Heinrich Friedrich Moshage (1896 - 1968)
Sammlungsbezug: G4. Gußeisen
1896 Heinrich Friedrich Moshage erblickt am 12. Nov.
1896 in Osnabrück das Licht der Welt. Über seine
Familie, sein Elternhaus, über Vater, Mutter und
Geschwister ist aktuell nur wenig bekannt. Mög-
licherweise war der Vater von Beruf Schmied und
arbeitete als angestellter Arbeiter in einem größe-
ren Osnabrücker Industrieunternehmen.
Zur Jahrhundertwende - Sylvester 1899/1900 -
durfte der gerade 4-jährige Heinrich zum ersten-
mal bis über Mitternacht hinaus wach bleiben.
Es war dies das erste Erlebnis, an das sich der
Künstler bewußt zurück erinnern kann. Zu Ostern
1902 wird er in Osnabrück eingeschult. Im
Schreibunterricht wird der gebürtige Linkshänder
gezwungen, sich umzuorientieren und mit der
rechten Hand den Griffel zu halten. Entsprechend "wackelig" ist seine Schrift
und so bezeichnet Moshage seine frühe Schulzeit in der Volksschule als die
schrecklichste und leidvollste Zeit seines Lebens.
Umso mehr als er beim (privaten) Zeichnen und Skibbeln weiterhin die linke
Hand einsetzt und für einen 10-jährigen Jungen bereits erstaunlich reife
Skizzen seiner Umwelt erstellen kann. 1906 wechselt er auf's örtliche Gym-
nasium, wo ihm sein Kunstlehrer im wahrsten Sinne des Wortes "freie
Hand" läßt. Heinrich Moshage ist in allen anderen Fächern (außer in Kunst)
"nur ein mäßig (guter) Schüler".
1912 Heinrich Friedrich Moshage verläßt mit dem "Einjährigen" das Gymnasium und
beginnt eine Bildhauerlehre. Das erhoffte "große Los" hat er aber damit nicht
gezogen. Viel künstlerische Gestaltungsfreiheit wird ihm von seinem Lehr-
meister nicht gewährt. Statt dessen übt sich der Lehrling im "Bierholen, Lam-
penputzen und Ofenanmachen". Nebenbei lernt er - nach immer gleichen, vom Meister vorgegebenen Vorlagenmustern - Heiligenfiguren zu schnitzen.
1916 Nach 4-jähriger Ausbildung wird der 20-jährige Heinrich als Bildhauer-Geselle
losgesprochen. Noch einige Zeit arbeitet er als Geselle im Geschäft seines
Meisters weiter. Dieser hat "für seinen besten Mann" eine befristete Freistel-
lung vom Kriegsdienst erwirkt, um die Aufträge der umliegenden Gemeinden
- vor allem für Soldatengräber und Gefallenen-Denkmäler - abzuarbeiten.
Als die befristete Freistellung schließlich aufgehoben wird, wird er als Rekrut
eingezogen und zieht in den Krieg.
1918 Nach dem Krieg kehrt Heinrich Friedrich Moshage an seinen ehemaligen
Arbeitsplatz zurück. In ihm brodelt es. Die ewig gleichen Arbeitsabläufe
beim Schnitzen der Heiligenfiguren, vor allem aber der "aufgezwungene"
Stil, in dem die Holzskulpturen nach dem Willen des Meisters (und dessen
traditionsgebundener Kundschaft) ausgeführt werden müssen, frustrieren
den jungen Künstler. Da muß es doch noch etwas anderes geben! Und so
sieht Heinrich sich in der Holzschnitzer-Branche nach Alternativen um. Er
möchte den Meistertitel erwerben.
1919 Zum damaligen Zeitpunkt hat die Holzschnitzschule
von Warmbrunn in Schlesien einen besonders guten
Ruf. Hier lehrt der international bekannte - aus Süd-
tirol stammende Holzbildhauer und Medailleur Cirillo
dell' Antonio (1876 bis 1971), der in "seiner" Kunstge-
werbeschule - von 1922 bis 1940 leitet dell' Antonio
als Direktor die Schule - überaus kreative junge Bild-
hauer, darunter unter anderem Joseph Krautwald
und weitere vielversprechende Talente um sich he-
rum scharen kann. Heinrich Moshage wird 1919
Schüler von Prof. Cirvillo dell' Antonio in Warmbrunn.
Er läßt Osnabrück und seine dort erworbenen Lehr-
kenntnisse weit hinter sich und übt sich in Warm-
brunn in der Vervollkommnung klassischer Stile und
Ausdrucksformen.
Frühe Holzschnitzarbeiten
Abb. links: "Persephone" (1920), 41 cm; Abb.rechts: "Adam und Eva" (1924), 45 cm
Lag der Schwerpunkt seiner bisherigen Ausbildung im Bereich des Holz-
schnitzens, so lernt Heinrich Moshage nun das freie Modellieren in Ton und
Gips im Detail kennen und meisterlich beherrschen. Kleinere Arbeiten - vor
allem Plaketten und Medaillen - werden durch eine ortsansässige Bronze-
gießerei abgegossen. Der Expressionismus gewinnt in den bildenden Künsten
zunehmend an Boden und setzt sich allmählich auch in der Bildhauerei durch.
Heinrich Moshage wird davon beeinflußt, nimmt expressionistische Bildele-
mente gezielt auf und adaptiert sie in sein persönliches Stilempfinden und
seine Werke. Die Zeit in Warmbrunn (1919-1921) ist vornehmlich eine krea-
tive Experimentierzeit für ihn.
1921 Irgendwann fällt Heinrich Moshage im abgelegenen Warmbrunn die Decke auf
den Kopf. Er braucht die Großstadt, braucht neue Eindrücke und sehnt sich
"nach dem großen Atem, den eine Stadt wie München in der Kunstszene
verströmt". Von Warmbrunn aus wechselt Heinrich Moshage kurzentschlossen
nach München, um an der dortigen Kunstgewerbeschule seine Ausbildung
weiterzuführen. Die "Königliche Kunstgewerbeschule (KGS) München" wurde
1868 gegründet. Unter Leitung von Richard Riemerschmid (1868 bis 1957)
entwickelt sich die in der Münchner Luisenstraße 37 beheimatete Kunstgewer-
beschule zwischen 1913 und 1924 zu einer der bedeutensten künstlerisch-an-
wendungsorientierten Ausbildungsstätten in Bayern. Richard Riemerschmid
ist freier Künstler, Architekt, Innenarchitekt, Grafiker und Designer zugleich.
1907 ist er Mitbegründer des Deutschen Werkbundes. Er prägt die Münchner
Kunstgewerbeschule maßgeblich - wie später auch die Kölner Werkschulen,
an denen er - vom damaligen Kölner Oberbürgermeister Konrad Adenauer
als Direktor berufen - zwischen 1926 bis 1931 tätig ist.
Heinrich Moshage schreibt sich in der Bildhauerklasser von Professor Heinrich
Waderé (2.7.1876, Colmar bis 27.02.1950, München) ein. Wadaré ist ein ange-
sehener Bildhauer, der sich in München als Neoklassizist einen Namen ge-
macht hat und seit 1900 an der Königlichen Kunstgewerbeschule München
das Lehrfach der "figuralen plastischen Bildhauerei" lehrt. Seine besondere
Liebe gehört der Holzschnitzkunst. Zeit seines Lebens steht Wadaré in engem
Kontakt mit der Schnitzerschule von Oberammergau - eine von zwei offiziellen
Ausbildungsstätten, die als einschlägige staatliche Fachschule noch heute vom
Freistaat Bayern unterhalten und weitergeführt werden. Es steht zu vermuten,
dass Prof. Waderé seine Studenten zu Gastaufenthalten in der Schnitzerschule
von Oberammergau angehalten hat. Überliefert sind gemeinsame Studien-
reisen, die er sowohl für seine Münchner Studenten wie auch für die Fach-
schüler der Schnitzerschule von Oberammergau organisiert hat und die so-
wohl in die zeitgenössischen Kunstzentren im Norden (Paris, Antwerpen,
Amsterdam) als auch in den Süden (Wien und Linz in Österreich sowie nach
Venedig, Florenz, Rom und Neapel) führen (1922, 1923 und 1924).
Ein besonderer Einfluß auf die weitere künstlerische Entwicklung von Heinrich
Moshage ist in dieser Zeit Prof. Maximilian Dasio (28.02.1865, München bis
17.08.1954, Oberammergau) zuzuschreiben, der als einer der "Wiederbe-
gründer der deutschen Medaillenkunst" gilt und Heinrich Moshage in die
spezielle Kunstform der Münz- und Medaillenschneiderei einführt.
Frühe Medaillengestaltungen (bei Prof. Maximilian Dasio)
links: Dankplakette für Prof. Wadere; mitte: Selbstbildnis, rechts : Bergpredigt
Arbeitern für Lauchhammer
Moshage gehört schon bald "zu der Handvoll freier Künstler", die für die
Kunstgießerei Lauchhammer arbeiten und die dortige Tradition der künst-
lerisch gestalteten gusseisernen Ofenplatten, der Silhouetten sowie der
Jahres-Geschenkplaketten und der Gedenkmedaillen an verdiente Persön-
lichkeiten aus Politik, Kunst und Kultur hochhalten.
Heinrich Moshage: "Gedenkplakette 200-Jahre Lauchhammer 1725-1925" (links);
"Neujahrsplakette Lauchhammer 1927" (rechts)
Heinrich Moshage: "Die vier Lebensalter" u. "Die vier Jahreszeiten"; 30 x 53 cm;
Lauchhammer; Sammlung M. Hümmer; Sammlungsnr.: 430-001 und 430-002
Heinrich Moshage: "Rosenschale 24 cm" u. "Zierschale 24 cm" Lauchhammer;
Sammlung M. Hümmer; Sammlungsnr.: 440-001 u. 440-002
Entwicklung Portraitkunst Heinrich Moshage
In den Folgejahren nimmt Heinrich Friedrich Moshage (offiziell noch als
Student) an verschiedenen staatlichen Kunstausschreibungen teil. Er wird
hofiert, gilt als einer der talentiertesten jungen deutscher Bildhauer. Verschie-
dene Landesmuseen werden auf ihn aufmerksam und kaufen seine Ausstel-
lungsexponate - vor allem seine in höchstem Maße durchgearbeiteten Por-
traitarbeiten - auf.
Abb. oben links: Selbstportrait (Bronze) oben rechts: "Tänzerin Anne Tesch"
Abb unten links: Die Mutter des Künstlers; unten rechts: Der Vater des Künstlers
1926 Angeregt durch diese Verkaufserfolge, bewirbt sich Heinrich Friedrich Moshage
um ein weiterführendes Studium bei Professor Joseph Wackerle (15.05.1880,
Partenkirchen bis 20.03.1959 Partenkirchen), der ab 1917 an der Königlichen
Kunstgewerbeschule (KGS) München lehrte und ab 1924 einen Ruf als Profes-
sor an die Kunstakademie in München annahm. Wackerle kennt den KGS-
Studenten Moshage sehr gut und ist von dessen künstlerischer Kompetenz
offensichtlich überzeugt. Schon ein Jahr später ernennt Joseph Wackerle
Heinrich Moshage zu seinem Meisterschüler und stellt ihm ein Meisterschüler-
Atelier in der Kunstakademie München zur Verfügung. Moshage zählt damit
zur künstlerischen (Nachwuchs-)Prominenz in München. Er führt das Leben
eines Bohemien, wird "herumgereicht", lernt unter anderem den damals
bereits sehr bekannten Lyriker Stefan George (12.07. 1868, Bingen bis
4.12.1933, Lucarno) kennen und lieben. Es kommt - wie ein Chronist aus
Moshages Heimatort Osnabrück schreibt - zu "innigen Berührungen"
Moshages mit dem Dichterkreis um Stefan George. Heinrich Moshage fertigt
von Stefan George eine Portraitbüste an, die später zumindest zweimal ab-
gegossen wird und unter anderem von der Preußischen Nationalgalerie in
Berlin gekauft wird.
Auf Heinrich Moshages Bohemien-Zeit in München geht auch seine Künstler-
freundschaft mit dem 30 Jahre älteren deutschen Bildhauer, Schriftsteller und
Zeichner Ernst Barlach (02.01.1870, Wedel bis 24.10.1938, Rostok), zurück,
der 1925 zum Ehrenmitglied der Münchner Kunstakademie ernannt wird.
Moshage setzt sich intensiv mit Barlachs zeichnerischem Werk auseinander.
Seine eigenen Zeichnungen nehmen in dieser Zeit deutlichen Bezug auf
Barlachs reduziert-expressionistischen Zeichnungsstil. 1929 lernt Moshage
die Bildhauerin und Zeichnerin Käthe Kollwitz (08.07.1867, Königsberg bis
22.04. 1945, Moritzburg) anläßlich der Verleihung des Preußischen Ordens
"Pour le Mérite" für Wissenschaft und Künste kennen. Auch ihre Arbeiten -
vor allem ihre Bronzen - haben in der Folgezeit Einfluß auf Moshages bild-
hauerisches Werk.
1931 Anläßlich des 200. Firmengründungsjubiläums der Firma Buderus wird
Heinrich Friedrich Moshage von der Geschäftsleitung mit der Gestaltung
einer firmeneigenen Eisenguß-Gedenkplakette beauftragt. Dies ist der
Auftakt zu einer intensiven Zusammenarbeit der Eisenwerke Buderus in
Hirzenhain mit dem inzwischen 35-jährigen Künstler. Für Buderus gestaltet
Moshage nach historischen Vorbildern den "großen Schinkelteller" sowie
den Wandteller: "Flußgötter"
In der Folgezeit gibt die Firma eine Vielzahl von Jahresplaketten, Gedenk-
münzen und Medaillen heraus, die zunehmend auch als Auftragsarbeiten für
Fremdfirmen, Industrievereinigungen und Verbände angefertigt werden.
Heinrich Moshage: links: "Großer Schinkelteller 28 cm" rechts: "Flußgötter 23 cm"
Arbeiten für Buderus, Sammlung M. Hümmer; Sammlungsnr.: 440-003 u. 440-004
Umzug nach Düsseldorf und die Zeit des 3. Reiches
1932 Nach seinem Studienabschluß an der Kunst-
akademie München übersiedelt Heinrich
Friedrich Moshage nach Düsseldorf. Er mietet
sich in das Bildhaueratelier eines Studien-
freundes ein, doch scheint man im "Rheini-
schen Düsseldorf" nur wenig Sinn für die
Epoche des Münchener Spätrealismus" aufzu-
bringen, als deren Vertreter Moshage - zu-
mindest mit seinem zeichnerischen Werk -
gilt. Er nutzt die Zeit, um seine bildhaueri-
schen Ambitionen voranzubringen. Statt auf
Bronze setzt er verstärkt auf den Eisenguß
und bringt sich damit bei den Arbeitgeber-
verbänden der Eisen- und Stahlindustrie an der Ruhr ins Gespräch, die -
durchaus wohlwollend - im Eisen-Kunstguß eine künstlerisch anspruchs-
volle Sparte ihrer sonst eher profanen industriellen Stahlerzeugung sehen.
Heinrich Moshage hält weiterhin Kontakt zu seinem Münchner Professor
und Förderer Joseph Wackerle. Dieser wird nach der Machtergreifung
Hitlers zu einem der herausragensten Repräsentanten der "Neuen Deut-
schen Kunst". Von 1937 bis 1943 nimmt Wackerle als ein von Hitler und
Göring besonders geschätzter Künstler an allen großen Deutschen Kunst-
ausstellungen im neuerbauten Haus der Deutschen Kunst in München teil.
1944 findet er Aufnahme in Adolf Hitlers "Gottbegnadeten-Liste", was ihn
als "NS-Kulturschaffenden" vor jeglichen Kriegseinwirkungen schützt
(Siehe dazu auch Kapitel: Künstler in der NS-Zeit).
Heinrich Moshage: Individuelle Jahresgabe zum Neujahr 1934 für Moshages Freund
Emil Bedarff; Bronze, 95 mm, 166 gr.; 2-malig signiert MH, Sammlung M. Hümmer
(Emil Bedarff (1896 -1960) war mehrfacher deutscher Langstrecken-Rekordmeister, unter anderem über 3000 m Hindernis, 5000 m und 10000 m)
1943 Auch wenn über Heinrich Moshages Tätig-
keiten während des 3. Reiches aktuell nur
wenig bekannt ist - seine Biografie schweigt
sich da gänzlich aus - kann mit Sicherheit
davon ausgegangen werden, dass er als
Meisterschüler von Joseph Wackerle schon
relativ früh ordentliches Mitglied der Reichs-
kulturkammer in Berlin und als professioneller
Bildhauer und Medailleur der NS-Standes-
vertretung für Künstler in der Reichkammer
der Bildenden Künste in Berlin zugeordnet
war. Tatsächlich erweist sich Heinrich
Moshage bereits 1935 als systemkonformer
NS-Künstler. So werden seine Arbeiten mehr-
fach in der Illustrierten Monatszeitschrift: "Die
Kunstkammer" der Reichskammer der Bilden-
den Künste vorgestellt. Die Zeitschrift dient
der Durchsetztung einer "Deutschen Kunst"
in einer gleichgeschalteten "Deutschen Künst-
lerschaft" und enthält unter anderem als amt-
liches Mitteilungsblatt exklusiv alle öffentlichen Kunstausschreibungen staat-
licher Stellen im 3. Reich. Bereits im August 1935 ziert Moshages Stefan
George-Portrait das Titelbild des 1.Jahrgangs dieser Zeitschrift. Im Oktober
1935 erscheint Moshages Aufsatz "Eisen als Werkstoff für Bildhauer", in
dem Moshage anhand ausgewähltger Werke die besondere Eignung dieses
Werkstoffes für die Medaillen-, Plaketten-, Relief- und Statuengestaltung dar-
stellt. In der folgenden Novemberausgabe ist er ebenfalls vertreten.
Ganz offensichtlich hatte Heinrich Moshage im
Schlepptau seines Förderers Joseph Wackerle
einen direkten Zugang zum NS-Parteiestablish-
ment in München. Eine Hitlerplakette aus seiner
Hand trägt auf der Rückseite den Hinweis: "Erste
vom Führer und der Reichsleitung für sehr gut be-
fundene, nach Naturstudien gearbeitete Plakette".
Daraus läßt sich ableiten, dass Adolf Hitler Heinrich
Moshage (und seinem Föderer Prof. Wackerle)
persönlich für "naturnahe" Portraitstudien Modell
gesessen hat. Moshages künstlerischen "Exkur-
sionen" in den von den Nationalsozialisten ge-
ächteten und als "undeutsch" angeprangerten
Expressionismus Barlach'scher und Kollwitz'scher
Prägung - die Werke der beiden Künstler werden
im Zuge der "Säuberungen" als "entartete Kunst"
aus allen deutschen Museen entfernt - werden als "verzeihliche Fehler eines
jungen, früher offenbar fehlgeleiteten Künstlers" gewertet. Offensichtlich kann
Heinrich Moshage auf mächtige Fürsprecher (auch) aus dem Kreis der kunst-
beflissenen "Ruhrbarone" und "Stahlmagnate" zurückgreifen. Anders ist es
kaum zu erklären, dass Heinrich Moshage 1943 und 1944 im Rahmen der
"Großen Deutschen Kunstausstellung" mit mehreren eigenen Werken vertre-
ten ist. Er gilt inzwischen als Meister der "Neuen Deutschen Portraitkunst".
Große Deutsche Kunstausstellungen 1943 und 1944
1943 stellt Moshage im 1937 neuerbau-
ten und von Hitler persönlich eingeweih-
tem "Haus der Deutschen Kunst" in Mün-
chen im Saal 37 eine große Bildnisbüste
von Hüttendirektor Dr. Adolf Wirtz aus.
Adolf Wirtz ist Direktor der Friedrich-
Wilhelms-Hütte in Mülheim an der Ruhr
und zentraler "Koordinator aller Gieße-
reibetriebe im Ruhrgebiet". Ein einfluß-
reicher Großindustrieller und führendes
NS-Parteimitglied, der persönlich zu-
gleich auch Inhaber von zahlreichen Pa-
tenten für hochwertige - darunter auch
künstlerisch relevante - Eisengußver-
fahren ist. Er hat ein durchaus persön-
liches Interesse daran, eine Alternative
zum Bronzeguß großer und kleinerer
Kunstobjekte über "seine" Gießereibe-
triebe anbieten zu können. 1944 stellt
Moshage im Raum 36 der Großen Deutschen Kunstausstellung zwei
seiner kleineren Eisengußplaketten - darunter möglicherweise auch seine
Hitlerplakette - aus und weist damit die besondere Eignung des Eisenguß-
verfahrens gegenüber den sonst traditionell üblichen Bronzeabgüssen dar.
Hier kommt ihm die Erfahrung zugute, die er seit den 20-er Jahren in der
kontinuierlichen Zusammenarbeit mit der Kunstgießerei Lauchhammer (in
Lauchhammer) und ab 1931 auch der Kunst- und Feingießerei der Firma
Buderus sammeln konnte.
Heinrich Moshage: Übergangszeit 1946 - 1950
1945 Wo und wie Heinrich Moshage das Ende des 2. Weltkrieges erlebt, ist nicht
überliefert. Die Kunstgießerei Lauchhammer, für die Moshage bis zum Kriegs-
ende als freier Künstler tätig ist, liegt nunmehr in der sowjetischen Besat-
zungszone und sieht sich gezwungen, aufgrund der sowjetischen Reparations-
forderungen ihre Produktion einzustellen, die Gießereieinrichtungen abzu-
bauen und in Teilen in die Sowjetunion zu verfrachten. Die Realisation von
Moshages Nachkriegsmedaillen- und -plakettenentwürfen wird weitgehend
vom Eisenwerk Buderus in Wetzlar übernommen, das bereits im Frühjahr
1946 seinen Hochofen wieder anbläst. In der Folgezeit wird Moshage regel-
mäßig mit Gestaltungsaufgaben aus dem Umkreis der Buderus-Kunden be-
auftragt.
Abb. links: Abb. rechts:
Heinrich Moshages erste Nachkriegs- Heinrich Moshage: "Glückauf"
arbeit (Gedenkplakette für Buderus (Jahresplakette 1949)
1946) 160 x 110 x 5 mm 150 x 110 x 5 mm
Unter Verweis auf das traditionell in Vorkriegszeiten bei Lauchhammer ge-
sammelte und nunmehr brachliegende Eisenfeinguss-Knowhow bemüht sich
Heinrich Moshage darum, den künstlerischen Eisenguss Anfang der 50-er
Jahre neu zu beleben. Er schlägt der Geschäftsleitung der Buderus Eisen-
werke vor, in Hirzenhain gegenüber dem Eisenwerk eine eigene Feingießerei
für künstlerisch gestaltete Artikel einzurichten, die die langjährige Tradition
der Kunstgießerei Lauchhammer in der Bundesrepublik weiterführen könne.
Man prüft seinen Vorschlag gewissenhaft, stellt einen "tragfähigen" Bedarf
für das Geschäftsfeld des "Künstlerischen Eisengusses" fest und sichert den
Umsatz konzeptionell durch Kapazitätserweiterungen auf Reparatur- und
Renovierungsarbeiten für kriegsbedingt in Mitleidenschaft geratene Denk-
mäler sowie für historische Architekturteil-Nachgüsse zusätzlich ab.
Abb. links: Abb rechts:
"Schreitender Sämann" (1949) "Sitzende Frau mit Ährengarben"
Eisenrelief Buderus Eisenrelief Buderus
28 x 21 x 2 cm (h x b x t) 38 x 26 x 4 cm (h x b x t)
Gewicht: 1,6 kg Gewicht: 3,7 kg
Sammlung M. Hümmer Sammlung M. Hümmer
Sammlungsnr.: G4.6 2016-017 Sammlungsnr.: G4.6 2016-018
Abb. oben:
Heinrich Moshage: "Muse mit Füllhorn (umgeben von 4 weiteren Musen)"
Eisen-Feinguß-Schale von Buderus-Hirzenhain; 19,5 x 19,5 x 2,2 cm; Gewicht 587 gr.
Sammlung M. Hümmer; Sammlungsnummer: G4.4 440-009
Heinrich Moshage: "Musikantinnen"
links oben: "Die Cellospielerin" 1948; rechts oben: "Die Flötenspielerin" 1949
links unten: "Die Lautenspielerin 1949; rechts unten: "Die Geigespielerin" 1950
Eisenreliefs; je 26 x 23 cm; Buderus; Sammlung M. Hümmer; Sammlungsnr:
G4.6 2016-013; G4.6 2016-014; G4.6 2016-015 und G4.6 2016-016
Statuetten und Heiligenfiguren (Bronze + Gußeisen)
Heinrich Moshage: Heilige Barabara Heinrich Moshage: Heilige Barbara:
Bronze; 1952; 35 cm; Bergbaumu- Eisenguß, 48 cm; Sammlung M. Hümmer
seum Bochum (Nachgüsse) Slg-nr: 450-015 u. 450-016
Heinrich Moshage: "Allegorie auf den Heinrich Moshage: "Heilige Barbara"
Sommer"; Eisenguß (Entwurf 1938/40) Eisenguß 44cm; Sammlung M. Hümmer
auch "Frau mit Krug und Ähren"; Ab- Slg-nr: 450-017; Abgüsse in verschie-
güsse in verschiedenen Größen erhält- denen Größen (138, 44, 38, 28 cm) er-
lich. hältlich.
Portraitbüsten und Reliefs
von Gerhard Hauptmann bis Theodor Heuss
1950 Heinrich Friedrich Moshage ist in der Folgezeit maßgeblich für die Wiederbe-
lebung des künstlerischen Eisen-Feingusses in Westdeutschland verantwort-
lich. Besondere Bedeutung kommt der Gestaltung von Jahresgaben, Gedenk-
münzen, Plaketten und Medaillen zu, die schon relativ schnell einschlägige
Sammlerkreise anziehen und auch auf Seiten der Künstler und Künstlerinnen
eine Spezialisierung auf "Münzschneider" und "Medailleure" bewirken.
Tatsächlich sind es in der Folgezeit weniger die elitären, musealen Einzel-
stücke und Unikate, als vielmehr die limitierten Auflagenproduktionen und
Themenreihen, die den Sammlermarkt im künstlerischen Eisenfeingußbereich
prägen. Der alternative Bronzeguß ist - mit ähnlicher Unterteilung in Unikat-
und Auflagenproduktion - überwiegend dem kirchlichen Auftragsbereich zuzu-
ordnen.
Plaketten und Medaillen (ab 1948)
(Sammlung wird vervollständigt)
Heinrich Moshage: "Reliefteller Reiher" Heinrich Moshage: "Wiederaufbau 1950" Eisenguß; 1949; 12cm; Buderus Jahresplakette 1950; Eisenguß Buderus
Sammlung M. Hümmer; Nr. 420-012 Sammlung M. Hümmer; Nr. 420-019
Heinrich Moshage: "Musikanten" Heinrich Moshage: "Einzig das Lied überm Jahresplakette 1965; Eisenguß Land"(motivgleich mit "Musikanten") Eisen-
bronziert; Buderus-Hirzenhain guss bronziert; Buderus-Hirzenhain
Sammlung M. Hümmer Nr. 420-004 Sammlung M. Hümmer Nr. 420-009
Heinrich Moshage: "Die Hochzeit zu Heinrich Moshage: "Verkündigung"
Kanaan" 1978; zur 300- Jahrfeier Weihnachtsplakette 1951, Eisenguß
Eisenguß Buderus (Zuschreibung Buderus; Sammlung M. Hümmer
nicht eindeutig gesichert) Sammlungsnr.: 420-023
Zinkguss-Plaketten
Heinrich Moshage: "Leben lebt allein Heinrich Moshage: "Ora pro nobis"
durch Liebe", Zinkguss, 140 x 97 mm; Zinkguss, 140 x 97 mm,
ohne Marke und Datierung; ohne Marke und Datierung
Sammlung: M. Hümmer Nr.: 420-021
1968 Heinrich Friedrich Moshage ist kontinuierlich bis zu seinem Tod als Künstler
in Düsseldorf tätig. Seine letzten regulären Aufträge zur Schaffung von
Gedenkmünzen und Bildnismedaillen erhält er von der Gesellschaft Deutscher
Chemiker (Richard-Kuhn-Medaille) und vom Bundesschatzministerium in Bonn
(Raiffeisen-Gedenkmünze sowie eine Max von Pettenkofer-Ehrenmedaille).
Die Aufträge kann er leider nicht mehr ausführen. Heinrich Friedrich Moshage
verstirbt am 10. März 1968 in seinem 72. Lebensjahr in Düsseldorf.
Heinrich Friedrich Moshage: Selbstbildnisse
Quellenhinweis: Ein Teil der Illustrationen sind einer antiquarisch erworbenen Monographie von Lore Breuer-Reinmöller: "HEINRICH MOSHAGE" (ohne Jahresangabe; Verlag + ISBN-Nr unbekannt) entnommen.
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