Bernhard Vogler (geb. 1930)

Berhard Vogler

1930   Bernhard Vogler erblickt 1930 im mainfränkischen

           Aschaffenburg das Licht der Welt. Er wird in eine

          "kunstafine" Familie hineingeboren. Sein Großvater

           väterlicherseits war ein ausgebildeter Kirchenmaler,

           sein Vater war Landschaftsmaler, verdiente das Geld

           für den Unterhalt der Familie allerdings als Verwal-

           tungsangestellter in einem Aschaffenburger Unter-

           nehmen. Bernhards Mutter war eine geborene

           Gentil, stammte also aus einer nicht unvermögen-

           den Familie, die eine stattliche Kunstsammlung loka-

           ler Künstler - darunter auch Werke von Lukas

           Cranach aufgebaut hatte. Bernhards Cousin - Otto

           Gentil -  war ein ausgebildeter Bildhauer, in dessen Werkstatt Bernhard

           herumstreifen und das dortige Werkzeug - vor allem die unterschiedlichen

           Stichel - an ersten Übungsstücken erproben durfte. Zu Berhard Voglers

           Vorfahren zählt wohl auch der Jurist Dr. Bernhard (Emil) Vogler, der von

           1864 bis 1867 Bürgermeister von Aschaffenburg war.

           Wahrscheinlich wird der kleine Bernhard 1936 oder 1937 in die örtliche

           katholische Volksschule eingeschult. Schon als zwölfjähriges Kind - so wird

           überliefert - soll er geäußert haben, später einmal Bildschnitzer werden zu

           wollen, um ähnlich schöne Marienfiguren, wie in der  "Muttergottespfarr-

           kirche", der ältesten Kirche der Stadt (erbaut im 12. Jahrhundert) erschaffen

           zu können. Sein Talent zur handwerklichen Gestaltungsarbeit stellt sich schon

           früh heraus. Eines seiner frühesten Schnitzwerke ist ein Cruzifix, das vom

           Klassenlehrer für einige Zeit über der Tür des Lehrerzimmer aufgehangen

           wurde. Bernhard nimmt es später mit in sein Atelier.

           Die Schrecken des Krieges bekommt Bernhard Vogler als Jugendlicher bei

           der weitgehenden Zerstörung der Altstadt von Aschaffenburg durch die

           alliierten Bombenangriffe 1944/45 mit. Auch die Muttergottespfarrkirche wird

           getroffen. Unter anderem stürzt die gesamte Kirchenraumdecke ein. 

Berhard Vogler: Krippenfiguren 1945

1945   Nach 8 Schuljahren schließt Bernhard Vogler die katho-

           lische Volksschule ab und beginnt gleich darauf eine

           Lehre als Holzbildhauer bei dem Bildhauermeister Hans

           Gehring im heimischen Aschaffenburg. In dessen Hand-

           werksbetrieb erlernt er "von der Pike auf" die Kunst

           der Holzbearbeitung und insbesondere des Figuren-

           schnitzens. Hans Gehrings größter Kunde sind die

           katholischen Krchen im regionalen Aschaffenburger

           Umland. Bernhard schnitzt übungshalber vor allem

           Krippenfiguren - Maria, Josef, das Christuskind und die

          "Heiligen Drei Könige", heimische kleine Wildtiere wie

           Waldkauz, Eichhörnchen, Hasen sowie Devotionalien-

           artikel (Marienköpfe, Kopien von Dürer's "Betenden

           Händen", Cruzifixe etc.). Er sammelt dafür altes Eichenholz ein, das er in den

           Ruinen zerstörter Aschaffenburger Altstadt-Fachwerkhäuser findet.

1947  Im Februar 1947 werden in Darmstadt die "Lehrwerkstätten für Bildende

          Kunst - Künstlerkolonie Darmstadt" gegründet. Sie sind provisorisch im "Hoch-

          zeitsturm", in den Ausstellungshallen auf der Mathildenhöhe, im Glückert-

          Haus, in der Oetinger Villa und im Jagdschloss Kranichstein untergebracht.

          Rund 120 Schüler finden sich ein und bilden - übergreifend über alle Kunst-

          zweige - eine lockere Studiengemeinschaft. Bernhard Vogler zieht von

          Aschaffenburg nach Darmstadt und schreibt sich bei dem Bildhauer Fritz

          Schwarzbeck (1902-1989) ein. Aus den "Lehrwerkstätten für Bildende Kunst"

          geht Anfang der 50-er Jahre die Werkkunstschule Darmstadt hervor. Während

          seines insgesamt 10-semestrigen Bildhauerstudiums (1947 -1952) belegt

          Bernhard Vogler auch Kurse im parallel angebotenen Töpferei- und Keramik-

          Studium bei Prof. Friedrich Schröder. Fortan teilt sich seine "künstlerische

          Interessenslage" auf. Da ist einerseits die "spanend-abtragende" Holzschnitz-

          technik bzw. die Steinbildhauerrei. Jeder Schlag muß sitzen und ist unumkehr-

          bar. Und da ist andererseits die "modellierend-auftragende" Keramik-Technik

          die - solange das Material noch nicht gebrannt ist - verändert und im Ausdruck

          optimiert werden kann. Bernhard Vogler kann sich nicht entscheiden und so

          erlernt er beides (und bringt die jeweilige Technik zur künstlerischen Perfek-

          tion). 1952 schließt er sein Studium an den inzwischen zur Werkkunstschule

          Darmstadt umgewandelten "Lehrwerkstätten für Bildende Kunst" ab.

Harry und May Davis von der Crowan Pottery in Cornwall

1953  Bernhard Vogler will die Welt sehen und Auslandserfah-

          rungen sammeln. Er bereist Frankreich und Italien. Für

          knapp zwei Jahre wechselt er nach England und volon-

          tiert bei der Töpferei Crowan Pottery von Harry und

          May Davis in Cornwall. Harry Davis (1910 -1986) ist

          ein gebürtiger Neuseeländer. Ein ausgebildeter Maler,

          der mit seiner Frau zunächst nach Ghana ging, dort

          örtlich eine Töpferei-Industrie mit vor Ort gefundenem

          neuartigem Glasurmaterial aufbaute und dann - zu-

          rückgekehrt nach South Kensington (London) ein

          Geschäft für kunstgewerbliche Artikel einrichtete. Nach

          dessen Verkauf gründete er die Crowan Pottery in

          Cornwall, ehe er mit seiner Frau schließlich zurück

          nach Neuseeland geht, um dort zu lehren und eine

         "Galerie für Töpferei und Malkunst" zu betreiben. Ihre "Steingut"- Erzeugnisse

          sind heute in vielen brittischen Museen vertreten.

Bernhard Vogler: Steinmadonna 1955

1954  Bernhard Vogler kehrt nach Aschaffenburg zurück und

          ist dort in den folgenden zwei Jahren als freischaffender

          Künstler tätig. Er hält engen Kontakt mit seinen Kollegen

          und Kolleginnen aus der gemeinsamen Studienzeit in

          Darmstadt. 1955 beteiligt er sich an einem Kunstwettbe-

          werb in Aschaffenburg. Sein Entwurf und das Vormodell

          für eine über 2 m hohe Steinfigur aus Muschelkalk ge-

          winnt den 1. Preis und er erhält den Auftrag zur bild-

          hauerischen Ausführung dieser Plastik. Die Figur zeigt

          bereits die für Vogler-Arbeiten typische Stilistik: klare,

          linear sauber abgegrenzte Flächen ohne Ausprägung

          individueller Gewanddetails oder individueller Gesichts-

          züge. Vogler-Figuren sind keine konkret wiedererkenn-

          baren "Abbildungen"  von Modellen, sondern "arche-

          typische" Menschenbilder. Das Honorar für seine erste

          öffentliche Auftragsarbeit verwendet Bernhard Vogler,

          um sich 1956 in Düdelsheim /Oberhessen in das Wohn-

          haus des Scheid' schen Bauernhofes einzukaufen.

Scheid`scher Hof: Die Keimzelle der Düdelsheimer Künstlerkolonie. links: das Künstleratelier; im Hof: der offene Platz für Bildhauerarbeiten und freies Schnitzen

1956  Bernhard Vogler errichtet in Düdels-

          heim, einem Stadtteil von Büdingen im

          Wetteraukreis am Fuße des Vogelsberg

          zusammen mit dem Keramiker-Künst-

          lerpaar Karl und Ursula Scheid sowie

          Beate Kuhn im Scheid`schen Hof

          (Hauptstraße 10) die Düdelsheimer

          Künstlerkolonie. Über Jahrzehnte hin-

          weg arbeiten die ehemaligen Studien-

          kollegen aus der Keramikklasse der

          Darmstädter Werkkunstschule eng

          zusammen. Im Hofgebäude arbeitet

          Bernhard Vogler, der zunächst noch

          täglich aus Aschaffenburg anreist,

          sowohl an Keramikobjekten wie an

          seinen Schnitz- und Steinskulpturen. Sein täglicher Arbeitsablauf und sein

          Arbeitspensum ist in der Tradition (mittel-)alterlicher Handwerkersmeister

          klar und übersichtlich geregelt. "Alles muß seine gute Ordnung haben".

          Als Künstler ist und bleibt er bodenständig. Ein ungezügeltes Leben mit

          großer individueller künstlerischer Freiheit kommt für ihn nicht in Betracht.

Ehepaar Bernhard und Marga Vogler

1957  Bernhard Vogler zieht nach Düdels-

          heim in die Künstlerkolonie und richtet

          seinen ständigen Wohnsitz im Hauptge-

          bäude des Scheid`schen Hofes ein.

          Er erhält erste öffentliche Aufträge

          zur Errichtung von Ehrenmalen für

          die Gefallenen der beiden Weltkriege.

          Bernhard legt sie eher schlicht und

          unpathetisch an - wohl auch deshalb,

          weil er ein durch und durch pazifis-

          tischer Mensch und tiefgläubiger Christ

          ist, dem alles Martialische ein Greuel ist.

1961  Heirat mit Marga Schädlich, verwitwete Baum. Marga bringt ihre Kinder in die

          Ehe ein und Bernhard ist ihnen ein guter und treusorgender Vater. Der Scheid'

          sche Hof ist alsbald mit familiärem Leben erfüllt. Insgesamt zieht das Ehepaar

          vier Kinder hoch.

Bernhard Vogler: Holzstatuetten

          Zwischen 1956 und 1965 findet Berhard Vogel zu seinem unverwechselbaren

          eigenen Gestaltungsstil. In dieser Zeit entstehen neben den öffentlichen

          Aufträge eine Vielzahl von kleineren, künstlerisch in Ausdruck, Gestik und 

          Präsenz hochgradig durchgearbeiteten Holzfiguren, die sich -  und darauf

          muß Bernhard Vogler als Familienoberhaupt durchaus achten -  relativ gut

          verkaufen lassen. Er selbst - sagt er später einmal - kann sich seine Skulp-

          turen finanziell gar nicht leisten. Neben Eichenholz nutzt er Teak- und Pali-

          sanderholz, aber auch heimisches Obstbaumholz wie Apfel-, Birnen- und

          Nussbaumholz für seine Skulpturen. Jede der Holzstatuetten stellt in sich ein

          werthaltiges solitäres  Einzelkunstwerk dar, doch zeigt sich insbesondere

          bei Ausstellungen, dass alle seine Skulpturen harmonisch zusammenpassen

          und somit "betuchte Mitbürger" zur Gruppenbildung und damit zum Sammeln

          angeregt werden.

Solitäre Holzstatuetten

         (Zur Vergrößerung bitte in die jeweiligen Abbildungen klicken)

          Entsprechend der schon in seiner Lehrzeit eingeübten Tradition der Herstellung

          geschnitzter Krippenfiguren, bemalt Bernhard Vogler viele seiner Holzstatuet-

          ten, arrangiert sie zu Gruppen und präsentiert sie dann gerne in einem situa-

          tiven - häufig häuslichen oder familiären - Zusammenhang.

Jahresplaketten

1966  Bernhard Vogler stellt zu Weihnachten 1966 die erste seiner Jahresplaketten

          vor. Die Kunstgießerei Buderus in Hirzenhain ist auf seine Arbeiten aufmerk-

          sam geworden und fragt einen Entwurf für ihre eigene Jahresplaketten-

          produktion bei ihm an. Bernhard Vogel erstellt einen Entwurf, der aber - wohl

          wegen des ungewöhnlichen Formats und der dadurch notwendigen anders-

          artigen Geschenk- und Versandverpackung nicht zur Ausführung gelangt. Als

          Entschädigung für seine Entwurfsarbeit bietet man ihm an, 10 Exemplare

          seines Entwurfes als Eisenfeingußplaketten kostenfrei zu produzieren.

          Damit startet Bernhard Voglers exklusiv seine eigene Jahresplakettenreihe.

Berhard Vogler: Eisenfeingußplakette 1966: "Die Huldigung der Sterndeuter", hergestellt bei der Firma Buderus Hirzenhain in einer Auflage von 10 Stück

.

          Thematisch nimmt Bernhard Vogel in den folgenden Zeiten aktuelle politische

          und soziale Entwicklungen eines jeden Jahres zum Anlaß, um entsprechende

          Textstellen aus der heiligen Schrift in kleiner, überschaubaren Form zu visua-

          lisieren. In der Regel bietet also jede seiner Plaketten einen christlichen Inter-

          pretationshintergrund für die jeweilige politische oder gesellschaftliche Situa-

          tion, ist Botschaft, Wegweiser und Verständigungshilfe in einem und darüber

          hinaus ein rares und sehr persönliches Geschenk für Freunde und Kunden des

          Künstlers. Sicherlich haben Bernhard Voglers Künstlerkollegen aus der Künst-

          lerkolonie Düdelsheim - insbesondere das Keramiker-Ehepaar Karl und Ursula

          Scheid sowie Beate Kuhn - einen nicht unerheblichen gestalterischen und pro-

          duktionstechnischen Anteil an der Entstehung der Jahresplaketten. Doch der

          eigentliche Ideengeber, der mit den Plaketten seine Sicht der Dinge, seine

          biblichen Analogien und gleichzeitig auch sein immenses Wissen in der Art der

          grafisch-visuellen Gestaltung wie auch der Modellierung der Plaketten beweist,

          ist und bleibt Bernhard Vogler.

Bernhard Vogler: Jahres- plakette 1967, Aufl. 8 Stk

1967  Die erste Porzellan-Jahresplakette entsteht 1967 in

          einer Auflage von 8 Exemplaren mit Hilfe einer von

          Karl Scheid entwickelten pastösen Porzellanmasse.

          Sie ist im Stil einer Steg-Emailarbeit angelegt, wobei

          die formbildenden Stege nicht aus Draht gebogen,

          sondern negativ in eine Gipsform eingeritzt sind.

          Diese Gipsform wird dann mit der noch weichen

          Porzellanrohmasse gefüllt, die in den weiteren Ar-

          beitsschritten vorsichtig als Positivabdruck aus der

          Form entnommen, getrocknet und schließlich im

          Ofen gebrannt wird. Dies ist ein sehr aufwändiges,

          manuelles Verfahren (mit relativ hoher Ausschuß-

          rate), mit dem Bernhard Vogler maximal 4 Pla-

          kettenrohlinge pro Tag erzeugen kann.

        Bernhard Vogler: "Rosenkranzgeheimnisse"; Folge von vier Eisenfeinguss-

                                  plaketten zur Erprobung der neuer auf Eisengrund haften-

                                  der Farbglasuren.

        Bernhard Vogler experimentiert, versucht die Ge-

        staltungstechnik von Emailarbeiten auf die Pla-

        kettengestaltung zu übertragen. Letztendlich bleibt

        das keramische Ergebnis aber unbefriedigend und

        so läßt Bernhard Vogler von seinen vier Emailent-

        würfen aus der Reihe "Rosenkranzgeheimnisse"

        jeweils noch drei Stück als Feingussplaketten her-

        stellen. Ihm schwebt vor, die freien Flächen mit

        eigenentwickelten Glasuren zu füllen. Im Folge-

        jahr 1968 gibt er noch einmal eine Jahresplakette

        unter Anwendung der Stegtechnik auf Keramik-

        basis heraus. Dannach gibt er diesen Gestaltungsstil ganz auf und konzentriert

        sich unter tätiger Mithilfe von Karl Scheid auf die Entwickung geeigneter flüs-

        siger Keramikmassen, mit denen er ab 1974 im Gießverfahren seine Plaketten

        ausformen kann. Realisierte er bis 1974 Auflagen von 30 Exemplaren, so ist er

        nun in der Lage, bis zu 100 Exemplare (ab 1988) respektive 120 Exemplare (ab

        1985) mit vertretbarem kunsthandwerklichem Aufwand zu produzieren. Damit

        jede Jahresplakette ein solitäres Einzelstück bleibt, variiert er die Grundeinfär-

        bungen seiner Keramikmassen und variiert auch die Einbrennglasuren, die je

        nach Brenntemperatur in Farbe und Oberflächenstruktur unterschiedlich aus-

        fallen. Sein 1979 neu angeschaffter keramischer Ofen schafft Brenntempera-

        turen über 1350°C.

        Keramische Jahresplaketten 1969 bis 1995 im Überblick (nur s/w)

Farbvarianten der Jahresplaketten durch individuelle Keramikglasuren

1975  Berhard Vogler gestaltet für die Firma Buderus Hirzenheim deren Weih-

          nachtsplakette 1975. Neben der Jahresplakette produziert Buderus auch eine

          Version ohne Jahreszahl, die 40 Jahre lang - bis zum endgültigen "Aus" des

          Unternehmens im Jahre 2016 - von Buderus immer wieder neu aufgelegt und 

          über den unternehmenseigenen Museumsshop verkauft wurde. Mit Sicherheit

          ist die Plakette "Europa perficienda" damit Bernhard Voglers auflagenstärkstes

          und weit verbreitetstes Werk. 

     Abb. oben: Bernhard Vogler: "Europa perficienda" Feineisenguss, 13 cm,

                      Giesserei: Buderus Hirzenhain, Sammlung M. Hümmer (G4.2)

                      Sammlungsnr.: 420-024 bzw. 420-024b (ohne Jahreszahl)

           Weder der Verkauf der Holzstatuetten noch die in aller Regel an Freunde und

           Kunden zu Weihnachten verschenkten Keramik-Jahresplaketten bringen genü-

           gend ein, um alleine mit Bernhard Voglers künstlerischer Arbeit als mehr-

           köpfige Familie "über die Runden" zu kommen. Bernhard Vogler bemüht sich

           um Aufträge, erhält im zweijährigen Rhythmus auch Aufträge zur bildhaue-

           risch-plastischen Ausgestaltung von Pfarreikirchen (1965 Kirche in Remlingen

           1967 Kirche in Üttingen, 1969 Kirche in Oberdürrbach), aber auch das reicht

           nicht aus, um die Familie finanziell nachhaltig zu sichern.

1970   Bernhard Vogler baut zusätzlich zu seiner Bildhauerwerkstatt eine eigene

          "Werkstatt für Gebrauchskeramik" in Düdelsheim auf. Hier produziert er in den

           Folgejahren baukeramische Objekte - als "Brot und Butter-Geschäft" Boden-

           und Wandfliesen, Gebrauchsgeschirr sowie Lampenfüße für einen regionalen

           Leuchtenhersteller. Schon bald spricht sich herum, dass man bei ihm auf

           Bestellung auch individuelle Pflanzgefäße und großformatige Bodenvasen

           erhalten kann. Die "Werkstatt für Gebrauchskeramik" floriert.

           Vereinzelt fertigt Bernhard Vogler individuell in alte Bausubstanz einzupas-

           sende "Restaurierungselemente" an. Neben der Rekonstruktion von kera-

           mischen Formsteinen, Säulenkapitelen, defekten Brunnenschalen und Was-

           serspeiern wird er mit der Reparatur großflächiger Kachelbilder beauftragt.

           Gesprungene Kacheln aus den wandfüllenden Bildern zu lösen, neu anzu-

           fertigen, einzupassen und diese so zu bemalen und zu glasieren, dass sie

           sich harmonisch in das Gesamtbild wieder einfügen, zeugt von Bernhard

           Voglers besonderem restauratorischen Talent und seinem ausgeprägten

           kunsthandwerklichen Können.

1972  Zusammen mit seinem ehemaligen Darmstädter Werkkunstschul-Lehrer, dem

          Bildhauer Fritz Schwarzbeck, stellt Berhard Vogler seine baukeramischen

          Objekte in der Galerie Deisenroth in Fulda aus.

        Abb. links: Bernhard Vogler: Zusammenstellung großer Bodenvasen im Hof vor

                        seinem Keramikatelier in Düdelsheim (Höhe bis 108 cm)        

             rechts: Bernhard Vogler: Große Zapfenvase (Höhe: 82 cm) 1972

1973  Das erzbischöfliche Ordinariat in Mainz wird auf Berhard Voglers Befähigung

          aufmerksam. Man nimmt seitens des bischöflichen Bauamtes Kontakt zu ihm

          auf. Die durch das 2. Vatikanische Konzil (1962 -1965) vor allem in Europa

          wirksam gewordene Liturgiereform in der Katholischen Kirche führt zu der

          Forderung, dass sich der Klerus stärker dem Volke zuwendet. Die lateinische

          Sprache in der Messe wird durch (verständliche) Landessprache ersetzt, die

          Altäre sollen gedreht werden. Statt mit dem Rücken zum Kirchenvolk soll die

          heilige Messe nun frontal - dem Kirchenvolk zugewandt - gefeiert werden.

          Dies hat in der Folge beträchtliche Auswirkungen auf die architektonische

          Gestaltung der Altarräume insbesondere auf die Position und die Ausführung

          der Altäre. In dieser Situation ist Bernhard Voglers Rat zur Ausgestaltung der

          Kirchen gefragt. In enger Zusammenarbeit mit dem bischöflichen Bauamt er-

          halten zahlreiche Kirchen und Kapellen im oberhessischen Raum - basierend

          auf Bernhard Voglers Vorschlägen - umgearbeitete - zum Teil auch völlig neu-

          konzipierte Altarräume.

Kirchenraumgestaltungen

Bernhard Vogler   Beispiele für Kirchenraumgestaltungen (1973 bis 1990)

Abb. oben:           Altarraumgestaltung Rüsselsheim-Königstätten mit großem

                           hängendem Keramik-Kruzifix 1975-77

unten links:          7 m hohe Kreuzstele in St. Peter, Offenbach, Keramik 1981

unten rechts:        Detailgestaltung Bronze-Reliefs am Tabernakel Bad Nauheim 1979

Szenarische Schnitzwerke

         Zwischen seinen Aufträgen zur Um- und Ausgestaltung katholischer Pfarr-

         kirchen und Kapellen arbeitet Bernhard Vogler auch wieder an freien Arbeiten

         als Holzschnitzer. Seine Schnitztechnik ist inzwischen komplexer geworden.

         Die vorherigen solitären Holzstatuetten (s.o) werden nun zu dreidimensionalen

         Szenarien sowohl mit profanen als auch religiösen Themenstellungen zusam-

         mengebunden. Das Baummotiv (Baum der Erkenntnis; Apfelbaum im Garten

         Eden, Baum der Ruhe, Wurzelbaum, Totenbaum etc.) tritt nun immer häufi-

         ger in Voglers Oeuvre auf und bietet dem Künstler Gelegenheit, seine Figuren

         überaus kunstvoll miteinander zu verschlingen und in Beziehung zu setzen.

                Bernhard Vogler bei der Arbeit: Im Schnitzbock eingespanntes

                                        Werk "Baum der Erkenntnis", Eichenholz ca. 65 cm

1984  Für die 1095 gegründete Benediktinerabtei Neresheim, deren hochbarocke

          Kirche von Baltasar Neumann stammt, schnitzt Bernhard Vogler eine fast

          einen Meter hohe Wandskulptur aus Eichenholz, die sicherlich zu den heute

          berühmtesten und anerkanntesten Meisterwerken zeitgenössischer Schnitz-

          kunst gehört: "Wurzel Jesse". Die dreidimensional mit komplexen Hinter-

          schneidungen aus einem Stück gefertigte Skulptur "beherrscht" die kom-

          plette Wand des Andachtsraumes der Abtei. Aus der Seite des Ahnherrn 

         "Jesse" wächst ein Lebensbaum, dessen Stamm vom gekreuzigten Jesus

          verdeckt wird. Unter seinen ausgebreiteten Armen ist (links) der Sündenfall

          (Adam und Eva im Paradies) und auf der rechten Seite die Verkündigungs-

          szene (Maria mit dem Engel) dargestellt. Neben und über dem Christuskopf

          nisten Friedenstauben im Geäst des Lebensbaumes, Symbol für die Stämme

          Israels oder für die sieben "Heiligen Gaben" des Christentums. Wie der Abt

          der Benediktinerabtei - Norbert Stoffels - in einer Festschrift schreibt, ent-

          wickelte Bernhard Vogler das Motiv ohne jede Vorgabe, ganz aus sich und

          seinem reichen theologischen Wissen heraus. Ein in jeder Hinsicht originäres

          Werk!

         

                  Bernhard Vogler: "Wurzel Jesse", Abtei Neresheim (1984)

1992  Im Alter von 62 Jahren beginnt Bernhard Voglers intensive Zusammenarbeit

          mit den Restaurierungswerkstätten der Benediktinerinnen-Abtei im Kloster

          Engelthal. Insbesondere die Möglichkeiten zur Herstellung und Bearbeitung

          größerer Keramikteile als in seinem Düdelsheimer Atelier reizen den Künstler.

          Im Gegenzug vermittelt der stets zurückhaltend und sehr bescheiden auf-

          tretende Künstler sein über Jahre angesammeltes Restaurierungs-Knowhow

          insbesondere im Architektur- und Baukeramik-Bereich an die kirchlich getra-

          gene Institution, die als Zentrum für individuelle Nachmodellierung von

          kirchenarchitektonischen Bauteilen (Formsteine, Formdekore, Wasserspeier,

          (Weih-)Wasserbecken, Rinnsteine und Brunnenelemente) gilt.

 

2004  Nach und nach läßt die individuelle Sehkraft des Künstlers nach. Die unauf-

          haltsame schleichende Erblindung läßt viele Dinge deutlich schwieriger

          werden, die vorher für Bernhard Vogler einfach integral zu seiner Arbeit

          dazu gehörten - wie beispielsweise das stille Erfassen einer "Raumstimmung",

          die zur Anpassung, Ausgestaltung oder Neukonzeption von kirchlichen Ge-

          bets-, Andachts- und Altarräumen elementar wichtig ist. Künstlerisch bleibt er

          aber unverändert aktiv.

 

2010  Aus Anlaß seines 80. Geburtstages organisiert die Stadt Aschaffenburg eine

          große Retrospektive mit Bernhard Voglers Werken und stellt dafür das

          Schloßmuseum Johannesburg in Aschaffenburg zur Verfügung. Der Künstler

          fühlt sich geehrt, lächelt und gibt - durchaus hintergründig - den Kommentar

          zu Protokoll: "Einen echten Vogler - wie heute hier - bekomme ich nur noch

          ganz selten zu Gesicht". 

 

2013  Nach über 50-jähriger aktiven Zusammenarbeit gibt Bernhard Vogler sein

          langjähriges Domizil in der Düdelsheimer Künstlerkolonie auf und zieht mit

          seiner Frau Marga zurück in seine Geburtsstadt Aschaffenburg in ein 

          Seniorenwohnheim. Er selbst - wie auch seine Frau Marga - sind beide

          pflegebedürftig. Der Künstler- inzwischen fast vollständig erblindet- kann sich

          ohne fermde Hilfe kaum noch irgendwohin bewegen. Freunde und Bewunderer

          seiner Kunst haben ein regelmäßiges Treffen als Künstlerstammtisch im

          Cafè Hench in der Sandgasse in Aschaffenburg in's Leben gerufen. Hier ist

          Bernhard Vogler regelmäßig mittwochs anzutreffen. Frisch im Geist erzählt er

          von seinen künstlerischen Erlebnissen und den Hintergründen jeder einzel-

          nen Plakette seiner privaten Keramikedition.

 

2016  Beispielsweise sucht er zur Zeit noch nach einer passenden Bibelstelle zur

          Untermalung des aktuellen Jahresthemas 2016 - die sogenannte "Flüchtlings-

          krise". Ihm stehen bereits einige geeignete Textstellen "vor Augen", aus

          denen er seinen visuellen Kommentar zur Situation ableiten kann.

          Entschieden hat er sich noch nicht. Er arbeitet dran!

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