Hermine (Minnie) Goossens (1878 - 1968)

Hermine (Minnie) Goossens

1878  Hermine, genannt Minnie, Goossens erblickt

          1878 in Aachen das Licht der Welt. Über ihr El-

          ternhaus und ihre Familie ist aktuell wenig be-

          kannt. Ihre Vorfahren sollen belgisch-flämische

          Wurzel gehabt haben. Vermutlich ist der später

          recht bekannt gewordene frühexpressionis-

          tische Maler Josse Goossens - nur zwei Jahre 

          früher (1876) und ebenfalls in Aachen geboren -

          ihr Bruder oder ihr Cousin (unbestätigt). Josse

          Goossens Großvater Josse Jodokus Goossens

          (1811-1890) gründet 1862 die "Eisenbahn-

          Waggonbau-Anstalt Goossens-Lochner in

          Aachen". Es spricht einiges dafür, dass Hermine Goossens ebenfalls dieser

          angesehenen Aachener Fabrikantenfamilie angehört und somit ihre Kindheit

          und Jugendzeit - behütet und frei von finanziellen Sorgen - in eher groß-

          bürgerlichen Lebensverhältnissen verbringt.

1884  Hermine Goossens wird zu Ostern eingeschult und wechselt von der Volks-

          schule 1888 als 10-Jähriges Mädchen auf die höhere Töchterschule St.

          Leonhard in Aachen. Den "höheren Töchtern" wird hier der "gesellschaftliche

          Schliff jener Zeit" anerzogen, zu dem neben der allgemeinen Schulbildung

          auch das gesellschaftliche Wohlverhalten (Etikette) junger Damen sowie eine

          geschliffene Konversation zu Themen der bildenden Kunst, Musik und

          Literatur gehören. Dieses traditionelle, in der Kaiserzeit hochgehaltene

          Rollenverständnis der repräsentativen, kulturbeflissenen Hausfrau und

          Mutter wird von den meisten jungen Damen akzeptiert. Nur wenige - da-

          runter Hermine Goossens - "mupfen" dagegen auf.

1892   Hermine möchte, nachdem sie das Lyzeum abgeschlossen hat, gerne an

           einer Universität studieren. Noch ist es aber den Frauen generell verboten,

           an deutschen Hochschulen zu studieren. Erst 1913 wird das Studienverbot

           für Frauen deutschlandweit aufgehoben. In Bayern können Frauen erstmals

           ab 1903 an bayrischen Hochschulen studieren. Vorher war es nur mit Sonder-

           erlaubnis möglich, sich als Frau offiziell in einen Hochschulstudiengang im-

           matrikulieren zu können. (1899 wird mit Elsa Neumann erstmals eine Frau

           in Deutschland promoviert).

           Wenn überhaupt, so sind akademische Ausbildungen für junge Frauen um die

           Jahrhundertwende nur in anwendungsorientiert-künstlerischen oder im er-

           weiterten musischen Bereich möglich, da hier in einem "amtlicherseits gedul-

           deten Graubereich" rund um Kunstakademien von Professoren betriebene

           Privatschulen für Malerinnen, Bildhauerinnen, Musikerinnen, Schriftstellerin-

           nen etc. eröffnet werden. In der Regel kooperieren die privaten Kunstschulen

           mit den staatlichen Akademien und nicht selten nehmen die Hochschulpro-

           fessoren parallele Prüfungen bei ihren Studenten und Studentinnen ab und

           testieren ihnen zum Abschluß eine erfolgreiche akademische Berufsaus-

           bildung ("Akademiebrief").   

           So auch in München, wo sich rund um die Kunstakademie München viele

           junge Frauen scharen, um sich dort in Privatschulen ausbildern zu lassen,

           solange ein offizielles Hochschulstudium den Frauen gesetzlich noch ver-

           wehrt ist. München wird nach und nach zu einem Anziehungspunkt für junge,

           künstlerisch begabte Damen. Die "Frauenbewegung" und ihre Forderung

           nach gleichberechtigter Teilnahme am öffentlichen, politischen und

           kulturellen Leben hat hier traditionell ihr Zentrum. Bereits 1882 ergreift der

           Verein der Künstlerinnen Münchens" die Initiative und gründet in der Stadt

           eine "Damen-Akademie" als Mal- und Zeichenschule ausschließlich für

           Frauen. Käthe Schmidt (später als Käthe Kollwitz bekannt), Gabriele

           Münther, Maria Marc und andere namhafte Künstlerinnen erhalten an der

           Münchner "Damen-Akademie" ihre künstlerische Erstausbildung ganz analog

           dem Lehrplan der Kunstakademie München.

1902   Es ist nicht ganz klar, wann Hermine Goossens Aachen verläßt und sich in

           München ansiedelt. Möglicherweise hat sie sich an der "Damen-Akademie" 

           eingeschrieben und dort die Fächer "Modellieren und Bildhauerei" belegt (un-

           bestätigt). Möglicherweise hat sie aber auch eine (oder mehrere) der

           privaten Kunstschulen - wie beispielsweise die Malschule von Adolf Hölzel in

           Dachau oder eine der bekannten im Umland von München angesiedelten

           Schnitzereischulen besucht, um dort einen handwerksorientierten, berufs-

           qualifizierenden Lehrgang in Bildhauerei zu absolvieren. Als 1902 in München

           die "Lehr- und Versuchsateliers für Angewandte und Freie Kunst" gegründet

           werden, steht diese gleichermaßen für Männer und Frauen offen. Der Zulauf

           ist enorm. Die "Lehr- und Versuchsateliers" werden bald nach ihrem Leiter

           nur noch "Debschitz-Schule" genannt. Der Lehrplan dieser reformorientierten

           Institution nimmt in weiten Teilen den der "Königlichen Kunstgewerbe-

           schule München" auf, wo man in einer "weiblichen Abteilung" bereits

           Zeichenlehrerinnen ausgebildet hatte. Das Lehrpersonal der Debschitz-

           Schule requiriert sich größtenteils aus der Königlichen Kunstgewerbeschule.

           Unter anderem sind an der Debschitz-Schule Franz Marc, Ludwig Herterich,

           Maximilian Dasio und Heinrich Waderè (nebenberuflich) tätig. Neben den

           klassischen Ausbildungsrichtungen Malerei und Bildhauerei werden

           angewandte Berufsausbildungen wie Graphik-Design, Fotografie und

           kunsthandwerkliche Befähigungen im den Bereichen Möbelbaugestaltung,

           Schmuck-, Keramik-, Porzellan- und Textilgestaltung vermittelt.

1903   Im Umfeld der "Debschitz-Schule" trifft Hermine Goossens auf die knapp

           2 Jahre jüngere Johanna Biehler, die schon zu diesem Zeitpunkt eine aus-

           gezeichnete Keramikerin ist und vor allem die Technik des Brennes sowie

           die Kunst, farbigen Glasuren herzustellen, exzellent beherrscht und weiter-

           entwickelt. Die beiden Künstlerinnen freunden sich an und bilden schon bald

           ein synergetisch arbeitendes Team. Man beschließt, sich mit dem Entwurf und

           der Herstellung von Majolika-Objekten selbständig zu machen. Die beiden

           Frauen gründen in München-Nymphenburg eine eigene Majolika-Manufaktur.

           Zu diesem Zweck lassen sie sich einen eigenen großdimensionierten Brenn-

           ofen für Brenntemperaturen über 1000°C mauern, der mit entsprechenden

           Lade- und Entnahmegeschirren beschickt werden kann. Johanna Biehler

           experimentiert mit den vier klassischen "Scharffeuerfarben": Kupfergrün,

           Antimongelb, Kobaltblau und Manganviolett (-braun), stellt Mischungen und

           Lasuren her und erprobt deren Wirkung vor, während, vor allem aber nach

           dem Glasurbrand.

Biehler/Goossens: Der "Erntezug" aus der Zeitschrift: "Die Kunst", Band 30; Seite 425 - 430; 17. Jahrgang; (1914)

            Dem Historismus folgt dann in München der sogenannte "Jugendstil" in einer

            ganz eigenen Münchner Ausprägung. Ursprünglich als "art nouveau" in Paris

            unter anderem von Alfons Mucha vertreten, übernimmt eine "verschworene"

            Gruppe junger Münchner Künstler aus Protest und Gegenbewegung zum

            Historismus-Diktat des alles beherschenden Malerfürsten Franz von Lenbach

            diesen Stil und macht ihn durch die Veröffentlichung in der 1896 erstmals

            erscheinenden Zeitschrift: "Jugend- Münchner Wochenschrift für Kunst und

            Leben" in breiten Kreisen der Bevölkerung populär (Aus diesem Sachverhalt

            leitet sich übrigens der Name "Jugendstil" ab). Die zunächst im malerisch-

            graphischen entworfenen, meist floral-organisch verschlungenen Stilele-

            mente werden alsbald von Bildhauern, Kunsthandwerkern, Designern und

            Architekten in eigene Entwürfe übernommen und weiterentwickelt.

Der Münchner Jugendstil

Majolika-Objekte aus der Keramischen Werkstatt Biehler/Goossens

            Auch die beiden jungen Keramikkünstlerinnen Minnie Goossens und Johanna

            Biehler bleiben nicht unbeeinflußt von dieser Entwicklung. Im Gegenteil!

            Während Minnie überwiegend Entwurf, Modellierung und die plastische Aus-

            gestaltung der Majolika-Objekte übernimmt, ist Johanna Biehler für deren

            Herstellungstechnik (Brand und Glasuren), vor allem aber für die künst-

            lerische Farbgestaltung der Majolika-Reliefs und Großmedaillons zuständig.

            In einer kongenialen Zusammenarbeit erschaffen die beiden Künstlerinnen

            Objekte, die heute ganz exemplarisch für den Münchner Jugendstil stehen.

            Sie verkaufen gut. Ihre "Zielgruppe" sind Baumeister, Architekten und

            Inneneinrichter, die ihre Reliefs, Fliesen und Medaillons als zeitgenössisch-

            moderne Hausschmuck-Objekte zur Fassaden-, Portal-, Foyer-, Treppenhaus-

            oder Wandgestaltung in Privatvillen und öffentlichen Repräsentationsbauten

            verbauen. Das Geschäft läuft für die beiden Künstlerinnen glänzend, zumal

            ihre Arbeiten auch in bedeutenden überregionalen Kunst- und Kunstgewer-

            bezeitschriften vorgestellt und besprochen werden. Sie legen Wert darauf, 

            ausschließlich solitäre Stücke in ihrer "Keramischen Werkstatt" in Mün-

            chen-Nymphenburg zu produzieren.  Anfragen einschlägiger Fabriken zur

            Übernahme und Produktion Ihrer "Musterstücke" in industrieller Großserien-

            fertigung lehnen sie ab. Sie sind und bleiben Künstlerinnen.  

1907    Der Deutsche Werkbund wird - mitinitiiert von dem Münchner Architekten

            Henry van der Velde - in Darmstadt gegründet. Henry van der Velde ist es

            auch, der im selben Jahr die Impulse zur Einrichtung einer Kunstgewerbe-

            schule in Weimar setzt. Diese wird 1917 dann Keimzelle zur Gründung des

            Deutschen Bauhauses durch Walter Gropius in Weimar. Allen Institutionen ist

            die durchgängig auf handwerklichen - vor allem kunsthandwerklichen Grund-

            lagen basierende Überzeugung gemeinsam, dass nicht nur die damals noch

            durchaus "elitäre" Kunststilistik sondern deren Pendent - die neue Sach-

            lichkeit, das funktionale Design und die gute Form - das "Gesicht der Zeit"

            prägen sollte. Noch dominiert in Europa die "art nouveau" bzw. der "Jugend-

            stil", doch sind silistisch auch erste Tendenzen zur Verwirklichung des Leit-

            satzes: "form follows function" zu erkennen.

            Das Künstlerpaar Biehler/Goossens reagiert auf die neue Herausforderung.

1912   Der Deutsche Werkbund beginnt mit der Planung einer allumfassenden Leis-

           tungsschau, die ursprünglich in Düsseldorf stattfinden sollte, dann aber 1914

           in Köln ausgerichtet wird. Der damalige Kölner Oberbürgermeister Konrad

           Adenauer - selbst Mitglied des Deutschen Werkbundes - sorgt dafür, dass die

           Stadt Köln den Werkbund-Planern eine citynahe Fläche von 350.000 m² auf

           dem rechtsrheinischen Deutzer Rheinufergelände sowie die damals exorbi-

           tante Fördersumme von 5 Mio Goldmark bereitstellt. Unter der Leitung von

           Henry van der Velde werden 50 exemplarische Bauten - vor allem Ausstel-

           lungsgebäude - von verschiedenen avangardistischen Architektengruppen

           errichtet, die im Sinne einer Leistungsschau einen Einblick in die zeitge-

           nössisch moderne Formgebung in allen Lebensbereichen geben sollen. 

 

"Haus der Frau" zur Werkbundausstellung 1914 in Köln. Mittig die beiden in blauer Optik gehaltenden Portale der "Keramischen Werkstätte Biehler/Goossens München"

           Unter anderem wird eine Gruppe deutscher und österreichischer Architek-

           tinnen unter Leitung der Berlinerin Margarete Knüppelholz-Roeser

           beauftragt, ein Architektenhaus als "Haus der Frauen" zu entwerfen und

           für die Kölner Werkbund-Leistungsschau 1914 zu realisieren.

           Die Münchner "Keramische Werkstätten Bieler-Goossens" erhalten in diesem

           Zusammenhang den Auftrag, zwei monumentale Portale in blauer Keramik

           für das "Haus der Frau" zu gestalten. Zudem werden sie aufgefordert,

           Entwürfe für einen zeitgenössischen Majolika-Fries mit Motiven zur "Rolle

           der Frau in der modernen Gesellschaft" vorzulegen. Biehler/Goossens

           machen sich "mit Feuereifer" an's Werk. Leider ist nicht überliefert, ob ihr

           Fries-Entwurf angenommen wurde.

           Die Eingangs-/Ausgangs-Portale in blauer Keramik wurden realisiert.

          Grundriß: "Haus der Frau" Werkbundausstellung Köln 1914; Teilegestaltung

          Biehler/ Goossens: Eingangs- und Ausgangsportal (1+3) sowie Stirnwand

          im Keramischen Hof (26) Fries zur "Rolle der Frau in der modernen Gesell-

          schaft". Das Gebäude wurde zum Ende des Krieges rückgebaut/gesprengt.

1914  Mit der allgemeinen Mobilmachung und dem Ausbruch des 1. Weltkrieges

          ändern sich schlagartig die Lebensumstände der Menschen in München.
          Auch die Künstler- und Künstlerinnen bekommen dies zu spüren. Viele werden

          eingezogen oder melden sich freiwillig. Auch die "Vereinigung der Künstlerin-

          nen Münchens" und die Geschaftsführung der von ihnen getragene "Damen-

          Akademie" initiieren, dass die diversen, im Stadtgebiet verteilten Gebäude

          der "Damen-Akademie" dem Militär zur Verfügung gestellt werden. Die

          Ateliers der Damen-Akademie werden zunächst zu Soldaten-Schlafsälen,

          später zu Lazarett- und Krankenzimmern umgewandelt.

 

          Die Auswirkungen des Krieges zeigen sich überall im öffentlichen Leben,

          werden von der Bevölkerung aber im Zuge der anfänglichen Kriegseuphorie

          hingenommen und toleriert. Die Zeit des unbeschwert-opulenten Jugendstils

          läuft unweigerlich aus. Alle öffentlichen Bautätigkeiten - soweit diese 

          keinen militärischen Hintergrund haben - werden zurückgestellt. Auch große

          Teile der Industrieproduktion werden auf die Belange der "Kriegswirtschaft"

          umgestellt. Nach und nach kommt es in der Folge zu Versorungsengpässen

          in der Bevölkerung, von denen vor allem die Stadtbevölkerung betroffen ist.

          Nachdem private und öffentliche Institutionen als Sponsoren für Künstler und

          Künstlerinnen weitgehend ausfallen, kommen eigentlich nur noch die Kirchen

          als potenzielle Auftraggeber für Künstler in Frage. In Kriegszeiten verzeich-

          nen die Kirchen naturgemäß einen größeren Zulauf. Neben ihrer seelsorge-

          rischen Funktion wird ihre sozial-karikative Aufgabe, die Not der arbeitenden

          Bevölkerung zu lindern, immer bedeutsamer.

Spiegel einer Kinder- wiege aus Holz

          Johanna Biehler und Minnie Goossens sind sensibel ge-

          nug, die "Zeichen der Zeit" zu erkennen. Wann genau

          sie ihre "Keramische Werkstatt Biehler- Goossens" in

          München-Nymphenburg schließen, ist nicht überliefert.

          Möglicherweise ist es ein "schleichender" Übergang, der

          vorübergehend auch zu einer Trennung des Künstler-

          paares führt. Das Geschäft mit Majolikaobjekten für den

          Gebäudeschmuck und die Innenausstattung von hoch-

          herrschaftlichen Häusern und Villen ist wirtschaftlich nicht mehr tragfähig und

          siecht dahin. Es gibt Hinweise darauf, dass beide Frauen eine Zeit lang

          versuchen, eigenständig Fuß im künstlerischen bzw. im kunsthandwerklichen

          Bereich zu fassen. Sie verlegen sich zunehmend auf den holzbildhauerischen

          Bereich, fertigen nun auch kleinere Objekte, die überwiegend dem religiösen

          Bereich zuzuordnen sind wie Weihwasserschalen, Taufbecken, Devotionalien

          etc.

1918   Johanna Biehler und Minnie Goossens leben inzwischen "von der Hand im

           Mund". Die schwere wirtschaftliche Rezession infolge des desaströsen Endes

           des 1. Weltkrieges führt in allen deutschen Städten zu einer Hungersnot der

           Bevölkerung. Wie Tausende anderer auch, sind die beiden Künstlerinnen auf

           Hilfe von außen angewiesen. Und so ist es wohl pure Not, aus der heraus die

           beiden Künstlerinnen die Stadt München verlassen, um zu Verwandten von

           Johanna hinaus auf's Land zu ziehen. Hier ist die Versorgungslage etwas

           günstiger und die beiden Frauen können sich vorübergehend als landwirt-

           schaftliche Helferinnen auf diversen Bauernhöfen im Münchner Umfeld gegen

           freie Kost und Logis behilflich machen. In ihrer Freizeit schnitzen sie Holz-

           figuren, vor allem Krippenfiguren. Das bringt sie mit lokalen Pfarreien in

           Kontakt. Ihr Können spricht sich herum und so erhalten die beiden Künstle-

           rinnen nach und nach immer mehr Aufträge, alte, in Mitleidenschaft geratene

           Heiligenfiguren aus Kirchen und Kapellen zu restaurieren und gegebenenfalls

           nachzuschnitzen. In der Nähe von Schliersee, wo auch Jesse Goossens -

           vermutlich ein Bruder oder Cousin von Minnie Goossens - ein Malatelier

           betreibt- richten sich die beiden Frauen ein neues Künstleratelier - nun mit

           Fokus auf holzbildhauerische Werke ein.

1941   Die mittelalterliche Seelenkapelle auf dem Friedhof von Oberstdorf er-

           hält eine eindrucksvoll geschnitzte Pieta-Gruppe, an der die Künstlerinnen 

           mehrere Wochen gearbeitet haben. Das Leid Mariens, die - am Boden

           hockend -  den vom Kreuz abgehangenen toten Jesus in den Armen hält,

           ist physisch und psychisch greifbar und für jeden Betrachter allgegenwärtig.

           Mitleid im Schmerz - ein Motiv, das zu einer öffentlichen Gedenkstätte für die 

           Gefallenen des 1. Weltkrieges (und später auch des 2. Weltkrieges) paßt.

           Möglicherweise eine der künstlerisch reifesten Leistungen der beiden Bild-

           hauerinnen.

  Johanna Biehler/Minnie Goossens: "Pieta" in der Seelenkapelle von Obersdorf

Holzschnitzarbeiten (Nachkriegszeit)

Minni Goossens-Johanna Biehler: Verkündigungsengel mit Spruchband: "Siehe, ich sende meinen Engel vor Dir her, der da bereite meinen Weg vor Dir" (aus 2.Buch Mose 23/20) Lasiertes Holzrelief, 22,5 x 19,5 cm, Schliersee, 1947, Sammlung Frank Michael Sat

            Spätere Arbeiten- wie beispielsweise die Figur eines Heiligen Martins (?), der

            in einer Mönchskutte, umgeben von seinen Reisebegleitern - einem Pferd

            und Esel - unter der Fahne Gottes auf Wanderschaft (Pilgerreise) dargestellt

            wird, bezeugen das Talent Minni Goossens, auf kleinstem Raum "stimmige"

            Situationen zu entwerfen und darin in sehr gedrängter, kompakter Form

            Verinnerlichung, Demut und unbeirrten Gottesglauben zum Ausdruck zu

            bringen. 

    Minnie Goossens: "Heiliger Martin" Lindenholz, 93 x 40 x 10,5 cm, um 1950,

    Schliersee, Sammlung Michael Hümmer; Samml.nr.: G 6.3-200-014

1954  Johanna Biehler verstirbt im Alter von 74 Jahren in Schliersee. Möglicherweise

          ist der Tod der Freundin und Künstlerkollegin für Minnie Goossens ausschlag-

          gebend, sich systematisch nach einem Pflegeheim umzusehen. In der kleinen,

          idyllisch gelegenen Ortschaft Attel bei Wasserburg (Landkreis Rosenheim)

          liegt das Kloster Attel, bei dem die Stiftung Attl, eine christliche Institution zur

          Betreuung behinderter Menschen, angesiedelt ist. Minnie Goossens engagiert

          sich in der sozialen Arbeit dort. Sie arbeitet gegen freie Kost und Logis mit

          den Behinderten, vermittelt ihnen die Lust an kreativer handwerklicher Be-

          tätigung und fördert - soweit möglich - die kunsthandwerklichen

          Befähigungen ihrer Schützlinge . Das füllt sie über Jahre hinweg aus. 

 

1968  Hermine, genannt Minnie Goossens, stirbt im hohen Alter von 90 Jahren in

          Attel. Sie wird auf dem Friedhof von St. Michael in Attel beigesetzt.

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