Louis Ziercke (1887 - 1945)
1887 Ludwig Josef Ziercke erblickt am 9.April
1887 als erstes von insgesamt sechs Kin-
dern des Ehepaars Ludwig Christoph
Ziercke (1852-1936) und seiner Frau
Margareta, geborene Küpper, in Godes-
berg das Licht der Welt.
Der Vater stammt ursprünglich aus
Parchim in Mecklenburg. Als Geselle
"auf der Walz" bleibt er in Godeberg "hän-
gen", gründet - nachdem er seinen "Meis-
ter" gemacht hat - in Godesberg einen
florierenden Malerbetrieb und beschäftigt
schon bald bis zu 10 Mitarbeiter. Er wird
Vorsitzender der Krankenkasse der Ma-
lerinnung, Beirat in der Godesberger (Be-
rufs-)Fortbildungsschule und ist politisch
in der Bürgervertretung von Godesberg
engagiert. Ludwig Christoph Ziercke - der
Vater - ist ein ausgezeichneter - im Um-
gang mit Farben überaus versierter Malermeister, der selbst auch ausge-
zeichnet zeichnen und portraitieren kann. Wie einige aufgefundene Vorlagen-
Pappen mit Vorentwürfen für verschiedene Geschäftskunden beweisen, be-
steht eine seiner besonderen Spezialitäten denn auch in der Ausmalung von
Godesberger Geschäften und Lokalen mit Wandbildern, die zeitgenös-
sische Genreszenen mit adäquatem Godesberger Lokalkolorit verbinden.
Die Zierckes bewohnen ein großes, um 1900 neuerrichtetes Haus in der
Godesberger Brunnenallee 8, in dessen Hinterhaus die Malerwerkstatt so-
wie die Wohnungen der Malergesellen untergebracht sind. Der Vater ist
evangelisch, die Mutter katholisch. Man lebt in gutbürgerlichen Verhältnissen.
Ludwig Josef Ziercke, der später zur Unterscheidung von seinem Vater
Ludwig Christoph den Künstlernamen Louis Ziercke annehmen wird, wird
evangelisch getauft.
Schon als kleines Kind wird dem kleinen Louis der rechte Umgang mit Pinsel
und Farben anerzogen. Die "Werkstatt im Hof" ist fast mehr sein Zuhause,
als die Wohnung der Eltern im Vorderhaus. Was Wunder, dass Louis - wie
sein Vater - "Dekorationsmaler" werden will.
1893 Zu Ostern 1893 wird Louis Ziercke in die Godesberger Volksschule einge-
schult. Von dort wechselt er 1898 auf das Königliche Gymnasium (heute:
Beethoven-Gymnasium) in Bonn. Er ist ein nur mäßig begabter Schüler,
der seine besten Noten in Sport, Kunst und Musik erhält. Die gymnasiale
Ausbildung ist wohl nicht das Richtige für den eher praktisch veranlagten
Handwerkerssohn und so verläßt Louis Ziercke in der Quarta das könig-
liche Gymnasium.
1902 Louis Ziercke ist 15 Jahre alt, als er sich an der Kunstgewerbeschule in
Düsseldorf anmeldet. Zunächst muss er dort die einjährige Vorschule
besuchen, die als wöchentlich ganztägige - berufsbildergänzende - Aus-
bildung dafür sorgt, dass alle Schüler in etwa einheitliche Eingangsvoraus-
setzungen für das nachfolgende Fachschulstudium aufweisen. Freihand-
zeichnen, geometrisches Zeichnen und ornamentale Übungen wechseln
sich mit theoretischen Fächern - vor allem Perspektivlehre, Schattenlehre,
Gewandkunde und Farbenlehre ab. 1903 überrnimmt Peter Behrens die
Leitung der Kunstgewerbeschule Düsseldorf. Er reformiert den Unterricht
und stellt namhafte Künstler zu diesem Zweck als Lehrer ein.
1903/ Nach Abschluß der Vorschule besucht Louis Ziercke zunächst die Fach-
1904 klasse für Dekorationsmalerei bei Professor Ignaz Wagner (1854-1917),
der ihn unter anderem in die Kunst der Theatermalerei und deren Gesetz-
mäßigkeiten einführt. Louis wird später auf diese Kenntnisse bei den
"Rheinischen Werkstätten für Bühnenkunst" zurückgreifen.
Wahrscheinlich lernt Louis Ziercke bereits 1904 an der Kunstgewerbe-
schule seinen Kollegen und späteren Freund Walther Rath kennen
und auch eine persönliche Bekanntschaft mit dem gleichaltrigen August
Macke aus Bonn ist nicht unwahrscheinlich. (August Macke besucht zwar die
Kunstakademie in Düsseldorf, ist aber über die "sture Kopier- und Ab-
zeichnerei", die dort im Grundstudium verlangt wird, frustriert und nimmt
daher regelmäßig an Nachmittags -und Abendkurse in der Kunstgewerbe-
schule teil. Gut möglich, dass sich Louis und August dabei begegnet sind.
1904 Louis Ziercke wechselt von der "Dekorationsmalerei" hinüber in die neuein-
gerichtete Fachklasse für "Flächen- und Graphische Kunst" zu Prof. Fritz
Hellmut Ehmke (1878-1965). Der ist zum damaligen Zeitpunkt (noch)
ganz dem Jugendstil verpflichtet, was sich (natürlich) auch in Louis Zierckes
Arbeiten wiederspiegelt. Zusammen mit dem Studienkollegen Fritz
Kaldenbach, der parallel zu ihm bei Prof. Johannes L.M. Lauweriks "Ge-
brauchsgraphik" studiert, nimmt er an "Plakatausschreibungen" und "Stu-
dentischen Studienwettbewerben" teil. Louis und Fritz bilden ein Gestal-
tungsteam. Sie beteiligen sich mit kleineren graphischen Arbeiten an der
III. Deutschen Kunstausstellung 1906 in Dresden. Der Erfolg läßt die beiden
von einer gemeinsamen Karriere träumen.
1906 Nach der dreijährigen Fachschulausbildung kehrt Louis Ziercke nach
Godesberg zurück. Der Vater möchte ihn im elterlichen Malerbetrieb als
Dekorationsmaler einsetzten, merkt aber bald, dass seinem Sohn "der
Sinn nach anderem" steht. Letztendlich stimmt er zu, dass sein Sohn
zurück nach Düsseldorf geht und bei Prof. Ehmke "weiterstudiert". Zum
damaligen Zeitpunkt ist es üblich, dass die Professoren auch eigen-
ständige (Kunst-)Unternehmer sind, entsprechend große Werkstätten
und (externe) Ateliers unterhalten, und ihre Schüler dort (im Sinne von
beruflichen Praxissemestern) die ausführenden Arbeiten zu ihren Kunden-
aufträgen übertragen. Louis Ziercke arbeitet nachfolgend als Angestellter
für seinen Lehrmeister Fritz Ehmke.
1907 Als Peter Behrens die Kunstgewerbeschule Düsseldorf verläßt und - einer
Berufung als "Künstlerischer Beirat" der AEG folgend - nach Berlin geht,
folgt ihm Louis Ziercke nach Neubabelsberg. Zusammen mit Fritz Adolphy,
einem Studienkollegen aus Düsseldorfer Tagen, arbeitet er im Designatelier
von Peter Behrens. Dann wird ihm und seinem Freund die pedantische Art
von "Peter", der stets nur auf die strikte Einhaltung von Terminen achtet
und generell nur subalterne Ausführungsarbeiten an seine Mitarbeiter ver-
gibt, zuviel.
1908 Bereits nach einem halben Jahr kündigen beide
das Angestelltenverhältnis. Louis sieht sich
noch einige Zeit in Berlin um, dann reist er
heim zu seiner Familie nach Godesberg. Der
Vater "subventioniert" ihm noch ein weiteres,
freies Studiensemester an der Kunstgewerbe-
schule Düsseldorf, das Louis dazu nutzt, sei-
nem alten Freund Fritz Kaldenbach bei dessen
graphischen Arbeiten zu unterstützen. Im We-
sentlichen geht es um die Gestaltung des Er-
scheinungsbildes und der Veröffentlichungen
der bereits 1903 gegründeten Vereinigung:
"Ring", in der sich Lehrer, Schüler und Absol-
venten der Düsseldorfer Kunstgewerbeschule
- wohl als ein Gegenpol zum "Düsseldorfer Mal-
kasten" - engagieren. Fritz Kaldenbach ist in-
zwischen bei dem in Düsseldorf verbliebenen
Prof. Ehmke angestellt. Der ist fast ganzjährig in London tätig, und so bleibt
den beiden viel Zeit, von Oktober 1908 bis August 1909 sechs Themenhefte
der Zeitschrift "Ring" zu gestalten und deren Drucklegung vorzubereiten.
1909 Anfang 1909 kündigt Fritz Kaldenbach bei
Ehmke und die beiden Freunde gründen in
Godesberg ein gemeinsames Graphikbüro:
"Kaldenbach & L. Ziercke - Atelier für Ar-
chitektur, Entwurf und Anfertigung kunst-
gewerblicher und graphischer Arbeiten,
künstlerische Drucksachen, Bad Godesberg"
Von beiden ambitioniert begonnen, versiegt
der Anfangselan jedoch schnell. Es zeigt
sich, dass die Aufträge nicht genügend ab-
werfen, um Louis Ziercke und Fritz Kal-
denbach "über Wasser" zu halten. Schon
nach einem Jahr ist das Grundkapital aufgebraucht. Dannach geht man ge-
trennte Wege. Fritz Kaldenbach zieht nach Münster, um dort als Architekt
tätig zu werden. Louis Ziercke bleibt als Graphiker in Bad Godesberg.
links: Zeitschriftenwerbung rechts: Plakatwerbung
Louis Ziercke ist auf die Unterstützung seines Vaters angewiesen. Der
horscht sich in seinem weitläufigen Bekanntenkreis um und vermittelt ihm
so manchen Auftrag. Darunter auch einen Auftrag der heimischen Stepp-
decken- und Fahnenfabrik Otto Müller. Louis Ziercke freundet sich mit
Alfred Karl Müller, dem kunstsinnigen Sohn des Firmengründers Otto Müller
an. Die beiden sind etwa gleichalt und verstehen sich auf Anhieb.
1910 Es ist nicht bekannt, welche Umstände den da-
mals 23-jährigen Louis Ziercke dazu bewegen,
zukünftig als "freier" Maler, respektive als
"Kunstmaler" tätig zu werden. Wieder ist es der
Vater, der durch eine "Apanage" dafür sorgt,
dass sein ältester Sohn in Berlin bei Lovis
Corinth (1858 - 1925) in den privaten "Studien-
ateliers für Malerei und Plastik" in der Berliner
Kantstraße 159 studieren kann. Louis Ziercke
trifft seine Freunde aus jener Zeit wieder, als er
in Peter Behrens Atelier in Neubabelsberg ge-
arbeitet hat. Auch viele andere seiner Düssel-
dorfer Kollegen aus dem "Ring" finden sich in
Berlin ein, wo man regelmäßig wöchentlich ein-
mal zu einer "Ring-Sitzung" zusammenfindet.
Von 1910 bis 1914 führt Louis Ziercke ein Bo-
hemien-Leben als Künstler in Berlin. Er tritt der
Künstlergruppe "Block" bei und stellt seine
Werke erstmals im Künstlerhaus Berlin aus. Es
geht ihm gut, er ist weitgehend sorgenfrei und
er genießt das Leben der Großstadt..
1914 Als Louis Ziercke schließlich nach Godesberg
zurückkehrt, ist er 27 Jahre alt. Ein junger, aufstrebender Mann, der als bil-
dender Künstler Karriere machen will. Bisher hat er noch keinen "unver-
kennbar eigenen Malstil" gefunden. Er experimentiert, saugt Anregungen,
die er bei anderen Künstlern findet, auf und verarbeitet sie. Auch seine
eigenen Bildgenres wechseln ständig. Er kann und will sich künstlerisch
nicht festlegen, respektive durch andere festlegen lassen.
Wenn es überhaupt eine Konstante in Louis Zierkes Werken gibt, so sind
dies seine Blumenstillleben. Auch wenn es in der Folgezeit - bedingt
durch den Ausbruch des Ersten Weltkrieges und die nachfolgenden poli-
tischen, wirtschaftlichen und sozialen Unruhen deutliche Zäsuren in
der kreativen Entwicklung des bildenden Künstlers Louis Ziercke gibt,
scheint er doch nie müde, das Genre der Blumenstillleben immer wieder
erneut aufnehmen und weiter entwickeln zu wollen.
Louis Ziercke bemüht sich bei dem Vorsitzenden der "Bonner Künstler-
vereinigung" - dem Bildhauer Karl Menser, - um eine Aufnahme in des-
sen Künstlerkreis, wohl wissend, dass die Stadt Bonn nur professionell in
Künstlervertretungen "organisierten" Bonner Künstlern die Möglichkeit
eröffnet, in städtischen Räumlichkeiten - vor allem natürlich im damaligen
Städtischen Kunstmuseum "Villa Obernier" - die eigenen Werke ausstellen
zu dürfen. Louis Ziercke ist umtriebig, sammelt Freunde um sich und knüpft
Kontakte zu den ortsansässigen Künstlern in Godesberg und Königswinter.
Sein Bekannter aus Düsseldorfer Zeiten - Walther Rath - ist inzwischen
- wohl auf Betreiben von Louis Vater - Ludwig Christoph Ziercke - fest-
angestellter Zeichenlehrer an der Fortbildungsschule (Berufsschule) in
Godesberg. Mit ihm verbindet ihn bald eine intensive künstlerische Freund-
schaft. Auch Rudolf Gosekuhl - ein Kölner Portrait-, Landschafts- und
Genremaler - zählt zu seinen Freunden und wird - nachdem dieser eine
seiner Schwestern heiratet - auch sein Schwager. Sein Freund Alfred Karl
Müller, der Sohn seines Auftraggebers Otto Müller, hat inzwischen mit tat-
kräftiger Unterstützung seines Vaters die "Rheinischen Werkstätten für
Bühnenkunst" gegründet und als Mitgesellschafter und künstlerischen
Leiter den erfahrenen Godesberger Maler Heinrich Pützhofen-Esters
gewonnen. Man produziert in den Räumlichkeiten der Steppdecken- und
Fahnenfabrik Otto Müller Dekorationen für Theateraufführungen. Mit zu-
nehmendem Erfolg richtet man einen großen, professionell ausgestatteten
Malersaal ein und kann nun auch komplette Bühnenbilder im Lohnauftrag
erstellen.
1914 Louis Zierckes jüngerer Bruder Carl Ziercke hat sich voller Enthusiasmus
zum Fronteinsatz gemeldet und verliert im Oktober 1914 von Ypern in
Belgien sein Leben. Louis Ziercke ist tief betroffen. Er selbst ist 1907 bei
seiner Musterung "bedingt tauglich" geschrieben und der "Ersatz-Reserve"
zugeteilt worden. 1915 wird er als Landsturmmann zum Ersatzreserve-
Bataillon des 2. Rheinischen Infantrie-Regimentes Nr. 28 in Köln einge-
zogen und versieht seinen Dienst im Heeres-Depot II in Köln-Longerich.
1915/ Bei einer Wehrübung bricht sich Louis Ziercke die linke Ferse und kann sich
1916 (für einige Zeit) nur noch humpelnd mit einem Stock fortbewegen. Er wird
schließlich wegen "Wehruntüchtigkeit" entlassen und tritt auf persönliche
Intervention seines Vaters eine von zwei "Aushilfslehrerstellen" an der
(Berufs-) Fortbildungsschule Godesberg an. Sein Freund Walther Rath, der
die Ganztagsstelle zuvor inne hatte, ist ebenfalls einzogen worden. Seine
Stelle wird nun aufgeteilt und vorübergehend neu besetzt. 1917 wird
Walther Rath "auf Antrag" des Godesberger Bürgermeisters Zander und
des Schulbeirats (Ludwig Christoph Ziercke) aus dem Militärdienst ent-
lassen und für eine kurze Zeit sind beide Freunde parallel zueinander als
Zeichenlehrer an der Fortbildungsschule Godesberg tätig.
1917 Im September 1917 wird Louis Ziercke erneut eingezogen und versieht bis
November 1918 (mit Unterbrechungen) seinen Dienst als "Militärkranken-
wärter" im Reserve-Lazarett I in Bonn. Während der Schulzeiten ist er für
seine Unterrichtstätigkeiten in Godesberg und später auch in Mehlem vom
Dienst freigestellt.
1919 Nach dem Kriegsende wohnt Louis Ziercke wie-
der in seinem Elternhaus in der Brunnenalle 8 in
Godesberg. Hier steht ihm ein großes lichtdurch-
flutetes Atelier zur Verfügung. Er arbeitet als
Kunstmaler und als Grafiker. Seine freien Arbei-
ten - überwiegend Aquarelle und Ölbilder - stellt
er seinem Publikum in den Folgejahren (ab 1918
- 1941) regelmäßig im städtischen Kunstmuseum
"Villa Obernier" in Bonn und in anderen regionalen
und überregionalen Ausstellungen vor. Die allge-
meine Wirtschaftslage ist für Bildende Künstler
in jener Zeit alles andere als rosig. Von dem
Verkauf ihrer eigenen Werken können nur die
wenigsten leben. Louis Ziercke ist auf die Unterstützung seines Vaters ange-
wiesen, der ihn nun zeitweise in seinem Maler- und Anstreicherbetrieb als
Dekorations- und Entwufsmaler einsetzt.
Da Louis Ziercke bei seinem ersten Lehrer an der Kunstgewerbeschule
Düsseldorf (Professor Ignaz Wagner) unter anderem die Theatermalerei
näher kennengelernt hat, findet er nun auch gelegentlich eine Beschäftigung
bei seinem Freund Alfred Karl Müller in dessen "Rheinischen Werkstätten für
Bühnenkunst".
1923 Louis Ziercke heiratet die 27 Jahre alte Kriegs-
witwe Anna Maria Görgens, geborene Esser,
aus Königswinter. Sie bringt eine kleine Tochter
- Liesel Görgens - mit in die Ehe. Louis ist ihr
ein guter Vater (Eigene Kinder bekommt das
Ehepaar Ziercke nicht).
In den Folgejahren bestreitet Louis Ziercke
den Lebensunterhalt für sich und seine Fa-
milie durch kundenspezifische Gestaltungs-
aufträge. Sein Grafikbüro bietet neben einer
"zeitgemäßen Reklamerberatung" vor allem
graphische Entwurfsleistungen für Industrie,
Handel und Gewerbe, Plakate, (Ver-)Packun-
gen, Geschäftsdrucksachen und Tapeten-
dessins an. Seine Hauptkunden sind die
Pharmazeutische Fabrik Diedenhofen, die
Keramag Keramische Werke AG, die Tape-
tenfabrik in Beuel und die Zigarrettenfirma
Sonntag in Bonn.
Neben der zielgerichteten Arbeit in seinem Graphikbüro wendet sich Louis
Ziercke immer wieder der "freien" Malerei zu. Möglicherweise dient ihm
die Malerei zum (lebensnotwendigen) persönlichen Ausgleich. Kreatives,
freies Arbeiten ist ihm einfach ein Bedürfnis. Er folgt einem inneren Drang,
wenn er seine vielfältigen Eindrücke, die er normalerweise zunächst zeich-
nerisch vor Ort skizziert, in Farbe - als Aquarell oder Ölgemälde - umsetzen
kann. "Mit wachen Augen" registriert er die Bonner und Godesberger Künst-
lerszene und verfolgt die malerische Entwicklung seiner Künstlerkollegen.
1930 Anfang der 30-er Jahre findet Louis Ziercke "seinen" Malstil. In den folgenden
drei Jahren (bis 1933) entwickelt er - ausgehend von seinem programma-
tischen "Pflugbild", das er bereits 1921 zusammen mit dem Bild "Die Welle"
gemalt und mehrfach ausgestellt hat - zu einem deutlich expressionistischen
Malstil.
Kennzeichnend für seinen Stil sind starkfarbige, aneinandergefügte Farb-
streifen, aus denen er das Umfeld seiner Motive und hier vor allem die
Darstellung des Himmels - zusammensetzt. Ähnlich wie in seinem "Pflugbild"
ergibt sich dadurch eine hintergründige "Irrealität", die alles andere als
naturalistisch-realistisch ist. Seine Bilder reizen den Betrachter zur "Inter-
pretation", sie sind - oder scheinen es zumindest - "bedeutungsschwanger"
zu sein, ohne aber ihren eigentlichen "Impetus" zu verraten. In gewisser
Weise sind es durchaus "magische" Bilder, die Louis Ziercke zwischen 1930
und 1933 malt.
Zwischen 1920 und 1940 beschickt Louis Ziercke über 40 meist regionale
Ausstellungen - im Schnitt also zwei Ausstellungen pro Jahr.
Akurat zeichnet er auf, wer - außer ihm - ausstellt und welchen Beitrag
(Anzahl und Machart der Gemälde sowie Motiv und Titel) er jeweils zur
Ausstellung leistet.
Louis Ziercke läßt es sich selten nehmen, Kontakt mit seinen Kollegen
aufzunehmen und über seine und deren Exponate zu diskutieren.
Als er beispielsweise zusammen mit dem Godesberger Maler Toni Wolter
ausstellt und dessen Industriebilder sieht, "arbeitet es in ihm". Auch er
möchte einmal dieses an sich ungewöhnliche Motivgenre ausprobieren.
Und so "portraitiert" er die qualmenden Schlote der Produktionswerke
seines Hauptkunden Keramag AG und reiht sich damit in eine Reihe mit
den Bonner und Godesberger Malern ein, die dieses Motivgenre als eigen-
ständige ästhetische Aufgabenstellung für sich entdeckt haben, darunter:
Heinrich Houben, Anton (Toni) Wolter, Martin Frey und Louis Ziercke.
1933 Schon bald nach Hitlers Machtergreifung beginnen die Nationalsozialisten
mit der "Gleichschaltung der Deutschen Kunst". Alle Künstlervereinigungen,
in denen Louis Ziercke Mitglied war - darunter die "Bonner Künstlerver-
einigung 1914" , der "Godesberger Künstlerbund" und der "Deutsche
Werkbund" werden per Dekret des späteren Reichspropagandaministers
Göbbels zugunsten einer Mitgliedschaft in der "Reichskammer der Bil-
denden Künste" in Berlin aufgelöst. Wer arischer Abstammung ist und
nachweislich keine "undeutsche (= entartete) Kunst" produziert (oder
früher produziert hat), erhält einen Mitgliedsausweis der Reichskammer
(siehe Kap: Künstler in der NS-Zeit) und nimmt an den Kunstförderpro-
grammen (Öffentliche Ausstellungen, Museumsausstellungen, Kunstaus-
schreibungen, Wettbewerbe, öffentliche Aufkauf- und Ankaufprogramme)
teil. Wer sich der Mitgliedschaft entzieht, wird mit einem faktischen Berufs-
verbot belegt. Louis Ziercke wird - wie nahezu alle unbelasteten Bonner
und Godesberger Künstler - zum 1. 1.1934 offizielles Mitglied der "Reichs-
kammer der Bildenden Künste".
Der ehemalige Godesberger Künstlerbund konstituiert sich unter dem Vor-
sitz von Alfred Karl Müller als lokal ausführendes Organ der Reichskammer
in Berlin neu. Louis Freund - Alfred Karl Müller - wird offiziell zum
"Ringführer" bestimmt, Louis Ziercke zum Kassenwart. Der "Ring" bewirkt
in der Folgezeit tatsächlich merkliche Verbesserungen für die Künstler-
kollegen. Unter anderem erhält Louis Ziercke einen festen Anstellungs-
vertrag bei den "Rheinischen Werkstätten für Bühnenkunst" über den er
und seine Familie auch krankenversichert ist.
1935 Am 25.05.1935 verstibt Louis Vater im Alter von 83 Jahren. Etwas über ein
Jahr später verstirbt auch seine Mutter Margarethe. Louis ist nun Oberhaupt
der Familie. Das Malergeschäft seines Vaters floriert weiter. Unter anderem
erhält man den Auftrag, das "Ännchen" zu restaurieren und neu auszu-
malen, die malerischen Dekors für Karnevalsfeiern zu entwerfen und anzu-
fertigen und viele der neuen Verwaltungen inklusive der NS-Verwaltungs-
neubauten malerisch auszustatten.
Louis Ziercke meidet - wohl aus Furcht - alles, was ihn und seine Malerei
in Verbindung mit seinem Lehrmeister aus Berliner Tagen - Lovis Corinth -
bringen könnte. Lovis Corinth ist bei den Nazis als "entarteter Künstler" ge-
brandmarkt, was in der Regel bedeutet, dass auch dessen Schüler "unter
besonderer Beobachtung" der für Kulturfragen zuständigen NS-Gauleitung
hier der Gauleitung Köln/Aachen stehen. Soweit möglich, sammelt Louis
Ziercke alle seine vorrangig expressiven Werke aus der Zeit zwischen
1930 und 1933 ein und verstaut sie auf dem Dachboden seines Hauses in
der Brunnenallee 8.
Auch sonst meidet er jedes thematisch heikle Bildgenre, malt neben eini-
gen Auftragsportraits überwiegend bäuerlich-dörfliche Szenen, einige
lokale Ansichten aus Godesberg und dem Bonner Umfeld, vor allem aber
Blumenstillleben.
Wahrscheinlich sind es diese Blumenstillleben, die man heute mit dem
Namen Louis Ziercke verbindet:
1944 Mit 57 Jahren wird Louis Ziercke zum Volkssturm eingezogen. Ende
Oktober 1944 erkrankt er schwer und wird ins Godesberger Pädagogium
(Päda) eingeliefert. Dorthin sind vorübergehend die zerbombten Kölner
Krankenanstalten aus Köln-Lindenthal verlegt worden.
1945 Am 26. Februar 1945 verstirbt Louis Ziercke im Päda. Die Amerikaner
ziehen am 8. März 1945 in Bad Godeberg ein. Der Krieg ist zu Ende.
Der Maler Louis Ziercke ist tot. Er liegt auf dem Burgfriedhof in Bad
Godesberg begraben.
Erst mit der Wiederentdeckung der Werke auf dem Dachboden der
"Brunnenallee 8" in Bad Godesberg rückt auch das lange verschollenen
geglaubte expressionistische Oeuvre im Nachlass von Louis Ziercke in
den Fokus der Öffentlichkeit.
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