Johannes Reinarz (1920 - 2004)
1920 Johannes Reinarz wird am 05.03 1920
in Honnef geboren. Schule und Kindheit
verbringt er in Bad Honnef. Johannes ist
ein "aufgeweckter" Junge.
1933 Schon früh - er ist gerade 13 Jahre alt -
wendet er sich dem Malen und Zeichnen
zu.
1934 Nach Absolvierung der Volksschule geht
Johannes Reinarz bei einem ortsansäs-
sigen Malermeister in die Lehre. Er
schließt die Lehre als gelernter Maler
und Anstreicher mit dem Gesellenbrief
ab.
1938 Johannes wird als 18-Jähriger zum Ar-
beitsdienst eingezogen. Gleich anschlies-
send wird er als Soldat rekrutiert. Unter
anderem wird er an der Russland-Front
eingesetzt.
1945 Johannes Reinarz kehrt aus dem Krieg in sein Elternhaus nach Bad Honnef
zurück. Er sucht nach einer Anstellung und findet sie bei dem Steinmetz-
meister Anton (Toni) Stockheim (1890-1969) in Köln. Toni Stockheim ist
ein rheinischer Bildhauer, der an der Kölner Gewerbeschule bei Georg
Grasegger und danach an der Kunstakademie in Düsseldorf (bei Karl
Janssen) studierte. Seinen Abschluß machte er bei Louis Tuaillion an der
Berliner Kunstakademie. Toni Stockheim nimmt Johannes Reinarz unter
seine Fittiche. Der Wiederaufbau hat begonnen und so wird Johannes
zum "Assistenten" des Steinmetzmeisters Toni Stockheim, als dieser
einen Unterauftrag zur Neueinrichtung der Kölner Werkschulen am
Ubierring annimmt. Johannes Reinarz lernt bei seiner Arbeit einige der
Lehrkräfte an den Werkschulen kennen, die dort bis zur offiziellen
Wiedereröffnung selbst Hand anlegen, um die Werkstätten nach der
Ausbombung in einen einigermaßen vernünftigen Zustand zu bringen.
1947 Mit der Wiedereröffnung des Lehrbetriebes im Herbst 1947 ist Johannes
Reinarz einer der ersten Studenten, die ein Studium der Bildhauerei bei
Prof. Wolfgang Wallner an den Kölner Werkschulen aufnehmen. Wolfgang
Wallner (1884 bis 1964) ist ein österreichischer Bildhauer, der - beeinflußt
von den spätgotischen Bildwerken Michael Pachers - ab 1912 bis zu seiner
Emeritierung 1950 als Professor für Bildhauerrei und Plastik in Köln tätig
ist. (Von Wallner stammt u.a. auch die Figurengruppe auf der Attika über
dem Hauptportal der Universität Bonn).
Das notwendige Geld zum Studium der Bildhauerrei verdient sich Johannes
Reinarz als Gelegenheits- und Aushilfsarbeiter u.a. bei der Köln-Bonner
Eisenbahn, die damals die "Rheinuferbahn", wie auch die "Vorgebirgsbahn"
betreibt. Johannes ist schon in jungen Jahren ein großer, starker Mann,
der handfest zupacken kann und insofern gerne zum überaus anstrenden-
den und schweißtreibenden Austausch maroder Bahnschwellen herange-
zogen wird (Bahnschwellen werden später noch eine besondere Rolle in
Reinarz künstlerischem Schaffen spielen).
1952 Johannes Reinarz verläßt als ausgebildeter Bildhauer die Kölner Werk-
schulen. Ein Berufsstart als künstlerisch tätiger Bildhauer fällt in der
Nachkriegszeit nicht eben leicht. Johannes hat - wie viele seiner Kol-
legen - zunächst eine "Durststrecke" zu überwinden. Freie, künstle-
rische Aufträge sind nur spärlich gesät: In der Folgezeit ist Johannes
Reinarz überwiegend im Auftrag von Pfarreien und Klöstern (unter
anderem in Rheinbreitbach) tätig. Neben Steinmetzarbeiten - meist
im Zusammenhang mit der Ausbesserungen sakraler Bauwerke ver-
geben - wird er gelegentlich auch mit eigenkünstlerischen Arbeiten,
wie mit der Gestaltung von Taufbecken und individuelleren Grab-
plastiken beauftragt.
Es braucht seine Zeit, bis er sich als als Künstler halbwegs "freige-
schwommen" hat.
Frühe Arbeiten: Sandstein und Muschelkalk
links + rechts oben: Kapitäle in der Kirche von Rheinbreitbach (1949)
links unten: Altarstein (1950) rechts uinten: Tor-Schlußstein (1950)
Bronzeguss
links + rechts oben: Madonnen-Skupturen
links unten: Bronze: Das Abendmahl rechts unten: großer Taufbeckendeckel
Holzschnitzerei
links: Die Brotvermehrung (Ausschnitt) rechts: Christusfigur (Ausschnitt)
1960 Anfang der 60-er Jahre läßt sich Johannes Reinarz im Bonner Raum
nieder. Die Stadt Bonn verzeichnet als Folge der Wahl zur provisori-
schen Bundeshauptstadt eine rasante Aufwärtsentwicklung, an der
auch Johannes Reinarz teilhaben will. Er sondiert die Künstlerselbst-
organisationen in Bonn, vor allem die regional dominierende "Künstler-
gruppe Bonn" den "Bundesverband Bildender Künstler (BBK)", den
"Bonner Kunstverein" sowie die Aktivitäten der diversen diplomatischen
Clubs, Vertretungen und Botschaften (mit ihren Kulturattaches etc.).
So richtig "fündig" wird er nicht. Immerhin kommt er in Kontakt mit
dem Bonner Bildungswerk, zu dem neben der Volkshochschule Bonn
auch die Abendschule Bonn sowie die Angebote der außer- und neben-
beruflichen Bonner Weiterbildungsinstitutionen gehören.
Bis dahin hatten die städtischen Organisationen in Bonn auch die
Interessen des damaligen Landkreises Bonn zu vertreten, doch zeich-
net sich schon früh eine Kommunalreform in NRW ab, die Bonn ab
1966 zu einer kreisfreien Stadt werden läßt. Das hat zur Folge,
dass die nunmehr "befreiten" Kreiskommunen eigene Bildungswerke
aufbauen müssen und so bewirbt sich Johannes Reinarz um die Leitung
der Volkshochschule des neu gebildeten "Rhein-Sieg-Kreises". Er wird
mit der Leitung der VHS-Kreisdependancen in Alfter und in Meckenheim
betraut. Damit verfügt Reinarz über einen gesicherten Lebensunterhalt,
der es ihm erlaubt, ohne pekuniäre Einschränkungen seine künstle-
risch-kulturvermittelnden Ambitionen zu verfolgen.
Künstlergruppe SEMICOLON
1968 Johannes Reinarz initiiert und gründet die Künstlergruppe SEMICOLON,
die vom "Bonner Platzhirsch" - der "Kunstergruppe Bonn" - zunächst
als konkurrierende Institution angesehen und daher in ihrem Wirken
durchaus kritisch beurteilt wird. Zu den SEMICOLON-Künstlern der
"ersten Stunde" gehören: Alf Bayerle, Christoph Fischer, Alexander
Opaska, Franz Josef Osterloh, Johannes Reinarz und Peter Wartenberg.
Man rauft sich zusammen. Die 68-er Revolte wirkt sich aus. Johannes
Reinarz wird zum Vorsitzenden der Künstlergruppe SEMICOLON gewählt.
Es bedarf schon eines ausgeprägten pädagogischen Talents, die diver-
sen Künstlerpersönlichkeiten in eine gemeinsame Arbeit einzubinden:
Johannes Reinaz schafft es, alle seine Künstlerkollegen "unter einen
Hut" zu bringen. Das SEMICOLON-Postulat klingt einfach. Es ist an die
Rheinisch-Kölnische Lebensweisheit: "Jeder Jeck es anders" angepasst
und lautet:
o Keine interlektuelle "Bevormundung" der Künstler!
o Kein "Einschwören" auf eine gemeinsame Stilrichtung!
o Keine künstlerischen Postulate!
Statt dessen:
o Betonung der "Außenwirkung" (Funktion) der Kunst als freie Hand-
lungsform für jeden Menschen.
o Betonung der individuellen künstlerischen Kreativität jedes Menschen.
o Betonung der selbstverantwortlichen, künstlerischen Eigeninitiative.
o Betonung des gesellschaftlich-sozialen Miteinanders, zu dem insbe-
sondere auch der freie, ungehemmte Zugang aller Menschen zur
Kunst gehört. Frei nach Joseph Beuys ist "Jeder Mensch potenziell
ein Künstler, respektive eine Künstlerin".
1969 SEMICOLON mietet im Dezember
1969 eine Fabrikhalle im Schön-
tal (zwischen Oedekoven und
Witterschlick) als Gemeinschafts-
atelier für die Künstlergruppe an.
Johannes Reinarz bezieht dort
priat ein angebautes altes Fach-
werkhaus. Mit Hilfe angeworbe-
ner fördernder Mitglieder gelingt
es, die Maschinen, Geräte und
Utensilien zur Ausübung nahezu
aller wesentlichen künstlerischen
Techniken anzuschaffen und allen Künstlern im Gemeinschaftsatelier
zugänglich zu machen. Das ist vor allem für junge Künstler aus dem
Bonner Raum interessant, die sich (und ihren Arbeitsstil) erst noch
finden müssen. Die Künstlergruppe ist damit sowohl räumlich als auch
personell in der Lage, eine Wochenend-Akademie sowie Kunstkurse
im Rahmen des Duisdorfer VHS-Kultur und Bildungswerkes anbieten
zu können. Zudem werden auch Malkurse für Kindergarten- und Schul-
kinder eingerichtet. Die Räumlichkeiten der Schöntal-Fabrik bietet auch
genügend Platz für eine künstlereigene Produzentengalerie ("Mühlen-
galerie Oedekoven"), in der sowohl Einzel- als auch Gruppenausstel-
lungen stattfinden können.
Schon bald entwickelt sich dort
eine rege Ausstellungstätigkeit
der Künstlergruppe. Vom Erfolg
beflügelt, eröffnet man im Mai
1973 eine weitere Kunstgalerie
in der Rochusstraße 85 in Bonn-
Duisdorf, die auch für "Laufpub-
likum" günstiger erreichbar ist.
Und auch sonst macht die Künst-
lergruppe viel von sich reden:
Man läd interessante externe Gastkünstler zur Atelierarbeit zu sich ein.
Zu Karneval organisiert man rauschende Künstlerfeste. Auf einer
provisorischen Leinwand zeigt man experimentelle Künstlerfilme.
Man veranstaltet regelmäßig eine "Kunstrallye" für fördernde Mit-
glieder. Zudem werden Kunstvorträge, Lesungen, Liederabende und
Kammermusikveranstaltungen angeboten. Zum Jahresende gibt man
jeweils die Jahresgaben für fördernde Mitglieder und besondere Hono-
ratioren aus Ministerien, Botschaften, Banken und den regionalen
Gemeindeverwaltungen bekannt. (1975 organisiert man exklusiv eine
Ausstellung von eigenen Arbeiten der fördernden SEMICOLON-Mit-
glieder im Kurfürstlichen Gärtnerhaus in Bonn). Das SEMICOLON
Gemeinschaftsatelier mausert sich unter Johannes Reinarz Leitung
nach und nach zu einem Kunst-Kommunikationszentrum. 1975 ver-
läßt man die Schöntal-Fabrik und zieht in die "Kulturbaracke" am
Burgweiher 71 in Bonn-Duisdorf um.
Johannes Reinarz hat als Vorsitzender, Mentor und unermüdlicher
Impulsgeber entscheidenden Anteil daran, dass die von "seinen"
SEMICOLON-Künstlern angestrebte "Außenwirkung der Kunst"
nicht nur Programm bleibt, sondern echte Realität wird. Dies umso
mehr, als auch die in der Justizvollzugsanstalt Rheinbach angebo-
tenen SEMICOLON Kunstkurse jeweils von weit mehr als 150 In-
teressenten belegt werden und selbst lebenslänglich Einsitzende
in der Zusammenarbeit mit Johannes Reinarz und den SEMICOLON
Künstlern auf einmal eine persönlich erfüllende Aufgabe darin sehen,
gestalterisch aufbauend tätig zu sein. Der von Joseph Beuys geprägte
Begriff der "Sozialen Plastik" (als ein von Kunst beeinflusstes gesell-
schaftliches Konstrukt) wird von Johannes Reinarz geradezu muster-
gültig mit Inhalt erfüllt. Er arbeitet an seiner "sozialen Plastik" und hat
offensichtlich Erfolg damit. 1973 wird der "gelernte" Maler, Steinmetz
und Bildhauer Johannes Reinarz offiziell zum Kunsterzieher an der
Fachschule für Sozialpädagogik in Rheinbach bestellt.
1982 Johannes Reinarz gelingt es, die
Lokalpolitiker von seinem Kon-
zept zur Einrichtung eines "Kul-
turzentrums Hardtberg" zu über-
zeugen. Man überläßt daraufhin
der Künstlergruppe SEMICOLON
den ehemaligen Tanz- und Kon-
zertsaal des Gasthofs "Zum gol-
denen Stern" in der Rochusstr.
276 in Bonn-Duisdorf zur Reno-
vierung. In tätiger Mitarbeit aller
Künstler baut man die Lokalität
zum neuen Sitz der Künstler-
gruppe aus, die im Folgejahr (1983) aus der abrisswürdigen Duisdorfer
Kulturbaracke in das Kulturzentrum Hardtberg umzieht und unter der
Leitung von Johannes Reinarz ein dichtes Kulturprogramm mit Ausstel-
lungen, Kunstseminaren, Vorträgen, Lesungen und Musikveranstal-
tungen - nicht unähnlich den früheren Veranstaltungen in der Schöntal-
Fabrik anbietet. Neu hinzu kommen Aktionen wie der SEMICOLON-
Kunstmarkt, die Bildhauerwerkstätte und die regelmäßigen Freund-
schaftstreffen mit Künstlergruppen aus Partnerstädten. Das Konzept
des Kulturzentrums Hardtberg bewährt sich. Man arbeitet gemeinsam,
stellt gemeinsam aus und feiert gemeinsam.
1985 Johannes Reinarz feiert im Kulturzentrum Hardtberg seinen 65. Geburts-
tag. Er geht in den "Unruhestand" und widmet sich - befreit von seinen
beruflichen Verpflichtungen im sozialpädagogischen Dienst - verstärkt
der eigenen Kunst. Es ist wahrlich nicht einfach, Johannes Reinarz künst-
lerisches Lebenswerk richtig einzuordnen, zumal seine Kunst nicht an
eine bestimmte Ausdrucksform, an Zeichnung, Grafik, Malerei, Bild-
hauerrei, Skulptur, Plastik o.ä. gebunden ist. Er probiert alles aus, stellt
Stile und Stilkomponenten, Collagen und Mixed Medias, Altes und Neues,
eben alles, was in seinem Sinne geeignet ist, Kunst, Kunstobjekt oder
Kunstträger zu sein, gleichrangig nebeneinander. Schon zu Lebzeiten
bekennt er offen, dass es ihm persönlich nur selten gelingt, sich der
Hintergründe seines Schaffens wirklich klar zu werden. "Die meisten
meiner Werke entstehen spontan, aus reiner Emotion ohne Ratio und
kausalen Zusammenhang. Zitat: "Es bleibt anderen überlassen, mich
und meine Arbeit zu interpretieren".
Werke der mittleren Schaffensperiode (1968 - 1988)
Beispiele für "typische" Johannes Reinarz-Bronzen
Beispiele für Plastiken im öffentlichen Raum
Abb. links: "Konformität" (Basalt) Abb. rechts: "Ramses" (Beton)
Holz-Stelen (Bahnschwellen)
Abb. links oben: "Busensäule" Abb rechts oben: "Doppelsymbiose"
unten: "Erotikon II" unten: "Sybiose No 4
Materialexperimente
Obere Reihe: Verformte und "behaarte" Kunststoffrohre
Untere Reihe: Mechanisch "geknitterte" Metallbleche
Zwischen 1968 und 1988 beginnt Johannes Reinarz, mit neuen Materi-
alien und neuen Be- und Verarbeitungsweisen zu experimentieren. Ver-
einzelt stellt Reinarz alte, teerig imprägnierte Bahnschwellen, die noch die
eingeprägten Spuren und Schraublöcher der Gleise tragen, in seinen Aus-
stellungen aus. Daneben "profilieren" sich seine figurativ-plastischen Wer-
ke. Seine Holzskulpturen ähneln Obelisken und Totempfählen. In seinen
plastischen Werken setzt Reinarz neben massivem Bronzeguß, Alumi-
nium, Eisen, Stahl, Silber , Beton, Ton und Keramikmaterialien bis hin zu
Kunststoff- und Plastikröhren ein. Er erprobt neue Oberflächenstrukturen,
deformiert, beflockt und "behaart" seine Skulpturen und löst sich zuneh-
mend auch von den "inneren" Strukturen seiner Körper (Gebilde), indem
er z.B. den Kopf vom Torso trennt und diesen anstelle der Hände an einen
Arm oder an ein Bein "anhängt". Ähnliches passiert auch in Reinarz gra-
fischem Werk. Seine Zeichnungen, Siebdrucke, Radierungen, Lithos und
Collagen sprengen einfach den gewohnten Gestaltungsrahmen, fordern
den Betrachter heraus, das Neue und Ungewöhnliche als Teil einer an-
dersartigen Ästhetik zu betrachten. Wer sich dann Zeit nimmt und län-
gere Zeit hinschaut, erkennt unterschwellig eine (fast) archaisch anmu-
tende erotische Formensprache in seinen Bildern. Auf seinen Reisen nach
Südfrankreich und Spanien begegnet Johannes Reinarz Werken von Pablo
Picasso. Intuitiv sieht er sich durch Picassos Auffassung in seinem eigenen
künstlerischen Wirken bestätigt.
1986 Johannes Reinarz erwirbt ein An-
wesen in Robion in der Provence,
richtet dort ein Künstleratelier ein
und pendelt nun häufiger zwischen
seinem Haus im Kirchweg in Alfter-
Witterschlick und seinem Zweit-
wohnsitz in Robion hin- und her.
Er führt ein offenes Haus. Gäste
sind ihm jederzeit willkommen.
1988 Johannes Reinarz zieht sich aus der
Vorstandsarbeit zurück. 20 Jahre
lang hat er unermüdlich die Ge-
schicke der Künstlergruppe SEMI-
COLON bestimmt, war Initiator,
Impulsgeber und Mentor der Gruppe.
In seiner Aegide sind viele Kreative
zu professionellen Künstler und Künstlerinnen herangereift. Mit der
Feier "20 Jahre SEMICOLON" verabschiedet sich Johannes Reinarz.
Ihm zu Ehren wird von allen seinen Künstlerkollegen - nicht nur von
denen der SEMICOLON-Gruppe - ein großes Abschiedsfest im Kultur-
zentrum Hardtberg ausgerichtet.
Das Motiv der Ballustrade
Wer glaubt, Johannes Reinarz werde sich nach seinem Rückzug aus der
Leitung der Künstlergruppe SEMICOLON aus dem künstlerischen Leben
zurückziehen, irrt. Denn in der Folgezeit ab 1988 beginnt für ihn eine
neue künstlerische Entdeckerzeit. Er entdeckt ein neues Moitiv - die
Balustrade - für sich und setzt sich mit dem Begriff, mit der Darstellung
und dem Wesen einer Balustrade - wahrscheinlich wie kein anderer
Künstler - auseinander.
Zitat aus seinem 1992 erschienenen
Kunstband: "Au commencement etait
la balustrade - Im Anfang war die Ba-
lustrade"
"Seit 1920 bin ich sichtbar, bis heute regis-
triert und verwaltet, bis jetzt von der Ge-
sellschaft akzeptiert. Fürs Vaterland 6
Jahre lang mein Leben investiert, stra-
paziert und nicht krepiert. Dann ausge-
setzt und allein gelassen, mein Ich ver-
schlissen, aber nicht vergriffen und von
Gott verlassen. Viel gesehen und ge-
lernt und immer schon Kreativität ver-
spürt. Ich habe sie im Niemandsland dann
ausprobiert, ob sie mich auch ernährt. Die
Frage hat sich nun bewährt, bis heute ist es die Kunst, die mich am
Leben hält."
REFLEXIONEN des Künstlers:
"Die Balustrade ist heute zweifellos ein wenig beachtetes, der Ver-
gangenheit angehöriges plastisches Element, das einst aus Stein,
Eisenguss, Holz oder gebrannter Erde hergestellt wurde. ...Dieses
(heute) scheinbar nutzloses Gebilde, meist in großer Anzahl und
sich in prallen Foremen gebährend, präsentiert sich als schwer
tragendes, muskuläres Element und ist, seine Aufgabe elegant und
bewußt demonstrierend , in mein Blickfeld geraten. Es schien mir
erst zweifelhaft, sich mit dem simplen Erscheinungsbild der Balus-
trade so auseinanderzusetzen, dass sie zum festen Bestandteil
meiner Phantasie werden würde. Ein faszinierender Versuch, das
vertraute Gebilde fremd erscheinen zu lassen und in dem, was so
selbstverständlich erscheint, etwas Neues zu entdecken. Es wurde
Bestandteil und Inhalt meiner Arbeit."
Plastische Arbeiten
Malerische Arbeiten
Johannes Reinarz war stets ein bodenständiger Mensch und dem Ort
Witterschlick, den er als seine Heimat empfand, eng verbunden. Mochte
er Frühjahr und Sommer in seinem Atelier in der Provence verbringen,
so zog es ihn doch im Herbst und Winter nach Witterschlick zurück.
Es gibt eine Vielzahl von "Verzällchen", die sich um seine Person
und seine - für viele Dorfbewohner wenig verständliche - Kunst ranken.
Legendär sein "Einstieg" in den örtlichen Männergesangsverein: Nach
nur dreimaligem Erscheinen und kräftigem Mitsingen äußerte Johannes
Reinarz vor versammelter Mannschaft die despektierliche Frage:
"Können wir nicht mal was anderes machen als singen?" Man konnte.
Und so entstand - angeleitet von Johannes Reinarz - ein Grillplatz in
Witterschlick.
Im Rahmen eines Filmkurses, den Johannes Reinarz für seine Studen-
ten an der Volkshochschule abhielt - den Kreativjob an der VHS behielt
er sein Leben lang bei - ließ er zu Übungszwecken das Umfeld der
Gemeinde Witterschlick, das Dorfleben, die Menschen bei der Arbeit,
bei Kirch- und andern Dorffesten sowie die politischen Diskussionen
anlässlich der Gemeindeneuordnung in den Jahren 1966,1967 und 1968
auf 16mm-Film dokumentieren und zusammenschneiden. Heute ist
dieser Film ein historisches Zeugnis der Entwicklung des Ortes und der
Witterschlicker Heimatkultur.
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