Künstlerprofil Karl Kaul (1934 - 2003)
1934 Karl Kaul wird am 26.2.1934 in dem "150-
Seelen-Örtchen" Oberelz in der Gemeinde
Kehlberg in der Vulkaneifel geboren. Über
sein Elternhaus, seine Jugend- und Schul-
zeit ist nur wenig bekannt. Wahrscheinlich
hat er die Schulen in Mayen besucht und
eine handwerkliche Lehre absolviert. Dafür
spricht die Tatsache, dass Karl Kaul mit
18 Jahren nach Mainz geht, um dort die
Bau- und Kunstschule (frühere Kunstge-
werbeschule Mainz) zu besuchen.
Eingangsvoraussetzung: Zumindest "Mitt-
lere" Reife und ein zweijähriges Praktikum
oder eine abgeschlossene fachpraktische
Lehre in einem kunstgewerblichen Betrieb.
1952 Karl Kaul absolviert die "Vorklasse Malerei und Grafik" an der staatlichen
Bau- und Kunstschule Mainz. Seine künstlerische Grundausbildung erhält
er bei der Malerin Gisela Schirk und dem Bildhauer Josef Wolf. Schon bald
fällt seinen Lehrern das besondere Talent ihres Schützlings auf. Gisela
Schilk, deren Bruder an der Werkkunstschule Trier einen Lehrauftrag
wahrnimmt, rät Karl Kaul zu einem Schulwechsel.
1953 Nach zwei Semestern wechselt Karl Kaul zur Werkkunstschule Trier. Dort
studiert er 12 Semester im Fachbereich Dekorative Malerei und Grafik.
Neben dem Typographen Prof. Hugo Ritter (1926-1992) prägt der Gra-
fiker und "Dekorationsmaler" Prof. Bruno Müller-Linow, vor allem aber
der Kirchen- und Glasmaler Prof. Reinhard Heß (1904-1998) Karl Kauls
künstlerische Entwicklung. Reinhard Heß entwirft zwischen 1952 und
1958 - teilweise unter Mithilfe seiner Studenten - rund 300 Glasfenster
für über 50 Kirchen im Bistum Trier, darunter auch viele Kirchen in der
Vulkaneifel. Er schickt seine besten Studenten - darunter Karl Kaul - als
Teil ihrer Ausbildung zu den wenigen ausführenden Firmen, die sich auf
die Anfertigung und Ausmalung von Kirchenfenstern spezialisiert haben.
Karl Kaul lernt die häufig über Jahrhunderte tradierten Techniken der
Glasmalerei "von der Pike auf" kennen. Zudem hilft er mit, die infolge
des zweiten Weltkrieges lädierten Boden- und Wandmosaike in den
Kirchen zu restaurieren. Sein Geschick spricht sich herum und so ent-
wickelt sich die gelegendliche Restaurierung von Mosaiken zu einem
nebenberuflichen Einkommenszweig für den jungen Kunststudenten.
1959 Karl Kaul macht sein Abschlußexamen an der Werkkunstschule Trier.
In seiner Abschlußarbeit beschäftigt er sich mit den malerischen und
grafischen Gesetzmäßigkeiten zur Gestaltung von Boden- und Wand-
mosaiken. Im praktischen Anwendungsteil führt er ein Bodenmosaik
nach eigenen Entwürfen für den Eingangsbereich (Portikus) eines pri-
vaten Ferienhauses in der Vulkaneifel aus. Die Materialien für seine
Abschlußarbeit bezieht er bei den Agrob-Werken in Ehang/Trier.
1959 Karl Kaul bewirbt sich mit seinem Hintergrundswissen als "Muster-Ent-
werfer" beim Agrob-Werk in Ehrang/Trier. Dieses ist erst ein Jahr zuvor
(1958) aus den "Vereinigten Servais-Werken" hervorgegangen. Karl Kaul
erhält einen Arbeitsvertrag, der ihm genügend Zeit lässt, seine künst-
lerischen Ambition weiter fortzuführen, ihm andererseits aber auch ge-
nügend finanziellen Background gibt, um seinen Lebensunterhalt zu
sichern. Er bezieht eine kleine Wohnung in Trier-Pfalzel. Nach eigenen
Angaben entwirft er in dieser Zeit für seinen Arbeitgeber verschiedene
Mosaike aus homogen durchgefärbten keramischen Spaltplatten,
Wandgestaltungen mit keramischen Fliesen für das Sportzentrum in
Pforzheim sowie die Wand- und Bodengestaltungen der Eingangs-
bereiche und Foyers von größeren Hotels, Kongress- und Seminar-
zentren.
1959 Karl Kaul wird zunächst "assoziiertes" Jung-Mitglied in der "Gesellschaft
Bildender Künstler und Kunstfreunde e.V. Trier". Er nimmt an der "Jahres-
ausstellung Trierer Künstler 1959" im Museum der Stadt Trier bzw. im
Simeonsstift Trier teil. Dies ist nach den regelmäßigen Semesterausstel-
lungen in der Werkkunstschule Trier die erste öffentliche Ausstellung, die
Karl Kaul als professionellen Künstler bestreitet.
Es ist leider nicht überliefert, welche Werke er zu seinem Debut ausstellt.
Möglicherweise präsentiert er seine früher entstandenen Studien für Glas-
bilder, seine ersten, weitgehend abstrakten "Kompositionsstudien", seine
Holzschnitte und/oder seine frühen, noch ganz dem Expressionismus an-
hängenden Ölgemälde.
Künstlerisch ist der 25-Jährige "auf dem Weg gesetzt". Ein erster Anfang
ist gemacht.
Abb. links: Abb. rechts:
"Knollengewächs" 1958 "Eifeldorf" 1959
Holzschnitt, 30 x 40 cm Tuschezeichnung, 22 x 30 cm
Abb. links: Abb. rechts:
"Nach dem Regen" 1959 "Eulenberg" 1960
Öl auf Leinwand, 34 x 64 cm Öl auf Leinwand, 52 x 76 cm
1960 Karl Kaul wird "Vollmitglied" in der "Gesellschaft Bildender Künstler und
Kunstfreunde e.V. Trier". Zusammen mit seinem Lehrer Prof. Reinhard
Heß stellt er als Gast seine Werke in der Ausstellung: "form und farbe '60"
im Kurfüstlichen Schloss in Koblenz aus. Reinhard Heß protegiert seine
ehemaligen Schüler; neben Kaul Kaul auch dessen gleichaltrigen Studien-
freund Manfred Freitag. Manfred Freitag hat eine mit Karl Kaul bis dahin
weitgehend parallele künstlerischen Ausbildung und Entwicklung aufzu-
weisen. Auch er macht 1958 seinen Abschluß (bei Reinhard Heß) an der
Werkkunstschule Trier. Auch er sucht nach künstlerischer Anerkennung
(allerdings ohne sich seinen Lebensunterhalt in der heimischen Keramik-
Industrie verdienen zu müssen). Reinhard Heß schlägt Manfred Freitag
1959 für ein Künstlerstipendiat des Landes Rheinland-Pfalz vor, das den
Besuch einer insgesamt vierwöchigen Sommerakademie bei dem welt-
bekannten expressionistischen Maler Oskar Kokoschka (1886-1980)
in Salzburg ermöglicht. Die Qualität der Salzburger Sommerakademie
als Weiterbildungsinstitution für junge Bildende Künstler spricht sich schnell
herum. Die Zahl der Teilnehmer an den Kursen steigt. Das Bundesland
Rheinland-Pfalz bindet die bisherigen Landesstipendiate in ein Förder-
programm für junge Künstler ein und verleiht ab 1960 jährlich einen
Föderpreis.
1961 Karl Kaul erhält (wohl ebenfalls auf Vorschlag von Reinhard Heß) den
Förderpreis des Landes Rheinland-Pfalz und darf damit im Folgejahr 1962
- wie zuvor sein Freund Manfred Freitag - die Salzburger Sommerakademie
mit einem vom Land bezahlten Stipendium besuchen.
1962 Karl Kaul begegnet Oskar Kokoschka und
ist von dessen künstlerisch-vermittelnden
Eloquenz fasziniert. Kokoschka verachtet
alles Festgefügte, sieht in der Kunst eine
weit über das Artifizielle und das Dekora-
tiv-Schöne hinausgehende Disziplin, die
vom jedem wahren Künstler eine allum-
fassende Bildung und Sensibilität abver-
langt. Oskar Kokoschkas Ziel ist es, die
Kursteilnehmer offen und frei für neue
Sichtweisen zu machen und so nennt er
seinen vierwöchigen Kurs konsequent
"Die Schule des Sehens", Das neue Sehen
muß trainiert werden, muß heranreifen
und sich am Ende in allen Ausdrucksmitteln
eines Bildenden Künstlers wiederfinden.
Der Hebel, mit dem Oskar Kokoschka
seinen Schützling Karl Kaul "öffnet", ist
die Aktmalerei. Es sind freie, schnelle Skizzen, die weniger die exakte
Linienführung und Proportionen des menschlichen Körpers "nachzeichnen"
sollen, als vielmehr das flüchtig Situative des aktuell Erlebten, eben die
Äußerung der jeweiligen "Atelier-Stimmung" einfangen und auf Papier
festhalten soll.
Karl Kaul ist gefordert. Er muss vieles "über Bord schmeißen" und tut das
auch. Nach eigener Aussage hat er in den vier Wochen "unheimlich viel von
Oskar Kokoschka gelernt". Auch der Meister muss mit seinem Schützling
wohl sehr zufrieden gewesen sein, da er ihm "vor Zeugen" seine eigenen
Bonbons anbot und ihm am Ende des Kurses ein glattes "sehr gut" tes-
tierte. In der relativ kurzen Zeit in Salzburg entstanden zwei Mappenwerke
mit weit über hundert Zeichnungen und großformatigen Aquarellen.
1963 Die Begegnung mit Oskar Kokoschka wirkt in den folgenden drei Jahren
in Karl Kaul nach. Er sucht "seine Handschrift", seinen Stil. Nach und nach
löst er sich in seinen Landschaftsgemälden aus der Gegenständlichkeit,
ohne sie aber ganz zu verlassen. Was ihn interessiert, sind die Eindrücke,
die die Landschaften in ihm auslösen. Eindrücke, die er am besten durch
das Stilmittel der Farbe fassen und bildnerisch zum Ausdruck bringen kann.
Und so experimentiert er mit Farbe, findet seine Farben - Blau und Rot -
und "lotet" für sich deren Begrenzungen als gegeneinandergesetzte kon-
trastierende Flächen, als abgesetzte Farbkonturierungen oder als bewußt
gesetzte -schwarze oder weiße - Linienbegrenzung aus.
Abb. links: Abb. rechts:
"Hochwasser" ("Der blaue Fluß") "Blau in Rot" ("Landschaftsfragment")
Öl auf Leinwand, 80 x 120 cm Öl auf Leinwand, 70 x 103 cm
1963 Kulturpolitisch wird mit massiver finanzieller Unterstützung des Landes
Rheinland-Pfalz die "Euregio" proklamiert. Länderübergreifend schließen
sich die Bildenden Künstler der Eifel und der Ardennen zu einer europä-
ischen Vereinigung zusammen, die auf entsprechend bereitgestellte Aus-
stellungsflächen der Gebietskörperschaften in den Grenzregionen zwischen
den BENELUX-Staaten und Deutschland zurückgreifen kann.
Karl Kaul nimmt in den Folgejahren an der Exposition d'Art Contemporain
in Luxemburg, in Prüm und in Trier teil. Sein Ruf festigt sich mit jeder Aus-
stellung.
1965 Beruflich bedingt, wechselt Karl Kaul von den Agrob-Werken in Ehang/Trier
zu den Agrob-Werken nach Bonn, die zuvor mit den Bonner Wessel-Werken
und den Servais-Werken fusionierten. Karl Kaul wird er als Designer in der
zentralen Werbeabteilung eingesetzt und mit dem Entwurf von Messe-
ständen, Musterausstellungen und Vertriebsrepräsentanzräumen betraut.
Ein besonderer Teil des Angebotsprogramms besteht darin, für indivi-
duelle Kunden auf Wunsch exklusive künstlerisch gestaltete Unikat-
Fliesen zu produzieren. Karl Kaul arbeitet hier u.a. mit Erich Beck im
"Turm-Zimmer" der ehemaligen Wesselwerke zusammen
(siehe Künstlerprofil Erich Beck). Er bezieht zunächst eine Wohnung im
rechtsrheinischen Sankt Augustin ("op de schäl Sick") und muss jeden Tag
den Rhein queren. Der Fluß hat es ihm angetan.
In der Folgezeit taucht der Rhein und seine Uferseiten in abstrahierter Form
immer häufiger in seinen Werken auf. Bis in die frühen 70-er Jahre hält
Karl Kaul Kontakt zu seinen Trierer Künstlerkollegen und stellt weiterhin
als Gast bei ihnen aus. Doch dann "akklimatisiert" sich der Künstler in Bonn.
1967 Karl Kaul stellt seine Werke dem Bonner
Publikum erstmals im Rahmen einer "Auf-
nahmeausstellung" vor, die die "Künstler-
gruppe Bonn" für externe Bewerber im
Kurfürstlichen Gärtnerhaus in Bonn ver-
anstaltet. Im Folgejahr 1968 wird Karl
Kaul ordentliches Mitglied der Gruppe und
beteiligt sich dann regelmäßig auch an
deren jährlichen Themenausstellungen
sowie an den weihnachtlichen Verkaufs-
ausstellungen.
1968 Im damaligen Contra-Club Bonn (Josefstraße 12) bestreitet Karl Kaul seine
erste Einzelausstellung in Bonn. Er zeigt dort sein zeichnerisches Oeuvre.
Anläßlich seines 35. Geburtstages folgt im März 1969 eine Einzelausstellung
ausgewählter Werke (19 Ölbilder, 7 Grafiken) im Kurfüstlichen Gärtnerhaus
Bonn (an der Baumschulallee). Die Ölbilder - wie auch seine Grafiken -
werden "ob ihrer Bildwelten, die weder Abstraktion von etwas, noch Asso-
ziation von etwas sind", relativ verhalten in der Bonner Presse kommen-
tiert. Bei seinen Bonner Künstlerkollegen kommt die alles andere als
gewöhnliche Präsentation allerdings sehr gut an, so dass die Rheinzeitung
Koblenz, die Karl Kauls Werk seit seiner frühen Trierer Zeit verfolgt - ihm
eine stete Weiterentwicklung und beachtliche Fortschritte attestiert. "Er
hat schon heute so weit in eigene Selbständigkeit und Form gefunden,
dass Karl Kauls künstlerisches Schaffen auch für die Künstlergruppe Bonn
eine Bereicherung sein mag".
1969 In der Folgezeit wird Karl Kaul - wohl wegen des "frischen Windes", den
bis seine Arbeiten in der Bonner Künstlerszene auslösen, mehrfach in Einzel-
1973 ausstellungen dem Bonner Publikum als "junger" Repräsentant der Guppe
vorgestellt. Intern - so ist in deren Chronik - zu lesen, droht die "Künstler-
gruppe Bonn" zu überaltern, da das Durchschnittsalter der Mitglieder (we-
gen der restriktiven Aufnahmebedingungen für Jungmitglieder) zum
damaligen Zeitpunkt bei rund 54 Jahren liegt. Bis 1973 erhält Karl Kaul
fünf weitere Einzelausstellungen - neben den Beteiligungen an den the-
matisch-ausgericheten Gruppenausstellungen - durch die Künstlergruppe
Bonn zugesprochen und ist damit - wie der Bonner General-Anzeiger ver-
meldet - einer der "Bonner Künstler mit der dichtesten Ausstellungsfolge"
in dieser Zeit.
Abb. oben links: Abb. oben rechts:
"Das andere Ufer" "Uferwald"
Öl auf Leinwand, 77 x 124 cm Öl auf Leinwand, 80 x 125 cm
Abb. mitte links: Abb. mitte rechts:
"Der blaue Weg" "Stausee"
Öl auf Leinwand, 80 x 100 cm Öl auf Leinwand, 80 x 100 cm
Abb. unten links: Abb. unten rechts:
"Wasserfall" "Bergwiese"
Öl auf Leinwand, 80 x 100 cm Öl auf Leinwand, 30 x 60 cm
1974 Mitte der 70-er Jahre wird es etwas ruhiger um Karl Kaul. Das mag daran
liegen, dass Kauls "Broterwerbsjob" als Designer in den Bonner Agrob-
Wessel-Servais-Werken ihm deutlich weniger Zeit läßt, neben den alljähr-
lichen Themenbearbeitungen für die Gruppenausstellungen der Künstler-
gruppe Bonn kontinuierlich an seinen großformatigen Ölbildern zu arbeiten.
Er ist nun zunehmend auf seine Urlaubszeiten angewiesen, die er in Süd-
frankreich, in Italien und Österreich verbringt. "Reminiszenzen" finden sich
in seinen Landschafts- und Strandbildern wieder.
1978 Zwischen 1978 und 1980 erreicht Karl Kaul - nach Aussage seines Biografen
Prof. Dr. Heijo Klein vom Kunsthistorischen Institut der Universität Bonn -
mit der Triologie "Bergwelt" den Höhepunkt seiner Landschaftsmalerei.
1980 Es folgen verschiedene, relativ gut abgegrenzte thematische Malphasen,
die sich meist aus der Themenvorgabe für Gruppenausstellungen der Künst-
lergruppe Bonn ableiten lassen. Offensichlich lassen die selbst gestellten
Aufgaben Karl Kaul nicht so einfach wieder los, sie wirken in ihm nach.
Und so folgen auf erste Handzeichnungen, Tuschezeichnungen, dann farbig
angelegte Guachen oder Aquarelle und schließlich Ölgemälde.
Themenbearbeitung obere Reihe: Paare u. Paarbeziehungen
Themenbearbeitung mittlere Reihe: Meinungsaustausch
Themenbearbeitung untere Reihe: Innen-Räume
1979 Fliesendesign
Im Alter von 45 Jahren ändert sich Karl Kauls primäres künstlerisches
Ausdrucksmittel. Neben Zeichnung, Aquarell und Ölmalerei tritt nun
Glasurmalerei auf "flachen" Trägern, in der Regel auf Fliesen/Kacheln in
den Produktions-Standardgrößen 20 x 20 und 30 x 20 cm (h x b). Verein-
zelt nutzt Karl Kaul auch etwas größere Formate 30 x 30 bzw. 60 x 50 cm,
die allerdings zum damaligen Zeitpunkt noch kein Standard waren.
Karl Kaul entwirft zunächst Fliesenprogramme für die AWS Agrob-Wessel-
Servais AG auf Standardkacheln, die von Fliesenlegern variabel einge-
setzt werden können und als "Schmuckelemente" die ansonsten meist
monoton einfarbigen Wandflächen in Bädern und Toiletten auflockern.
Ein Auszug aus dem damaligen AWS-Fliesenkatalog zeigt ein solches
Fliesenprogramm:
Dieser Entwurf Karl Kauls ist in einem schim-
menden Gelbgold auf weißen Fliesen gehalten.
Die Elemente lassen sich sowohl als ein-
zelne Dekorfliesen in einem durchgehend
weißem Fliesenspiegel, als auch zu ganzen
Großmotiven z. B. zu einem Sternenfeld
oder zu Baumgruppen etc. zusammenstellen.
Dem Zeitgeschmack entsprechend können
zudem auch leere Rahmenfelder nach den
örtlichen Verhältnissen in Bädern gestaltet
werden.
1983 Freie Glasurmalerei
Karl Kauls keramische Malerei wird in der Folgezeit von den einschlä-
gigen Fachzeitschriften als "Mobile Fliesenmalerei" bezeichnet. Mobil,
weil die Fliesen nicht zur Einbindung in größere statische Fliesenfelder
gedacht sind, sondern als einzelne Kunstwerke (Unikate) - mit einem
passenden Passepartout gerahmt - frei auf einer Wand als Bildnis
angebracht und nach einer gewissen Zeit gegebenenfalls auch ausge-
tauscht werden können.
Funktional entspricht die Kaul'sche Glasurmalerei der Ölmalerei, statt
auf einer Leinwand wird auf einer vorgebrannten Fliese "gemalt". Aller-
dings ist der Prozess des Malens völlig anders strukturiert und auch von
der Beeinflussungsmöglichkeit der Farben und Oberflächen unbestimmter
und offener angelegt. Das liegt im wesentlichen daran, dass mit jedem
Farbauftrag (zur dauerhaften Fixierung) ein Brennprozeß verbunden ist,
in dessen Verlauf sich auch die Oberflächenfarbe und die Oberflächen-
beschaffenheit im Sinne einer "Glasur" verändert. Karl Kaul hatte bei
Prof. Reinhard Heß an der Werkkunstschule Trier die Technik der Glas-
malerei erlernt, die ebenfalls mit einem Brennprozeß zur Farbfixierung
verbunden ist.
Bei der Firma AWS (Agrob-Wessel-Servais) AG in Bonn, in der Karl Kaul
seit 1965 als Designer in der Werbeabteilung arbeitet, findet er nun alle Produktionsmöglichkeiten - allerdings ausschließlich auf die Mengenpro-
duktion von Fliesen und Kacheln bezogen - vor. Natürlich interessieren
ihn die künstlerischen Möglichkeiten, die in dem Material und in der kom-
plexen Produktionsform liegen. Zunächst "auf eigene Faust" - dann später
auch mit Unterstützung der Geschäftsleitung, die ihm ein eigenes
Labor mit chemotechnisch ausgebildetem Laborpersonal zur Verfügung
stellt - erkundet Karl Kaul die besonderen Eigenarten der Glasurmalerei.
In der Folgezeit wird Karl Kaul "der" Spezialist für künstlerische Glasur-
malerei.
1986 In seinen ersten "freien" Glasur-
arbeiten nimmt Karl Kaul zunächst
klassische Themenstellungen auf,
die meist aus der Ölmalerei abge-
leitet sind. Das nebenstehende
Fliesen-Ensemble stellt "Die vier
Jahreszeiten" dar. Der Künstler
stellt die vier, ursprünglich separat
gerahmten Fliesen 1986 im Rah-
men einer Spenden-Tombola für
wohltätige Zwecke zur Verfügung.
Willi Kerp, damals Betreiber einer
Gaststätte in Bonn-Röttgen erwirbt
die ungewöhnlichen Fliesenbilder.
Sie "begleiten" ihn in der Folgezeit
durch mehrere Umzüge und sind
heute in Flensburg zu bewundern.
Nach und nach "verabschiedet"
sich der Künstler aus der klassischen Ölmaltechnik und wendet sich nun
ausschließlich der weiteren Entwicklung der Glasurmalerei zu.
Die Technik der Glasurmalerei
Als Basis-Bildträger dient eine flache Platte aus gepreßter Tonmasse
(der Fachmann spricht von "Scherbe"). Diese Scherbe wird zunächst bei
ca. 1200 Grad Celsius vorgebrannt (der Fachmann spricht in diesem Zusam-
menhang vom "Schrühbrand" bzw. vom "Biskuitbrand"). Danach werden
die Grundfarben des Motives in Form von Metall-Oxydfarben auf die vor-
gebrannte Fliese aufgemalt und mit einer Glasmasse (der Fachmann
spricht vom "Fluß") überzogen. Dabei können farbige Glasstücke, farbiger
Quarzsand oder auch dünne Metallfolien eingearbeitet und mit der jewei-
ligen Grundglasurfarbe vermischt werden. Bei dem anschließenden Brand
entsteht in Abhängigkeit von der Brenntemperatur bei knapp unter 1000
Grad Celsius auf der Fliese ein motivhinterlegter Farbverlauf in strahlend-
gleißenden Farben. Erst danach erfolgt der eigentliche Malprozeß zur
Motivausmalung. Die aufgemalten Glasurfarben werden nun bei einer
niedrigeren Brenntemperatur (ca. 870 Grad Celsius) eingebrannt. Hier-
bei kann - soweit gewollt - auch ein vereinzeltes, partielles Craquele
(Rissnetz) in der Oberfläche erzielt werden.
Abschließend werden dann die Edelmetallfarben (Platin, Gold, Silber,
Kupfer, Chrom etc.) in einem oder mehreren Brennvorgängen aufge-
tragen. Dabei muß die Temperatur zum Teil bis auf rund 600 Grad
Celsius abgesenkt werden.
Das Ergebnis des hochkomplexen Produktionsprozesses mit seinen je
nach verwendetem Ausgangsmaterial exakt einzuhaltenden Tempe-
rierungs- und Abkühlphasen ist wegen der unterschiedlichen Reaktions-
weisen der Oxydfarben und der unterschiedlichen Beschaffenheit der
"verglasten" Oberflächen kaum exakt vorplanbar. Nur die wenigsten
Glasurfarben besitzen vor einem Brand den gleichen Farbton wie nach
einem Brand. Für den Künstler heißt das, dass er das Motiv seines
Kunstwerkes in aller Regel nicht in Originalfarben "aufbauen" kann,
sondern den "Nachbrand-Effekt" im Voraus erahnen muss. Und da
jedes keramische "Kunstwerk" (bei der Glasurmalerei) mehrere Ein-
brennprozesse durchläuft, "können neun Brände gut gehen und der
zehnte Brand am Ende alles verderben".
Die meisten individuellen "Glasurmalereien" sind daher Unikate.
Eine Sonderform der Glasurmalerei ist die Porzellan-Malerei, die in
weit höherem Maße unter "kontrollierten und standardierten Bedin-
gungen" abläuft und in aller Regel Reproduktionshilfsmittel (speziell
entwickelte Lasurfarben, Farbsiebe, spezielle Druckstöcke oder bereits
komplett vorgefertigte, einbrennbare "Motiv-Inlays" (ähnlich wie "Ab-
ziehbilder") benutzt.
Glasurmalerei von Karl Kaul (Unikatserie)
Als Karl Kaul sich 1983 erstmals intensiv mit der Technik der Glasur-
malerei auseinandersetzte, hatte er sicherlich noch nicht daran ge-
dacht, damit ein Ausdrucksmittel zu finden, das letztendlich eine deut-
liche Erweiterung seiner bisherigen Aquarell- und Ölmalerei darstellen
wird. Seine ersten Glasurmalereien sind "Übertragungen". Übertragungen
des farbigen Malens und Lasierens auf einen anderen, einen harten
Bildträger.
Karl Kaul kannte die grundlegende Maltechnik, auf nicht saugenden
Untergründen zu arbeiten, durch die Glasmalerei. Und auch das Fixieren
einer Malerei durch einen Brennvorgang war ihm von der Glasma-
lerei her bekannt. Insofern dienen seine ersten Glasurmalereien
zunächst dem Ziel, Erfahrungen mit den malerisch andersartigen Farb-
auftrag und dem Farbverhalten zu sammeln. Abgesehen von den weit-
gehend durch die Fliesenfertigung vorgegebenen Arbeitsformaten, be-
steht wohl die größte Herausforderung für ihn als Künstler darin, die
erst nach dem mehrfachen Einbrennen sichtbaren finalen Farbwirkungen
"vorauszuahnen". Erst ein solcher Erfahrungsschatz versetzt ihn - den
Bildgestalter - in die Lage, ein Motiv willentlich und gezielt so anzulegen,
dass am Ende genau die Bildwirkung erzielt wird, die ihm schon bei der
anfänglichen Bildkonzeption vorschwebt. Wieviele Versuche mögen
notwendig gewesen sein, um beispielsweise die nachfolgende Strand-
landschaft "hinzukriegen"?
Ende der 80er Jahre beschäftigte sich
Karl Kaul (auch) mit der Übertragung
der klassischen Aquarelliertechnik in
die Glasurmalerei. Das flüchtig Leichte,
das Skizzenhafte und Atmosphärische,
das Karl Kaul in der "Schule des Se-
hens" bei Oskar Kokoschka gelernt
hatte, will er unbedingt in die Glasur-
malerei übertragen. Schon bald er-
kennt er, dass der Linie sowohl als
formgebendes, als auch als abgren-
zendes Flächenelement in der Glasur-
malerei eine besondere Bedeutung
zukommt.
Aber wie und vor allem bei welchem
Brand kommt eine bildbestimmende
Linie in die Glasur? Ganz zu Anfang?
Ganz am Ende? Oder Zwischendrin
(zusammen mit der Flächenlasur)?
Mit zunehmender Erfahrung werden Karl Kauls Arbeiten sicherer und freier.
Er experimentiert mit den Möglichkeiten des Mediums, erkundet die be-
sonderen Bildeffekte, die durch die Einbindung farbiger Glasmassen in der
ersten Schrühbrandphase entstehen. Reizvoll auch das gesteuerte "Aus-
blühen" von Flächenfarben und das gezielte Herbeiführen von partiellem
Craquele (Trocknungsrisse), mit dem der Glas-Charakter des Keramik-
materials hervorgehoben und besonders betont werden kann. Karl Kaul
reizt das Spektrum der Glasurmalerei so weit, wie möglich aus. Insbeson-
dere die erst in den späten Bearbeitungs- (und Brenn-)gängen mögliche
Verwendung von Edelmetallfarben reizt ihn, die "Wertcodierung" seiner
Objekte zu steigern. Längst sind seine Arbeiten über die reine Malerei-
phase hinaus zu eigenständigen künstlerischen Keramikobjekten gewor-
den. Längst haben sie ihre ursprünglich figurative Motivwelt (Landschaften,
Stillleben, Figurengruppen) gegen eine abstrakt anmutungsorientierte,
nicht desto weniger dennoch dekorative Bildauffassung "eingetauscht".
Es ist eine eigene Form der Bildästhetik, die Karl Kaul in der Folgezeit ent-
wickelt. Und in dem Maße, in dem seine Arbeiten in ihrer Einmaligkeit und
Originalität in Fachkreisen bekannter werden, wächst auch in der kunst-
affinen Öffentlichkeit der Wunsch, ein Keramikobjekt von Karl Kaul er-
werben zu können. Die damaligen "Rosenthal-Studios" nehmen den
Wunsch auf und beauftragen ihre hausinterne Kunstkommission, zu über-
prüfen, ob Karl Kaul in die Reihe ihrer Keramik-Objektkünstler aufge-
nommen und mit dem Entwurf einer limitierten Reihe von seriellen Kera-
mikobjekten beauftragt werden soll. Die Prüfung fällt positiv aus.
1988 Die zunehmende Bekanntheit "ihres Werkskünstlers Karl Kaul", vor allem
aber das über Jahre im "Glasurlabor" gesammelte Wissen um die kera-
mische Glasurgestaltung und ihrer komplexen Produktions-, vor allem aber
ihrer Reproduktionsmöglichkeiten, läßt die Geschäftsleitung der AWS AG
(Agrob-Wessel-Servais-Werke) daran denken, die Glasurmalerei auf kera-
mischen Kunstobjekten in einem größeren Umfeld zu vermarkten. "Ab jetzt
wollen wir (auch) mit dieser Kunst Umsatz machen" wird anläßlich der
Eröffung eines eigens zu diesem Zweck zur Kunstgalerie umgebauten Aus-
stellungsraumes im Werk Bonn-Witterschlick proklamiert.
1989 Oberstadtdirektor Dieter Diekmann und Dieter Schäfer, Vorstandsmitglied
der AWS AG in Bonn-Witterschlick eröffnen die umfangreiche Ausstellung
"Kunst auf Keramik" mit rund 100 Karl-Kaul-Keramikobjekten im Stadt-
hausfoyer. Dieter Schäfer offeriert der Stadt Bonn eine von Karl Kaul
gestaltete "Städtefliese", die anläßlich der 2000-Jahr Feier der Stadt Bonn
in einer limitierten Kleinauflage bei der AWS AG produziert wird.
Im selben Jahr 1989 wird in den architektonisch sehr großzügig gestal-
teten neuen Räumlichkeiten des "Rosenthal-Studios" am Kurfürstendamm
in Berlin eine Wanderausstellung mit rund 60 Karl-Kaul-Unikatobjekten
sowie fünf Serigraphie-Editionen gezeigt. Unter anderem können zwei
"Städtefliesen" (von Bonn und Berlin) sowie drei seriell in Kleinauflagen
hergestellte Keramikobjekte von Karl Kaul erworben werden. Nach der
Premiere in Berlin geht die Wanderausstellung "auf Tour" und wird in
ausgewählten Rosenthal Studiohäusern in ganz Deutschland, in Öster-
reich und in der Schweiz gezeigt. Die Keramikobjekte von Karl Kaul sind
u.a. in Hamburg und Bremen, in Düsseldorf, Stuttgart, München, in Wien
und Graz sowie in Luzern und in Basel zu sehen.
Karl Kaul befindet sich im Zenit seines künstlerischen Schaffens und
seiner Bekanntheit als Keramikkünstler.
1990 Im AWS Werk in Witterschlick arbeitet Karl Kaul in einem eigens für ihn
eingerichteten Atelier, das räumlich dem (Glasur-)Labor zugeordnet ist.
Hier "malt" Karl Kaul - parallel zueinander - an mehren Objekten gleich-
zeitig. Manche seiner Unikatentwürfe sind innerhalb von zwei Wochen
fertig gestellt. Minimal sind mindestens drei Brennvorgänge für die
Fertigstellung einer keramischen Glasurfliese notwendig. Für die meisten
Objekte braucht Karl Kaul aber erheblich längere Zeit, bis er mit dem
Ergebnis zufrieden ist. "Nicht selten hat er in seiner Experimentierfreude
fünfzehn bis zwanzig Übermalungen vorgenommen und entsprechend
viele Brände veranlaßt. Und am Ende war er doch nicht so richtig zu-
frieden."
Tatsächlich scheint Karl Kaul bezüglich der Qualität seiner künstlerischen
Arbeiten sehr kritisch - vielleicht sogar zu selbstkritisch - gewesen zu sein.
"Zwei bis drei wirklich gute Entwürfe und Unikatvorlagen kamen pro Jahr
heraus, mehr nicht", schätzen Mitarbeiter des Glasurlabors, die es eigent-
lich wissen müßten. Und nur solche kamen zur Herstellung von "Schiebe-
glasuren" und damit für eine größere Anzahl von Reproduktionen in Frage.
Bei der Technik der "Schiebeglasur" wird von dem Motiv der Vorlage
zunächst auf reprografischem Wege eine spezielle Art von "Abziehbild auf
Film" hergestellt. Das wasserlösliche Abziehbild wird vom Film gelöst und
flach auf die vorgebrannte Scherbe geschoben ("Schiebeglasur"), ehe sie
durch den "Fluß" mit Glas überzogen und damit fixiert wird.
1997 Karl Kaul wird mit Erreichen des 63. Lebensjahres (wohl krankheitsbedingt)
in den vorgezogenen Ruhestand verabschiedet. Er kann bei der AWS AG
als Künstler weiterarbeiten. Man hält einen Arbeitsraum mit angeschlos-
sener Ausstellungsfläche für ihn frei. Karl Kaul nutzt dieses Angebot. In
der Folgezeit erweist er sich in der Belegschaft (Zitat) "als auskömmlicher
Künstler und Mensch, der für alles offen ist, zuhören kann und für Jeder-
mann im Betrieb - vom Pförtner bis zum Direktor - ein zuvorkommender
Gesprächspartner ist". Im selben Jahr wird sein "Goldfluß"-Künstlerteller
in einer Auflage von 999 Stk. produziert. Der "Goldfluß-Teller" stellt sicher-
lich einen besonderen Höhepunkt - im Nachherein betrachtet, vielleicht
sogar den finalen Höhepunkt - in Karl Kauls Karriere als Keramikkünstler
dar.
2003 Am 19. August 2003 verstirbt Karl Kaul im Alter von 69 Jahren in Bonn.
Er hinterläßt Frau und Kind.
Glasurmalerei von Karl Kaul (Serielle Editionen)
Die hier abgebildeten Werke Karl Kauls sind der Monografie: "KARL KAUL - Malerei - Zeichnung - Keramische Gemälde" von Prof. Dr. Heijo Klein, erstellt im Auftrag der
AGROB WESSEL SERVAIS AG Bonn, 1991, erschienen im Bouvier-Verlag Bonn 1991;
ISBN 3-416-02297-1 entnommen.
Fortsetzung siehe Sammlung Erich Beck: Karl Kaul.
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