Henriette Schmidt(-Bonn) 1873-1946
1873 Henriette Schmidt erblickt am 5. 12.1873
als viertälteres Kindern des Pelz- und Hut-
händlers Johann Martin Schmidt (1830 -
1890) und seiner Frau Wilhelmine Charlotte,
geborene Peters (1836 - 1911) in Bonn das
Licht der Welt. Die Eltern besitzen ein gut-
gehendes Geschäft in zentraler Lage am
Bonner Marktplatz (später "Hut Weber").
Henriette Schmidt hat sechs Geschwister:
Johann Ludwig; Emilie; Otto Julius;
Wilhelm; August und Emil Julius. Die Kinder
wachsen in großbürgerlichen Verhältnissen
auf. Ein Onkel von ihnen ist Klinikchef in
Bad Godesberg, ein anderer der in Bonn
durchaus bekannte Prof. Dr. Ferdinand
August (F.A.) Schmidt (1852-1929). Ein
Sportmediziner, der an der Universität Bonn lehrt und als Mitbegründer der
wissenschaftlichen Leibesübung und optimierter physiologischer Trainings-
methoden gilt.
Sowohl Henriette als auch ihr jüngerer
Bruder Wilhelm sind - wie sich im Laufe
ihrer Schulausbildung zur Freude ihrer
Mutter herausstellt - nicht so sehr kauf-
männisch, sondern eher künstlerisch
veranlagt. Ihre Talente werden schon
früh von der Mutter gefördert:
Henriette als Zeichnerin und Malerin,
Wolfgang zunächst als Musiker, später
dann - nachdem er seine Ausbildung am
Musikkonservatorium in Köln "hinge-
schmissen" hat - als Literat und Schrift-
steller. Als Theaterdramaturg macht
Wilhelm später unter dem Künstlernamen
"Schmidtbonn" Karriere. Unter anderem
gehört er zum engeren Freundeskreis
des 11 Jahre jüngeren August Macke
(1887 - 1914) und wird als erfolgreicher
Romancier und Stückeschreiber (u.a.
"Der Graf von Gleichen") zu einem fast väterlichen Freund und Berater von
August Macke. Wilhelm Schmidt hilft später seinem Freund August, als
dieser im Kunstsalon Cohen die legendäre Ausstellung: "Rheinische Ex-
pressionisten" organisiert.
1890 Nach dem Tod des Vaters Johann Martin Schmidt wird das Geschäft am
Bonner Marktplatz aufgegeben. Die Mutter zieht mit den Kindern in die
Bonner Ellerstraße 10 und von dort 1898 - zusammen mit Henriette, Wilhelm
und August - für zwei Jahre nach Göttingen, wo Wilhelm Schmidtbonn
Literaturwissenschaften studiert. 1900 ziehen sie zurück in die Bonner
Loestraße 10.
Henriette hatte zwischenzeitlich die erzbischöfliche Ursulinenschule in Bonn
besucht und das Zeugnis der höheren Reife (Abitur) erlangt. Doch noch ist
es nach preußischem Recht keiner Frau erlaubt, an einer Universität in der
preußischen Rheinprovinz ein ordentliches natur- oder geisteswissenschaft-
liches Studium zu absolvieren. Das ändert sich erst 1908. Immerhin
dauert es bis 1921 (!), ehe Frauen auch das einklagbare Recht eingeräumt
wird, an der renommierte Kunstakademie in Düsseldorf "freie Kunst" stu-
dieren zu dürfen und damit den männlichen Studenten gleichgestellt zu sein.
1900 Henriette Schmidt beginnt ein Mal- und Zeichenstudium an der damals ge-
rade neugegründeten privaten Malschule Becker-Leber in Bonn. Sophia
Leber, eine "gelernte" Malerin und Zeichnerin mit pädagogischen Hintergrund
- ihr Vater ist Gymnasiallehrer in Bonn - betreibt die Malschule zusammen
mit ihrem Mann Hans Josef Becker, der aus einer Kupferstecherfamilie
stammt und die Schulung der grafischen Entwurfs-, Reproduktions- und
Druckverfahren übernimmt.
Henriette Schmidt bekommt in der Bonner Malschule die grundlegenden
Zeichentechniken vermittelt, merkt aber schon bald, dass der Ausbildung
letztendlich die künstlerische Kreativität und die gezielte Anleitung zu einer
ästhetischen Gestaltung des jeweiligen Zeichenmotivs fehlt.
1903 Henriette wechselt ihren Wohnort von
Bonn nach Düsseldorf, um ihre Ausbil-
dung bei dem renommierten Maler und
Zeichner Heinrich Otto (1858-1923)
fortzusetzen.
Heinrich Otto ist neben Hans Thoma der
wohl bedeutendste Zeichner der Romantik.
Er ist in Düsseldorf hervorragend vernetzt,
ist Mitglied der einflußreichen Düsseldorfer
Künstlervereinigung "Malkasten" und zwi-
schen 1898 und 1902 in deren Vorstand.
Er verfügt - obwohl er erst relativ spät
einen Ruf als Professor für Zeichenlehre
an die Kunstakademie Düsseldorf erhält -
über beste Kontakte zur zeitgenössischen
Künstlerszene, die damals - inklusive der
Studenten der Kunstakademie und der
von Peter Behrens zwischen 1903 und
1907 geleiteten Kunstgewerbeschule
Düsseldorf - rund 2000 Personen umfasst.
Heinrich Otto erkennt das künstlerische
Ausbildungsdefizit für Frauen - insbeson-
dere für jungen Damen der Gesellschaft
und richtet ab 1903 eine eigene private
Zeichen- und Malschule für diesen Klien-
tenkreis in seinem Atelier "Hungerturm" ein. Die zeichnerische Aus-
bildung ist sehr umfassend und wird im Wesentlichen von ihm persönlich
durchgeführt. Für die malerische Ausbildung engagiert er namhafte Kollegen,
die den Damen in wechselnder Besetzung fundiert die Landschafts- und
Genremalerei vermitteln. Schon bald steht die private "Malschule Otto" in
Düsseldorf in dem Ruf, talentierten jungen Damen. soweit sie es sich
finanziell leisten können, eine solide künstlerische Ausbildung, durchaus
vergleichbar mit einem Studium an der Kunstakademie, bieten zu können.
Zur Ausbildung gehören auch diverse Exkursionen an den Niederrhein, in
die bayrischen Alpen sowie nach Italien. Aus der privaten Zeichenschule
Otto wird die "Frauenmalschule Düsseldorf".
Zu Heinrich Ottos talentiertesten Studentinnen zählt Henriette Schmidt aus
Bonn. Wie ihr inzwischen als Dramaturg arbeitender Bruder, geht auch sie
dazu über, ihrer Künstlersignatur die Herkunftsbezeichnung Bonn hinzu-
zufügen und so wird aus Henriette Schmidt die Künstlerin: Henriette
Schmidt-Bonn.
1907 Henriette Schmidt schließt ihr Studium an der "Frauenmalschule Düssel-
dorf" ab und kehrt nach Bonn zurück. In den nachfolgenden Zeiten betreut
sie ihre zunehmend gebrechlich werdende Mutter. Sie bleibt unverheiratet
und lebt mit ihrer Mutter in einer fast symbiotischen Beziehung in einem
Haus im Rheinweg 135 in Bonn-Kessenich. Hier richtet sich Henriette ein
druckgrafisches Atelier mit einer Abzugspresse für klein- und mittel-
formatige Radierungen und Drucke ein. Sie nimmt Kontakt mit dem
Bildhauer Karl Menser auf und unterzeichnet bei ihm den Gründungsantrag
zur Errichtung eines "Vereins Bonner Künstler e.V.", der allerdings erst
nach dem ersten Weltkrieg als "Bonner Künstlervereinigung von 1914 e.V."
beim zuständigen Bonner Amtsgericht eingetragen und ab 1919/20 seine
satzungsgemäße Arbeit aufnimmt. Zudem nimmt Henriette Schmidt auch
Kontakt mit dem Künstlerkreis um Willy Stucke (sen) auf. Bei der "ge-
mütlichen Künstlerrunde" im Hotel "Goldener Stern" am Bonner Marktplatz
lernt sie die Maler Carl Theodor Asen, Toni Wolter, Willy Fassbender, Carl
Nonn, Paul Türoff, Erich Krupa-Krupinski, Heinrich Houben und Heinrich
Reifferscheid kennen. Auf deren Anraten "hospitiert" sie zunächst bei
verschiedenen Bonner Künstlervereinigungen und stellt als offizielle Gast-
künstlerin ihre Zeichnungen und Radierungen in deren Bonner Ausstel-
lungen im Frühjahr 1908, 1909, 1910, 1911, 1913, 1914 sowie zu Weih-
nachten 1912 aus. Den Kontakt zu Heinrich Otto hält sie aufrecht.
Landschaften in Zeichnungen und Radierungen
1911 Auf Einladung von Heinrich Otto unternimmt Henriette Schmidt eine
längere Studienexkursion in die Willingshäuser Malerkolonie, deren Mitglie-
der langjährige gute Freunde Heinrich Ottos sind. Sie wird freundlich und
respektvoll in diesem Kreis aufgenommen. Aufgrund ihres Könnens akzep-
tiert man sie sofort als professionelle Künstlerkollegin. Henriette Schmidt
fühlt sich auf Anhieb sehr wohl in Willingshausen.
Die Gemeinde Willingshausen liegt in Hessen zwischen Kassel, Marburg und
Alsfeld. Ein idyllisches Dorf, das nachweislich die wohl älteste Künstler-
kolonie im deutschsprachigen Raum beherbergt. Seit 1820 treffen sich
hier in den Sommermonaten regelmäßig bildende Künstler, um hier ge-
meinsam zu leben und zu arbeiten, Gedanken und Ideen auszutauschen
und (natürlich) gemeinsam zu feiern.
Sowohl die zeitgenössische Genremalerei, als auch die Landschaftsmalerei
bekommen hier "im Zusammenspiel der kreativen Geister" wichtige, neue
Impulse. In der Landschaftsmalerei setzt sich - ausgehend von Willings-
hausen - die Freiluftmalerei durch. Licht, Luft, Sonne und Wolken bekom-
men hier eine neue malerische Bedeutung. Das "Einfangen" des "Atmos-
phärischen" in der Landschaft führt zu einer neuen Malweise, die sich von
der bis dahin üblichen romanischen Sichtweise abhebt und schon wenig
später als Impressionismus Furore macht. Für Henriette Schmidt hat
Willingshausen eine besondere Bedeutung, trifft sie doch hier auf Künst-
lerinnen wie Alexandra Thilenius, Lili von Asten und Hanne Metzger, die
sich - ähnlich wie sie - in einem überwiegend von Männern dominierten
Umfeld durchzusetzen wissen. Nachdem Henriette die Willinghäuser Maler-
kolonie kennen- und schätzengelernt hat, zieht es sie in den Sommer-
monaten der Folgejahre regelmäßig dorthin zurück.
Landschaften in Ölgemälde
1912 Henriette Schmidt verlegt ihren Wohnsitz und ihr Atelier von Bonn zurück
nach Düsseldorf. Zuvor allerdings läßt sie ihren Künstlernamen "Henriette
Schmidt-Bonn" ganz offiziell in ihre Personalpapiere eintragen und doku-
mentiert damit ihre besondere Beziehung zu ihrer Heimatstadt Bonn. In den
Folgejahren stellt sie regelmäßig in Bonn, Düsseldorf und - von Willings-
hausen aus - in Marburg aus. Nach und nach schafft sie sich einen Namen
als herausragende Zeichnerin und Radiererin. Zwar malt sie - wie ihre
Kollegen in Willingshausen - auch Ölgemälde und zieht mit ihrer Staffelei
hinaus in's freie Feld, um die Schönheit der Landschaft auf Leinwand fest-
zuhalten, doch gehört ihre Liebe statt der großen Aussicht mehr dem Land-
schaftsdetail, den Baumgruppen, den Bachläufen, Brücken und Stegen, den
ländlichen Fachwerkhäusern, Schuppen und Katen. Geradezu meisterhaft
versteht sie es, die spezifischen Eigenheiten und Detailausprägungen dieser
Sujets in Radierungen umzusetzen. Zunehmend werden Kunstsammler,
Kunsthändler und Galeristen auf ihre jeweils nur "in überschaubaren Klein-
auflagen" produzierten Radierungen aufmerksam.
Baumgruppen in Zeichnungen und Radierungen
1933 Henriette Schmidt-Bonn ist bei Hitlers Machtergreifung 60 Jahre alt. Ob sie
in den Folgejahren der Reichskammer der Bildenden Künste in Berlin bei-
tritt, respektive als verbandsseitig organisierte Künstlerin zwangsläufig bei-
treten musste, ist nicht geklärt. Den Kriegsausbruch erlebt sie in Düsseldorf.
1942 Durch einen Bombenangriff wird ihre
Wohnung in Düsseldorf vollständig
zerstört. Ein großer Teil ihrer Werke,
darunter auch viele ihrer Einzelwer-
ke (Zeichnungen) gehen verloren.
Um dem Bombenkrieg zu entgehen,
zieht sie komplett in die vertraute
Künstlerkolonie nach Willingshausen
um. Dort lebt und arbeitet sie noch
vier Jahre im Haus ihrer Freundin
Alexandra Thielmann.
1946 Am 27. April 1946 verstirbt die Künstlerin im Alter von 72 Jahren nach
zwei Schlaganfällen in Willingshausen. Die Beisetzung erfolgt auf dem
Friedhof von Willingshausen.
_____________________________________________________________
Anmerkung:
Im März 2002 erschien anlässlich einer Ausstellung der Peter-Schwingen-
Gesellschaft e.V. eine Broschüre mit Texten von Hildegard Reinhardt
über das Leben und das druckgraphische Werk der Künstlerin mit dem Titel:
"Henriette Schmidt-Bonn (1873 bis 1946) - eine Bonner Künstlerin"
Verwiesen sei auch auf das Buch von Freimund Röhrscheid unter dem Titel:
"Henriette Schmidt-Bonn - Werkverzeichnis der Druckgraphik" herausgegeben vom Förderverein Stadtmuseum Bonn 2009
Eine Übersicht über das malerische Werk der Künstlerin steht noch aus.
Die hier abgebildeten Werke sind allesamt im öffentlichen Kunstauktionshandel -
in aller Regel auf Internet-Plattformen - angeboten und verkauft worden. Die
Fotos der Künstlerin entstammen der oben benannten Literatur.
Zur Navigation bitte zum Seitenanfang zurückkehren und die nebenstehende (grau
hinterlegte) Kapitelanwahl benutzen oder klicken Sie die unterstrichenen Stichworte in den Texten an.