Fritz Kerzmann (1872 -1949)

Fritz Kerzmann: Portraitmalerei, mög- licherweise Eigenbildnis (ungesichert)

1872       Der Bonner Maler, Moritaten-, Kon-

                zert- und Opernsänger Fritz

                Kerzmann erblickt am 7.Juli 1872

                in Bad Godesberg das Licht der

                Welt. Sein Vater ist ein gelernter

                Schreiner und Tischler. Die Familie

                Kerzmann betreibt in der Godes-

                berger Dorfstraße (heute Turm-

                straße) ein Schreinergeschäft.

                Natürlich möchte der Vater, dass

                sein Sohn später einmal in das

                Schreinergeschäft einsteigt. Schon

                früh nimmt er den kleinen Fritz "auf

                Montage" zu seinen Baustellen mit.

                Doch Fritz' Begeisterung hält sich in

                Grenzen. Die handwerkliche Tätig-

                keit liegt ihm nicht so recht. Viel

                interessanter findet er das bunte

                Treiben des eher großbürgerlichen

                Kurpublikums im nahen Kurpark. Er

                mag es, den eleganten Herren und Damen zuzusehen, die dort lust-

                wandeln, nachmittags ihr Heilwässerchen aus der "Draitsch-Quelle"

                trinken, in's Badehaus zum Schwimmen gehen und sich anschließend

                am Kurhaus treffen, um dem dort aufspielenden Kurorchester zu lauschen.

Ehemalige Burgschule in Godesberg

1879        Fritz Kerzmann wird in die Burg-

                schule in Godesberg eingeschult,

                die zum damaligen Zeitpunkt drei

                Volksschulklassen umfasst. Die

                Kinder der ersten, zweiten und

                dritten Klasse werden gemeinsam

                unterrichtet.

                Aus der gemeinsamen Schulzeit

                resultiert eine enge Freundschaft,

                die Fritz Kerzmann mit dem spä-

                teren Bonner "Industriemaler"

                Toni Wolter (1875-1929) verbindet. Während Toni Wolters Leben

                in der Folgezeit verhältnismäßig umtriebig verläuft, bleibt Fritz

                Kerzmann "zunächst der heimatlichen Scholle" treu.

um           Irgendwann - wahrscheinlich schon als 13- oder 14-jähriger Bub - erlebt 

1885       Fritz Kerzmann ein Schlüsselerlebnis, das seinen weiteren Lebensweg

                prägen wird. Er wird von dem damaligen Leiter des Kurorchesters, der

                wohl von einem Lehrer der Burgschule auf Fritz Kerzmanns besondere

                Sangeskünste aufmerksam gemacht wurde, auf die Bühne gebeten und

                darf - coram publicum - einige Volkslieder vortragen. Das kommt an. Er

                hat eine gute Stimme. Wer es genau war, der ihm geraten hat, ein Pot-

                pourri gängiger Melodien einzuüben, ist nicht überliefert. Vielleicht waren

                es die trinkfesten Studenten im "Aennchen" gewesen, von denen er

                einige ihrer launigen "Moritatengesänge" übernommen hat, vielleicht

                waren's auch andere - jedenfalls wird der junge Fritz Kerzmann so etwas

                wie ein früher Schlagersänger. Er hat Erfolg, erhält Applaus und Aner-

                kennung (und erste Trinkgelder).

1892        Fritz Kerzmann tritt nun häufiger als "Moritatensänger" mit einem eige-

                 nem Liederprogramm im Bonner Umfeld auf. Mit den verdienten Gagen

                 finanziert er sich eine professionelle Gesangsausbildung zum Konzert-

                 und Opernsänger. Entdeckt wird er von dem Bonner Kammersänger

                 Karl Mayer, der ihn nach einer entsprechenden Vorprüfung in die Opern- 

                 und Gesangsschule Köln zu Prof. Richard Schulz-Dornburg vermittelt.

                 Es folgt ein vierjähriges Fachstudium für Oper und Konzert. Seine

                 Lehrer dort sind: Gesang: Dr. Oscar Kaiser: Schauspiel und Dramatik:

                 Prof. Dr. Kipper; Musikwissenschaft: Wilhelm Rinkens; Klavier- und

                 Partienstudium: Wilhelm Muehldorfer. Stolz präsentiert Fritz Kerzmann

                 im Freundeskreis seine Visitenkarte, die ihn als gelernten Konzert- und

                 Opernsäger mit Spezialisierung auf den "Robert Schumann Liederkreis"

                 ausweist. Er tritt nun häufiger in Matinees und Soirees des gebildeten

                 Bonner Bürgertums auf und eignet sich nach und nach auch den "gesell-

                 schaftlichen Schliff" an. Als Künstler behandelt und entsprechend

                "hoffiert" zu werden, schmeichelt ihm. Da er zudem auch ganz passabel

                 zeichnen und malen kann, beschließt er, diese Befähigung ebenfalls

                 weiter auszubauen. Wo und bei wem er in der Folgezeit Privatunterricht

                 nimmt, ist nicht bekannt. Er könnte eventuell einer der ersten Schüler in

                 der privaten Malschule von Carl Nonn gewesen sein, die dieser in seinem

                 Atelierhaus in der Niebuhrstraße 14 in Bonn eingerichtet hatte und wenig

                 später auch offiziell (ab 1905) betrieb. Möglicherweise hat er sich seine

                 Malkunst aber auch autodidaktisch selbst beigebracht. Genügend

                 Anschauungsmaterial hat er in Hülle und Fülle in den Salons seiner

                 Kundschaft "vor Augen", wenn er dort in seiner Eigenschaft als Sänger

                 auftritt. Zudem läßt sich perfekt über den Stil der zeitgenössischen

                 Malerei und die Sujets der bildenden Kunst in solchen Veranstaltungen

                "parlieren". Jedenfalls merkt Fritz Kerzmann schnell, was seiner Kund-

                 schaft gefällt: "Heimatbilder" stehen hoch im Kurs.

Fritz Kerzmann: Godesburg vor dem Siebengebirge

ab             Fritz Kerzmann malt - dem Zeit-

1900        geist entsprechend - mehrere,

                 stilistisch eng an die "Rheinro-

                 mantik" angelehnte - Ansichten

                 von Rhein und Siebengebirge.

                 Natürlich dient ihm auch die

                 heimische Godesburg mehrfach

                 als Motiv. Die Ölgemälde sind

                 ganz im naturalistischem Stil der

                 Eifelmaler rund um Fritz von Wille

                 sowie der Düsseldorfer Land-

                 schaftsmaler gehalten. Tatsäch-

                 lich stehen seine Ölbilder denen

                 der Düsseldorfer Akademiemaler in punkto Qualität in keiner Weise nach.

                 Auch seine Befähigung, "stimmige" Portraits zu malen, spricht sich rund

                 und führt zu weiteren Aufträgen aus der gehobenen Godesberger

                 Bürgerschaft. Fritz Kerzmann lernt seine spätere Frau Gerda kennen.

                 Sie ist 1874 geboren und somit 2 Jahre jünger als ihr Mann. Eine

                 hübsche, elegante Frau, die ihrem Fritz zeit seines Lebens regelmässig

                 für Portraitstudien Modell steht.

                 Fritz Kerzmann: Portraitbildnisse seiner Ehefrau Gerda Kerzmann (1920 + 1940)

                 (Zur Vergrösserung bitte auf die Bilder klicken)

1905        Fritz findet sein erstes Engagement als Bariton-Sänger und Schauspieler 

                 am Stadttheater von Essen. Nun beginnt eine intensive künstlerische

                "Wanderzeit". Nach seinem Engagement in Essen (1905-1907) geht er für

                 eine Spielzeit nach Colmar in den Elsass, dann ans Stadttheater von

                 Augsburg und schließlich (von 1909-1912) an das Stadttheater von

                 Danzig. Von dort wechselt er an das Theater in Wuppertal-Barmen

                 (1912- 1914), kehrt aber (1914-1918) nach Danzig zurück. Nach und

                 nach erarbeitet er sich ein festes Repertoire als Bariton. Er singt den 

                 Wolfram im "Tannhäuser", den Rigoletto, den Renato im "Maskenball"

                 von Verdi, den Alfio in "Cavalleria rusticana", den Sharpless in "Madame

                 Buttterfly", den Faninal im "Rosenkavalier", den Papageno in der

                "Zauberflöte" und den Ottokar im "Freischütz". Damit gastiert er zwi-

                 schendurch auch an anderen Bühnen in Deutschland, so auch in

                 München. Seine Engagements sind allerdings zeitlich begrenzt und seine

                 Gagen als Repertoire-Sänger nicht so hoch, dass er davon alleine leben

                 könnte. Er ist auf Nebenverdienste angewiesen, verdingt sich vor allem

                 in seiner Zeit in München als Gesangslehrer und "tingelt" als "Moritaten-

                 sänger" in Kneipen und auf bayrischen Kleinkunstbühnen herum. Da-

                 neben ist die Ölmalerei für ihn eine sichere Einnahmequelle. 

                 Dass Fritz Kerzmann seine Male-

                 rei mit entsprechender Profession

                 betreibt, lässt sich schon aus der

                 Tatsache ablesen, dass es ihn 

                 immer wieder zu Studienzwecken

                 nach Grainau in die Alpen zieht,

                 um vor Ort - wie viele seiner 

                 Künstlerkollegen - in freier Natur

                 alpine Hochgebirgslandschaften

                 auf Leinwand zu bannen. In Ober-

                 grainau bei Garmisch-Parten-

                 kirchen bewohnt Fritz Kerzmann stets ein "Tusculum mit kleinem

                 Gärtchen", wie er es nennt, in dem er walten - vor allem aber abschalten

                 kann.

                 Neben den reinen "Postkarten-

                 Landschaftsgemälden" themati-

                 siert Fritz Kerzmann in seinen

                 Bildern zuzunehmend das Lebens-

                 umfeld der Menschen. Seine

                 "Genre-Bilder" vermeiden jede

                 heroisierend-beschönigende Sicht

                 auf die Dinge, geben den unge-

                 schönten Alltag wieder. Der Maler

                 verzichtet auf die sonst üblichen

                 Staffagefiguren. Die meisten sei-

                 ner Bilder sind tier- und men-

                 schenleer, stellen in gewisser

                 Weise (nur) "Relikte der Land-

                 schafts-, Arbeits- und Wohnbesie-

                 delung" dar und charakterisieren

                 damit dennoch sehr eindringlich

                 das jeweilige "Genre".                       

Fritz Kerzmann: Zugspitze und Eibsee, 1924; Sammlung von Schewyck

                 Die Verbundenheit des Malers

                 Fritz Kerzmann mit seinen Bonner

                 und Godesberger Malerkollegen

                 - darunter Carl Nonn und Toni

                 Wolter - zeigt sich unter anderem

                 darin, dass sie gelegentlich alle

                 bewußt genau das gleiche Motiv

                 auf ihre Leinwand bringen.

                 Jeder in seinem eigenen Malstil,

                 jeder mit seiner eigenen indivi-

                 duellen Handschrift. Sie "zitieren"

                 sich auf diese Weise untereinan-

                 der. Und tatsächlich hat sowohl

                 Carl Nonn wie auch Toni Wolter die Zugspitze und den Eibsee von nahezu

                 der gleichen Stelle aus gemalt. Eine ähnliche Motivreferenzierung ist

                 übrigens auch beim "Totenmaar /Weinfelder Maar" in der Eifel nachweis-

                 bar.

Fritz Kerzmann: Blick über die Dächer von Halle

1918        Auch die traditionsreiche Städte

                 des Ostens: Weimar, Jena,

                 Leipzig, Dresden, Magdeburg,

                 Erfurt, Eisenach (mit seiner

                 Wartburg) scheint der Maler

                 Fritz Kerzmann nach dem 1.

                 Weltkrieg des öfteren bereist

                 zu haben. Nachweislich hat er

                 mit Unterbrechungen 12 Jahre

                 lang (1916-1928) in Halle an der

                 Saale Quartier bezogen. Hier

                 feierte er auch als Sänger große

                 Erfolge, da er aufgrund seiner

                 stattlich-mächtigen Gestalt und

                 seiner wuchtigen Tenor- / Bariton-

                 stimmlage im wahrsten Sinne des

                 Wortes "hervorragend" den Hel-

                 dentenor in Wagners Musikdramen

                 verkörpert.

 

Fritz Kerzmann: Autogrammkarte des Sängers aus seiner Zeit in Halle

1928        Fritz Kerzmann beschließt seine

                 Sänger- und Bühnenkarriere in

                 Halle. Zu seiner Verabschiedung

                 erscheinen in der örtlichen Presse

                 verschiedene Artikel, in denen

                 Fritz Kerzmanns künstlerisches

                 Wirken in und für die Stadt Halle

                 gewürdigt wird. So wird berichtet,

                 dass er als Sänger über 60 ver-

                 schiedene Rollen in über 800 Auf-

                 führungen, darunter alleine 24

                 glanzvolle Erstaufführungen ge-

                 sungen habe, an die man sich

                "auf ewig" erinnern werde.

                 Neben seiner "Sangeskunst"

                 bleibt auch seine "Malkunst" nicht

                 unerwähnt. Tatsächlich waren

                 Ölbilder - meist Landschafts-

                 gemälde - aus seiner Hand durch-

                 aus begehrt. Immer wieder tau-

                 chen noch heute vereinzelte sei-

                 ner Ölbilder aus Privatbesitz in

                 Haushalten dieser Gegenden im

                 deutschen Kunsthandel auf. 

1920        Neben seiner Tätigkeit als Landschaftsmaler ist Fritz Kerzmann auch

                 als Ateliermaler aktiv. Mehrere größere Früchtestillleben bezeugen

                 seine Kunstfertigkeit als Maler. Mit jedem Bild lernt er dazu. Die beiden

                 nachfolgenden Bilder sind sich im Sujet sehr ähnlich. Das eine (obere)

                 ist um 1920, das untere 1922 entstanden. Kleine Unzulänglichkeiten,

                 die im Bild von 1920 noch auftauchen, sind im Bild von 1922, das ins-

                 gesamt einen "reiferen" Eindruck macht, getilgt.

Fritz Kerzmann: Blumen- und Früchtestillleben; Sammlungsnr.: B 2014.006
Fritz Kerzmann: Blumen- und Früchtestillleben (1922)

Fritz Kerzmann: Vase mit Blumen                        Fritz Kerzmann: Dahlien (1935)

Sammlung: Renate und Hans van Schewyck       Sammlung: Renate und Hans van Schewyck

Fritz Kerzmann: Pfingstrosen-Stilleben (um 1916); Öl auf Malpappe, 55 x 43 cm; Sammlung: Michael Hümmer Sammlungsnr.: B 2019.016
Signatur Fritz Kerzmann; (links im Bild: Zwei übermalte Signet-Fassungen)

                In den 20-er Jahren wird es zunehmend stiller um den Maler und Sänger

                Fritz Kerzmann. In den "Godesberger Heimatblättern" wird sein Name

                als Künstler nicht mehr explizit aufgeführt. Nur in einem Artikel über

                seinen Jugendfreund, den Maler Toni Wolter, ist erwähnt, dass dieser -

                als er im Herbst 1920 mit seiner zweiten Frau Marthe Wolter (ge-

                borene Sauer) ein Konzert von Fritz Kerzmann im Kurhaus von

                Godesberg besucht - "überaus angetan und beeindruckt von Fritz

                Kerzmanns volltöniger Stimme und den vorgetragenen Schumann

                Liedern gewesen sei". 

                Nach einer anderen Quelle ist Fritz Kerzmann mit Marthe Wolter, die

                selbst auch eine ausgebildete Musikpädagogin, Sängerin und Malerin

                war, noch einige Male mit "Rheinliedern" in dem Friesdorfer Hotel und

                Ausflugslokal "Arndtruhe" aufgetreten. Das Lokal wurde - zusammen

                mit einem gesonderten, privaten "Ernst-Moritz-Arndt-Museum" - von

                Toni Wolters entfernten Verwandten - der Familie Loevenich - geführt.       

                Zusammen mit seiner Frau Gerda bewohnt Fritz Kerzmann ein

                repräsentatives Haus in der Jahnstrasse 35 (heute Jahnallee 35)

                im Villenviertel von Bad Godesberg.

1939        Fritz Kerzmann zählt 67 Jahre, als der 2. Weltkrieg ausbricht. Er erlebt

                die anfängliche Euphorie, später die Schrecken des Krieges hautnah

                mit. Nur knapp entgeht er dem Tod beim alliierten Luftangriff vom

                1. Februar 1945 auf Bad Godesberg. Die "Arndtruhe", der Ort seines

                wohl letzten öffentlichen Auftrittes als Sänger, brennt infolge des

                Krieges aus und wird später auch nicht mehr wiederaufgebaut.

                Das nebenstehende Ölgemälde: "Feldkreuz (bei)

                Garmisch" stammt aus dem Jahr 1947. Es ist

                möglicherweise die letzte Arbeit - zumindest

                die letzte, derzeit bekannte Arbeit mit einem

                "alpinen" Motiv aus Fritz Kerzmanns Hand.

 

1949        Fritz Kerzmann stirbt im Alter von 77 Jahren am

                20.03.1949. Er wird auf dem Burgfriedhof in

                Bonn-Bad Godesberg beigesetzt.

 

                Abb. rechts: Fritz Kerzmann "Feldkreuz (bei) 

                                  Garmisch, Sammlung Renate und

                                  Hans von Schewyck

                Sicherlich gehört Fritz Kerzmann heute zur "Generation der ver-

                gessenen Bonner Künstler". Seine Spuren sind weitgehend verweht.

 

Fritz Kerzmann: "Heiligen- und Gedenkhäuschen in offener Landschaft"

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