Egino G. Weinert (1920-2012)

Egino G. Weinert

Egino Weinert wird als Franz Stanislav Günter Przybilski am 3.3.1920 in Berlin-Schönefeld geboren. Er wächst im quirligen Berlin der 20 Jahre als eines von 5 Kindern auf. Die Eltern stammen aus Polen, sind gottesfürchtige Men-

schen und erziehen die Kinder im katholischen Glauben. Man führt ein offenes Haus. Später namhafte Künstler wie Emil Nolde und Max Pechstein waren Nachbarn der Fami-

lie Przybilski und kamen regelmäßig zu Besuch. Anfang der 30-er Jahre läßt der Vater den Familiennamen von Przybilski auf Weinert ändern. Zu Ostern 1926 wird Franz Günter Weinert - wie man den Jungen nun ruft, in die Katholische Volksschule in Berlin-Schönefeld eingeschult. Sein Weg scheint vorgezeichnet zu sein. Bei einem Fami-

lienausflug nach Würzburg lernt Günter das Leben in der Abtei Münsterschwarzach kennen, wo die Familie für einige Tage zur Ableistung von Exerzitien eingekehrt ist. In Günter wächst der "glühende Wunsch" heran, in der von Benediktinern geführten Klosterschule zum Missioar ausgebildet zu werden. Nach der Volksschule tritt er 1934 als 14-jähriger Klosterschüler in die Abtei Münster-

schwarzach bei Würzburg ein, wo ihm der Name des Heiligen Egino zugeteilt wird. Zunächst beginnt der Novize Egino eine kaufmännische Lehre, schließt diese aber nicht ab, da ihn eine künstlerische Betätigung weit mehr als jede verwalterische Tätigkeit reizt. Man erkennt sein Talent und so beginnt Egino G. Weinert 1937 in den renommierten Kunstwerkstätten der Abtei eine Lehre als Restaurator und Kirchen-maler. Nach deren erfolgreichem Abschluß folgt eine zweite Lehre als Goldschmied. Künstlerisch entwickelt Egino schon früh seinen "eigenen  Kopf". Als jugendlicher "Freigeist" eckt er schon bald mit der NS-Obrigkeit an, weil er nicht ordentlich in den "Heil-Hitler-Gruß" einstimmen wollte. Mit seiner (freiwilligen ?) Verpflichtung zur Kriegsgmarine kommt er angedrohten weitergehenden Repressalien zuvor. Er dient von 1941-45 bei der Kriegsmarine.

Zwischendurch - während eines Fronturlaubs - legt er in der Abtei in Münster-

schwarzach die Prüfung zum Goldschmiedemeister ab.

Zurück bei seiner Einsatzstelle, eckt er in der Folgezeit mehrfach wegen "renitenter Gehorsamsverweigerung" bei seinen Vorgesetzten an. Trotz massivem Drucks  "ver-

biegt er sich und seine christlichen Überzeugungen aber nicht" und so muß er sich kurz vor Kriegsende vor einem Militärgericht verantworten. Man macht kurzen Pro-

zeß: Egino wird wegen "Zersetzung der Wehrkraft" zum Tode verurteilt. Nur seine "freiwillige" Meldung zum finalen Häuserkampf in Berlin verhindert, dass das Todesurteil vollstreckt wird. Zum Kriegsende 1945 verliert der ausgebildete Restaurator, Kirchenmaler und Goldschmied seine rechte Hand durch eine Sprengfalle, die die Russen beim finalen Häuserkampf in Berlin im Sicherungskasten des Familienwohn-hauses Weinert gelegt hatten. Als Günter bei seiner Rückkehr in das Elternhaus die Elektrosicherung wieder einschalten will, wird er durch die ausgelöste Explosion schwer verletzt. Seine rechte Hand muß amputiert werden. Die Verletzung zwingt ihn, sich vom rechtshändigen auf ein linkshändiges Arbeiten umzustellen. Es dauert fast zwei Jahre und einen eisernen Willen, bis er vergleichsweise wieder so gut zeichnen und malen kann wie zuvor. Ein eigenes bildhauerisches Arbeiten ist ihm mit einer Hand verwehrt. Er entwirft aber weiterhin sakrale Figurengruppen, Plastiken und Reliefs, läßt diese aber durch Mitschüler realisieren. Die Behinderung zwingt ihn dazu, eigene, auf ihn und seine einarmige Arbeitsweise angepaßte skulpturale Modelliertechniken zu entwickeln. Er perfek-tioniert vor allem die "Plastilin-Gestaltung", variiert die Knetmassen zu seinem Zweck und entwirft eine Reihe neuer Werkzeuge. Er findet so zu einem ganz eigenen, stets wiedererkennbaren Gestaltungsstil, der bereits die Vorlagenentwürfe für seine Guß- und Schmiedeobjekte kennzeichnet und in der Bronzegießerei der Abtei "eins zu eins" abgegossen wird.

Der Düsseldorfer Maler Ewald Jorzig - ein enger Freund Egino Weinerts - besucht ihn gelegentlich in der Abtei Münsterschwarzach, um dort mit ihm zu malen. Er erkennt das besondere Talent seines Freundes und wendet sich an den damaligen Abt, um diesen auf eine Möglichkeit zur Vervollständigung und zum weiterem Ausbau der künstlerischen Ambitionen seines Freundes aufmerksam zu machen. Er schlägt dem Abt ein Vertiefungsstudium im Bereich der Goldschmiedekunst, der Metall-bildhauerei, des Kunstgusses und der "freien" Malerei an den gerade wieder-

eröffneten Kölner Werkschulen vor. Der Abt stimmt zu und so wechselt der "Novize" von Münsterschwarzach nach Köln. 1947 nimmt er sein Studium an den Werkschulen Köln bei den Professoren Elisabeth Treskow, Josef Jaekel; Heinrich Hußmann und Friedrich Vordemberge auf.

Dem ausgebildeten Goldschmiedemeister wird nichts geschenkt. Wie alle anderen Studierenden auch, muß er zunächst ein Grundstudium mit einer grundlegenden zeichnerischen und malerischen Ausbildung absolvieren, ehe er danach sein Fach-

studium aufnehmen darf. Während der Semesterferien reist Egino zurück zur Abtei Münsterschwarzach. Dort erregen seine Studienarbeiten großes Aufsehen, als man seine Examenszeichnungen zum Abschluß des Grundstudiums, darunter die Akt-

studien "nackter Frauen" sowie ungewöhnliche, den Mitbrüdern einfach zu abstrakt und zu modern erscheinende stilistische Gestaltungsübungen zu sehen bekommt. Es hilft nichts, dass Egino während seines Studiums in Köln als bereits ausgebildeter Goldschmiedemeister große Meriten bei der Restaurierung des Kölner Domschatzes  verdient, insbesondere weil er an der Instandsetzung des im Kriege in Teilen aus-

einandergebauten und separat versteckten goldenen Dreikönigsschreins maßgeb-

lich beteiligt war.

Die Mitbrüder befürchten vielmehr, dass Egino in Köln moralisch-sittlich verdorben wird und fordern vom Abt entsprechende Konsequenzen. Vom Abt daraufhin vor die Wahl gestellt, entscheidet sich Egino für ein Weiterstudium in Köln. 1949 wird er deshalb - gerade mal 14 Tage vor der Ablegung seines "Ewigen Gelübtes als Mönch" aus der Abtei ausgeschlossen.

 

Für Egino Weinert bedeutet diese Entscheidung einen einschneidenden Umbruch in

seinem Leben. Ein "neues" Leben - unabhängig von den Konventionen der Abtei -

beginnt. Egino "genießt" die neu gewonnene Freiheit als Kunststudent in der Kölner Südstadt. 1951 schließt er sein Fachstudium an den Werkschulen Köln ab. Arbeit gibt es für einen studierten Goldschmiedemeister und Restaurateur zu Beginn des bun-

desgeutschen Wirtschaftsaufschwungs genug. Auch die kirchlichen Institutionen er-

teilen ihm "satte" Aufträge.

 

1951 zieht Egino von Köln nach Bonn um und richtet sich dort ein eigenes Künstler-

atelier, sein sogenanntes "Bonner Kelleratelier" ein. In der Folgezeit besuchen ihn

Konrad Adenauer, Carlo Schmidt und andere Größen der Bonner Politik in seinem "Bonner Kelleratelier", um ihm über die Schulter zu schauen. Egino Weinert nimmt Kontakt zu Diplomaten vor allem zu den Kunst- und Kulturattaches in den Bonner Botschaften auf. Er ist ein gerngesehener Gast dort. Er begegnet der Buchhändlerin Anneliese Leupold, lernt sie kennen und lieben. Sie heiraten 1951, gründen eine Familie und bekommen nach und nach 4 Kinder.  Auch der Düsseldorfer Kunstpro-

fessor Ewald Mataré, der an der dortigen Kunstakademie lernt und in dieser Funktion zu den einflußreichsten Vertretern der sich gerade neu orientierenden deutschen Kunstszene zählt, besucht ihn in seinem Bonner Kelleratelier. Die beiden Künstler stellen einen "verwandten" Form- und Gestaltungskanon in ihren Kunstwerken fest und Egino Weinert bestätigt später mehrfach, dass er von Ewald Matarés Werken in seiner frühen Schaffenszeit stark geprägt worden sei. 

1954 zieht Egino Weinert mit Frau und Familie zurück nach Köln. Hier kauft er unweit des Kölner Doms ein Grundstück in der Marzellenstraße 42. Er läßt das alte Gebäude abreißen und erbaut an seiner Stelle ein mehrgeschossiges Stadthaus, in dessen obere Etagen er mit seiner Familie einzieht. Geschaftstüchtig gründet er in der Marzellenstraße die "Bildhauerwerkstatt Egino G. Weinert URSULA-WERKSTÄTTEN GmbH zu Köln". Er kann es sich leisten, einen festen Mitarbeiterstamm für seine URSULA-Werkstätten anzustellen, die nach seinen Entwürfen arbeiten. Im Erd-

geschoß des Gebäudes ist frontseitig ein Ladenlokal intgegriert. Hier kann das

"Kölner Laufpublikum" im Umfeld des Kölner Domes Namensplaketten aus Bronze

und spezifische Geschenke für kirchliche Feste (Geburt, Taufe, Kommunion, Firmung, Eheschließung, Ehejubiläen sowie für den Todesfall und die Beerdigung) erwerben.

Das Geschäft floriert. Als ein nicht unerheblicher Umsatzträger erweisen sich auch die Bildreproduktionen seiner Emailtafeln, die als bunte Glückwunsch- und Gedenk-karten und als Kalender zu erhalten sind.

 

Katalogcover: Bronzekreuze von Egino Weinert (1948 bis 1968). Der Küntler hat in diesem Zeitraum über 185 verschiedene Bronzekreuze in unterschiedlichen "Designs" geschaffen, die in hohen Auflagen produziert und verkauft werden. Ähnliche Kataloge gibt e
Beispiele für Glückwunsch-, Geschenk- und Kalenderblätter von Egino Weinert: (links oben) Einzelne Postkarte; (rechts oben) Motive des jeweiligen Jahreskalenders; (darunter quer) Doppelkarte, auch als Aufsteller oder als rahmbare Bilder erhältlich.

In den URSULA-WERKSTÄTTEN werden neben den Bronzeplaketten (nach Vorgabe von Egino Weinerts Plastilin-Modellen) auch kleine und große Email-Tafeln (nach seinen Zeichnungsentwürfen) vorbereitet und gebrannt.  Ein Großteil dieser Tafeln

zeigen Bilder aus dem Leben Jesu (u.a. die 15 Kreuzwegstationen) und aus dem Leben und Wirken der Heiligen. Die meisten dieser Unikate sind heute in großen Altarkreuzen, auf Tabernakeln oder in Türportalen integriert und verbaut.

Unabhängig von den Arbeiten der URSULA-WERKSTÄTTEN arbeitet Egino G. Weinert

in dieser Zeit auch mit namhaften Architekten und einigen der bedeutensten Künstler

ihrer Zeit, (u.a. Marc Chagall, Pablo Picasso, Salvatore Dali, Oscar Kokoschka, Wassily Kandinsky etc.) zur Austattung von Kirchengebäuden und sakralen Museums-

sammlungen (u.a. für die Vatikanischen Museen) zusammen.

Als zutiefst christlicher Künstler wird er von bedeutenden kirchlichen Würdenträgern, Bischöfen, Kardinälen und Päpsten empfangen. Für einige entwirft er auf deren persönliche Bitte hin Ringe, Kreuze und Hirtenstäbe. 

1963 richtet sich Egino G. Weinert aus gesundheitlichen Gründen ein zweites Künst-

lerratelier an der Costa Brava im spanischen Denia ein. Hierhin verlagert er nach und nach den Schwerpunkt seines künstlerischen Wirkens, was auch Auswirkungen

auf die örtlichen Kirchen und Kapellen hat, die zum Teil komplett neue Innenein-

richtungen nach seinen Entwürfen bekommen. Er wird zu Ehrenbürger der Stadt

Denia ernannt und ist schon bald ein überaus geachtetes Mitglied der großen

deutschsprachigen Stadtteil-Kolonie in Denia (die inzwischen sogar ihren eigenen

Bürgermeister wählt, eine eigene Zeitung und einen deutschsprachigen Lokalsender

unterhält).

Seit den frühen 80-er Jahren werden repräsentative Werke aus Egino Weinerts Hand in einem eigenen Ausstellungshaus in Frechen-Königsdorf (nahe Köln) in einer ständigen Ausstellung gezeigt. Das Ausstellungshaus wird von der Egino-Weinert-Stiftung unter dem Vorsitz seiner zweiten Frau Waltraud finanziert. Weinert

heiratete Waltraud Förster 1985 nach dem Tod seiner ersten Frau Anneliese.

 

Egino Weinert ist bis ins hohe Alter kreativ tätig. Zur Überwachung und Abwicklung seiner Kunstaufträgen sowie zunehmend auch zur medizinisch-ärztlichen Betreuung wechselt er in den letzen Jahren seines Lebens zwischen Köln und Denia hin und her.

 

Egino Weinert stirbt am 4. 9. 2012 im Alter von 92 Jahren. Er blickt auf ein reiches Ouevre mit sakralen Unikat-Kunstwerken in mehreren 100 Kirchen im In- und Ausland zurück. Neben Altären gestaltete er Vorlesepulte, Kirchenportale, Kirchenfenster, Kreuze, Kreuzwegstationen, Monstranzen, Kelche, Taufbecken, Tabernakel, Leuchter, Hirtenstäbe und Bischofsringe. Bekannt wurde er in der Öffentlichkeit vor allem durch seine hochauflagigen Bronzeplaketten-Serien sowie seine Emailarbeiten, die noch heute als Postkarten- und Geschenkkartenmotive beliebt sind und auch Eingang in Gebets- und Schulbücher gefunden haben. Sein Grab befindet sich auf dem Friedhof von Kleinkönigsdorf bei Frechen.

Egino Weinert: "Der heilige (Sankt) Reinhold", geschaffen als Patronatsplakette im Auftrag des Seelsorgeamtes Regensburg. Sammlung: Michael Hümmer, Samm-

lungsnummer: 420.040. Egino Weinert hatte eine besondere Beziehung zu dem heiligen Reinhold: Reinhold war im 10. Jahrhundert ein Mönch im Kloster Sankt Pantaleon in Köln. Dieser Mönch verstand sich gut auf's "Steineklopfen" und wurde trotz seiner Jugend zum Chef und Aufseher der Steinmetze des Klosters. Die er-

schlugen ihn aus Neid und Mißgust über dessen Können mit seinem eigenen Hammer. Der heilige Reinhold trägt auf dem Bronzerelief unverkennbar die Gesichtszüge von Egino Weinert. Egino sah in Reinhold einen "wesensverwandten" Menschen: wie er ein Bildhauer, wie er ein der Kirche zugehöriger Mönch, wie er ein Kölner. 

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