Ingeborg von Rath (1902 -1984)

Ingeborg von Rath

1902   Ingeborg von Rath erblickte am 4. Juni 1902 in

           Bonn als Tochter von Hermann Wilhelm von Rath

           und seiner Ehefrau Charlotte Adele, geborene

           Furmans, das Licht der Welt. Der Vater stammt

           aus einer vermögenden niederrheinischen Land-

           junker-Familie und dient als "Secondeleutnant"

           im preussischen Heer. Ingeborg hat eine 8 Jahre

           ältere Schwester - Marie Emilie Edith von Rath.

           Die beiden Schwestern wachsen als "höhere

           Töchter" in großbürgerlichen Verhältnissen auf.

           Über Ingeborgs Kinder- und Jugendzeit in Bonn

           ist nur wenig bekannt. Möglicherweise hat sie

           nach der Volksschule als eines der ersten Mäd-

           chen in Bonn das 1912 gegründete Clara-Schu-

           mann-Mädchengymnasium in der Bonner Loe-

           straße besucht (unbestätigt). Ihre künstlerische Begabung fällt schon früh

           auf. Professor Dr. Karl Menser, der an der Universität in Bonn als akade-

           mischer Zeichenlehrer für Archäologie, Biologie und Humanmedizin wissen-

           schaftliches Zeichnen unterrichtet, nimmt sie als weiblichen Lehrling - in

           seine Bildhauerwerkstatt auf. Offensichtlich gefällt der jungen Frau die

           bildhauerisch-gestaltende Arbeit. Insbesondere im Modellieren zeigt sie

           großes Talent. Erste Erfahrungen in der Holzschnitzerkunst macht sie - auf

           Vermittlung von Karl Menser - bei Meister Speckbacher in Thaur (Tirol).     

Frühe Studienzeichnung

um      Ingeborg von Rath schreibt sich an der Kölner

1920   Kunstgewerbeschule für ein Studium der Bild-

           hauerei ein. Seit 1910 dürfen unter Schuldirek-

           tor Emil Thormählen auch Frauen an der Kunst-

           gewerbeschule studieren. Nach der Grundaus-

           bildung, die zunächst für alle Studenten/innen

           eine systematische zeichnerische Unterweisung

           mit Übungen nach der Natur, menschliche und

           tierische Anatomie, Gewandkunde sowie pers-

           pektivisches Zeichnen und Farbenlehre umfasst,

           beginnt Ingeborg von Rath ihr Bildhauerstudium

           bei Professor Wolfgang Wallner (1884 - 1964).

           Der österreichische Künstler war 1912 von Emil Thormählen nach Köln be-

           rufen worden, um an der Kunstgewerbeschule die Bildhauerklasse einzu-

           richten und zu betreuen. In der Folgezeit unternimmt sie verschiedene

           Studienreisen nach Paris und Berlin. Sie begegnet u.a. Georg Kolbe, Renee

           Sintenis und Erwin Scharff.

1925   Ingborg von Rath richtet sich in Bonn ein eigenes Atelier ein. Sie ist zwar

           noch nicht mit ihrem Studium fertig, möchte aber nicht mehr allzu lange

           auf ihren Studienabschluss warten und beschafft sich die notwendigen

           Ausrüstungsgegenstände, um mit Ton modellieren und Abgüsse ihrer

           Entwürfe erstellen zu können. Sie nimmt Gymnasialschüler und Universi-

           tätsstudenten, die nach beruflicher Orientierung oder einer künstlerisch

           anspruchsvolleren Freizeitbeschäftigung suchen, übergangsweise in ihr

           Atelier auf. Schon bald spricht sich herum, dass die junge, hübsche - eher

           zartgliedrige Frau - eine ernstzunehmende Lehrerin ist, die - durchaus ge-

           schäftstüchtig - aus ihrem Atelier eine Kunstschule macht und für das ver-

           langte Semestergeld einen guten Privatunterricht bietet. Verschiedene

           Künstler und Künstlerinnen erinnern sich an die einmalige Atmosphäre in

           der "Rath'chen Kunstschule", wo man "schweigend und ernsthaft, aber auch

           sehr kreativ" seine Semesterarbeiten unter ihrer Aufsicht ausführte. "Meist 

           ging es darum, die Büste eines Musikers - in Bonn (natürlich) Ludwig van

           Beethoven - als Flachrelief in Ton nachzumodellieren. Ingeborg von Rath

           hatte dazu knapp ein Dutzend Portraitköpfe nebeneinander auf einem Regal

           in ihrem Atelier stehen, nach denen man arbeiten konnte".

1926   Ingeborg von Rath hat mit ihren 24 Jahren bereits ihre handwerkliche Bild-

           hauerausbildung (als Gesellin) erfolgreich abgeschlossen. An der Kunstge-

           werbeschule Köln kann sie nun den "Meisterbrief" in ihrem Fach erwerben.

           Dafür spricht, dass Sie später in einem Zeitungsartikel als "gelernte Bild-

           hauermeisterin" und zudem als (akademisch) ausgebildete Künstlerin be-

           zeichnet wird.

           Unter dem Kölner Oberbürgermeister Adenauer hat man die ehemalige

           Kunstgewerbeschule Köln inzwischen zu einer Kunsthochschule umgewandelt

           und diese Institution auf Wunsch Adenauers "Kölner Werkschulen" benannt.

           Ingeborg von Rath macht hier 1926 ihren Abschluß. Sie arbeitet in der

           Folgezeit als selbständige Künstlerin in Bonn.

 

1927   Ihr Atelier in Bonn floriert. Sie nimmt Aufträge zur künstlerischen Grabge-

           staltung an, nimmt Totenmasken ab, entwirft Grabplaketten, Bronzeguss-

           reliefs und individuell geformte Grabplastiken. Den Kontakt zu ihrem Mentor,

           Prof. Dr. Karl Menser und der Universität Bonn hält sie bis zu dessen völlig

           überraschenden Tod am 10.11.1929 aufrecht. Obwohl Karl Menser sie als 

           Vorsitzender der "Bonner Künstlervereinigung 1914" mehrfach zu einer

           Mitgliedschaft drängt und ihr damit eine regelmäßige Teilnahme an den

           Kunstausstellungen der Gruppe im "Städtischen Museum Bonn, Villa

           Obernier" an der Koblenzer Straße in Aussicht stellt, hält Ingeborg von Rath

           sich merkwürdigerweise stets zurück. Sie bleibt lieber im Hintergrund.  

           Umso erstaunlicher ist ihr Wandel in den folgenden Jahren:

1929/ Der bekannte Kölner Fotograph August Sander (1876-1964) lichtet Ingeborg

1930   von Rath für sein epochales Werk: "Antlitz der Zeit - Bildatlas: Menschen des

           20. Jahrhunderts" ab. Im Folgejahr 1930 steht Ingeborg von Rath auch dem

           Fotographen Theo Schafgans (aus der Bonner Fotographendynastie

           Schafgans für dessen Werk: "Atelierwelten - Künstler im Portrait" zur Verfü-

           gung. Die Fotos machen ihren Namen als Fotomodell - wahrscheinlich mehr

           noch als ihre eigenen Werke - überregional bekannt. Die Fotos zeigen eine

           junge, sitzende Frau mit den "Insignien" der Bildhauerkunst - Meissel und

           Klöppel - in der Hand. Ihr dunkles Haar ist streng zurückgekämmt. Sie trägt

           einen hellen Künstlerkittel, darunter Hemd und Pullover. Ein Herrenschlips

           weist ihre berufliche Professionalität aus.

           Fast im Gegensatz dazu (mittlere Reihe): Das "mondäne" Geschöpf - eine

           junge schöne Frau, die offensichtlich ein Faible für Ohrringe und dunkle,

           offenherzige Kleidung hegt.

           Und schließlich (untere Reihe): Die junge, fraulich-weiche und nichtsdesto-

           trotz selbstbewußte "höhere Tochter", die sich traditionsbewußt und offen

           vor der Kamera positioniert. Drei Bildreihen, drei Rollen.

          Zwischen 1927 und 1944 ist Ingeborg von Rath als angewandt arbeitende

          Künstlerin in ihrem Bildhauerstudio mit dem Entwurf und der Anfertigung

          von individuellem Grabschmuck beschäftigt. Nur selten tritt sie mit "freien

          künstlerischen Arbeiten aus ihrer Deckung hervor."

 

1933  Im Mai 1933 beteiligt sie sich an einer Ausstellung der "Bonner Künstler-

          schaft", einem lockeren Zusammenschluß Bonner, Godesberger und Beueler

          Künstlergruppen. Auch Einzelkünstler - unter ihnen Ingeborg von Rath -

          können sich mit eigenen Werken für die Übersichtsausstellung im Städtischen

          Museum Bonn: "Villa Obernier" anmelden. Ihr Beitrag - wahrscheinlich eine

          kleinere Bronzeplastik - wird angenommen und so stellt sie zusammen mit 

          Louis Ziercke, Peter Terkatz, Karl Gerhard van Ackeren, Pitt Müller, Jakobus

          Linden, Em Oelieden, Matthias Profitlich, Hans Thuar,  Walter Rath, Ernst

          Meurer, Otto Küppers, Eugen Hasenfratz, Karl Bessenich, Peter Paul Müller-

          Werlau und anderen Bonner Künstler/innen aus.

          Die Ausstellung ist die letzte dieser Art, bevor die Nationalsozialisten alle

          bestehenden Kunst- und Künstlervereinigungen per Dekret von Reichs-

          propagandaminister Josef Göbbels auflösen und ihre Maßnahmen zur

         "Gleichschaltung der Deutschen Kunst" (Siehe Kapitel: Künstler in der

          NS-Zeit) einsetzen.

          Ingeborg von Rath geht wieder "in Deckung" und bietet die Gestaltungs-

          leistungen ihres Bildhauerstudios im privatem Abnehmerkreis an. Ihr Klientel

          besteht hauptsächlich aus Angehörigen der Bonner Universität und des

         "rheinischen Geldadels" - insbesondere den gutbetuchten Fabrikanten und

          Industriellen, die sich mit Ruhesitzen im Bad Godesberger Villenviertel sowie

          entlang des Rheines von Mehlem bis in die Höhe von Sinzig angesiedelt

          haben. Deren "Mortalität" ist verhältnismäßig hoch und so besteht vielfach

          der Wunsch, "schon zu Lebzeiten auf das Ableben vorbereitet zu sein und das

          eigene Grab und dessen Grabgestaltung nicht der nachfolgenden Erben-

          generation zu überlassen, sondern selbst für ein würdiges Erinnern zu

          sorgen". Ingeborg von Raths Arbeiten - vor allem ihre mit der notwendigen

          Diskretion erstellten persönlichen Bildnisse in Relief- und Medaillenform,

          kommen bei ihrer Kundschaft gut an.

Ingeborg von Rath: "Im großen Frieden" Bronzeguß für das Grabmal von Walter Guillaume auf dem Kessenicher Friedhof (1940)

1944   Es ist nicht überliefert, wer letztendlich dafür verantwortlich ist, dass

           Ingeborg von Rath in der Nachfolge ihrer verdienstvollen Vorgänger -

           den Bildhauern Albert Küppers und Karl Menser -  einen Lehrauftrag für

           Zeichnen und Modellieren an der rheinischen Friedrich-Wilhelm-Universität

           zu Bonn angeboten wird. Sie nimmt das Angebot dankend an. Der Lehr-

           betrieb an der Universität ist durch Kriegseinwirkungen stark eingeschränkt.

           Von 1945 bis 1969 unterrichtet sie die Studenten in ihrem privaten Atelier im

           der Rochusweg 27 in Bonn-Dottendorf. Neben den Kursangeboten im

          "Studium Generale" lehrt und betreut die Künstlerin nach dem Krieg auch

           Lehramtsstudenten/innen der Pädagogischen Hochschule Bonn im Fach

          "Zeichnen für Kunsterzieher und Kunsterzieherinnen". Diese Tätigkeit führt

           sie bis zu ihrer Emeritierung im Jahr 1971 aus.

           Mit dieser finanziellen Absicherung im Hintergrund wendet sich Ingeborg von

           Rath Anfang der 50er Jahre verstärkt der Gestaltung von Gedenkmünzen zu.

           Bonn ist in einer Kampfabstimmung mit Frankfurt mit einer Stimme Mehrheit

           zur provisorischen Bundeshauptstadt gewählt und somit Sitz der bundes-

           deutschen Ministerien geworden. Die Repräsentanzaufgaben führen zu einem

           erhöhten Bedarf an werthaltigen Gastgeschenken, Orden, Auszeichnungen

           Gedenkplaketten etc. 

links:  Ingeborg von Rath (1950)            rechts:  Ingeborg von Rath (1963)

Ehrenmedaille der Universität Bonn         Gedenkmünze Konrad Adenauer/John F.

Prof. Paul Pfeiffer (Wissenschaftspreis)    Kennedy (Staatsbesuch in der BRD)

In den Folgejahren fertigte Ingeborg von Rath in Auftragsarbeit eine Reihe von Portraitbüsten von Politikern (u.a. Konrad Adenauer), Industriellen (u.a. Max Bicheroux), Bankern (u.a Hermann Josef Abs),  Schauspielern (u.a. Gustav Gründgens) und Wisenschaftlern (u.a. Max Blanck) an.

Ingeborg von Rath: Portraitbüsten - Prof. Albert Fischer (1948)

                                                    Prof. Paul Pfeifer (1950)

                                                    Dr. Konrad Adenauer (1951)

Den Bonner Bürgern wird Ingeborg von Rath insbesondere durch die gekonnte Nachmodellierung der im Krieg eingeschmolzenen Bronzefiguren des Martinsbrun-

nens vor dem Bonner Münster / In der Sürst bekannt.

Ingeborg von Rath: Rekonstruktion und Nachmodellierung der im Kriege eingeschmolzenen Bronzefiguren am Martinsbrunnen

1984   Am 2. Juli 1984 verstirbt Ingeborg von

           Rath im Alter von 82 Jahren in Bonn.

           Sie liegt auf dem Friedhof Bonn-Poppels-

           dorf am Kreuzberghang im Familiengrab

           Furmans, von Rath, Winkelmann begra-

           ben. Die Grabplastik, ein Bronzerelief,

           zeigt Maria mit ihrem Sohn.

           Das Relief stammt aus Ingeborg von

           Raths eigener Hand und trägt die

           Inschrift:

 

           Du bist über wenigem getreu gewesen,

           Ich will Dich über viel setzen.

           Gehe ein zu Deines Herren Freude.

           

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