Künstlerprofil Arno Reins (1921 bis 1985)
1921 Arno Reins erblickt am 18.1.1921
in Bad Godeberg -heute ein Stadt-
teil von Bonn - das Licht der Welt.
Er ist der ältere von zwei Söhnen
des Ehepaar Reins. Der Vater
stammt aus dem rheinischen Rhön-
dorf, die Mutter aus Westfalen.
Der Vater hat als Regionalvertreter
von Fichtel & Sachs ein gutes, aber
nicht leicht verdientes Einkommen.
Das ermöglicht den Erwerb eines
Einfamilienhauses in der damaligen
Elsa-Brandström-Straße in Bad Godesberg. Dort lebt die Familie bis 1945.
1927 Arno Reins wird in die "Volksschule Bachstraße" ein-
geschult. Vier Jahre später wechselt er auf die Otto-
Kühne-Schule, ein privates Gymnasium in Bad Go-
desberg, das allgemein nur als "das PÄDA" bezeich-
net wird. Das "PÄDA"-Gymnasium legt seine Unter-
richtsschwerpunkte in den gesellschaftswissen-
schaftlichen, sportlichen und musischen Bereich.
Arno Reins wählt den musischen Bereich, zu dem
neben der Musik auch die Literatur und die bildende
Kunst gehört. Wahrscheinlich ist es auf diese schu-
lische Grundprägung zurückzuführen, dass Arno Reins
sich schon relativ früh als Zeichner und Illustrator be-
tätigt und zudem - wie von allen Seiten immer wieder
bestätigt wird - ein äußerst belesener junger Mann ist.
1940 Der zweite Weltkrieg hat angefangen. Arno Reins macht ein Notabitur, um
gleich darauf als Soldat eingezogen zu werden. Großer Ehrgeiz wird ihm als
Soldat aber in der Folgezeit nicht zugeschrieben. Nach entsprechenden
Lehrgängen in Berlin wird er als Bordschütze der Luftwaffe u.a. an die
Ostfront (Polen, Russland) und schließlich - mit Einsetzen der alliierten
Bombadierungen - zur Flugabwehr (Flak) nach Hamburg versetzt. Als er
nach fünf Jahren in britische Gefangenschaft gerät, ist er Obergefreiter.
Eine angebotene Ausbildung zum Offizier hatte er abgelehnt.
1945 Arno Reins wird in britische Gefangenschaft
über den Kanal nach England "expediert".
Wohl aufgrund seiner guten englischen Sprach-
kenntnisse wird ihm erlaubt, ein Germanistik-
Studium (in England) aufzunehmen. Er kommt
in Kontakt mit englischen Buchverlagen, die
im Rahmen ihrer grundlegenden Umerzie-
hungsmaßnahmen eine eigene Buchreihe für
deutsche Kriegsgefangene - finanziert mit
Mitteln des Y.M.C.A (Christlicher Verein jun-
ger Männer) - auflegen. Arno Reins redigiert
(als Lektor) einige der Werke.
Nebenbei illustriert er aus eigenem Antrieb
und mehr zum eigenen Zeitvertreib die Texte.
Seine Illustrationen fallen im Verlag auf und so
wird die Erzählung von Theodor Fontane:
"Mathilde Möhring" mit seinen Zeichnungen ver-
öffentlicht.
Illustrationen zur Erzählung von Theodor Fontane: "Mathilde Möhring"
Es folgen weitere Veröffentlichungen in
der Reihe der "Zaunkönig-Bücher" für
deutsche Kriegsgefangene. Arno Reins
fertigt die zugehörigen Illustrationen an.
Obwohl er bis dahin noch keine syste-
matische Zeichenausbildung erhalten
hat, zeigen insbesondere seine Land-
schaftsskizzen sein Talent, atmosphä-
rische Stimmungen "mit sicherem Strich" wiederzugeben. In Arno Reins
reift der Entschluß, nach dem Krieg bildender Künstler mit dem Schwer-
punkt "literatische Grafik" zu werden.
Illustrationen aus dem "kleinen Kanonbuch" für Kriegsgefangene
1947 Arno Reins wird aus der britischen Kriegsgefangenschaft entlassen und
kehrt als 26-Jähriger zu seiner Familie nach Bad Godesberg zurück. Das
Haus seiner Eltern ist von der Besatzung beschlagnahmt worden. Arnos
Eltern sind gezwungen, mehrere Jahre in Mietwohnungen zunächst in der
Beethovenstraße, dann in der Heerstraße zu leben. Erst 1953 können sie
ihr neuerbautes Haus in der Nachtigallenstraße 3 beziehen. Mit finanzieller
Unterstützung seines Vaters nimmt Arno Reins zum Wintersemester 1947
eine Ausbildung an den renommierten Kölner Werkschulen (am Ubierring)
bei Prof. Alfred Will (1906-1982) auf. Prof. Alfred Will - seines Zeichens
Maler und Grafiker - war schon vor dem Krieg Leiter der "Freien Grafik"
an den Werkschulen Köln und hatte die druckgrafischen Werkstätten dort
aufgebaut. Mit der Machtergreifung Hitlers wurde er 1933 von der Schule
entfernt. Unmittelbar nach dem Krieg kam Alfred Will, der von seinen
Studenten nur kurz "Ali" gerufen wurde, zurück und unterrichtete von 1946
bis zu seiner Emeritierung 1971 in seinem angestammten Lehrfach Grafik.
Sechs Semester studiert Arno Reins beim "Ali" in Köln.
Arno Reins: Portraitstudien von Gottfried und Julie Quistorp (1947). Die beiden Zeichnungen
wurden freundlicherweise von Herrn Dr. Werner Eich, einem Enkel des Ehepaars Quistorp
bereitgestellt. Sein Onkel - Hans-Joachim Quistorp - war ein Kriegskamerad von Arno
Reins, mit dem er gemeinsam in britischer Kriegsgefangenschaft gewesen war.
1950 Danach wechselt Arno Reins von Köln zur staatlichen Kunstakademie nach
Stuttgart, um bei dem bekannten Professor für Buchgrafik und Typografie
Walter Brundi (1907 -1987), seinen Abschluß als Grafiker zu machen. Er
belegt auch einige Vorlesungen und Übungen bei Friedrich Wilhelm (Willi)
Baumeister und Max Ackermann, die ihn mit den abstrakten Nachkriegs-
strömungen in der "Deutschen" Kunst bekannt und vertraut machen.
1951 Zum Ende des Jahres 1951 legt Arno Reins sein Examen als Grafiker an
der staatlichen Kunstakademie in Stuttgart ab. Er bewirbt sich um eine
Aufnahme in die Künstlergruppe Bonn. Deren Aufnahmereguarien sind
damals (noch) sehr rigide. Unter anderem wird von jedem Antragsteller
der Nachweis einer hauptamtlich-professionellen Tätigkeit als bildender
Künstler verlangt, wozu eine ununterbrochene, mindestens dreijährige
künstlerische Berufsausübung nachzuweisen ist. Bis dahin ist der An-
tragsteller "nur" ein auf Probe assoziiertes Mitglied. Immerhin sind
"assoziierte" Mitglieder berechtigt, an den Gruppenausstellungen der
Künstlergruppe Bonn teilzunehmen. Dies ist insofern wichtig, da die
Bereitstellung öffentlicher Ausstellungsflächen durch Kommunen und
Städte wie Bad Godesberg, Bonn, Köln etc. ausschließlich an "berufs-
politisch in anerkannten Künstlergruppen organisierte" professionelle
Künstler gebunden ist. Nach dem Krieg gab es einfach keine frei zu-
teilbaren Ausstellungsflächen für zeitgenössische Künstler. Um den
regionalen Künstlern aber die Chance auf die Erzielung eines kar-
gen Lebensunterhaltes zu eröffnen, versuchten die Städte und Gemein-
den - zumindest für die Weihnachtsausstellungen - öffentliche Flächen
in Schulen oder städtischen Institutionen für eine begrenzte Zeit frei-
zuräumen und den Künstlergruppen bereitzustellen.
In Bonn übernahm die Stadt 1951 beispielsweise die Pacht für den
gerade neuerrichteten 3. Stock des Bonner Kaufhofs, in dem die
Weihnachtsausstellung der "vereinigten Bonner Künstlerschaft" (das
waren damals zwei Künstlergruppen) stattfinden konnte.
Arno Reins stellte dort zum erstenmal als freischaffender Künstler und
Grafiker aus. Es ist leider nicht überliefert, welche seiner Werke er
dem Bonner Publikum zum Kauf anbot und welche Einnahmen er dabei
erzielte.
1952 Arno Reins übersiedelt endgültig nach Godesberg. Er läßt sich hier als
freischaffender Maler und Grafiker nieder. Einen Teil seines Lebensunter-
haltes sichert er sich durch einen Teilzeitvertrag als "Dozent für Schrift-,
Grafik und Gestaltungslehre" an der Volkshochschule (VHS) Bonn.
Außerdem erzielt er Einnahmen aus freien Grafikaufträgen verschiedener
Auftraggeber.
Nach dem Krieg "hungern" viele Menschen nach einer eigeninitiativen,
kulturellen Betätigung und so ist Arno Reins Kurs an der Volkshoch-
schule Bonn auf Anhieb ausgebucht. Die VHS bietet daraufhin einen
weiteren Kurs mit ihm als "Dozent für Zeichnen, Aquarellieren und Malen"
an. Auch dieser Kurs ist schnell ausgebucht.
In der Folgezeit ist Arno Reins während der VHS-Semesterzeiten 32
Jahre lang (von 1952 bis 1984) an jeweils drei Wochentagen jeweils
drei bis vier Stunden in der Volkshochschule Bonn (Wilhelmstraße) und
zeitweise im Haus der Familie in Bad Godesberg als Kunstlehrer tätig.
Hunderte Bonner und Bonnerinnen sind von ihm unterrichtet worden,
darunter auch solche, die später eine eigene künstlerische Karriere ge-
macht haben und von ihm die zeichnerischen und malerischen Grund-
lagen ihrer Kunst vermittelt bekamen.
Übungsstücke zur Zeichnungs-, Lasur- und Linolschnitt-Technik von Arno Reins
(Sammlung Erich Beck)
Arno Reins ist ein guter Kunstlehrer, für den die Kunst einfach alles ist.
Er versteht Kunst eher als Handwerk, denn als kreative Selbstverwirk-
lichungsdisziplin. Erkennt er bei seinen Schülern und Schülerinnen hand-
werkliche Fehler, so korrigiert er sie, ohne auf deren persönliche Befind-
lichkeiten Rücksicht zu nehmen. Künstlerische "Hohlköpfe" erkennt er
schnell, versucht, sie zu motivieren und für seine Sichtweise einzunehmen.
Hilft das nicht, schreibt er die jeweilige Person ab. Belesen, wie er ist,
bringt er gerne Kunstbücher und Ausstellungskataloge - vor allem über
den französischen Im- und Expressionismus aber auch über den franzö-
sischen Kubismus - in den Unterricht mit und bespricht die wichtigsten
Werke von Cezanne, Matisse, Braque und Picasso. Er "entschlüsselt" die
Werke vor, mit und für seine Schüler und Schülerinnen. Dabei merkt er
schnell, wer seine "Schlüssel" annimmt und bereit ist, "die Tore zur Kunst
für sich zu öffnen".
1953 Arno Reins heiratet in Stuttgart Rosemarie Grünvogel, die er dort während
seines Studiums kennengelert hatte. Beide ziehen zu den Eltern Reins in
die Nachtigallenstraße 3.
1954 Arno Reins wird nach 3-jähriger
Karenzzeit ordentliches Vollmit-
glied der "Künstlergruppe Bonn".
Diese ist inzwischen die einzige
und somit auch die mitglieder-
stärkste regionale Vereinigung
bildender Künstler in der "provi-
sorischen" Bundeshauptstadt
Bonn, da die andere Künstler-
vertretung - der "Künstlerbund
Bonn" - sich aus Verärgerung
über die schleppend-hinhaltende
Haltung der Stadt Bonn zur Er-
richtung einer Bonner Kunsthalle
selbst aufgelöst hatte. Die meisten Mitglieder wechselten ohne weiteres
Aufnahmeprozedere in die "Künstlergruppe Bonn" über.
Arno Reins ist ein durchaus aktives Mitglied
der "Künstlergruppe Bonn", auch wenn er
sich aus den "verwalterischen Internas" und
der öffentlichen Repräsentanz der Organi-
sation bewußt heraushält. In seiner ruhigen
und bedächtigen Art gewinnt er schnell die
Achtung seiner Künstlerkollegen. Manch
Außenstehende vermuten - vielleicht nicht
ganz zu Unrecht - in ihm eine "graue" Emi-
nenz, die "im Rücken der Künstlerkollegen
die Fäden zieht".
Nach Innen interessierte er sich eigentlich
nur für die Kunst selbst. Und so mischt Arno
Reins immer dann mit, wenn es um künst-
lerische Qualitätsurteile, um Auswahlver-
fahren oder Stellungnahmen zu künstle-
rischen Problemen geht.
Arno Reins: Entwürfe für Ausstellungseinladungen 1955 und 1960
1956 Arno Reins wird Mitglied im Bundesverband Bildender Künstler (BBK),
Sektion Bonn. Er vollzieht damit eine schon länger von ihm angedachte
Trennung einerseits der berufsständigen Organisationsfragen, die vom
BBK im Sinne einer Künstlergewerkschaft wahrgenommen wird, und
andererseits den künstlerisch-fachlichen Fragen, die er inhaltlich mit
den Künstlerkollegen in der "Künstlergruppe Bonn" ausdiskutieren kann.
Diese Gespräche sind ihm wichtig, um einerseits die eigene künstlerische
Position bestimmen zu können und andererseits eine "Verortung" seiner
Kunstauffassung im Verhältnis zu den sich ständig wandelnden Trends
und Tendenzen in der aktuellen, zeitgenössischen Kunst vornehmen zu
können. Dieser Ansatz wird - wie sich herausstellt - von vielen seiner
Künstlerkollegen ebenfalls verfolgt und so gewinnt Arno Reins in der
"Künstlergruppe Bonn" viele - auch persönliche Freunde. Mit Ernemann
Sander, der später zum Vorsitzenden der "Künstlergruppe Bonn" ge-
wählt wird, verbindet ihn eine solche Freundschaft. Die beiden unter-
nehmen gemeinsame Studienreisen. Der Austausch ihrer künstlerischen
Stilauffassungen, Ernemann Sander als Bildhauer, Arno Reins als Maler
fasziniert und befruchtet beide.
1957 Arno Reins wird von seinem Vater das Haus in der Nachtigallenstraße 3
in Bad Godesberg überschrieben. Später baut er im Dachgeschoß ein
lichtdurchfluteten Atelier aus. Dort richtet er auch sein Archiv ein.
Seine Tätigkeit als VHS-Dozent sichern ihm eine gewisse finanzielle
Unabhängigkeit, so dass er auch als freischaffender Künstler nicht alleinig
auf den Verkauf seiner Kunst und damit auf eine Anpassung an den jeweils
herrschenden Publikumsgeschmack angewiesen ist. So kann er frei und
unabhängig seiner Kunst "fröhnen". Dennoch zwingen ihn die mit den
Jahren ständig anwachsenden Lebenshaltungskosten dazu, sich Mitte der
70-er Jahre nach einer weiteren Einkommensquelle umzusehen.
1974 Arno Reins wird als grafischer Mitarbeiter beim Rheinischen Archiv- und
Museumsamt - einer Einrichtung des Landschaftsverbandes Rheinland -
zunächst in Bonn, später dann in Brauweiler tätig. Er ist dort für die
künstlerische Konzeption der Museumsausstellungen und die grafische
Ausführung der Ausstellungspublikationen zuständig.
Ein interessanter, abwechslungsreicher Job, der aber über die Jahre doch
einen hohen Tribut fordert, zumal Arno Reins - wie er einem seiner
Künstlerkollegen anvertraut - in seiner Grafiker-Funktion nach Anweisung
zu arbeiten hat und gestalterisch ständig rechenschaftspflichtig ist. Die
Diskrepanz zu seiner eigenen freien Tätigkeit als Künstler ist groß, sehr
groß und wird mit zunehmender Dauer zur psychischen Belastung.
"Ich mach' den Job, aber ich liebe ihn nicht" bekennt er offen.
Studienreisen
Wann immer es ihm möglich (und finanziell erschwinglich) ist, unternimmt
Arno Reins ausgedehnte Ferien- und Studienreisen in südliche Gefilde.
Südfrankreich
In den 50-er Jahren sind es vor allem Studienreisen in die Provence. Nach
Auskunft seiner Frau Rosemarie war ihr Mann, kaum dass man ausgepackt
und sich halbwegs häuslich im Zelt eingerichtet hatte, auch schon "unter-
wegs zur Arbeit". Er sucht sofort nach interessanten Motiven, Landschaften,
Häuser, Baumgruppen, wählt nach Farben, nach Luft, Licht, Sonne und
Schatten "seine" Motive aus und beginnt vor Ort "in situ" seine durchaus
persönlichen Eindrücke in der für ihn typischen Darstellungsweise zu
skizzieren.
Arno Reins: Skizzen und Zeichnungen aus Südfrankreich /Provence
Nicht die exakte "platte" Wiedergabe des Gesehenen interessiert ihn,
sondern das Transzendent-Emotionale, die "Aura", die von dem jewei-
ligen Motiv ausgeht oder in die es eingebettet ist. Diese Aura gilt es
einzufangen.
Arno Reins: Bilder der Provence
(Mischtechnik: Wachs, Öl, Tempera und Farbstifte i.R. auf Holz)
Sicherlich ist Arno Reins in den 50-er Jahren von den Sichtweisen der
zeitgenössischen französischen Maler stark beeinflußt.
Er selbst gibt an, dass die Aufarbeitung und künstlerische Verarbeitung
seiner Provence-Eindrücke etwa acht Jahre (von 1957 bis 1965) in An-
spruch nahm.
Italien
In den 60er Jahren "entdeckt" Arno Reins das Reiseland Italien für sich.
Natürlich führt eine seiner ersten Studienreisen nach Rom, wo "jeder Stein
Kultur atmet". Auch jetzt ist es wieder das "Athmosphärische", das Arno
Reins reizt und das er in unzähligen kleinformatigen Zeichnungen auf
Papier festhält. Häufig "kreisen" seine Skizzen um vor Ort vorgefundene
architektonische Details, um Fels- und Horizontlinien, um charkteristische
Kuppelbauten und Kreuzgänge.
Arno Reins: Zeichnungen und Skizzen aus Italien (Rom, Florenz, Venedig)
Studienreisen, die er mit seinem Freund, einem Architekten und ehemaligen
Deutschlehrer unternimmt, führen ihn über Rom hinaus bis nach Neapel. Doch sind dies eher "Abstecher".
Viel interessanter ist für Arno Reins die Toskana, das großartige Florenz der
Medici, Sienna, Pisa und die Lombardei (Verona, Mantua) sowie natürlich
die einzigartige Stadt Venedig inmitten der "Blauen Lagune". Vom Garda-
see aus, wo Arno Reins mit seiner Frau ab 1971 regelmäßig im Haus eines
guten Freundes wohnt, unternimmt er seine Ausflüge in die oberitalieni-
schen Städte, auf deren Piazzas, in Kirchen und Museen. "Ich reichere mich
an, sauge alles in mich auf. Zu Skizzen reicht die Zeit, die Ausarbeitung des
Gesehenen erfolgt in Ruhe zuhause im Atelier. Reflexion braucht Ruhe und
Zeit."
Arno Reins: Bilder aus Italien (Venedig, Florenz, Rom)
In Pisa "begegnet" Arno Reins dem italienischen Maler Antonio Pisanello,
richtiger, Arno Reins nimmt dort Pisanellos Spuren auf. Er ist von Anfang
an fasziniert von diesem Maler, der 1395 in Pisa geboren wurde. Diese
"Begegnung" wird Arno Reins sein Leben lang verfolgen. Sie lässt ihn auch
später nicht mehr los.
Antonio Pisanello, der auch Antonio di Pucca Pisano oder Vittore
Pisano gerufen wurde, markiert kunsthistorisch den Übergang zwi-
schen der Spätgotik und der Frührenaissance. Welch weites Feld
tat sich da für einen belesenen Mann wie Arno Reins auf, welche
überraschende Einsichten in die Zusammenhänge der verschiede-
nen Denk- und Lebensweisen in Zeiten der Gotik und Renaissance
eröffnet ihm die Beschäftigung mit Antonio Pisanello!
Pisanello war einerseits als Freskenmaler in vielen Kirchen des ober-
italienischen Raumes (Verona, Mantua, Venedig und Mailand) tätig.
Andererseits war er aber auch ein veritabler Ateliermaler, dessen
zeitgenössische Profilbildnisse geschätzt waren. Er war ein Meister
der Tiermalerei - unzählige Pferdekopfstudien beweisen, dass Pisanello
auch bei Pferden individuelle "Gesichtszüge" erkannte und sie auch -
wiedererkennbar - als Individuen portraitierte.
Zugleich - und das ist eigentlich relativ wenig bekannt - war Pisanello
auch ein ausgezeichneter Medailleur und einer der ersten "Schau-
münzengestalter" überhaupt, der seine modellierten Rundbildnisse als
Großplaketten oder als Münzen in Metall goß und dem Medium
damit eine eigene künstlerische Wertigkeit als primäres Kunstobjekt
verlieh (Bis dahin waren Metallmünzen eigentlich nur Geldmittel, respek-
tive pekuniäres Austauschmittel in Handelsprozessen gewesen).
In seiner eigenen künstlerische Arbeit "zitiert" Arno Reins in der Folge-
zeit häufig Pisanellos Bildwelt. Rudimentär tauchen in vielen seiner
Skizzen, Aquarelle und Malereien Elemente aus Pisanellos Profilbild-
nissen auf, beispielsweise das durch Bänder hochgebundene - fast
haubenartig anmutende - Haarprofil der Damen - die Pferdekopflinien,
die sowohl in Seiten- wie in Frontansicht in Arno Reins Werken wieder-
zu finden sind. Noch auffälliger aber seine kreisrunden Farbgemälde,
die den "Rundbild-Plaketten" Pisanellos nachempfungen sind und eine
gleichartig "dichte Motivdarstellung auf geringstem Raum" bedingen.
Genau diese einschränkenden Bedingungen sind es, die auch Arno
Reins Gemälde kennzeichnen. Es gibt so gut wie keine großformatigen
Bilder von Arno Reins- er war eher ein Meister des kleinen Formats.
Während seine VHS-Schüler häufig mit großen Mappen zur Besprechung
ihrer Werke erschienen, reichte Arno Reins ein unter den Arm ge-
klemmter Schuhkarton. Er enthielt alles was er brauchte: Sein Arbeits-
zeug ebenso wie eine Vielzahl von Werkbeispielen, an Hand derer er
die Lösung künstlerischer Probleme veranschaulichen und erklären
konnte.
Griechenland
In den 70-er Jahren unternimmt Arno Reins eine Studienreise mit seiner
Frau nach Griechenland. Das Land fasziniert ihn. Weniger wegen seiner
Farben, seiner Luft- und Lichtverhältnisse, wie sie in den Südfrankreich-
und Italienbilder als ortsspezifische "Aura" wahrzunehmen sind, als viel-
mehr wegen der "ungeheueren Kulturaufladung", die in der "attischen"
Landschaft steckt. Arno Reins empfindet diese Kulturaufladung fast
körperlich: Das Land ist durchtränkt, vollgefüllt mit antiker Kultur. In
seinen Skizzen, seinen Bildern spiegelt sich diese physisch empfundene
Kulturaufladung wieder. Man sieht inmitten meist wuchtig dargestellter
Landschaften skizzenhafte Teilbereiche, die an Ausgrabungsstätten er-
innern, an gerade freigeräumte antike Artefakten. Landschaften, die
ihre vergrabenen kulturellen Bodenschätze, ihre Sagen und Götter-
welten noch beinhalten oder sie gerade erst dem Auge des Betrachters
freigeben. "Attische Erinnerungen" benennt Arno Reins diese Schaffens-
phase, in der er seine Griechenlandbilder entwickelt. Sie dauert von
1976 bis 1983.
Arno Reins: "Attische Erinnerungen" (Griechische Reflexionen)
Arno Reins ist wissbegierig. In den 80er Jahren erkundet und erprobt er
die Technik der Radierung. Für einige Tage ist er bei Johannes Reinarz in
den Gemeinschaftsateliers der Künstlergruppe Semicolon im Schöntal
zu Gast. Hier findet er alles vor, was man für künstlerische Radierungen
benötigt. Die Radierung kommt seiner eigenen zeichnerischen Darstel-
lungstechnik sehr entgegen. Es entstehen einige aus der Erinnerung an
seine Venedig-Aufenthalte gefertigte Radierungen, deren Ergebnisse
Arno Reins durch frühe, hastig erstellte Probeabdrucke überprüft. Die
obige Radierung ist nachweislich die letzte Arbeit, die Arno Reins anfer-
tigte (Sammlung Erich Beck).
1985 Am 26. Februar 1985 stirbt der
Bonner Maler und Grafiker Arno
Reins im Alter von 64 Jahren in
Bonn-Bad Godesberg durch Freitod.
Er hinterläßt "breite" Spuren: im
Gedächtnis seiner VHS-Kunst-
schüler, im Gedächtnis seiner
Bonner Künstlerkollegen, in seinen
eigenen Werken, die bereits mehr-
fach in Retrospektiven gezeigt wur-
den, in seinen Lyrik- und Prosa-
illustrationen und - last but not
least - im unermüdlichen Wirken
seiner Frau Rosemarie Reins, die
vor der großen Aufgabe steht, sein
teilweise noch unerschlossenes
Werkarchiv für die Nachwelt auf-
zubereiten.
Abb. oben: Zwei plastische Arbeiten von Arno Reins, die im Aufgang zu
dem Künstleratelier in seinem Wohnhaus (Nachtigallenstraße 3) hängen.
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