Hans Trimborn (1891-1979)
1891 Hans Trimborn erblickt am 2.8.1891 in Plittersdorf,
heute ein Stadtteil von Bonn, das Licht der Welt.
Er wird drei Tage darauf in der Sankt Marien-Kirche
in Bad Godesberg auf den Namen Johannes getauft.
Sein Vater - Johann (genannt Jean) Trimborn - ar-
beitet im Katasteramt von Bad Godesberg als Re-
gistrator und Vermessungszeichner. Seine Mutter
- Margarethe - (geborene Koeb) stammt ursprüng-
lich aus Schweden. Hans Trimborn und seine jün-
gere Schwester Anni wachsen in der Büchelstraße
21 in Bad Godesberg auf bis die Mutter an Tuberku-
lose erkrankt und 1898 im Alter von 27 Jahren ver-
stirbt. Jean Trimborn gibt daraufhin seine beiden
Kinder in die Obhut der Großeltern (Hermann und Anna Maria Trimborn),
die in der nahen Turmstraße 5 die Gastwirtschaft Trimborn betreiben.
1897 Hans Trimborn wird von seinen Großeltern in die Volksschule in Plittersdorf
eingeschult. Er und seine Schwester wohnen und schlafen bei den Groß-
eltern. Schon früh "klimpert" der kleine Hans zur Unterhaltung der Gäste
auf einem Klavier, das in der Gastwirtschaft steht. Er entwickelt ein gutes
Gehör für Melodien und spielt - auch ohne bereits Noten lesen zu können -
einige aufgeschnappte Studentenlieder und Gassenhauer aus dem Ge-
dächtnis ab. Ein Gast zeigt ihm die Begleitakkorde und Hans übt sie ein.
Offensichtlich besitzt er ein ausgeprägt musisches Talent, denn auch seine
zeichnerischen Fähigkeiten werden bereits in frühen Zeichnungen (um 1900)
deutlich. Möglicherweise leitet der Vater seinen Sohn zum Zeichnen "nach
der Natur" an, ohne ihn aber systematisch betreuen zu können.
1902 Der Vater - Jean Trimborn - heiratet am 13.4.1902
erneut. Theresia Kurth . seine neue Frau - nimmt
die beiden Kinder von den Großeltern zu sich und
ist ihnen ein gute Mutter. Hans Trimborn wird in der
Sankt Marien-Kirche Messdiener, Chorknabe und
- gefördert durch den Pfarrer Dr. Winter - Aushilfs-
organist. Er erhält externen Orgelunterricht und
darf die Kirchenorgel in Sankt Marien gelegentlich
zu Andachten, Taufen und Hochzeiten spielen.
1904 Auf Veranlassung des Gemeindepfarrers Dr. Winter
wird Hans Trimborn in das "Hubertinum", einer
höheren Privatschule für Knaben in Bad Godes-
berg aufgenommen. 1906 wechelt er, nachdem er die Aufnahmeprüfung
bestanden hat, in die Untertertia des "Königlichen Gymnasiums" - heute
das "Beethoven-Gymnasium" - in Bonn.
1908 Hans Trimborn ist 17 Jahre alt, als er im Rahmen
des schulischen Kunstunterrichtes die ersten - über
das Stadium des Ausprobierens hinausgehenden
Zeichnungen und Gemälde anfertigt. Einer seiner
Mitschüler ist der gleichaltrige Paul Adolf Seehaus
(1891-1919), der später - noch vor seinem Abitur
- als junger Maler von August Macke entdeckt und
dessen "künstlerischen Ziehsohn" wird. August
Macke unterrichtet Paul Adolf Seehaus von 1911
bis 1914 und läßt seinen Zögling auch an der "Aus-
stellung Rheinische Expressionisten" im Haus der
Verlagsbuchhandlung Friedrich Cohen schräg ge-
genüber dem stadtseitigen Haupteingang der Uni-
versität Bonn teilnehmen.
Hans Trimborn und Paul Adolf Seehaus freunden sich an. Eine Verbindung, die über Hans Trimborns Wegzug aus Bonn bis 1918, ein Jahr vor dem
frühen Tod Paul Adolf Seehaus am 13.03.1919 anhält. Die beiden Gymna-
siasten verabreden sich zum gemeinsamen Malen - meist in der direkten
Umgebung von Plittersdorf, wo sie dörfliche Straßenszenen und (natürlich)
den Rhein und das Rheinufer vor der Kulisse des Siebengebirges auf Lein-
wand bannen.
Doch im Gegensatz zu Seehaus ist Hans Trimborn von seinen Interessens-
gebieten her nicht allein auf die Malerei fixiert, vielmehr ist er auch ein
recht guter Fußballer beim Godesberger Fußballverein (GFV), in dessen 1.
Mannschaft er spielt. Darüber hinaus aber gehört seine Liebe der Musik.
Die Stadt Bonn ist traditionell der Musik mehr zugetan, als den bildenden
Künsten. Jungen Musikern wird eine ungleich ausgeprägtere Infrastruktur
zum seriösen Lernen und Vorspielen geboten als jungen Malern. Hans
Trimborns musikalisches Repertoire am Klavier, wie auch seine "exzellente
Improvisationsfähigkeit" erregen zunehmend Aufsehen. In den wöchendlich
in der gehobenen Bonner Bürgerschicht stattfindenen "Musiksalons" ist er
ein gern gesehener Gast-Pianist. Er lernt die aufstrebende Beethoven-
Interpretin Elly Ney (1882 - 1968) kennen und wird von dieser - trotz seiner
Jugend - als talentierter junger Kollege akzeptiert. Eigentlich steht seiner
Karriere als Musiker kaum etwas entgegen. Doch es kommt anders.
Hans Trimborns schulische Leistungen sind -
ebenso wie die seines Freundes Paul Adolf
Seehaus - alles andere als glänzend. Viel-
leicht liegt dies daran, dass er regelmäßig
abends in der Gaststätte Trimborn zur Unter-
haltung der Gäste aufspielt und sich durch
die "Schlagermelodien" ein gutes, für einen
jungen Mann durchaus beachtenswertes
Taschengeld dazuverdient. Offensichtlich
lenkt die einträgliche Nebenbeschäftigung
den Gymnasiasten ab. Er bleibt im Gymna-
sium sitzen und muß gleich zweimal den
Lehrstoff wiederholen. Das ficht ihn aber
kaum an, da es seinem Freund Paul Seehaus
ähnlich ergeht und beide durchaus Alterna-
tiven zum schulischen Pauken in ihrer künst-
lerischen Tätigkeit sehen: Paul als expres-
siver Maler und Hans als konzertanter Musiker.
1913 Hans Trimborn erwirbt am Beethoven-Gymnasium die allgemeine Hoch-
schulreife (mit einem eher dürftigen Notenschnitt) . Er möchte Musiker
von Beruf werden. Doch sein Vater (und wahrscheinlich auch seine Stief-
mutter) haben etwas dagegen. Sie drängen darauf, dass Hans Trimborn
"etwas Anständiges" lernt. Er soll Arzt werden. Gehorsam nimmt Hans
Trimborn im Sommer 1913 ein Medizinstudium an der Rheinischen Friedrich-
Wilhelm-Universität in Bonn auf.
August Macke organisiert 1913 die "Ausstel-
lung Rheinischer Expressionisten" im Kunst-
salon Cohen. Paul Adolf Seehaus nimmt da-
ran teil, sein Freund Hans Trimborn steht
außen vor. Aktuell versucht man heute zwar,
Hans Trimborns in Bonn entstandene Bild-
werke ebenfalls dem Kreis des Rheinischen
Expressionismus zuzurechnen. Letztendlich
aber fehlt seinen Werken - wie auch seiner
Biografie als zeitgenössischer Maler ein ent-
sprechend professioneller Unterbau, der
eine solche Zuordnung rechtfertigen würde.
Er ist und bleibt Autodidakt. Alleine eine all-
gemeine zeitliche und räumliche Zuordnung
sowie die belegte Freundschaft mit Paul Adolf
Seehaus reicht kaum aus, Hans Trimborn
malerisch zu einem Rheinischen Expressio-
nisten zu erklären.
1914 Als Medizinstudent ist Hans Trimborn zunächst vom Wehrdienst freigestellt.
Doch in seiner patriotischen Begeisterung meldet er sich freiwillig beim
Roten Kreuz und wird als Hilfssanitäter in Lazarettzügen eingesetzt, die
regelmäßig in das nahe Frontgebiet nach Westflandern fahren, um Kriegs-
verletzte und -verwundete aufzunehmen. Mehr zur eigenen Ablenkung als
denn aus einem wirklichen inneren Bedürfnis heraus, skizziert er die Land-
schaften und Menschen um sich herum. Unter Anleitung seines Freundes
Paul Seehaus entstehen zuhause in Bonn aus diesen Skizzen Ölbilder. Paul
rät ihm, weniger die Kriegs- und Lazarettszenen als Motiv aufzunehmen,
sondern sich vielmehr den klassischen Motiven (Portraits, Damen- und
Herrenbildnisse, Landschaften und Ortsansichten) zuzuwenden. Hans malt
"aus der Lameng heraus, ohne" - wie er selbst sagt, "viel nachzudenken".
Aber da Paul bereits seit drei Jahren regelmäßig von August Macke unter-
richtet wird - bis dieser am 16.9.1914 in Frankreich durch einen Kopfschuß
fällt - färbt dessen Malweise indirekt über Paul Seehaus auch auf Hans
Trimborn ab. In seinen Bildern finden sich nun beispielsweise ebenfalls
"Promenadenszenen", die "das gesellschaftliche Ritual des Spazierengehens
und des sonntäglichen Müßiggangs am Rhein" wiedergeben.
Ende des Jahres 1914 erkrankt Hans Trimborn. Er wird formal aus den Diensten des Roten Kreuzes entlassen, meldet sich aber im Januar 1915
als Kriegsfreiwilliger wieder zurück und wird dem "Reserve-Lazarett
Godesberg" zugeteilt, das im damaligen Viktoria-Hospital eingerichtet wird.
1915 Hans Trimborn lernt im Reserve-Lazarett in
Bad Godesberg die Schwesternhelferin Marta
Trapp kennen und verliebt sich in sie. Er
selbst wohnt bei seinen Eltern in Plittersdorf.
Marta Trapp stammt aus gutbürgerlichen Ver-
hältnissen. Sie ist eine ausnehmend gute
Klavierspielerin, die sich in einer privaten
Musikschule in Bonn zur Konzertpianistin aus-
bilden lässt. In ihren Briefen tauscht das junge
Paar Gedanken zur Musik, zur bildenden Kunst,
zum Kriegsgeschehen und (natürlich) zu ihrer
Verantwortung im Dienst am Vaterland - er
als angehender Arzt, sie als Krankenschwester
- aus. Parallel zu seinen Tätigkeiten im Reser-
ve-Lazarett Godesberg nimmt Hans Trimborn
zum Wintersemester 1915 sein Medizinstudium
in Bonn wieder auf. Mit einigen Mühen schafft
er im zweiten Anlauf im Mai 1916 die "Medizinische Vorprüfung".
1916 Hans Trimborn wird im August 1916 zum "Feldunterarzt" ernannt und nach
St. Vith in die Eifel versetzt, wo ein Kloster zum Feldlazarett umfunktioniert
wird. Hier richtet sich Hans Trimborn häuslich ein, wozu auch eine "Malecke"
gehört, die Hans Trimborn gegenüber Dritten gerne als sein "Maleratelier"
ausweist. Hier malt er unter anderem das Bild: "Sterbezimmer", das wohl
eines der wichtigsten Frühwerke Hans Trimborns ist.
1917 Bei einem kurzen Intermezzo als Hilfs-Chirurg
im Reserve-Lazarett von Bad Neuenahr kommt
der Verdacht auf eine Tuberkulose-Erkrankung
bei ihm auf. Hans Trimborn wird daraufhin als
Patient in eine TBC-Klinik nach Badenweiler
überwiesen. Doch der Verdacht erhärtet sich
nicht und so wird er in ein Reserve-Lazarett nach
Vallendar-Marienau (bei Koblenz) versetzt, wo
er in der Abteilung für Blasen-, Haut- und Ge-
schlechtskrankheiten von Juli 1917 bis zum
Kriegsende im November 1918 seinen ärztlichen
Dienst versieht.
1918 Der enge freundschaftliche Kontakt zu Paul Adolf Seehaus bricht ab. Wo-
durch dieses "Auseinanderdriften" ausgelöst wurde, ist nicht bekannt.
Möglicherweise brach Seehaus seinerseits die bis dahin doch sehr enge
Malerfreundschaft aus gesundheitlichen Gründen ab. Im Folgejahr verstirbt
der Maler im Alter von 27 Jahren an einer Lungenentzündung (TBC ?) in
Hamburg. Hans Trimborns einzige künstlerische Bezugsperson ist nun
Marta Trapp, die für ihn den Kontakt zum rheinischen Kunsthandel in Köln
und Bonn sowie zu einigen wichtigen Kunstsammlern (u.a. Dr. Heinrich
Stinnes in Köln) hält.
Seine Bilder in aller Öffentlichkeit selbst zu propagieren, fällt Hans Trimborn
schwer und so überläßt er Marta Trapp dieses Aufgabenfeld. Er selbst
witmet sich nun verstärkt der Musik, komponiert erstmals eigene Klavier-
stücke und Lieder nach Texten von Friedrich Hölderlin.
Am 30. 11.1918 wird Hans Trimborn aus dem Heeresdienst entlassen und
zur Ruprechts-Karl-Universität nach Heidelberg beordert, wo er sein Stu-
dium der Medizin am 13. Dezember 1918 wieder aufnimmt. Er mietet eine
Kleinwohnung bei Prof. Dr. Ernst-Gerhart Dresel und dessen Frau Ila
Dresel-Koenenkamp. Professor Dresel ist Mediziner, unterrichtet an der
Universität Heidelberg und ist als Förderer der Bildenden Künste stadt-
bekannt.
1919 Prof. Dresel weist seinem jungen Mieter (kostenlos) ein Gartenhaus auf
seinem Anwesen als Atelier zu und führt ihn in den Kreis der von ihm ge-
förderten Künstler ein. Nächtelang diskutiert man in diesem Kreis die Rolle,
die die Bildende Kunst nach dem verlorenen Krieg in Deutschland einneh-
men müsste. Welche Aufgaben ihr zufallen, welche Themen und Darstel-
lungsstile zu wählen sind und welche künstlerischen Ansätze jeder einzelne
verfolgt. Hans Trimborn hält sich in diesen Diskussionen weitgehend zu-
rück. Er witmet sich verstärkt seinem Medizinstudium, dass er im kom-
menden Jahr abzuschließen gedenkt. Neben seinen intensiven Lernen
bleibt wenig Zeit für die Malerei. Marta Trapp ist inzwischen aus dem
Rheinland zu einer Freundin nach Bierenmühle in's Erzgebirge umgezogen.
Hans Trimborn schreibt ihr regelmäßig dorthin voller Zuversicht, dass er
es bald zum Arzt geschafft hat.
Hans geht unvorsichtigerweise ein Verhältnis mit Ila Dresel, der
jungen Frau seines Vermieters und Förderers ein. Als dieses schließlich
ruchbar wird, setzt ihn Prof Dr. Dresel kurzerhand vor die Tür. Hans sieht
sich gezwungen, sein Medizinstudium in Heidelberg kurz vor Schluß abzu-
brechen. Für einem erfolgreichen Abschluß braucht er noch Leistungs-
scheine seines ehemaligen Förderers. Schnell merkt er, dass der "Dunst-
kreis" und kollegiale Einflußbereich von Prof. Dresel auch zu anderen medi-
zinischen Fakultäten weit gesteckt ist. Er kann sich ausrechnen, dass er auf
absehbare Zeit keine realistische Chance zum Abschluß seines Studiums
hat. Nach Bonn zu seinen Eltern kann er auch nicht zurückkehren. Sie
missbilligen seine Eskapade auf's Schärfste und fürchten offensichtlich um
ihren eigenen Ruf.
Hans fährt zu seiner Freundin Marta Trapp in's Riesengebirge. Dort kommt
er für einige Zeit bei deren Freundin unter. Am 16. August 1919 heiratet
das Paar in der Kirche von Bierenmühle.
Das junge Ehepaar beschließt, gemeinsam einen komplett neuen Anfang zu
machen. Sie besuchen - geplant wohl im Rahmen ihrer Hochzeitsreise - eine
anderen Freundin von Marta, die in dem kleinen ostfriesischen Dorf Enger-
hafe wohnt. Sie werden freudig aufgenommen und zum Bleiben veranlaßt.
Bei ihren Ausflügen besucht das Paar auch die Insel Norderney. Hier gefällt
es ihnen. Mitte Oktober 1919 suchen sie sich dort eine Unterkunft und
mieten eine günstige Wohnung in der Wilhelmstraße 12. Marta besorgt sich
ein Klavier und beginnt - wie ihr Mann - mit ihren täglichen Musikübungen.
Das geht nicht lautlos von statten und so bekommen die Nachbarn fast
täglich Gratiskonzerte zu hören. Schnell spricht sich unter den damals
knapp 4000 (einheimischen) Inselbewohnern herum, dass Marta eine aus-
gebildete Pianistin ist und Hans, ihr Mann, durchaus gleichwertig Musik
machen kann. Als ihr Zuzug amtlich ist, integriert man das junge Paar
Schritt für Schritt in den kulturellen Betrieb des Kurbades Norderney.
Zunächst spielen Marta Trimborn - später auch ihr Mann Hans Trimborn -
als Solisten im Rahmenprogramm des Kurhauses klassische Musik - vor
allem Stücke von Beethoven und Mozart.
Die Zahl der Kurgäste steigt stetig. Von knapp
14.000 im Jahr 1919 auf 20.000 im Jahr 1920
bis auf über 35.000 im Jahr 1921.
Hans Trimborn übernimmt die Stelle des Kir-
chenchorleiters, er spielt im Noderneyer Sym-
phonieorchester mit, untermalt in den Som-
mermonaten das örtlichen Stummfilm-Frei-
lichtkino mit seiner Musik und verdient sich
ein regelmäßiges Einkommen durch seine
abendlichen Engagements bei den örtlichen
Bar-, Kneipen- und Restaurantwirten, deren
Gäste er mit "schmissiger" Tanzmusik und
Jazz, entweder am Piano, oder als ausge-
zeichneter Klarinette- und Saxophonspieler
unterhält.
1921 Marta wird schwanger. Ein Sohn - getauft auf den Namen Johannes
(Hannes) Trimborn - vergrößert die Familie. Hans Trimborn - der Vater -
richtet sich ein Atelier in der Wilhelmstraße 12 ein. Bis dahin hat er sich
in seiner Freizeit (neben seinen Musik-Engagements) überwiegend zeich-
nerisch betätigt.
Jetzt "wagt" er sich wieder an Ölgemälde. Seine Motive entnimmt er dem
direkten Umfeld: Fischer beim Netzauswerfen, Badegäste am Strand und
beim Flanieren, Dünenhäuser, Strandhäuser, Strandkörbe, Strandgras im
Wind etc.
Hans Trimborn begegnet dem Bremer Kaufmann und Kunstförderer
Ludwig Roselius. Schon bald entwickelt Roselius Pläne, Hans Trimborn
als rheinischen Expressionisten mit großen Zukunftsperspektiven be-
kannt zu machen. Er vermittelt ihm Ausstellungsmöglichkeiten zur
"Bremer Kunstschau" sowie im "Bremer Kunstzirkel". Zudem kauft er
ihm für 7700 Reichsmark einige Bilder ab. Er vermittelt ihm gutdotierte
Buchillustrationsaufträge und versucht, seinen Schützling in den Kreis
der Worpsweder Malern zu bringen. Das alles hat aber verhältnismäßig
wenig Erfolg. Ludwig Roselius stete Bemühungen werden von Trimborn
einfach nicht aufgenommen, teilweise sogar konterkariert. Immerhin
gelingt es Roselius, Hans Trimborn dem damals bereits bekannten
Worpsweder Maler Bernhard Hoetger vorzustellen. Aus dieser Begegnung
resultiert - nach einigen Anläufen - eine mehr oder minder feste Maler-
freundschaft zwischen Trimborn und Hoetger. Sie laden sich gegenseitig
ein. Trimborn sieht im Atelier von Berhard Hoetger einige Gemälde der
schon früh verstorbenen, damals noch weitgehend unbekannten Malerin
Paula Moderson-Becker und ist tief beeindruckt.
Hans Trimborn links: "Akt am Wasser"; rechts: "Akt mit gekreuzten Armen"
1923 Hoetger entwickelt bei seinem Gegen-
besuch in Norderney den Plan, dort ein
Kunst-Cafe zu eröffnen, damit die Kur-
gäste sowohl die lokale, wie die Worps-
weder Malerszene in einem gemütlich-
entspannten Umfeld kennenlernen kön-
nen. Ludwig Roselius - der als cleverer
Geschäftsmann unter anderem die Mar-
ken- und Vertriebsrechte an dem be-
kannten Bremer "Kaffee Haag" besitzt,
finanziert das Kunst-Cafe auf Norder-
ney, das von Hoetger und Trimborn den
Namen "Kiekbimutt" erhält.
1924 Trimborn soll sich als angestellter Ge-
schäftsführer um den Betrieb des Cafes
und wechselnde Kunstausstellungen
kümmern. Besonderen Elan legt er in
der Folgezeit aber nicht an den Tag, so dass Hoetger und Roselius ge-
zwungen sind, das Cafe unter dem Namen "Kaffee Worpswede" alleine
weiterzuführen.
So "vergeigt" Hans Trimborn Chance auf Chance. Er taumelt von einer
finanziellen Krise in die nächste. Auftragsarbeiten und feste Engagements,
ja jegliche feste Bindung an Personen und Programme sind ihm zuwider,
lösen eher Fluchtgedanken und ein sich "Absetzenwollen" aus.
Das bekommt auch seine Familie (Marta und Sohn Hannes) leidvoll zu
spüren. Marta holt - um über die Runden zu kommen - ihre Mutter nach
Norderney. Zu Dritt leben sie von Martas gelegentlichen Konzert-Engage-
ments und der kleinen Pension, die ihre Mutter bezieht.
1925 Hans Trimborn wird musikalischer Leiter der Tanzrevue des Wiener
Femina Theaters, als das Ensemble in Norderney auftritt. Anschließend
tourt die Tanzrevue durch Norddeutschland und macht unter anderem
auch in Hamburg Halt. Hans Trimborn lernt die Malerin Dora Wenneker in
Blankenese kennen - ist von ihr fasziniert - und zieht zu ihr.
Hans Trimborn versucht sich - so ganz ne-
benbei - einige Zeit als Plastiker, Bildhauer
und Holzschnitzer, gibt aber auch diese
"Profession" schnell wieder auf und kehrt
- eher wankelmütig - nach Norderney zu
seiner Familie und zur Malerei zurück. Er
malt - reflektierend auf Gemälde von Paula
Moderson-Becker - zunächst Kinderpor-
traits und farbenfrohe Norderneymotive,
um danach - völlig gegen den "Stich" - eher
altmeisterlich holländische Genremotive in
einer Art "Rembrandt-Stil" auszuführen.
Natürlich ist ihm bewußt, dass er als Künstler
- weder als Musiker noch als Maler - die not-
wendige Konstanz aufweist, um erfolgreich
"ein Bein auf die Erde zu bekommen". Das
gärt in ihm. Seine Depressionen schlagen
nun häufiger durch.
Abb. links: Hinterhof auf Norderney; Abb. rechts (Rückseite): Windmühle
Er beschließt, seine Existenz als Musiker besser abzusichern und reist
nach Kopenhagen, um dort bei Alexander Stoffregen "einen besseren
Schliff am Klavier" vermittelt zu bekommen. Mit Unterstützung von Otto
Klemperer, dem bekannten Dirigenten und Komponisten, möchte er sich
in Norderney neu etablieren.
1928 Zurück in Norderney bemüht sich Hans
Trimborn darum, freiberuflich als Klavier-
lehrer arbeiten zu können. Beim Gewerbe-
amt stellt er den Antrag auf eine amtliche
Lehrerlaubnis. Er erhält die Genehmigung,
eine Musikschule zu eröffnen und erteilt
nun regelmäßig Klavierunterricht.
Abends tingelt er mit seiner "Tanzkapelle
Trimborn" durch die örtlichen Bars und
Kneipen. In der "Viktoriahalle" auf Nor-
derney gestaltet er ein eigenständiges
Musikprogramm, in dessen Rahmen er
unter anderem auch Eigenkompositionen
und "konzertante Lyrik-Interpretationen"
aufführt. Doch seine Versuche, als Kom-
ponist die erwünschte Beachtung zu finden,
werden kaum goutiert.
Obwohl die Weltwirtschaftskrise noch allenthalben zu spüren ist, kaufen
die Kurgäste bei Marta seine Ölgemälde. Es sind - wie Hans eher verächt-
lich anmerkt - "nichts als billige Andenken-Motive": Urlaubsbilder, Segel-
schiffe und Inselmotive.
Hans Trimborn ist tief gefrustet. Er vertraut sich einem Kurgast - Prof.
Dr. Rudolf Lemke - an, mit dem ihn vieles verbindet. Professor Lemke ist
- wie er - malender Arzt und Musiker zugleich. Er läd Hans Trimborn
zu sich nach Jena ein, wo er als Neurologe und Psychologe lehrt.
1931/32 Hans Trimborn nimmt sein Medizinstudium wieder auf. Er wohnt fast ein
Jahr bei Prof. Lemke. Dann wechselt Hans Trimborn zur Universität
Hamburg und quartiert sich in dieser Zeit erneut bei Dora Wenneker ein.
SS 1932 Nach einem Semester bricht Hans Trimborn sein Medizinstudium ohne
Abschluß entgültig ab. Frustriert kehrt er nach Norderney zurück und
nimmt die ihm vom zuständigen Generalmusikdirektor angetragene Stelle
eines Kapellmeisters beim Norderneyer Kurorchester an. Er verdient nicht
schlecht in dieser Position, fühlt sich aber nach einiger Zeit wieder "ange-
bunden und fremdbestimmt". Er will und muss ausbrechen.
1933 Mit der Machtergreifung Hitlers ändern sich die Rahmenbedingungen,
unter denen deutsche Künstler in Deutschland arbeiten können. Minister
Dr. Göbbels richtet die "Reichskulturkammer" in Berlin ein und verbietet
per Dekret alle "freien" berufständischen Künstlerorganisationen. Eine
der sieben zur "Reichskulturkammer" zählenden Fachkammern ist die
"Reichsmusikkammer". Mit großer Wahrscheinlichkeit ist Hans Trimborn
als Künstler nicht in der "Reichskammer der Bildenden Künste", sondern
in der "Reichsmusikkammer" organisiert. Anderenfalls hätte ihm als an-
gestellten Kapellmeister ein faktisches Berufsverbot gedroht.
1935 Von seinem Salär als Kapellmeister
kauft sich Hans Trimborn ein Segel-
boot, auf dem er leben und ausge-
dehnte Segeltörns unternehmen kann.
Er unternimmt Segeltouren nach
Kopenhagen, in die Ostsee und ent-
lang der ostfriesischen Küste zurück
nach Hamburg. Hier besucht er Dora
Wenneker.
1936 Die Fürstin Theda zu Inn- und Knyp-
hausen läd Hans Trimborn nach Schloss
Lütetsburg bei Norden (Ostfriesland)
ein. Er soll als Organist auf dem Schloß arbeiten und die Gäste der
Fürstin musikalisch unterhalten. Zudem beauftragt sie ihn, neben der
Ausmalung der Salons und Gästezimmer des Schlosses auch den
Schlosspark und einige der angrenzenden Ländereien zu malen, die
zu ihrem Fürstentum gehören.
Die Einladung der Fürstin gilt der ganzen Familie, doch der Nachzug
gestaltet sich schwierig. Metas Mutter - Eugenie Trapp - erkrankt und
stirbt 1938 auf Norderney. Meta und ihr Mann haben sich auseinander-
gelebt und leben bereits getrennt. Der Sohn Hannes arbeitet außerhalb in
einem Betrieb in Oldenburg. Da Metas Einkünfte komplett wegzubrechen
drohen, ist sie schießlich doch bereit, das Haus in der Wilhelmstraße 12
auf Norderney zu verkaufen und nach Lütetsburg zu ziehen.
1939 Hans Trimborn ist 49 Jahre alt, als der zweite Weltkrieg ausbricht. Für den
aktiven Dienst an der Waffe ist er zu alt. Er steht weiterhin in Diensten
der Fürstin zu Knyphausen. Mit seiner Frau Meta, die ebenfalls auf Schloß
Lütetsburg wohnt, verbindet ihn nur wenig. Er verlangt die Scheidung.
Dies umso mehr, als er im Folgejahr 1940 auf Schloß Lütetsburg die
junge Organistin Maria Immer kennenlernt. Sie wird - obwohl wesentlich
jünger - seine Geliebte.
1941 Sein Sohn Hannes Trimborn wird bei seinem Fronteinsatz verwundet. Die
Kriegsverletzung ist erheblich. Hans Trimborn ist geschockt, als er seinem
Sohn auf Lütetsburg wiederbegegnet. Der Krieg bekommt für ihn "ein
häßliches Gesicht". Ob er aber - wie später mehrfach kolportiert - tat-
sächlich zu einem überzeugten Pazifisten wird, erscheint fraglich. Nur
wenige seiner überlieferten Werke können tatsächlich als "leidenschaft-
liche Antwort des Künstlers auf den Krieg" interpretiert werden. Wenn
überhaupt, so hielt Hans Trimborn diese Werke versteckt und/oder ver-
nichtete sie eigenhändig. Das Gemälde "Christus am Kreuz mit Gas-
maske", das von vielen als Beleg seiner Antihaltung gegen den faschis-
tischen Krieg zitiert wird, ist heute verschollen.
Seine ebenfalls häufig zitierte Vertonung des Gedichtes von Erich Kästner:
"Stimmen aus dem Massengrab" stammt, wie auch die eindringliche zeich-
nerische Bearbeitung des Themas "Gasmasken" aus den frühen 20-er
Jahren und stellen nachweislich eine Reaktion auf den Gaskrieg des
Ersten Weltkrieges dar.
1945 Hans Trimborn nimmt als erzwungenes (?) Mitglied des Volkssturms
mit 54 Jahren letztendlich doch aktiv am Kriegsgeschehen teil. Wo er
das Kriegsende erlebt, ist nicht überliefert (Wahrscheinlich aber in
Ostfriesland). Hans Trimborn möchte "reinen Tisch machen" und einen
neuen Anfang machen:
1948 wird die Ehe mit Marta Trapp geschieden. 1950 heiratet Hans
Trimborn gegen erheblichen familiären Widerstand seine junge Ge-
liebte Maria Immer. Und auch die Fürstin - seine Arbeitgeberin - fürch-
tet um ihr gesellschaftliches Renomee.
1950 Hans Trimborn zieht mit seiner jungen Frau Maria in ein verlassenes Haus
im ländlich-abgelegenen Arle. 1952 wird Sohn Jan Trimborn geboren.
Hans Trimborn witmet sich eine Zeit lang ganz der Malerei. Wie viele
Maler jener Zeit orientiert er sich inhaltlich um. Er setzt sich mit den
Werken der französischen Kubisten, Juan Gris, Georges Braque und
Pablo Picasso auseinander, studiert die Werke von Henri Matisse,
Ferdinand Leger und Paul Cezanne. Auf der Suche nach einem zeit-
adäquaten Ausdruck und Stil orientiert er sich an Max Beckmann und
(erneut) an Paula Moderson-Becker, deren Werke er 1921 bei Bernhard
Hoetger in Worpswede im Original gesehen hatte.
1952 Im Zuge des Wiederaufbaus und der konjunkturellen Belebung in
Deutschland kommt es zum deutschen "Wirtschaftswunder". Die Künstler
profitieren auf ihre Weise davon, da sie durch die Aktion "Kunst am
Bau" bei öffentlichen Bauträgern (Bund, Länder, Städte und Kommunen)
zu Aufträgen kommen. Auch Hans Trimborn beteiligt sich an den Aus-
schreibungen. Er entwirft Wand- und Deckengemälde sowie Friese für öffentliche Gebäude (Ämter, Schulen, Sparkassen etc.) in Aurich, in
Norden und auf Norderney. Sein Ruf als "friesischer Künstler" fes-
tigt sich mit jedem Auftrag.
1960 Hans Trimborn zieht mit seiner Familie aus der inzwischen schon recht
baufälligen "Behausung" in Arle nach Norden, wo die Familie einen Neu-
bau bezieht. Hier wird Hans Trimborn schließlich entgültig sesshaft. Er
malt und verkauft Landschaftsbilder, Stadtansichten und Genrebilder.
Das Geschäft läuft recht gut.
1963 Hans Trimborn wird wegen "künstlerischer Verdienste" vom ostfriesischen
Landschaftsverband zum "Ostfriesen ehrenhalber" erklärt. Im Norden der
Bundesrepublik genießt er inzwischen ein hohes Ansehen, während sein
Name im Rheinland - seiner ursprünglichen Heimat - relativ unbekannt
bleibt. Erst mit dem späten Bemühen, ihn (nachträglich) in die Reihe der
"Rheinischen Expressionisten" einzuordnen, wird sein Name auch in
Bonn, der Heimatstadt August Mackes, wieder aktuell.
Mit zunehmendem Alter erfolgt bei Hans Trimborn eine Rückbesinnung auf
seine musikalischen Talente. In dem Maße, in dem seine malerischen
Ambitionen altersbedingt zurückgehen, wird die Musik immer wichtiger für
ihn. Ein Lebenskreis schließt sich.
1979 Hans Trimborn verstirbt am 10. Oktober 1979 im Alter von 88 Jahren in
Norden. Er findet auf dem dortigen Friedhof seine letzte Ruhestätte.
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