932 Studien (1930) Kohlenträger
Nachtrag:
Matthias Profitlich war verheiratet. Seine Frau - Fränze Profitlich - so wird im Stadtarchiv berichtet - führte kurz nach dem Krieg die "Galerie Neue Kunst" in der Königstraße, auf die auch die Stadt Bonn - in Ermangelung geeigenter Ausstellungsmöglichkeiten - mehrfach zurückgriff.
Unweit der "Galerie Neue Kunst" in der Königstraße befand sich zudem die Künstlerkneipe: "Zur Kerze", die damals von Emmy Meurer, der zweiten Ehefrau des Bonner Malers Ernst Meurer eingerichtet und betrieben wurde. Hier traf sich (im Keller) die gesamte Bonner Künstlerschaft: Neben Malern und Bildhauern auch Schauspieler und andere Theaterleute, die schreibende Zunft - Schriftsteller, Autoren und Journalisten - sowie Galeristen, Museumsleute und Stadtpolitiker. Auch diese Lokalität (140 Sitzplätze) diente der Stadt Bonn kurz nach dem Krieg häufiger als Ausstellungsraum.
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