Thomas Creswick (1811-1869)
1811 Thomas Creswick wird am 5. Januar 1811 als Sohn von Thomas Creswick
(dem älteren) und dessen Ehefrau Mary (geborene Epworth) in Sheffield
geboren. Sein Vater war ein gelernter Silberschmied, der in einem Stahlwerk
in Sheffield angestellt war und dort u.a. die Gestaltung von Bestecken, Table-
und Kitchenware verantwortete. Sheffield zählt damals noch zur englischen
Provinz Derbyshire und entwickelt sich im Laufe der industriellen Revolution
ab 1815 von einer rund 70.000 Einwohner zählenden ländlich geprägten
Arbeiterstadt zu einem bedeutenden Zentrum der englischen Schwermetall-
industrie im heutigen South Yorkshire.
1817 Thomas Creswick geht in dem kleinen nahegelegenen Ort Hazelwood zur
Schule. Im Laufe seiner Schulausbildung zeigt sich sein ausgeprägtes
zeichnerisches und malerisches Talent und so darf er - auf Fürsprache seiner
Lehrer - von dort auf die "Birmingham School of fine Art" wechseln. Eine
Kunstschule, die zur damaligen Zeit den Malstil der "Pre-Raphaeliten" aufnimmt
und auf dieser Basis einen spezifischen Kunststil weiterentwickelt, den man
später als "Viktorianischen Stil" bezeichnet Und so werden insbesondere die
englische Landschaftsmaler aus Birmingham, vertreten durch David Cox
und andere, vorbildlhaft für die komplette englische Landschaftsmalerei. Auch
Thomas Creswick gehört schon bald zu einem der profiliertesten Vertreter der
"Birmingham School of landscape painters".
1827 Thomas Creswick stellt erstmals seine Werke in der
"Society of British Artist" in London aus. Seine Werke
erregen Aufsehen. Er wird aufgefordert, sich um
eine Ausstellungsbeteiligung in die "Royal Academy"
in London zu bewerben und sendet zu diesem Zweck
zwei für ihn exemplarische Ölgemälde zur Präsen-
tation in der (legendären) jährlichen Sommeraus-
stellung der Akademie ein.
1829 Thomas Creswick siedelt von Sheffield nach London
um. Befeuert durch diverse Einzel- und Gruppen-
ausstellungen in Galerien und Museen steigt sein
Bekanntheitsgrad stetig an. Auch die Verkaufspreise
seiner Werke ziehen an. Er macht "Karriere" und
verzeichnet zunehmend auch einen soliden finan-
ziellen Erfolg mit seiner Landschaftsmalerei.
Thomas Creswick: frühe, "romantisierende" Landschaftsmalerei. Typische Motive:
Flussläufe in Gebirgen und weiten flachen Ebenen, Wald- und Bäume,
Fels und Steine, Gehöfte und Wirtschaftswege. Menschen und Tiere
(werden in der Regel nur als nebensächliche Staffagen in die Land-
schaft hineingemalt).
1836 Thomas Creswick kauft sich ein Haus in Bayswater und richtet dort ein großes
eigenes Kunstatelier mit angeschlossener repräsentativer Wohnung ein. Seine
künstlerische und gesellschaftliche Reputation wächst. Der junge, gerade
einmal 25-jährige Künstler gilt als ein malerisch überaus befähigter, im Kern
aber eher konservativer Landschaftsmaler. Ihm wird eine "großer Zukunft"
vorausgesagt.
1842 Thomas Creswick wird zum "ARA" (=Associated Royal Academician) vom Kreis
der damals stimmberechtigten 40 Vollmitgliedern der Royal Academy - darunter
seine bereits arrivierten Landschaftsmalerkollegen William Turner (1775-1851)
sowie John Constable (1776-1837) vorgeschlagen.
In aller Regel geht einer Aufnahme in den erlesenen Kreis der RA-Vollmitglieder
eine mehrjährige Anwartschaft als "ARA" voraus.
1850 Thomas Creswick wird zum lebenslangen Vollmitglied der Royal Academy
gewählt. Mit diesem "Ritterschlag" sind einige Vorteile - künstlerischer wie
gesellschaftlicher Art - verbunden. Er hat das Recht, alljährlich mit bis zu sechs
eigenen Werken an der seit 1769 ununterbrochen stattfindenden Sommer-
ausstellung der Royal Academy teilzunehmen und damit ein offizieller Vertreter
der englischen Kunst (hier der bildenden Kunst) zu werden. Er darf exklusive
"kleinere" Ausstellungen im "Friends`Room" der Akademie abhalten und erhält
Gelegenheit zu großen Einzelausstellungen seiner Werke in den "Sackler
Galleries" der Akademie. Die Einladungs- und Gästeliste ist erlaucht. Sie
umfasst neben der königlichen Familie alle wichtigen Vertreter des öffentlichen
Lebens, vor allem natürlich die Leiter aller britischen Kulturinstitutionen
weltweit.
Thomas Creswick ist damit künstlerisch und gesellschaftlich ein "gemachter"
Mann. Er hat es geschafft und ist in den "Olymp" aufgestiegen.
Wichtiger aber noch als die Steigerung der künstlerischen Eigenreputation ist
die Möglichkeit, als RA (Namenskürzel aller Vollmitglieder der Royal Academy
hinter ihrem Namen) Einfluss auf die Stile und Richtungen in den einzelnen
Kunstgattungen nehmen zu können. Zum einen ist dies durch das alleinige
Vorschlagsrecht für zukünftige ARA`s der Akademie, zum anderen durch die
RA-Educational Programme gegeben, die gezielt Royal Academy-Mitlieder als
Professoren und Dozenten, Juroren und Gutachter in einschlägige Regierungs-,
Hochschul- Kultur- und Bildungseinrichtungen vermitteln.
Anders als der Malerkollege William Turner (RA), der mit seiner malerischen Art
der zunehmenden "Entmaterialisierung" der Motive in seinen Bildern (zuguns-
ten einer betont stimmungsvermittelnden Farbigkeit) als "Wegbereiter der
Moderne" und des späteren französischen Impressionismus gilt, nimmt
Thomas Creswick eher die romantische Landschaftsmalerei seines Kollegen
John Constable (RA) auf und entwickelt dessen Malweise zu einem eigenen
"viktorianischen" Stil weiter.
Seine Werke sind im eigentlichen Sinne nicht spesktakulär und wegweisend,
wie die von William Turner. Sie sind aber bis in die feinsten Details hinein mit
einer aussergewöhnlichen malerischen Finesse gemalt und entsprechen damit
dem Kunstgeschmack des viktorianischen Zeitalters.
bis Thomas Creswicks kreativste Schaffensphase ist durch unermüdliche Emsigkeit
1865 und Fleiß - in Verbindung mit einer hohen, malerischen Genialität - geprägt.
In der Folgezeit ist er extrem produktiv, malt tausende Ölbilder und Aquarelle
und erstellt daneben eine Unzahlvon Buchillustrationen. Sein malerisches
Gesamtoeuvre umfasst nach seriösen Schätzungen zwischen 6000 und 8000
Werke. Etwa 600 Creswick-Werke wurden seit dem 2.Weltkrieg zu stark
schwankenden Preisen im internationalen Kunsthandel registriert: Einzelne
Hauptwerke wurden u.a. bei Christie's und Sotherby's, London verkauft.
Creswick-Werke hängen heute in verschiedenen (überwiegend) britischen
Museen und Sammlungen, so unter anderem im Victoria and Albert Museum,
in der National Gallery, in der Tate Gallery (Britain) und in der Royal Academy.
Zeitgenossen beschrieben Thomas Creswick vor allem in seinen späteren
Lebensjahren als einen dunkelbärtigen, beleibten und körperlich eher
unattraktiven Mann, dessen sonst durchaus selbstbewußte Agilität und
künstlerische Genialität im Zuge einer schleichenden psychischen Erkrankung
ab 1865 immer mehr nachließ.
1869 Thomas Creswick verstirbt am 28. Dezember 1869 in seinem Haus in
Bayswater. Als Mitglied der Royal Academy wird er ehrenvoll in London
beigesetzt.