Hans Trimborn (1891-1979)

Hans Trimborn

1891   Hans Trimborn erblickt am 2.8.1891 in Plittersdorf,

           heute ein Stadtteil von Bonn, das Licht der Welt.

           Er wird drei Tage darauf in der Sankt Marien-Kirche

           in Bad Godesberg auf den Namen Johannes getauft.

           Sein Vater - Johann (genannt Jean) Trimborn - ar-

           beitet im Katasteramt von Bad Godesberg als Re-

           gistrator und Vermessungszeichner. Seine Mutter

           - Margarethe - (geborene Koeb) stammt ursprüng-

           lich aus Schweden. Hans Trimborn und seine jün-

           gere Schwester Anni wachsen in der Büchelstraße

           21 in Bad Godesberg auf bis die Mutter an Tuberku-

           lose erkrankt und 1898 im Alter von 27 Jahren ver-

           stirbt. Jean Trimborn gibt daraufhin seine beiden

           Kinder in die Obhut der Großeltern (Hermann und Anna Maria Trimborn),

           die in der nahen Turmstraße 5 die Gastwirtschaft Trimborn betreiben.

1897   Hans Trimborn wird von seinen Großeltern in die Volksschule in Plittersdorf

           eingeschult. Er und seine Schwester wohnen und schlafen bei den Groß-

           eltern. Schon früh "klimpert" der kleine Hans zur Unterhaltung der Gäste

           auf einem Klavier, das in der Gastwirtschaft steht. Er entwickelt ein gutes

           Gehör für Melodien und spielt - auch ohne bereits Noten lesen zu können -

           einige aufgeschnappte Studentenlieder und Gassenhauer aus dem Ge-

           dächtnis ab. Ein Gast zeigt ihm die Begleitakkorde und Hans übt sie ein.

           Offensichtlich besitzt er ein ausgeprägt musisches Talent, denn auch seine

           zeichnerischen Fähigkeiten werden bereits in frühen Zeichnungen (um 1900)

           deutlich. Möglicherweise leitet der Vater seinen Sohn zum Zeichnen "nach

           der Natur" an, ohne ihn aber systematisch betreuen zu können.          

Hans Trimborn als Schüler

1902   Der Vater - Jean Trimborn - heiratet am 13.4.1902

           erneut. Theresia Kurth . seine neue Frau - nimmt

           die beiden Kinder von den Großeltern zu sich und

           ist ihnen ein gute Mutter. Hans Trimborn wird in der

           Sankt Marien-Kirche Messdiener, Chorknabe und

           - gefördert durch den Pfarrer Dr. Winter - Aushilfs-

           organist. Er erhält externen Orgelunterricht und

           darf die Kirchenorgel in Sankt Marien gelegentlich

           zu Andachten, Taufen und Hochzeiten spielen.

 

1904   Auf Veranlassung des Gemeindepfarrers Dr. Winter

           wird Hans Trimborn in das "Hubertinum", einer

           höheren Privatschule für Knaben in Bad Godes-

           berg aufgenommen. 1906 wechelt er, nachdem er die Aufnahmeprüfung

           bestanden hat, in die Untertertia des "Königlichen Gymnasiums" - heute

           das "Beethoven-Gymnasium" - in Bonn.

Hans Trimborn: "Aufwärmen am Ofen" (1908)

1908   Hans Trimborn ist 17 Jahre alt, als er im Rahmen

           des schulischen Kunstunterrichtes die ersten - über

           das Stadium des Ausprobierens hinausgehenden

           Zeichnungen und Gemälde anfertigt. Einer seiner

           Mitschüler ist der gleichaltrige Paul Adolf Seehaus

           (1891-1919), der später - noch vor seinem Abitur

           - als junger Maler von August Macke entdeckt und

           dessen "künstlerischen Ziehsohn" wird. August

           Macke unterrichtet Paul Adolf Seehaus von 1911

           bis 1914 und läßt seinen Zögling auch an der "Aus-

           stellung Rheinische Expressionisten" im Haus der

           Verlagsbuchhandlung Friedrich Cohen schräg ge-

           genüber dem stadtseitigen Haupteingang der Uni-

           versität Bonn teilnehmen.

            Hans Trimborn und Paul Adolf Seehaus freunden sich an. Eine Verbindung,             die über Hans Trimborns Wegzug aus Bonn bis 1918, ein Jahr vor dem

            frühen Tod Paul Adolf Seehaus am 13.03.1919 anhält. Die beiden Gymna-

            siasten verabreden sich zum gemeinsamen Malen - meist in der direkten

            Umgebung von Plittersdorf, wo sie dörfliche Straßenszenen und (natürlich)

            den Rhein und das Rheinufer vor der Kulisse des Siebengebirges auf Lein-

            wand bannen.

Hans Trimborn: Rheinpromenade in Godesberg (Bleistiftskizze)
Hans Trimborn: Rheinpromenade in Godesberg (Ölskizze)

            Doch im Gegensatz zu Seehaus ist Hans Trimborn von seinen Interessens-

            gebieten her nicht allein auf die Malerei fixiert, vielmehr ist er auch ein

            recht guter Fußballer beim Godesberger Fußballverein (GFV), in dessen 1.

            Mannschaft er spielt. Darüber hinaus aber gehört seine Liebe der Musik.

            Die Stadt Bonn ist traditionell der Musik mehr zugetan, als den bildenden

            Künsten. Jungen Musikern wird eine ungleich ausgeprägtere Infrastruktur

            zum seriösen Lernen und Vorspielen geboten als jungen Malern. Hans

            Trimborns musikalisches Repertoire am Klavier, wie auch seine "exzellente

            Improvisationsfähigkeit" erregen zunehmend Aufsehen. In den wöchendlich

            in der gehobenen Bonner Bürgerschicht stattfindenen "Musiksalons" ist er

            ein gern gesehener Gast-Pianist. Er lernt die aufstrebende Beethoven-

            Interpretin Elly Ney (1882 - 1968) kennen und wird von dieser - trotz seiner

            Jugend - als talentierter junger Kollege akzeptiert. Eigentlich steht seiner

            Karriere als Musiker kaum etwas entgegen. Doch es kommt anders.

Paul Adolf Seehaus (links) und Hans Trimborn (1913)

            Hans Trimborns schulische Leistungen sind -

            ebenso wie die seines Freundes Paul Adolf

            Seehaus - alles andere als glänzend. Viel-

            leicht liegt dies daran, dass er regelmäßig

            abends in der Gaststätte Trimborn zur Unter-

            haltung der Gäste aufspielt und sich durch

            die "Schlagermelodien" ein gutes, für einen

            jungen Mann durchaus beachtenswertes

            Taschengeld dazuverdient. Offensichtlich

            lenkt die einträgliche Nebenbeschäftigung

            den Gymnasiasten ab. Er bleibt im Gymna-

            sium sitzen und muß gleich zweimal den

            Lehrstoff wiederholen. Das ficht ihn aber

            kaum an, da es seinem Freund Paul Seehaus

            ähnlich ergeht und beide durchaus Alterna-

            tiven zum schulischen Pauken in ihrer künst-

            lerischen Tätigkeit sehen: Paul als expres-

            siver Maler und Hans als konzertanter Musiker.

1913    Hans Trimborn erwirbt am Beethoven-Gymnasium die allgemeine Hoch-

            schulreife (mit einem eher dürftigen Notenschnitt) . Er möchte Musiker

            von Beruf werden. Doch sein Vater (und wahrscheinlich auch seine Stief-

            mutter) haben etwas dagegen. Sie drängen darauf, dass Hans Trimborn

           "etwas Anständiges" lernt. Er soll Arzt werden. Gehorsam nimmt Hans

            Trimborn im Sommer 1913 ein Medizinstudium an der Rheinischen Friedrich-

            Wilhelm-Universität in Bonn auf. 

Hans Trimborn: Selbstbildnis 1914

             August Macke organisiert 1913 die "Ausstel-

             lung Rheinischer Expressionisten" im Kunst-

             salon Cohen. Paul Adolf Seehaus nimmt da-

             ran teil, sein Freund Hans Trimborn steht

             außen vor. Aktuell versucht man heute zwar,

             Hans Trimborns in Bonn entstandene Bild-

             werke ebenfalls dem Kreis des Rheinischen

             Expressionismus zuzurechnen. Letztendlich

             aber fehlt seinen Werken - wie auch seiner

             Biografie als zeitgenössischer Maler ein ent-

             sprechend professioneller Unterbau, der

             eine solche Zuordnung rechtfertigen würde.

             Er ist und bleibt Autodidakt. Alleine eine all-

             gemeine zeitliche und räumliche Zuordnung

             sowie die belegte Freundschaft mit Paul Adolf

             Seehaus reicht kaum aus, Hans Trimborn

             malerisch zu einem Rheinischen Expressio-

             nisten zu erklären.

            

1914     Als Medizinstudent ist Hans Trimborn zunächst vom Wehrdienst freigestellt.

             Doch in seiner patriotischen Begeisterung meldet er sich freiwillig beim

             Roten Kreuz und wird als Hilfssanitäter in Lazarettzügen eingesetzt, die

             regelmäßig in das nahe Frontgebiet nach Westflandern fahren, um Kriegs-

             verletzte und -verwundete aufzunehmen. Mehr zur eigenen Ablenkung als

             denn aus einem wirklichen inneren Bedürfnis heraus, skizziert er die Land-

             schaften und Menschen um sich herum. Unter Anleitung seines Freundes

             Paul Seehaus entstehen zuhause in Bonn aus diesen Skizzen Ölbilder. Paul

             rät ihm, weniger die Kriegs- und Lazarettszenen als Motiv aufzunehmen,

             sondern sich vielmehr den klassischen Motiven (Portraits, Damen- und

             Herrenbildnisse, Landschaften und Ortsansichten) zuzuwenden. Hans malt

             "aus der Lameng heraus, ohne" - wie er selbst sagt, "viel nachzudenken". 

             Aber da Paul bereits seit drei Jahren regelmäßig von August Macke unter-

             richtet wird - bis dieser am 16.9.1914 in Frankreich durch einen Kopfschuß

             fällt - färbt dessen Malweise indirekt über Paul Seehaus auch auf Hans

             Trimborn ab. In seinen Bildern finden sich nun beispielsweise ebenfalls

            "Promenadenszenen", die "das gesellschaftliche Ritual des Spazierengehens

             und des sonntäglichen Müßiggangs am Rhein" wiedergeben. 

             Ende des Jahres 1914 erkrankt Hans Trimborn. Er wird formal aus den              Diensten des Roten Kreuzes entlassen, meldet sich aber im Januar 1915

             als Kriegsfreiwilliger wieder zurück und wird dem "Reserve-Lazarett

             Godesberg" zugeteilt, das im damaligen Viktoria-Hospital eingerichtet wird.

Hans Trimborn im Viktoria-Hospital (1915)

1915     Hans Trimborn lernt im Reserve-Lazarett in

             Bad Godesberg die Schwesternhelferin Marta

             Trapp kennen und verliebt sich in sie. Er

             selbst wohnt bei seinen Eltern in Plittersdorf.

             Marta Trapp stammt aus gutbürgerlichen Ver-

             hältnissen. Sie ist eine ausnehmend gute

             Klavierspielerin, die sich in einer privaten

             Musikschule in Bonn zur Konzertpianistin aus-

             bilden lässt. In ihren Briefen tauscht das junge

             Paar Gedanken zur Musik, zur bildenden Kunst,

             zum Kriegsgeschehen und (natürlich) zu ihrer

             Verantwortung im Dienst am Vaterland - er

             als angehender Arzt, sie als Krankenschwester

             - aus. Parallel zu seinen Tätigkeiten im Reser-

             ve-Lazarett Godesberg nimmt Hans Trimborn

             zum Wintersemester 1915 sein Medizinstudium

             in Bonn wieder auf. Mit einigen Mühen schafft

             er im zweiten Anlauf im Mai 1916 die "Medizinische Vorprüfung".

1916     Hans Trimborn wird im August 1916 zum "Feldunterarzt" ernannt und nach

             St. Vith in die Eifel versetzt, wo ein Kloster zum Feldlazarett umfunktioniert

             wird. Hier richtet sich Hans Trimborn häuslich ein, wozu auch eine "Malecke"

             gehört, die Hans Trimborn gegenüber Dritten gerne als sein "Maleratelier"

             ausweist. Hier malt er unter anderem das Bild: "Sterbezimmer", das wohl

             eines der wichtigsten Frühwerke Hans Trimborns ist.

Hans Trimborn: Das Sterbezimmer (1916)
Hans Trimborn: Ansicht von Bad Godesberg (1916)
Hans Trimborn: Selbstportrait (1916)

1917     Bei einem kurzen Intermezzo als Hilfs-Chirurg

             im Reserve-Lazarett von Bad Neuenahr kommt

             der Verdacht auf eine Tuberkulose-Erkrankung

             bei ihm auf. Hans Trimborn wird daraufhin als

             Patient in eine TBC-Klinik nach Badenweiler

             überwiesen. Doch der Verdacht erhärtet sich

             nicht und so wird er in ein Reserve-Lazarett nach

             Vallendar-Marienau (bei Koblenz) versetzt, wo

             er in der Abteilung für Blasen-, Haut- und Ge-

             schlechtskrankheiten von Juli 1917 bis zum

             Kriegsende im November 1918 seinen ärztlichen

             Dienst versieht.

1918     Der enge freundschaftliche Kontakt zu Paul Adolf Seehaus bricht ab. Wo-

             durch dieses "Auseinanderdriften" ausgelöst wurde, ist nicht bekannt.

             Möglicherweise brach Seehaus seinerseits die bis dahin doch sehr enge

             Malerfreundschaft aus gesundheitlichen Gründen ab. Im Folgejahr verstirbt

             der Maler im Alter von 27 Jahren an einer Lungenentzündung (TBC ?) in

             Hamburg. Hans Trimborns einzige künstlerische Bezugsperson ist nun

             Marta Trapp, die für ihn den Kontakt zum rheinischen Kunsthandel in Köln

             und Bonn sowie zu einigen wichtigen Kunstsammlern (u.a. Dr. Heinrich

             Stinnes in Köln) hält. 

             Seine Bilder in aller Öffentlichkeit selbst zu propagieren, fällt Hans Trimborn

             schwer und so überläßt er Marta Trapp dieses Aufgabenfeld. Er selbst

             witmet sich nun verstärkt der Musik, komponiert erstmals eigene Klavier-

             stücke und Lieder nach Texten von Friedrich Hölderlin.

             Am 30. 11.1918 wird Hans Trimborn aus dem Heeresdienst entlassen und

             zur Ruprechts-Karl-Universität nach Heidelberg beordert, wo er sein Stu-

             dium der Medizin am 13. Dezember 1918 wieder aufnimmt. Er mietet eine

             Kleinwohnung bei Prof. Dr. Ernst-Gerhart Dresel und dessen Frau Ila

             Dresel-Koenenkamp. Professor Dresel ist Mediziner, unterrichtet an der

             Universität Heidelberg und ist als Förderer der Bildenden Künste stadt-

             bekannt.

 

1919     Prof. Dresel weist seinem jungen Mieter (kostenlos) ein Gartenhaus auf

             seinem Anwesen als Atelier zu und führt ihn in den Kreis der von ihm ge-

             förderten Künstler ein. Nächtelang diskutiert man in diesem Kreis die Rolle,

             die die Bildende Kunst nach dem verlorenen Krieg in Deutschland einneh-

             men müsste. Welche Aufgaben ihr zufallen, welche Themen und Darstel-

             lungsstile zu wählen sind und welche künstlerischen Ansätze jeder einzelne

             verfolgt. Hans Trimborn hält sich in diesen Diskussionen weitgehend zu-

             rück. Er witmet sich verstärkt seinem Medizinstudium, dass er im kom-

             menden Jahr abzuschließen gedenkt. Neben seinen intensiven Lernen

             bleibt wenig Zeit für die Malerei. Marta Trapp ist inzwischen aus dem

             Rheinland zu einer Freundin nach Bierenmühle in's Erzgebirge umgezogen.

             Hans Trimborn schreibt ihr regelmäßig dorthin voller Zuversicht, dass er

             es bald zum Arzt geschafft hat.

             Hans geht unvorsichtigerweise ein Verhältnis mit Ila Dresel, der

             jungen Frau seines Vermieters und Förderers ein. Als dieses schließlich

             ruchbar wird, setzt ihn Prof Dr. Dresel kurzerhand vor die Tür. Hans sieht

             sich gezwungen, sein Medizinstudium in Heidelberg kurz vor Schluß abzu-

             brechen. Für einem erfolgreichen Abschluß braucht er noch Leistungs-

             scheine seines ehemaligen Förderers. Schnell merkt er, dass der "Dunst-

             kreis" und kollegiale Einflußbereich von Prof. Dresel auch zu anderen medi-

             zinischen Fakultäten weit gesteckt ist. Er kann sich ausrechnen, dass er auf

             absehbare Zeit keine realistische Chance zum Abschluß seines Studiums

             hat. Nach Bonn zu seinen Eltern kann er auch nicht zurückkehren. Sie

             missbilligen seine Eskapade auf's Schärfste und fürchten offensichtlich um

             ihren eigenen Ruf.

             Hans fährt zu seiner Freundin Marta Trapp in's Riesengebirge. Dort kommt

             er für einige Zeit bei deren Freundin unter. Am 16. August 1919 heiratet

             das Paar in der Kirche von Bierenmühle.

Hochzeit mit Marta Trapp in Bierenmühle (1919)

             Das junge Ehepaar beschließt, gemeinsam einen komplett neuen Anfang zu

             machen. Sie besuchen - geplant wohl im Rahmen ihrer Hochzeitsreise - eine

             anderen Freundin von Marta, die in dem kleinen ostfriesischen Dorf Enger-

             hafe wohnt. Sie werden freudig aufgenommen und zum Bleiben veranlaßt.

             Bei ihren Ausflügen besucht das Paar auch die Insel Norderney. Hier gefällt

             es ihnen. Mitte Oktober 1919 suchen sie sich dort eine Unterkunft und

             mieten eine günstige Wohnung in der Wilhelmstraße 12. Marta besorgt sich

             ein Klavier und beginnt - wie ihr Mann - mit ihren täglichen Musikübungen.

             Das geht nicht lautlos von statten und so bekommen die Nachbarn fast

             täglich Gratiskonzerte zu hören. Schnell spricht sich unter den damals

             knapp 4000 (einheimischen) Inselbewohnern herum, dass Marta eine aus-

             gebildete Pianistin ist und Hans, ihr Mann, durchaus gleichwertig Musik

             machen kann. Als ihr Zuzug amtlich ist, integriert man das junge Paar

             Schritt für Schritt in den kulturellen Betrieb des Kurbades Norderney.

             Zunächst spielen Marta Trimborn - später auch ihr Mann Hans Trimborn -

             als Solisten im Rahmenprogramm des Kurhauses klassische Musik - vor

             allem Stücke von Beethoven und Mozart.

              Die Zahl der Kurgäste steigt stetig. Von knapp

              14.000 im Jahr 1919 auf 20.000 im Jahr 1920

              bis auf über 35.000 im Jahr 1921.

              Hans Trimborn übernimmt die Stelle des Kir-

              chenchorleiters, er spielt im Noderneyer Sym-

              phonieorchester mit, untermalt in den Som-

              mermonaten das örtlichen Stummfilm-Frei-

              lichtkino mit seiner Musik und verdient sich

              ein regelmäßiges Einkommen durch seine

              abendlichen Engagements bei den örtlichen

              Bar-, Kneipen- und Restaurantwirten, deren

              Gäste er mit "schmissiger" Tanzmusik und

              Jazz, entweder am Piano, oder als ausge-

              zeichneter Klarinette- und Saxophonspieler

              unterhält.

1921       Marta wird schwanger. Ein Sohn - getauft auf den Namen Johannes

               (Hannes) Trimborn - vergrößert die Familie. Hans Trimborn - der Vater -

               richtet sich ein Atelier in der Wilhelmstraße 12 ein. Bis dahin hat er sich

               in seiner Freizeit (neben seinen Musik-Engagements) überwiegend zeich-

               nerisch betätigt.

               Jetzt "wagt" er sich wieder an Ölgemälde. Seine Motive entnimmt er dem

               direkten Umfeld: Fischer beim Netzauswerfen, Badegäste am Strand und

               beim Flanieren, Dünenhäuser, Strandhäuser, Strandkörbe, Strandgras im

               Wind etc.

Hans Trimborn: "Fischkutter an der Mole von Norderney"

                Hans Trimborn begegnet dem Bremer Kaufmann und Kunstförderer

                Ludwig Roselius. Schon bald entwickelt Roselius Pläne, Hans Trimborn

                als rheinischen Expressionisten mit großen Zukunftsperspektiven be-

                kannt zu machen. Er vermittelt ihm Ausstellungsmöglichkeiten zur
               "Bremer Kunstschau" sowie im "Bremer Kunstzirkel". Zudem kauft er

                ihm für 7700 Reichsmark einige Bilder ab. Er vermittelt ihm gutdotierte

                Buchillustrationsaufträge und versucht, seinen Schützling in den Kreis

                der Worpsweder Malern zu bringen. Das alles hat aber verhältnismäßig

                wenig Erfolg. Ludwig Roselius stete Bemühungen werden von Trimborn

                einfach nicht aufgenommen, teilweise sogar konterkariert. Immerhin

                gelingt es Roselius, Hans Trimborn dem damals bereits bekannten

                Worpsweder Maler Bernhard Hoetger vorzustellen. Aus dieser Begegnung

                resultiert - nach einigen Anläufen - eine mehr oder minder feste Maler-

                freundschaft zwischen Trimborn und Hoetger. Sie laden sich gegenseitig

                ein. Trimborn sieht im Atelier von Berhard Hoetger einige Gemälde der

                schon früh verstorbenen, damals noch weitgehend unbekannten Malerin

                Paula Moderson-Becker und ist tief beeindruckt.            

Hans Trimborn  links: "Akt am Wasser";   rechts: "Akt mit gekreuzten Armen"

Bernhard Hoetger: Signetentwurf für das Kaffee/Kunsthaus "Kiekbimut"

1923        Hoetger entwickelt bei seinem Gegen-

                besuch in Norderney den Plan, dort ein

                Kunst-Cafe zu eröffnen, damit die Kur-

                gäste sowohl die lokale, wie die Worps-

                weder Malerszene in einem gemütlich-

                entspannten Umfeld kennenlernen kön-

                nen. Ludwig Roselius - der als cleverer

                Geschäftsmann unter anderem die Mar-

                ken- und Vertriebsrechte an dem be-

                kannten Bremer "Kaffee Haag" besitzt,

                finanziert das Kunst-Cafe auf Norder-

                ney, das von Hoetger und Trimborn den

                Namen "Kiekbimutt" erhält.

 

1924        Trimborn soll sich als angestellter Ge-

                schäftsführer um den Betrieb des Cafes

                und wechselnde Kunstausstellungen

                kümmern. Besonderen Elan legt er in

                der Folgezeit aber nicht an den Tag, so dass Hoetger und Roselius ge-

                zwungen sind, das Cafe unter dem Namen "Kaffee Worpswede" alleine

                weiterzuführen.

Innenansicht des Kaffee: "Kiekbimutt" (1923/24)

                So "vergeigt" Hans Trimborn Chance auf Chance. Er taumelt von einer

                finanziellen Krise in die nächste. Auftragsarbeiten und feste Engagements,

                ja jegliche feste Bindung an Personen und Programme sind ihm zuwider,

                lösen eher Fluchtgedanken und ein sich "Absetzenwollen" aus.

                Das bekommt auch seine Familie (Marta und Sohn Hannes) leidvoll zu

                spüren. Marta holt - um über die Runden zu kommen - ihre Mutter nach

                Norderney. Zu Dritt leben sie von Martas gelegentlichen Konzert-Engage-

                ments und der kleinen Pension, die ihre Mutter bezieht.

 1925       Hans Trimborn wird musikalischer Leiter der Tanzrevue des Wiener

                Femina Theaters, als das Ensemble in Norderney auftritt. Anschließend

                tourt die Tanzrevue durch Norddeutschland und macht unter anderem

                auch in Hamburg Halt. Hans Trimborn lernt die Malerin Dora Wenneker in

                Blankenese kennen - ist von ihr fasziniert - und zieht zu ihr.

Hans Trimborn als Plastiker, hier mit "Kopfstudie II"

                Hans Trimborn versucht sich - so ganz ne-

                benbei - einige Zeit als Plastiker, Bildhauer

                und Holzschnitzer, gibt aber auch diese

               "Profession" schnell wieder auf und kehrt

                - eher wankelmütig - nach Norderney zu

                seiner Familie und zur Malerei zurück. Er

                malt - reflektierend auf Gemälde von Paula

                Moderson-Becker - zunächst Kinderpor-

                traits und farbenfrohe Norderneymotive,

                um danach - völlig gegen den "Stich" - eher

                altmeisterlich holländische Genremotive in

                einer Art "Rembrandt-Stil" auszuführen.

                Natürlich ist ihm bewußt, dass er als Künstler

                - weder als Musiker noch als Maler - die not-

                wendige Konstanz aufweist, um erfolgreich

               "ein Bein auf die Erde zu bekommen". Das

                gärt in ihm. Seine Depressionen schlagen

                nun häufiger durch.

Abb. links: Hinterhof auf Norderney;    Abb. rechts (Rückseite): Windmühle

                Er beschließt, seine Existenz als Musiker besser abzusichern und reist

                nach Kopenhagen, um dort bei Alexander Stoffregen "einen besseren

                Schliff am Klavier" vermittelt zu bekommen. Mit Unterstützung von Otto

                Klemperer, dem bekannten Dirigenten und Komponisten, möchte er sich

                in Norderney neu etablieren.

Tanzkapelle Trimborn

1928        Zurück in Norderney bemüht sich Hans

                Trimborn darum, freiberuflich als Klavier-

                lehrer arbeiten zu können. Beim Gewerbe-

                amt stellt er den Antrag auf eine amtliche

                Lehrerlaubnis. Er erhält die Genehmigung,

                eine Musikschule zu eröffnen und erteilt

                nun regelmäßig Klavierunterricht.

                Abends tingelt er mit seiner "Tanzkapelle

                Trimborn" durch die örtlichen Bars und

                Kneipen. In der "Viktoriahalle" auf Nor-

                derney gestaltet er ein eigenständiges

                Musikprogramm, in dessen Rahmen er

                unter anderem auch Eigenkompositionen

                und "konzertante Lyrik-Interpretationen"

                aufführt. Doch seine Versuche, als Kom-

                ponist die erwünschte Beachtung zu finden,

                werden kaum goutiert.

                Obwohl die Weltwirtschaftskrise noch allenthalben zu spüren ist, kaufen

                die Kurgäste bei Marta seine Ölgemälde. Es sind - wie Hans eher verächt-

                lich anmerkt - "nichts als billige Andenken-Motive": Urlaubsbilder, Segel-

                schiffe und Inselmotive.

                Hans Trimborn ist tief gefrustet. Er vertraut sich einem Kurgast - Prof.

                Dr. Rudolf Lemke - an, mit dem ihn vieles verbindet. Professor Lemke ist

                - wie er - malender Arzt und Musiker zugleich. Er läd Hans Trimborn

                zu sich nach Jena ein, wo er als Neurologe und Psychologe lehrt.

1931/32  Hans Trimborn nimmt sein Medizinstudium wieder auf. Er wohnt fast ein

                Jahr bei Prof. Lemke. Dann wechselt Hans Trimborn zur Universität

                Hamburg und quartiert sich in dieser Zeit erneut bei Dora Wenneker ein.

SS 1932   Nach einem Semester bricht Hans Trimborn sein Medizinstudium ohne

                Abschluß entgültig ab. Frustriert kehrt er nach Norderney zurück und

                nimmt die ihm vom zuständigen Generalmusikdirektor angetragene Stelle

                eines Kapellmeisters beim Norderneyer Kurorchester an. Er verdient nicht

                schlecht in dieser Position, fühlt sich aber nach einiger Zeit wieder "ange-

                bunden und fremdbestimmt". Er will und muss ausbrechen.

1933         Mit der Machtergreifung Hitlers ändern sich die Rahmenbedingungen,

                 unter denen deutsche Künstler in Deutschland arbeiten können. Minister

                 Dr. Göbbels richtet die "Reichskulturkammer" in Berlin ein und verbietet

                 per Dekret alle "freien" berufständischen Künstlerorganisationen. Eine

                 der sieben zur "Reichskulturkammer" zählenden Fachkammern ist die

                "Reichsmusikkammer". Mit großer Wahrscheinlichkeit ist Hans Trimborn

                 als Künstler nicht in der "Reichskammer der Bildenden Künste", sondern

                 in der "Reichsmusikkammer" organisiert. Anderenfalls hätte ihm als an-

                 gestellten Kapellmeister ein faktisches Berufsverbot gedroht.

Hans Trimborn auf seinem Segelboot "Delfin"

1935        Von seinem Salär als Kapellmeister

                kauft sich Hans Trimborn ein Segel-

                boot, auf dem er leben und ausge-

                dehnte Segeltörns unternehmen kann. 

                Er unternimmt Segeltouren nach

                Kopenhagen, in die Ostsee und ent-

                lang der ostfriesischen Küste zurück

                nach Hamburg. Hier besucht er Dora

                Wenneker.

               

1936        Die Fürstin Theda zu Inn- und Knyp-

                hausen läd Hans Trimborn nach Schloss

                Lütetsburg bei Norden (Ostfriesland)

                ein. Er soll als Organist auf dem Schloß arbeiten und die Gäste der

                Fürstin musikalisch unterhalten. Zudem beauftragt sie ihn, neben der

                Ausmalung der Salons und Gästezimmer des Schlosses auch den

                Schlosspark und einige der angrenzenden Ländereien zu malen, die

                zu ihrem Fürstentum gehören.

                Die Einladung der Fürstin gilt der ganzen Familie, doch der Nachzug

                gestaltet sich schwierig. Metas Mutter - Eugenie Trapp - erkrankt und

                stirbt 1938 auf Norderney. Meta und ihr Mann haben sich auseinander-

                gelebt und leben bereits getrennt. Der Sohn Hannes arbeitet außerhalb in

                einem Betrieb in Oldenburg. Da Metas Einkünfte komplett wegzubrechen

                drohen, ist sie schießlich doch bereit, das Haus in der Wilhelmstraße 12

                auf Norderney zu verkaufen und nach Lütetsburg zu ziehen.

1939        Hans Trimborn ist 49 Jahre alt, als der zweite Weltkrieg ausbricht. Für den

                aktiven Dienst an der Waffe ist er zu alt. Er steht weiterhin in Diensten

                der Fürstin zu Knyphausen. Mit seiner Frau Meta, die ebenfalls auf Schloß

                Lütetsburg wohnt, verbindet ihn nur wenig. Er verlangt die Scheidung.

                Dies umso mehr, als er im Folgejahr 1940 auf Schloß Lütetsburg die 

                junge Organistin Maria Immer kennenlernt. Sie wird - obwohl wesentlich

                jünger - seine Geliebte.

 1941       Sein Sohn Hannes Trimborn wird bei seinem Fronteinsatz verwundet. Die

                Kriegsverletzung ist erheblich. Hans Trimborn ist geschockt, als er seinem

                Sohn auf Lütetsburg wiederbegegnet. Der Krieg bekommt für ihn "ein

                häßliches Gesicht". Ob er aber - wie später mehrfach kolportiert - tat-

                sächlich zu einem überzeugten Pazifisten wird, erscheint fraglich. Nur 

                wenige seiner überlieferten Werke können tatsächlich als "leidenschaft-

                liche Antwort des Künstlers auf den Krieg" interpretiert werden. Wenn

                überhaupt, so hielt Hans Trimborn diese Werke versteckt und/oder ver-

                nichtete sie eigenhändig. Das Gemälde "Christus am Kreuz mit Gas-

                maske", das von vielen als Beleg seiner Antihaltung gegen den faschis-

                tischen Krieg zitiert wird, ist heute verschollen.

                Seine ebenfalls häufig zitierte Vertonung des Gedichtes von Erich Kästner:

                "Stimmen aus dem Massengrab" stammt, wie auch die eindringliche zeich-

                nerische Bearbeitung des Themas "Gasmasken" aus den frühen 20-er

                Jahren und stellen nachweislich eine Reaktion auf den Gaskrieg des

                Ersten Weltkrieges dar.

1945         Hans Trimborn nimmt als erzwungenes (?) Mitglied des Volkssturms

                 mit 54 Jahren letztendlich doch aktiv am Kriegsgeschehen teil. Wo er

                 das Kriegsende erlebt, ist nicht überliefert (Wahrscheinlich aber in

                 Ostfriesland). Hans Trimborn möchte "reinen Tisch machen" und einen

                 neuen Anfang machen:

                 1948 wird die Ehe mit Marta Trapp geschieden. 1950 heiratet Hans

                 Trimborn gegen erheblichen familiären Widerstand seine junge Ge-

                 liebte Maria Immer. Und auch die Fürstin - seine Arbeitgeberin - fürch-

                 tet um ihr gesellschaftliches Renomee.            

1950         Hans Trimborn zieht mit seiner jungen Frau Maria in ein verlassenes Haus

                 im ländlich-abgelegenen Arle. 1952 wird Sohn Jan Trimborn geboren.

                 Hans Trimborn witmet sich eine Zeit lang ganz der Malerei. Wie viele

                 Maler jener Zeit orientiert er sich inhaltlich um. Er setzt sich mit den

                 Werken der französischen Kubisten, Juan Gris, Georges Braque und

                 Pablo Picasso auseinander, studiert die Werke von Henri Matisse,

                 Ferdinand Leger und Paul Cezanne. Auf der Suche nach einem zeit-

                 adäquaten Ausdruck und Stil orientiert er sich an Max Beckmann und

                 (erneut) an Paula Moderson-Becker, deren Werke er 1921 bei Bernhard

                 Hoetger in Worpswede im Original gesehen hatte.

1952         Im Zuge des Wiederaufbaus und der konjunkturellen Belebung in

                 Deutschland kommt es zum deutschen "Wirtschaftswunder". Die Künstler

                 profitieren auf ihre Weise davon, da sie durch die Aktion "Kunst am

                 Bau" bei öffentlichen Bauträgern (Bund, Länder, Städte und Kommunen)

                 zu Aufträgen kommen. Auch Hans Trimborn beteiligt sich an den Aus-

                 schreibungen. Er entwirft Wand- und Deckengemälde sowie Friese für                  öffentliche Gebäude (Ämter, Schulen, Sparkassen etc.) in Aurich, in

                 Norden und auf Norderney. Sein Ruf als "friesischer Künstler" fes-

                 tigt sich mit jedem Auftrag. 

1960        Hans Trimborn zieht mit seiner Familie aus der inzwischen schon recht

                baufälligen "Behausung" in Arle nach Norden, wo die Familie einen Neu-

                bau bezieht. Hier wird Hans Trimborn schließlich entgültig sesshaft. Er

                malt und verkauft Landschaftsbilder, Stadtansichten und Genrebilder.

                Das Geschäft läuft recht gut.

1963        Hans Trimborn wird wegen "künstlerischer Verdienste" vom ostfriesischen

                Landschaftsverband zum "Ostfriesen ehrenhalber" erklärt. Im Norden der

                Bundesrepublik genießt er inzwischen ein hohes Ansehen, während sein

                Name im Rheinland - seiner ursprünglichen Heimat - relativ unbekannt

                bleibt. Erst mit dem späten Bemühen, ihn (nachträglich) in die Reihe der

               "Rheinischen Expressionisten" einzuordnen, wird sein Name auch in

                Bonn, der Heimatstadt August Mackes, wieder aktuell.

                Mit zunehmendem Alter erfolgt bei Hans Trimborn eine Rückbesinnung auf

                seine musikalischen Talente. In dem Maße, in dem seine malerischen

                Ambitionen altersbedingt zurückgehen, wird die Musik immer wichtiger für

                ihn. Ein Lebenskreis schließt sich.

1979        Hans Trimborn verstirbt am 10. Oktober 1979 im Alter von 88 Jahren in

                Norden. Er findet auf dem dortigen Friedhof seine letzte Ruhestätte.

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