Harald Schmahl (1912 - 1964)

1912   Harald Schmahl erblickt am 30. Juni 1912 in Elberfeld das "Licht der Welt".

           Elberfeld war bis 1929 noch eine selbständige Industriestadt mit rund 175.000

           Einwohnern im Bergischen Land. Elberfeld ist heute der größte Stadtteil

           Wuppertals.

           Der junge Harald "schnupperte" bereits vom ersten Lebensjahr an "kreative

           Luft". Sein Vater - Ewald Schmal (1874-1931) - war ein angesehener, selb-

           ständiger Künstler. Er hatte als "Kaiserstipendiat" an der Kunstakademie in

           Düsseldorf Bildhauerei studiert und sich danach in Elberfeld eine eigene Bild-

           hauerwerkstatt aufgebaut.

           Schon früh bekam Harald Schmahl viel von den handwerklichen Arbeits- und

           Gestaltungstechniken seines Vaters mit. Die väterliche Bildhauerwerkstatt

           grenzte - nur durch einen gepflasterten Hof getrennt - unmittelbar an das

           Wohnhaus der Familie. Der Vater fertigte - bei gutem Wetter im Hof - im

           Kundenauftrag Hausschmuck, Eingangsportale, Denkmäler und Grabstätten

           an. In seiner Werkstatt modellierte er Plastiken, Büsten und Gedenkpla-

           ketten, die er in einer nahen Gießerei - zumeist in Bronze - abgießen ließ.

           Die Schmahls führten in Elberfeld ein interlektuell offenes und freizügiges

           Haus. Elisabeth Schüler, ebenfalls in Elberfeld geboren, kam häufiger vorbei,

           um bei Ewald Schmahl ihre Zeichenkenntnisse zu verbessern. Später er-

           langte sie als bekennende deutsch-jüdische Dichterin und Schriftstellerin

           unter dem Namen Else Lasker-Schüler Weltruhm. Sie zählt heute zu den

           bedeutensten Vertreterinnen der Moderne und des Expressionismus in der

           Literatur. Die Schmahls waren nicht unpolitisch. Ewald Schmahl gehörte 

           der kommunistischen Partei an und stand der Arbeiterbewegung nahe.

           Wieviel davon in den Kinderjahren auf den kleinen Harald abfärbte, ist nicht

           belegt. Der Vater wird eingezogen und dient als Soldat im 1. Weltkrieg.

1918   Harald Schmahl wird zu Ostern in der Volksschule

           Elberfeld eingeschult. Über seine schulischen Leistun-

           gen ist aktuell wenig bekannt. In der Werkstatt sei-

           nes Vaters - die er übrigens in späteren Jahren

          (1931) übernimmt - bekommt er zunächst eine solide

           handwerkliche Ausbildung als Steinmetz. Parallel da-

           zu besucht der die Kunstgewerbeschule Elberfeld.

           Sein Lehrer dort ist Prof. Erich Cleff (der Ältere), der

           vor allem in Wuppertal-Barmen tätig war und einige

           bemerkenswerte Plastiken und Brunnen für den

           öffentlichen Raum schuf. 

1931   Wohl auf Fürsprache von Prof. Erich Cleff beginnt Harald Schmahl ab dem

           Sommersemerster 1931 ein vierjähriges Studium der Bildhauerei an der

           Kunstakademie Düsseldorf bei dem dort lehrenden Schweizer Bildhauer

           Alexander Zschokke (1894-1981). Alexander Zschokke hat sich auf Portrait-

           büsten, Kopfstudien und Personenbildnissen (Charakterstudien) spezialisiert.

           Er bringt seinen Studenten das "Erfassen individuellen persönlichen Aus-

           drucks unabbhängig von den jeweils herrschenden Gestaltungsstilen" bei

           und ertüchtigt sie durch umfangreiche eigenorganisierte Studienreisen nach

           Spanien, Frankreich und Italien - in Anlehnung und Auseinandersetzung mit 

           den großen klassischen Bildhauer-Meistern, - vor Ort eigene plastische Ge-

           staltungslösungen zu finden.                

1935   Harald Schmal schließt sein Studium als Bildhauer mit dem Akademiebrief

           ab. Körperlich entspricht Harald Schmahl kaum dem Bild eines starken,

           muskelbewehrten Bildhauers. Er ist eher schmächtig. Seine auffällig großen,

           brennenden Augen lassen ihn - so seine damaligen Künstlerkollegen - eher

           als sensiblen "ewigen Schönheitssucher und Schöngeist" erscheinen. Leicht

           unterschätzt man angesicht der "mikrigen Figur" die unbändige künstlerische

           Energie, die in dem nun gerade mal 24-jährigen jungen Mann steckt.    

1936   Auch wenn in Harald Schmahls Vita keine näheren Angaben zu seinem

           Schaffen während der NS-Zeit zu finden sind, kann davon ausgegangen

           werden, dass er - wie nahezu alle anderen deutschen Künstler auch -

           mehr oder minder freiwillig - ein eingetragenes Mitglied der NS- Reichs-

           kulturkammer, im speziellen der "Reichskammer der bildenden Künste" in

           Berlin, war. Anders hätte er die bereits 1931 vom Vater übernommene

           Bildhauerwerkstatt angesichts der sonst drohenden Restiktionen (fak-

           tisches Berufsverbot) auch nicht weiterbetreiben können.

Harald Schmahl: Por-traitstudie Dr. Müller-Matterstock (1940)

1941   Beteiligung an der "Großen Deutschen Kunstausstel-

           lung" (GDK) im neuerbauten, von Adolf Hitler 1937 

           eröffneten "Haus der Deutschen Kunst" in München

          (Siehe Kapitel: Künstler in der NS-Zeit).

           Die hochrangige Auswahljury wählt Harald Schmahls

           überlebensgroße Bronze: "Portraitstudie des Schrift-

           stellers Dr. Hans Oskar Müller-Matterstock" aus.

           Sie wird im Saal 35 gezeigt. Mit der Teilnahme an der

           GDK 1941 ist Harald Schmahl in den Kreis der "Reichs-

           künstler" aufgenommen. Seine Arbeiten werden allge-

           mein anerkannt und somit ist sein Einkommen als bil-

           dender Künstler auch während des 2. Weltkrieges ge-

           sichert. Seine Werkstatt in Wuppertal-Elberfeld darf -

           mit Sondergenehmigung - auf die kriegsbedingt sehr

           knappen Materialresourcen für den Bronzeguß zurück-

           greifen. Unter anderem fertigt Harald Schmahl Büsten prominenter Sportler,

           Wissenschaftler und Industrieller an. Herbert Runge - Schwergewichtsboxer

           und Olympiasieger der Spiele 1936 in Berlin sowie Hugo Kaulen - bis 1935

           Rekordhalter in der Luftfahrt (Ballonfliegen) gehören zu den Portraitierten,

           deren Charakterköpfe Harald Schmahl in Bronze verewigt.

 

1944   Zwei weitere Bronzen von Harald Schmahl - Kopfstudien, betitelt:"General-

           leutnant K" und "Oberleutnant Hans Machnik" werden im Rahmen der GDK

           1944 ausgestellt. Beide Werke sind "durch Kriegseinwirkung abhanden ge-

           kommen". Leider kann auch auf eine fotografische Dokumentation dieser

           Arbeiten nicht zurückgegriffen werden.         

1945   Ob Harald Schmahl eingezogen wurde und in welcher Funktion er in der

           Wehrmacht gedient hat, geht aus seiner Vita nicht hervor. Am 24./25. Juni

           1943 führten die Alliierten/Engländer einen schweren Luftangriff auf den bis

           dahin noch intakten Stadtteil Elberfeld durch, in dessen Folge rund 94%

           der Bebauung von Elberfeld zerstört wurde. Rund 1900 Bürger verloren in

           dieser Nacht ihr Leben. Das Wohnhaus und die Werkstatt der Familie Schmahl

           wurden bei dem Angriff  "in Trümmer gelegt". Vermutlich hat Harald Schmahl

           mit der Besetzung der Stadt Wuppertal durch die Amerikaner am 16. April

           1945 das Ende des 2. Weltkrieges miterlebt.

           In der unmittelbar folgenden Zeit ist der gelernte Steinmetz Harald Schmahl

           am Wiederaufbau seiner Heimatstadt Wuppertal beteiligt. Seine eigenkünst-

           lerischen Tätigkeiten ruhen weitgehend. Er restauriert zu dieser Zeit - sofern

           dies trotz der fast flächendeckenen Bombenschäden überhaupt noch möglich

           ist - vor allem Hausportale, Fenster- und Dachschmuck von Privathäusern

           aus der Gründerzeit. Zudem wirkt er als alteingesessener Steinmetzbetrieb

           mit bei der architektonischen Gestaltung dringend benötigter neuer Bauten

           für die Stadtverwaltung Wuppertal.  

1946   Harald Schmahl gründet zusammen mit anderen Künstlern den "Ring bergi-

           scher Künstler (Rbk)". Zunächst versucht man, das völlig zusammengebro-

           chene Kulturleben in Wuppertal wieder aufleben zu lassen. Parallel dazu

           bemüht sich der Rbk darum, in einer Gemeinschaftsinitiative provisorische

           Ateliers und Ausstellungsflächen für die "Ring-Künstler" zu schaffen. Ge-

           meinsam sucht man als Künstlergruppe den "Wiederanschluß an internatio-

           nale Kunststömungen" zu finden, von denen man in der Zeit der "gleichge-

           schalteten Deutschen (NS-)Kunst" weitgehend abgeschnitten war.           

Harald Schmahl: Bronze-Gedenktafel für die Fahrzeugwerke Blumhardt (1950)

1950   Anfang der 50-er Jahre nimmt Harald Schmahl seine

           (kreative) Arbeit als Bronzeplastiker wieder auf. Im

           Auftrag des Geschäftsführers Günter Muthmann der

           Wuppertaler Firma C. Blumhardt gestaltet er eine

           große Relief-Bronzetafel als Gedenktafel für die ge-

           fallenen und vermißten Firmenangehörigen, die am

           9. 6. 1950 auf dem Firmengelände feierlich enthüllt

           wird. Es folgen weitere Aufträge namhafter Indus-

           trieller für ähnliche Gedenktafeln und Denkmäler

           (Firma Vonzumhoff etc.). Die in diesem Zusammen-

           hang neu geknüpften Kontakte erweisen sich als

           durchaus nützlich. So mancher Firmenleiter möchte

           sich auch privat gerne in Bronze "verewigt" sehen

           und auch andere prominente Lokalgrößen folgen

           diesem Trend. Wuppertals Oberbürgermeister Robert

           Daum, Nobelpreisträger Gerhard Domagk, verdiente Sportler wie der Fuß-

           ballspieler Horst Szymaniak (Weltmeister 1954) sowie einige seiner Künst-

           lerkollegen u.a. Ernst Walter (Sänger), Georg Röder (Maler) Karl Otto Mühl

           (Schriftsteller) etc. stehen Harald Schmahl Modell und lassen ihren "Charak-

           terkopf" gerne in Bronze abgießen.

1954   Anläßlich des 25. Jubiläums der Stadt Wuppertal erhält Harald Schmahl den

           Auftrag für eine lebensgroße - 1,84 m hohe - Bronzestatue: "Wanderer mit

           Laute", die in der Nähe des Verkehrsknotenpunktes "Am Sandhof" in Wupper-

           tal aufgestellt wird. Es folgen weitere Aufträge von öffentlicher Hand wie die

           Gedenktafel für Eugen Lange, den Erbauer der Wuppertaler Schwebebahn,

           die noch heute in der Schwebebahnstation Hauptbahnhof am Döppersberg

           zu sehen ist. Leider sind viele andere der in dieser Zeit im Rahmen der

           Initiative "Kunst am Bau" beauftragten Bildhauerwerke, vor allem die Brun-

           nenanlagen auf den Schulhöfen an der Geranienstraße und an der Cronen-

           bergerstraße infolge später anstehender Schulhoferweiterungen "verschütt

           gegangen".

Harald Schmahl: "Wanderer mit Laute", Bronzestatue zum 25. Stadtjubiläum Wuppertals nach der Kommunalreform 1929
Harald Schmahl: Gedenktafel an Eugen Langen, den Konstrukteur und Erbauer der Wuppertaler Schwebebahn (1898-1903)

1955  Für seine Verdienste in Zusammenhang mit der Gründung des "Rings ber-

          gischer Künstler Rbk" und seinem engagierten Eintreten für einen Neustart

          der Kulturarbeit nach dem 2. Weltkrieg wird Harald Schmahl der Dr. Ludwig-

          Lindner-Preis 1955 zuerkannt. Mag er mit seinen Portraitbüsten und seinen

          Ausstellungen in der NS-Zeit durchaus zur Installierung einer (NS-)"Deutschen

          Kunst" beigetragen haben, so gilt er mit dieser Preisverleihung auch mehr

          oder minder offiziell als "rehabilitiert". Er ist wieder "hoffähig". Zunehmend

          finden seine Werke Beachtung. Das Wuppertaler "Von der Heydt-Museum" 

          kauft zehn Werke -  meist Kopfstudien von Wuppertaler Bürgern - von ihm.

          Als Künstler bleibt Harald Schmahl ein hervorragender Bronzeplastiker,

          insbesondere was seine Charakterköpfe betrifft.

          Kein Wunder, dass er Ende der 50-er bis Mitte der 60-er Jahre ein volles

          Auftragsbuch und "alle Hände voll" zu tun hat. 

          Zudem engagiert er sich der Künstler aktiv in der Jugendarbeit. Im Haus der

          Jugend in Wuppertal-Barmen bietet er Kunst- und Kreativkurse für Kinder und

          Jugendliche an. Seine Seminare sollen damals "der Renner" gewesen sein

          und nicht wenige Teilnehmer dazu ermutigt haben, den Künstler auch außer-

          halb der Kurse in seinem Atelier "Am Brucher Häuschen" zu besuchen, um

          dort weitere Werke anfertigen zu können.

          Möglicherweise hat Harald Schmahl - zumindest eine kurze Zeit lang -

          seine umfangreichen Modelleur- und Plastikererfahrung auch als freiberuf-

          licher Dozent an die Studenten der Werkkunstschule Wuppertal weiter-

          gegeben. Entsprechende Hinweise auf eine solche Lehrtätigkeit konnten

          aber bisher noch nicht verifiziert werden.

Portraitbüsten aus den 50-er/60-er Jahren

Harald Schmahl: Portraitbüste eines (unbekannten) Wuppertaler Bürgers. Sammlung M. Hümmer

1964  Am 9. August 1964 erliegt Harald Schmahl im Alter von 52 Jahren unerwartet

          einem Herzinfarkt in seinem Wuppertaler Atelier "Am Brucher Häuschen".

          Kurz zuvor hatte er sein letztes Werk - eine Bronzebüste seines Künstler-

          kollegen, des Wuppertaler Bauhauskünstlers, Designers und Malers Franz

          Krause (1897-1979) - fertiggestellt.

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