Günter Ferdinand Ris (1928 - 2005)

Das Künstlerprofil des Bonner Künstlers Günter Ferdinand Ris befindet sich aktuell in redaktioneller Vorbereitung. Dabei werden auf die früheren Angaben zur Biographie des Künstlers, die bisher im Kapitel "Sammlungsbezogene Künstlerprofile" wiedergegeben wurden sowie auf die im Kapitel "Bildarchiv/Scans" gesammelten Fotoabbildungen zurückgegriffen. (Nach redaktioneller Fertigstellung des Künstler-profils werden diese Seiten gelöscht).

Günter Ferdinand Ris

1928  Günter Ferdinand Ris erblickt am 16. Mai 1928 in

          Manfort, heute ein Stadtteil von Leverkusen, das

          Licht der Welt. Sein Vater - Fritz Ris (1897 - 1973)

          führt den Stammbaum der Familie Ris bis auf den

          Rechenmeister Adam Riese (1492-1559) - reportiert

          als Adam Ris bzw. Adam Ries - zurück. Fritz Ris

          war seines Zeichens ein renommierter Bau-

          architekt (Diplom-Ingenieur), Stahl-Unternehmer

          und Miteigner der Stahlbaugesellschaft Rippenstreck.

          Das Unternehmen besaß ein Patent auf die Herstel-

          lung von gezogenem Streckmetall, das überwiegend

          in der Gestaltung von Gebäudefassaden (zur Armie-

          rung und Sicherung des Außenputzes sowie im Ge-

          bäude-Innenausbau (zur Herstellung von "Rabitz-

          kästen" etc.) benötigt wurde.

          Günter Ferdinands Vater war in Leverkusen sehr gut vernetzt. Er arbeitete

          als Architekt und Bauberater für namhafte Industrieunternehmen. Über

          Günter Ferdinands Mutter - Maria Ris (geb. Weingärtner) - war sein Vater

          rund 20 Jahre lang Mitglied des familieneigenen Gesellschaftsausschusses

          des bedeutenden Leverkusener Stahlunternehmens Wuppermann. (Noch

          heute ist das Unternehmen bzw. dessen Nachfolger ein reines Familien-

          unternehmen. Ein Onkel von Günter Ferdinand Ris war der Bankier Dr. Carl

          Wuppermann (1880 bis 1973), der in der Zeit vor und nach dem 2. Weltkrieg

          als Direktor der Generaldirektion der Deutschen Bank großen Einfluss besaß.

          Vertreter der Familie Wuppermann waren später im BDI Bundesverband der

          Deutschen Industrie und seinen Unterausschüssen (u.a. in dem Unteraus-

          schuß für Kunst und Kultur) engagiert. 

          Günter Ferdinand Ris wuchs sorgenfrei in großbürgerlich-vermögenden

          Familienverhältnissen auf. Belastbare Angaben zu seinem spezifisch früh-

          kindlichen Lebensumfeld, zu Konfession, Glauben und den besonderen

          familiären Prägungen fehlen allerdings.

 

1934  Vermutlich wird Günter - wie er zuhause gerufen wird - in die stadtteilinterne

          "Theodor-Wuppermann-Volksschule" - benannt nach dem Günder des

          damals größten regionalen Industrieunternehmens - eingeschult und

          wechselt von dort (frühestens 1938) in ein Leverkusener Gymnasium über

          (unbestätigt).

 

1939  Zu Beginn des 2. Weltkrieges ist Günter Ferdinand Ris 11 Jahre alt. Offen-

          sichtlich hat er seine (gymnasiale) Schulausbildung nicht beendet. Bei regu-

          lärem Schulablauf kann er frühestens 1944 die mittlere Schulreife erworben

          haben.

 

1943  Günter Ferdinand Ris meldet sich als Freiwilliger zum Kriegsdienst. In welcher

          Funktion der 15-Jährige in der Folgezeit bis 1945 eingesetzt wird, ist unbe-

          kannt. Wahrscheinlich wird der Jugendliche zum "Deutschen Arbeitsdienst" 

          (ohne Fronteinsatz) verpflichtet und leistet seine Arbeit in einem kriegs-

          wichtigen, heimischen Rüstungsbetrieb - auf Intervention der Familie - in

          einem Subunternehmen der Wuppermann-Gruppe ab.

 

          Möglicherweise wird ihm später diese Zeit als Betriebspraktikum angerechnet.

          Wo und unter welchen Umständen der 17-jährige Günter Ferdinand Ris 1945

          das Ende des zweiten Weltkrieges erlebt, ist nicht bekannt.

          In der Folgezeit werden ihm die Studienvoraussetzung für ein akademisches

          Studium an einer Kunsthochschule/Akademie - möglicherweise aufgrund

          eines "Kriegsabiturs" und einer Sonderbegabtenprüfung - anerkannt.

 

          Eduard Trier erwähnt in seiner später erschienenen Monografie über G.F. Ris

          eine "Kriegsverletzung", die dieser offensichtlich zwischen 1943 und 1945 er-

          litten und die ihn daran gehindert habe, ein ursprünglich geplantes Bildhauer-

          studium an der Kunstakademie in München bei Prof. Josef Henselmann

          (1898-1987) aufzunehmen.     

Otto Laible "Eigenbildnis"

1947  Die staatliche Kunstakademie in Karlsruhe nimmt

bis      ihren - kriegsbedingt unterbrochenen - Studienbe-

1950  trieb wieder auf. Günter Ferdinand Ris schreibt sich

          für ein Studium der "freien Malerei" dort ein. Im

          Rahmen des Grundstudiums vermittelt der neuer-

          nannte Leiter der Karlsruher Zeichenklasse, Otto

          Laible (1894-1962) den Studenten die notwendigen

          Basiskenntnisse. Günters Zeichenlehrer wird 1949

          zum ordentlichen Professor an der Kunstakademie

          Karlsruhe ernannt. Er gilt zunächst als Vertreter

          eines französisch - auf Corot und Delacroix zurück-

          gehenden - "realistischen Impressionismus" und be-

          müht sich vor allem durch Exkursionen darum, sei-

          nen Studenten eine "Annäherung" an die damalige internationale Kunstent-

          wicklung, vor allem an die trendsetzende französische Kunst zu ermöglichen.

          Unter anderem besucht Otto Laible mit seinen Studenten Ausstellungen von

          Georges Braque, Henri Matisse und anderen, der Abstraktion zugewandten

          französischen Künstlern. Nur wenige Jahre zuvor waren Werke dieser Künst-

          ler in Deutschland noch als "entartet" gebrandmarkt worden.

Studieninhalte und Schwerpunkte

          Wieviele Semester Günter Ferdinand Ris an der Kunstakademie Karlsruhe

          zugebracht hat, ist nicht genau bekannt. Nach eigenen Angaben wechselte

          er zwischenzeitlich von der Kunstakademie Karlsruhe zur Kunstakademie nach

          Düsseldorf, um dort seine Studien bei dem Maler Prof. Theo Champion (1887-

          1952) fortzusetzen und zu erweitern. Offensichtlich aber nicht für lange Zeit,

          denn schon nach zwei Semestern wechselte er zurück zu der Freiburger

          Außenstelle der Kunstakademie Karlsruhe. Er studiert dort weiterhin das

          Fach "freie Malerei", konzentriert sich aber auf das von der Neuen Sach-

          lichkeit beeinflußte "analytisches Zeichnen", das der zur Künstlergruppe

          "Der Kreis" gehörige Maler und Lithograph Karl Hubbuch (1891-1979) als

          neuer Professor an der Kunstakademie Karlsruhe lehrt. Otto Laible und

          Karl Hubbuch hatten zusammen die Künstlergruppe "Der Kreis" unmittelbar

          nach Kriegsende gegründet, um eine nachhaltige "Um- und Neuorientierung"

          in der Deutschen Kunst voranzutreiben.         

Günter Ferdinand Ris: Studienarbeiten - Gartenidylle und Portraitübung (um 1948/49)
Günter Ferdinand Ris: Portraitstudie (1951) Zeichnungsauszug aus seinem Skizzenbuch

          Nach eigener Aussage beschäftigt sich Günter Ferdinand Ris während seines

          Studiums - wohl angeregt, möglicherweise auch in innerer Abgrenzung zum

          Beruf seines Vaters - mit neuen architektonischen Ausdrucksformen. Sein

          besonderes Interesse gilt den Architekten Walter Gropius (1883-1969),

          Ludwig Mies van der Rohe (1886-1969), LeCorbusier (1887-1965), Alvar Aalto

          (1898-1976) und Oscar Niemeyer (1907-2012). Alle waren nicht nur begnade-

          te Architekten, sondern zugleich auch Designer und Formgestalter. Sie alle

          waren überzeugt, dass die Gestaltungsbasis einer menschlichen Wohn- und

          Lebenswelt ein universales, strukturell-ästhetisches Maßsystem für Linien-,

          Flächen- und Raumbeziehungen sei, das "hinter" aller Gestaltung stehe und

          in sich die Voraussetzung für visuell erfahrbare ästhetische Harmonie bilde.

          Nicht unähnlich - in Teilen sogar durchaus vergleichbar - den akustisch er-

          fahrbaren Harmonien in der Musik. Auch Günter Ferdinand Ris scheint diese

          Art der Verwandschaft zwischen Architektur und Musik empfunden zu haben.

          Tatsächlich hatte er - wohl schon durch die musikalische Früherziehung in

          seinem Elternhaus bedingt - eine durchaus hohe Affinität zur Musik und

          spielte - wie mehrfach reportiert wurde, sehr gut - fast konzertant - Geige.

          Er hätte zu diesem Zeitpunkt auch Orchestermusiker werden können.

          Das Empfinden für harmonische Wirkungen - sowohl in der Musik als auch

          in der Bauarchitektur - war in Günter Ferdinand Ris schon vom Elternhaus

          aus angelegt. Von Hause aus finanziell unabhängig, kann es sich der junge

          Kunststudent leisten, auf seine "künstlerische Berufung" zu warten

          beziehungsweise diese "in sich wachsen zu lassen". Das relativ wenig

          regulierte Studium der "freien Malerei" bietet ihm die Möglichkeit, ernsthaft

          auf eine persönliche Entdeckungsreise nach den grundlegenden ästhetisch-

          harmonischen Gesetzmäßigkeiten in der zeitgenössischen Kunst zu gehen.

 

          Vieles ist im Umbruch. Das Diktat der "gleichgeschalteten" Deutschen Nazi-

          Kunst ist endgültig beendet. Radikale Umbrüche zeichnen sich in den neuen

          zeitgenössischen Kunststilen ab. Der Kubismus (französischer Bauart), der

          Konstruktivismus (russischer Bauart), Pop- und Op-Art (englischer und

          amerikanischer Bauart), die Wiederbesinnung auf den deutschen Bauhaus-

          stil mit der Maxime des "form follows function" und andere experimentell-

          malerische Strömungen (Deutsches Informel) vermengen sich zunehmend,

          werden - wie Günter Ferdinand Ris es sieht - zu einem "Ausdrucksbrei".

          Und so sammelt er als angehender Künstler seine eigenen, zunächst

          überwiegend grafische, typografische und zeichnerische "Explorations-

          und Erkundungsinstrumente", um sich und seine ausgeprägte Affinität zu

          den elementaren reduzierten Flächen-und Raumelementen (Punkt, Linie,

          Fläche, Raum) sowie den Problemstellungen der architektonischen Linien-,

          Flächen- und Raumkonstellationen weiterentwickeln zu können.        

          Ob er seine Studienzeit in Karlsruhe, Düsseldorf und Freibung erfolgreich mit

          einem "Akademiebrief" seiner Professoren beenden konnte, ist nicht belegt.

          Ein formales Studienende per eingetragener Exmatrikulation in den Akade-

          mieverwaltungen ist nach derzeitigem Recherchestand - möglicherweise

          wegen nachkriegsbedingter organisatorischer Schwierigkeiten im Laufe bzw.

          im Vollzug der unterschiedlichen Studien-Neuordnungen in den verschiedenen

          Besatzungszonen - nicht dokumentiert worden.

          In der Folgezeit verliert sich Günter Ferdinand Ris Biografie für mehrere

          Jahre. Dem Vernehmen nach soll er zwischen 1947 und 1950 an einigen

          Veranstaltungen der "Alfterer Donnerstag-Gesellschaft" als kunstinteressierter

          externer Gast teilgenommen und in diesem Zusammenhang auch die beiden

          Brüder Hann und Eduard Trier kennengelernt haben. Insbesondere Eduard 

          Trier wird Günter Ferdinand Ris Lebensweg in der Folgezeit noch mehrfach

          kreuzen und stark beeinflussen. In welchem Maße die Mitinitiatoren und

          künstlerischen Impulsgeber der Alfterer Donnerstag-Gesellschaft, vor allem

          die damals überwiegend grafisch-abstrahierend arbeitenden Künstler Hubert

          Berke, Joseph Faßbender und Hann Trier Einfluß auf die spätere künstlerische

          Entwicklung von Günter Ferdinand Ris hatten, kann nur vermutet werden.

          Mit Sicherheit kannte der Kunststudent damals deren vieldiskutierte neuen

          Kunsttheorien und -auffassungen, mit denen die Alfterer Donnerstag-Gesell-

          schaft einen initativen Neuanfang in der westdeutschen Nachkriegskunst

          setzen wollte (und konnte).

          Wahrscheinlich verfolgte Ris auch die ausgestellte Arbeiten dieser Künstler 

          sehr genau. Offensichtlich ließ er sich von einzelne Blättern sogar dazu an-

          regen, parallele eigene Ausdrucksformen zu suchen.

Günter Ferdinand Ris: Portrait eines (Studien-)freundes, Öl/LW; um 1951

1952  Eine Zeit lang arbeitet Günter Ferdinand Ris als

          Auftragsporträitist. Nur wenige seiner frühen

          Portraitgemälde sind noch vorhanden. Um sich

          als angehender Künstler "finanziell über Wasser

          zu halten", nimmt Günter Ferdinand Ris nach

          eigenem Bekunden "nebenher" Jobs als festan-

          gestellter Typograph und Schriftsetzer für ver-

          schiedene Druckereien und Reproanstalten an.

          Zunächst noch im badischen Raum um seinen

          Studienort Freiburg, später - nach seiner Rück-

          kehr - auch in der heimischen Gegend um

          Leverkusen, Köln und Bonn. In Leverkusen

          richtet er sich sein erstes Künstleratelier ein.

          In den kommenden Jahren lebt und arbeitet er

          in Schlebusch, einem Stadtteil von Leverkusen,

          der unmittelbar an Leverkusen-Manfort angrenzt,

          wo er geboren wurde und aufwuchs. Die Zeit

          zu Anfang der 50-er Jahre ist sicherlich die 

          wohl  einflußreichste Zeit im Leben des Künstlers. Er findet die persönlichen

          Kontakte, die ihn und seine künstlerische Arbeit sein Leben lang prägen wer-

          den. In Leverkusen lernt er seine spätere Frau Hildegard Hofmann kennen

          und gründet mit ihr eine Familie. Der Ehe entstammen drei Kinder - Frank-

          Martin (1954), Eva-Katharina (1961) und Daniel-Christoph Ris (1965).

1953  Günter Ferdinand Ris reicht erste Werke zur Bewerbung um öffentliche Aus-

          stellungen ein. Wohl auf Vermittlung seines Vaters sowie der Familie Wupper-

          mann lernt er den Kunsthistoriker und damaligen Direktor des Museums von

          Schloss Morsbroich in Leverkusen, Curt Schweicher (1908-1988) näher

          kennen. Schweicher ist publizistisch tätig und gilt als ein profunder Kenner

          der zeitgenösischen französischen Kunstszene - insbesondere des Kubismus

          und des Surrealismus. Schweicher nimmt den 20-Jahre jüngeren Künstler

          "unter seine Fittiche". Gemeinsam reisen sie zu einer "Erkundungsreise" im

          Folgejahr (1954) nach Südfrankreich und Italien.     

1955  Curt Schweicher ermöglicht seinem Schützling seine erste große Einzelaus-

          stellung in Schloss Morsbroich in Leverkusen. Vermutlich stellt Günter

          Ferdinand Ris dort die ersten Ergebnisse seiner Werkreihe mit abstrakten

          "Flächenkonstitutionen" aus.

          Der Kunstkritiker Prof. Eduard Trier bespricht lobend die Erstpräsentation

          der Werke in Schloss Morsbroich in der FAZ. Günter Ferdinand Ris sucht und

          findet den ihm. In den Gesprächen setzt Eduard Trier ihn "auf die Schiene".

 

          Zudem macht Eduard Trier den Mäzen, Sammler, Kunst- und Designförderer

          Gustav Stein (1903-1979), mit dem er gemeinsam publizistisch tätig ist, auf

          den jungen, seiner Meinung nach "hochgradig ausbaufähigen Künstler"

          aufmerksam.

          Gustav Stein war u.a. Professor an der Kunstakademie in Düsseldorf und als

          solcher sehr gut mit den institutionellen Förderern der Kunstakademie ver-

          netzt. Seine Beziehungen reichten bis weit in die Großindustrie, zu der auch

          das Stahlunternehmen Wuppermann und deren Eignerfamilie - weitschweifig

          damit auch der junge Künstler Günter Ferdinand Ris - gehörte.

          Gustav Stein war sicherlich einer der umtriebigsten Kunst- und Kulturmana-

          ger der frühen Nachkriegszeit. Nach und nach wechselte er in die Politik.

          So initiierte er die Gründung des Kulturkreises im Bundesverband der

          Deutschen Industrie (BDI) in Köln und wurde 1957 zum Hauptgeschäfts-

          führer des BDI berufen. Als sachverständiger Sammler zeitgenössischer

          Kunst setzte sich Gustav Stein für eine eigene Kunstsammlung des deut-

          schen Bundestages ein und wurde wenig später selbst als Abgeordneter

          in den Deutschen Bundestag gewählt. Hier traf er unter anderem auf seinen

          persönlichen Freund, den Porzellanindustriellen Philipp Rosenthal. Den Design-

          institutionen der Bundesrepublik galt Gustav Steins besonderes Augenmerk:

          Er gründete den "Gestaltkreis im Bundesverband der Deutschen Arbeitgeber",

          den "Rat für Formgebung" in Darmstadt und das IDZ "Internationales Design-

          Zentrum Berlin", dessen Leitung er später (ab 1969) übernahm.

 

          Durch die Einzelausstellung in Schloss Morsbroich wird auch der angehende

          Rechtsanwalt Herbert Wuppermann auf seinen nahezu gleichaltrigen Ver-

          wandten Günter Ferdinand Ris aufmerksam. Sie freunden sich an und unter-

          nehmen gemeinsame Kulturreisen, - die längste 1963 nach Griechenland.

          Herbert Wuppermann wird innerhalb des Familienverbandes Wuppermann

          in gewisser Weise zum Sprachrohr und Interessensvertreter für Günter

          Ferdinand Ris. Er ist es bespielsweise, der im Familienkreis den Beschluß

          erwirkt, Günter Ferdinand Ris mit dem Entwurf des gläsernen Aussstellungs-

          standes auf dem Freigelände der Hannovermesse 1960 zu beauftragen.

          Dieser Auftrag ermöglicht es Ris, zukünftig auch wirtschaftlich "auf eigenen

          Füßen" zu stehen.

          Zudem setzt Herbert Wuppermann seine Beziehungen zum "Kulturkreis des

          Bundesverbandes der Deutschen Industrie" dazu ein, dem Künstler eine

          institutionelle Förderung in Form eines Auslandsstipendiates zukommen zu

          lassen. Ris reist damit über Paris, wo er den dänischen Künstler Richard

          Mortensen (1910-1993) (siehe unten) besucht, in das damalige Mekka aller

          namhaften französischen Künstler nach Südfrankreich.

Künstlerische Entwicklung: Erkundung der Fläche

1953  Günter Ferdinand Ris malt seine ersten abstrakten Bilder. Zu Übungs- und

          Präsentationszwecken legt er einen umfangreichen Fundus von Skizzen,

          Zeichnungen und Gemälden an. In ihnen erkundet er (unter Vermeidung

          jeglicher konkreter thematischer Bezüge) die elementare "Konstituierung"

          von zunächst ausschließlich planen Flächen zueinander. Er "konstituiert"

          einen Basisbildraum, auf dem er Haupt-, Neben- und Begleitflächen "agieren"

          läßt, untersucht grafisch-analytisch die Möglichkeiten linearer und farbig-

          kontrastierender Abgrenzungen, Grenzlinien, Grenzflächen, Eckbeziehungen,

          Drehungen und Verschiebungen.

          Systematisch erkundet er seine "Konstruktionsparameter", kommt vom Punkt

          zur Geraden, von der Geraden zur Fläche und von der Fläche zum Raum. Er

         "fühlt" den Dingen nach, setzt Flächenzentren gegeneinander, baut Span-

          nungen zwischen ihnen auf. "Kontraflächen" entstehen, die als Spiegelungen,

          Wiederklänge oder Rotationen eine für Ris fühlbare Eigendynamik besitzen.

          Letztendlich sind es die ganz grundlegenden Harmonien, die er in seinen

          "architektonischen Flächenkonstitutionen" visuell aufspürt. Ähnlich muß ein 

          Musiker empfinden, der "hinter" seinen Noten als "konstituierende" Chiffren

          einer Tonfolge bereits akustisch eine Melodie, zumindest aber eine musika-

          lische Harmonie sowie den umgebenden "Klangraum" (Sound) erkennen und

          definieren kann. Hat ein Künstler bei seiner Suche Erfolg, benötigt er die

          vielen Vorschritte nicht mehr, die er häufig zur experimentellen Erkundung

          eines Wirkzusammenhanges  (beispielsweise einer Flächenrotation oder einer

          Schwerpunktsverlagerung zur Erzielung von Flächengleichgewichten und  

          Flächenharmonie) brauchte.

          Er muß sich logischerweise von ihnen trennen, da "Vorstufen" in aller Regel

          nur Teillösungen darstellen und erst die Verbindung aller Vorstufen ein über-

          zeugendes, in sich stimmiges und abgeschlossenes Gesamtwerk erzeugt.

1955  Die moderne, sich progressiv darstellende deutsche Nachkriegskunst nimmt

          Mitte der 50-er Jahre Fahrt auf. Erste Museen, Galerien und Sammler rea-

          gieren auf das überwiegend von den Künstlern selbst, respektive den Künst-

          lergruppen und -vereinigungen angebotene Programm. Neue Sicht- und Denk-

          weisen sind auf einmal in der bildenden Kunst angesichts der deutlich konzep-

          tionelleren Themenstellungen, die die Künstler "anpacken", gefragt. Man will

          aufrütteln, will provozieren, politisch und gesellschaftlich nach den Erfah-

          rungen des 2. Weltkrieges nicht mehr "Volk" und "Masse" und damit händel-

          bar sein. Zum Teil wird bewußt eine Abkehr von den "traditionell-überlieferten

          Kunst- und Kulturwerten" (wie Wahrheit, Schönheit, Ästhetik und Harmonie)

          vollzogen und statt dessen Unverständlichkeit, Abstraktion, Provokation und

          Revolte propagiert. Tendenziell wird die Kunst nun engagierter und dogma-

          tischer.  Sie wird zum Instrument einzelner Künstlerpersönlichkeiten und

          der Erläuterung ihrer Weltsicht erklärt. Kunst muß etwas aussagen! Erst

          durch ihre Intention und ihre Aussage gewinnt Kunst ihre neue Dimension,

          wird mehr und mehr zum aufklärerischen, (kultur-)politischen Werkzeug und

          dient letztendlich der aktiven Meinungsbildung und Meinungsbeeinflussung.

          Der Begriff "Kunstmacher" kommt auf. Er bezeichnet weniger die Künstler

          selbst, als vielmehr die öffentlichen Präsentatoren und Interpretatoren der

          Kunst. Sie "managen" das Verständnis für modernen Kunst in der Gesell-

          schaft (und in ihren Institutionen), machen ursprünglich individuellen künst-

          lerischen Ausdruck durch gezielte Präsentationen, Diskussionen, Presse-, PR-

          und "Lobbyarbeit" zum Stil, zum Trend, zum Zeitgeist.

Richard Mortensen

          Besonders prägend wirkt sich die erste dokumenta

          1955 in Kassel aus. 148 internationale Künstler sind

          zur Teilnahme aufgefordert und sollen auf diesem

          westdeutschen "Weltforum der Kunst" ihre persön-

          liche Kunstauffassung als Trends der zeitgenössisch-

          modernen Kunst durch die Präsentation, durch Aktio-

          nen und Diskussionen für das Publikum (und die ver-

          sammelten Künstlerkollegen, Kunstmacher und       

          Kunstmanager) erfahrbar und transparent machen.

          Unter anderem stellt der Dänische Maler Richard

          Mortensen (1910- 1993), der seit 1947 ein Atelier in

          Paris unterhält und bestens in der französischen

          Künstlerszene verankert ist, die Ergebnisse seiner

          experimentellen Flächenmalerei und deren interlek-

          tuellen Hintergründe vor. Günter Ferdinand Ris

          kannte Richard Mortensens Werke schon seit seinem Studium. Er lernt den

          Künstler auf der dokumenta 1955 persönlich kennen. Mortensen denkt

          ähnlich wie er. Sie verabreden sich und Ris besucht Mortensen noch im

          gleichen Jahr anläßlich einer Kunstexkursion nach Holland und Frankreich in

          dessen Atelier in Paris. Richard Mortensen Werke haben in der Folgezeit

          großen Einfluß auf Ris künstlerische Entwicklung.

Leo Breuer (1955)

          In Paris trifft Ris auch auf den Bonner Maler Leo

          Breuer, der inzwischen zum Vorsitzenden des "Salon

          des Realites Novelles (RN)" in Paris gewählt wurde.

          Leo Breuer - selbst ebenfalls ein Anhänger der ab-

          strakt-geometrischen Flächenmalerei - organisiert im

          Zuge der Deutsch-Französischen Freundschaftsbe-

          strebungen sowohl in Frankreich, als auch in

          Deutschland Kunstausstellungen, in der "die noch

          zarte Pflanze des Deutschen Informels" einem

          größeren Publikum vorgestellt wird. Leo Breuer

          ermöglicht Ris die Teilnahme an diesen Ausstellun-

          gen. Günter Ferdinand Ris kürzt seine Vornamen,

          wird zu G.F.RIS. Man wird auf den jungen, dem

          Deutschen Informel zugerechneten Maler G.F.RIS erstmals auch international

          aufmerksam.

Eduard Trier (ca.1959)

          Wohl auf Anraten von Herbert Wuppermann inten-

          siviert G.F.Ris seine Kontakte zu dem Kölner Kunst-

          historiker und angesehenen Ausstellungskurator

          Eduard Trier (1920-2009), der damals unter ande-

          rem als Publizist und Kunstkritiker für eine Reihe

          namhafter Kunstverlage sowie für die Feuilletons im

          Bonner Generalanzeiger (GA), in der Frankfurter

          Allgemeine Zeitung (FAZ) und in der Wochenzeitung

          Die ZEIT schreibt. Er kennt die rheinische Künstler-

          szene schon seit den Veranstaltungen der Alfterer

          Donnerstagsgesellschaft. An diesen ist auch sein

          Bruder Hann Trier initiativ-künstlerisch und organi-

          satorisch beteiligt. Eduard Trier ist ein "Kunst-

          macher",  ein "Insider", der seine Aufgabe darin

          sieht, die Künstler "auf ihrem Weg in die Moderne"

          sachkundig zu betreuen. "Intern" gibt er den Künstlern Tipps und Hinweise

          zur Positionierung und stilistischen Abgrenzung ihrer Werke. Durch seine

          weitgespannten Beziehungen sorgt er dafür, dass die Werke in öffentlichen

          Präsentationen, Ausstellungen, Galerien und Museen gezeigt werden.

          Sowohl zur dokumenta 2 wie zur dokumenta 3 ist Eduard Trier als verant-

          wortlicher Ausstellungskurator und Berater des ersten Dokumenta-Intendan-

          ten Arnold Bode tätig. Zudem verantwortet er als Kommissar des Deutschen

          Pavillons auch die Auftritte Deutscher Künstler zur Biennale in Venedig und

          sitzt in den Gutachterkommissionen zur Vergabe von Künstlerstipendien des

          Bundes und der Länder. Das kommt dem vielversprechenden jungen Künstler

          - Ris ist gerade 30 Jahre alt geworden - zu Gute.

1958  Günter Ferdinand Ris wird auf Vorschlag von Eduard Trier zur dokumenta 2

          eingeladen, die im Folgejahr 1959 stattfindet. Im Vorbereitung dieser

          Ausstellung reist G.F. Ris nach Korsika und hält sich einige Zeit bei Richard

          Mortensen auf, der dort ein Zweitatelier betreibt. Mortensen war bereits auf

          der dokumenta 1 zu sehen und ist ebenfalls zur dokumenta 2 eingeladen. 

          Beide Maler tauschen sich bezüglich ihrer Malauffassungen intensiv mit-

          einander aus. Die ausgelösten kreativen Impulse und Anregungen wirken

          sich deutlich auf Ris weitere Arbeiten aus. So wirkt der Fundus seiner

          zwischenzeitlich neu fertiggestellten Arbeiten dichter und geschlossener.

          Die Flächenphänomene, denen Ris nachspürt- insbesondere deren Ver-

          schneidung, Bewegung und Dynamik sind konzentrierter herausgearbeitet. 

Richard Mortensen in Vorbereitung einer Ausstellung im "Salon des Realites Nouvelles", Paris. (Die Werke rechts stammen von einem anderen "Kubisten")
Günter Ferdinand Ris in seinem eigenen Atelier. An den Wänden Ölgemälde mit "planaren Flächenkonstitutionen" (1957/58 )

"Flächenentwicklung" Im Vergleich: Werke von Mortensen und G.F. Ris

links - Richard Mortensen:                       rechts - Günter Ferdinand Ris:

         "Bourgogne"                                            "Torero" (1958)

Richard Mortensen: Friesentwurf für einen Flurtrakt in einem Versicherungsgebäude
Günter Ferdinand Ris: Vorentwurf für einen Fries. Eine farbige Fassung mit dem Titel "Räumliche Komposition" befindet sich heute im Museum Schloß Morsbroich, Leverkusen
Günter Ferdinand Ris: Aus der Werkreihe: "Planare Flächenkompositionen" hier: Das Phänomen "Konzentrierter Raum" (Arbeit von 1959)

Übergang von der Fläche zum Raum

1960  Günter Ferdinand Ris "löst" sich zunehmend aus der Analyse planarer

          Flächenphänomen. Für eine gewisse Übergangszeit beschäftigt er sich mit 

          dem Problem des menschlichen Vordergrund- und Hintergrund-Sehens

          und dessen Auswirkungen auf die Interpretation von Kontur-, Farben- und

          Flächenbezügen. Unterteilt man ein Bild in Tiefenebenen, so läßt sich alleine

          durch die Gestalt, Form (Kontur) und Farbe jeweils aneinandergrenzender

          (inhaltlich abstrakter) Flächen, ein "Raumgefüge" definieren und damit intui-

          tiv bestimmen, was vorne, in der Mitte und hinten liegt. Ris Studie zur "Räum-

          lichen Interpretation zweier Flächen" zeigt diesen Wirkzusammenhang exem-

          plarisch auf:

          Im Großformat auf einer 210 x 80 cm messenden Leinwand setzt

          Ris zwei dominierende Farbflächen nebeneinander. Ihre Kontur-

          linien sind unterschiedlich. Der entstehende Zwischenraum wird

          zu einer (eingeschlossenen) dritten Farbfläche. Wohin gehört die-

          se Farbfläche? Zur dunkleren rechten oder zur helleren linken

          Farbfläche? Oder zu keiner der beiden? Dann allerdings ist die

          Frage, ob man durch ein vermeindliches "Loch" zwischen den

          dominanten Farbflächen auf eine dritte, noch hellere Hinter-

          grundsfarbe schaut. Dreht man die Tafel um 90° nach rechts

          (siehe Abb. unten links) wird die dunklere Farbe zum "Boden".

          Die Zwischenraumfarbe wird intuitiv dem "Boden" zugeordnet

          und könnte somit als Schaumkrone einer gerade brechenden Meereswelle

          interpretiert werden. Dreht man die Tafel und 90° nach links (siehe Abb.

          unten rechts), wird die hellere Farbe zum "Boden" und die Zwischenraum-

          farbe könnte intuitiv als "Schneekamm" einer Gebirgslandschaft (vor einem

          dunklen Himmel) interpretiert werden.

Günter Ferdinand Ris: "Räumliche Interpretation zweier Flächen" Öl auf Leinwand,

                                  210 x 80 cm, 1960 (a. rechtsgedreht, b. linksgedreht)

        Das "Spiel" mit bedeutungsoffenen Vordergrunds- und Hintergrundsflächen

        fasziniert den Maler Günter Ferdinand Ris. Er begreift die abstrakte, ebene

        Flächenmalerei zunehmend als ein Kompositionssystem, das in erster Linie

        von räumlich dimensionierten Seh-Vorstellungen dominiert wird. Konsequent

        dekliniert er in der Folgezeit diese Erkenntnis durch. Er malt komplexere

        Abstraktionen, um sich der Bedeutung der "Raumdimensionen" bewußter zu

        werden. In letzter Konsequenz löst er sich dann relativ schnell von der ebe-

        nen Tafelmalerei und wandelt sich Ende 1960 /Anfang 1961 zum dreidimen-

        sionalen Plastiker. Aus dem gelernten Maler wird der Bildhauer Günter

        Ferdinand Ris. Sein Ouevre verlagert sich. 1963 malt er - nach eigenen

        Angaben - seine letzte abstrakte Flächenkomposition.

1960/61 Phasen des Wandels: Vom abstrakten Flächenmaler zum Bildhauer:

Abb. oben links: "Raumverwachsungen" Öl auf Leinwand, 102 x 73 cm, 1960

       o. rechts:   "Integration vieler Räume" Öl auf LW, hier s/w, 140 x 100 cm 1960

       unten links: "Organisation eines Raumwendepunktes" Öl auf LW, hier s/w,

                         130 x 130 s/w, 1960/61

       u.rechts:     "Freiraumplastik" Raumwendepunkt in vier Ansichten, hier s/w,

                         Gipsmodell für Bronzeguß, 14,5 x 10 x 7 cm, 1960/61

Vom Maler zum Plastiker: Kugel und Raumknoten

Die Wandlung von Günter Ferdinand Ris vom Maler zum Plastiker vollzieht sich nicht schlagartig, sondern ist das Resultat einer mehrjährigen künstlerischen "Sichtweisen-änderung". Einerseits ist G.F. Ris von seiner bisherigen analytischen Farbflächen-malerei und dem "Aufspüren" der Gesetzmäßigkeiten "planarer Flächenkonstrukt-

tionen" (siehe oben) beeinflußt und andererseits ist da der zunehmend drängendere Wunsch in ihm, klassische künstlerische Herausforderungen wie die Darstellung des menschlichen Körpers - insbesondere  Köpfe und Torsis - thematisch aufzunehmen und sie in einer ähnlich analytischen Art auf die zugrundenliegenden "Urformen" und deren komplexen "Verschachtelungen" zu reduzieren. Dazu ist -  das erkennt G.F.Ris sofort - das dreidimensionale Phänomen der Wölbung als räumlich gekrümmte Fläche analytisch zu erfassen und künstlerisch in den Griff zu bekommen. Die einfachste und herstellungstechnisch zugleich auch komplexeste Urform ist nach seiner Meinung die Kugel, deren wichtigster Beschreibungsparameter aus ihrem fiktiven unsichtbaren Mittelpunkt und dem ebenso fiktiven und unsichtbaren Radius besteht. Beide Parameter sind zwar "Gedankenkonstruktionen" aber sie sind es, die jede Form der Wölbung eindeutig beschreiben. Und indem man hinter der Oberfläche jedes dreidimensionalen Gebildes ein System von Drehpunkten und Radien sieht (wobei sich die Drehpunkte und Radien jeweils verändern können), hat man als Künstler die "Metadaten" eines Objektes in der Hand! Nun ist aber in den seltensten Fällen ein ästhetisches Objekt nur aus singulären Kugelparametern zusammenge-setzt. Vielmehr treten (Dreh-)achsen als fiktive interne Linienverläufe auf, die sich verschieben, "plötzlich" verspringen oder gar gänzlich verschwinden können. Im Ergebnis zeigen sich diese Veränderungen als Wölbungen, Kanten oder planare Flächen an der jeweiligen Objektoberfläche.

Günter Ferdinand Ris: "Kopfstück" Naxos-Marmor (d=36 cm), 1963

Und genau dieses "Gedankenspiel" ist es, das den Künstler Günter Ferdinand Ris in der Folgezeit beschäftigt. Anfänglich sind es noch "Kugelplastiken", später dann "Köpfe", "Figuren" (Säulenheilige), "Rundreliefs" und hochkomplexe Strukturrelief-

friese, die in einer eigenen, für den Künstler typischen Stilistik entstehen.

Je nach Material - G.F.Ris erprobt in den folgenden Jahren den Einsatz von Gips, Beton, Holz, Wachs, Bronze und Kunststoff - können die Oberflächenstrukturen plastischer Körper sehr variieren. Seinem mathematisch-architektonisch geprägtem Grundverständnis folgend, bevorzugt Ris glatte, polierbare Flächen sowie exakte scharfe Kantenbildungen in Verbindung mit sauberen, homogenen Licht-Schatten-verläufen. "Durch Licht-Schattenwirkungen" - so Ris -  "konstituieren sich im Auge

des externen Betrachters erst die Übergänge von planaren, konvexen und konkaven Objektpartien."

Oberflächendekors - gleich welcher Art - sind Ris ein Gräuel. Sie "verfälschen" Gestalt und Form eines Objektes. Und so ist er stets auf der Suche nach der "reinen, glatten Form" beziehungsweise nach dem "Zusammenspiel der reinen, meist auf das Wesent-lichste reduzierten Formelemente".

Günter Ferdinand Ris: "Torso" geschwärzte Bronze, 65 x 38 x 43 cm, 1965

Die meisten seiner Werke hat G.F. Ris zunächst zeichnerisch-analytisch detail-

liert vorbereitet, ehe er an die eigentliche plastischen Ausformung ging. Jede Fläche, jede Wölbung, jede Bruchkante ist nach einem "inneren Masterplan" bewußt von ihm gesetzt. Nahezu jede seiner Plastiken "vermittelt" dem Betrachter, je nachdem, ob man sie von vorne, von der Seite, von hinten oder von oben betrachtet, einen anderen Gestalteindruck und damit eine anderes physisches Erscheinungsbild. Teilweise scheinen mehrere Einzelplastiken in einem einzigen Objekt verschmolzen zu sein.

Günter Ferdinand Ris: "Figur 1", (2 Ansichten) geschwärzte Bronze, 80 x 30 x 17 cm; 1965

1959 wirbt G.F. Ris den gelernten Bildhauer Heinz-Willi Dahmen, der damals u.a. in einem Kölner Architekturunternehmen als Modellbauer tätig war, für sich ab. Er stellt

in als seinen Angestellten fest ein. In den folgenden 16 Jahren ist Heinz-Willi-Dahmen sein künstlerischer Assistent.

Heinz-Willi-Dahmen unterstützt seinen Arbeitgeber im Atelier zunächst bei der Her-stellung seiner dreidimensional-plastischen "Kugel-"objekte (meist aus Marmor oder Beton), bei der Herstellung und Korrektur der Gipsformvorlagen für solitäre Ris- Plastiken sowie bei der Herstellung der Formschalen für den Bronzeguss.

Später fertigt Heinz-Willi Dahmen nach Maßgabe von G.F. Ris vor allem die Objekte

aus Lekutherm-Kunststoff an.

Die Bronzeplasiken wurden bei der Firma Lotito und Polzoni in Köln sowie bei Schmäke in Düsseldorf gegossen. Im Werksverzeichnis der Ris'schen Arbeiten von Boris von Brauchitsch: Günter F. Ris: Das Plastische Werk 1958-2001; Wienand-Verlag 2002, Köln; ISBN 3-87909-777-1, sind überwiegend Unikate und bei "Mengenproduktionen" Auflagen von 2 bis 8 Stk. angegeben (Ausnahme: Jahresgabe des Kunstvereins Düsseldorf Auflage 50 Stk.).  In aller Regel gerieten aber (nach Willen des Künstlers) nur Einzelstücke über Gallerien in den "freien" Handel.

Günter Ferdinand Ris: "Rundrelief II", Lekutherm, 43 x 40 x 5 cm, 1967; später vergrößert für das damalige Bundesschatzministerium Bonn (heute: Finanzministerium) auf 310 x 270 x 16,2 cm

Die Kunststoffplastiken und Flachreliefs jener Zeit wurden in der Regel komplett im Atelier des Künstlers nach dessen Vorgaben aus Lekutherm gefertigt, einem eigentlich für Restaurierungszwecke spezifisch entwickeltem, faserverstärktem Zwei-Kompo-nenten Kunststoff, der auf vorher anzufertigenden Formschalen relativ kurzfristig aushärtete. Normalerweise waren dies Unikatproduktionen, jedoch konnten aus Lekutherm auch kleinere Auflagenproduktionen (bis 8 Stk.) aus einem Formschalen-satz gefertigt werden.

Auswahl plastischer Arbeiten aus den Jahren 1961-1970 (Kugelobjekte)

Auswahl plastischer Arbeiten aus den Jahren 1961-1970  (Bronzeplastiken)

Auswahl plastischer Arbeiten aus den Jahren 1961-1970 (Lekutherm-Reliefs)

Günter Ferdinand Ris: Auswahl von plastischen Arbeiten aus den Jahren 1961 bis 1967 (Zur Vergrößerung bitte in die Abbildungen klicken).

1961  Die Komplexität und (Zitat) "intellektuelle Schläue" in Ris Plastiken stellen für

          jeden Ausstellungsbesucher - laut einer Charakterisierung des renommierten

          Kunstmachers, Kunstmanagers und Kunstberaters Eduard Trier - eine per-

          manente Herausforderung für die Betrachter seiner Werke dar:

         "Niemand kann sagen, er kenne eines seiner plastischen Werk genau. Denn

          unter Garantie wird er beim nächsten Ausstellungsbesuch eine andere, neue

          Facette in demselben Werk finden. Es ist die immense Vielschichtigkeit, die

          die Arbeiten von Günter Ferdinand Ris auszeichnen."

          In der Folge erhält der so promotete, inzwischen 33-jährige Künstler durch-

          aus ehrenvolle Einladungen, seine künstlerische Positionen dezidiert in Kunst-

          ausstellungen und Landesrepräsentanzen darzustellen.

          Unter anderem beteiligt er sich an der 2. Biennale junger Künstler in Paris. 1963  Günter Ferdinand Ris erhält den Deutschen Villa-Romana-Förderpreis zuge-

          sprochen, der mit einem Studienaufenthalt in Florenz und internationalen

          Museumsausstellungen verbunden ist.

1964  G.F. Ris wird- erneut auf Initiative und mit aktiver Unterstützung seines

          Mentors  Eduard Trier zu einer Beteiligung an der Dokumenta III in Kassel

          eingeladen. Damit ist - auch im internationalem Rahmen - sein Erfolg als

          junger deutscher Künstler vorprogrammiert. Museen, Kunststiftungen und

          Sammlungen bemühen sich darum, Werke von ihm aufzukaufen und ihre

          Depots aufzufüllen. 

Vom Plastiker zum Architekten: Friese und Großreliefs