Bernhard Vogler (geb. 1930)
1930 Bernhard Vogler erblickt 1930 im mainfränkischen
Aschaffenburg das Licht der Welt. Er wird in eine
"kunstafine" Familie hineingeboren. Sein Großvater
väterlicherseits war ein ausgebildeter Kirchenmaler,
sein Vater war Landschaftsmaler, verdiente das Geld
für den Unterhalt der Familie allerdings als Verwal-
tungsangestellter in einem Aschaffenburger Unter-
nehmen. Bernhards Mutter war eine geborene
Gentil, stammte also aus einer nicht unvermögen-
den Familie, die eine stattliche Kunstsammlung loka-
ler Künstler - darunter auch Werke von Lukas
Cranach aufgebaut hatte. Bernhards Cousin - Otto
Gentil - war ein ausgebildeter Bildhauer, in dessen Werkstatt Bernhard
herumstreifen und das dortige Werkzeug - vor allem die unterschiedlichen
Stichel - an ersten Übungsstücken erproben durfte. Zu Berhard Voglers
Vorfahren zählt wohl auch der Jurist Dr. Bernhard (Emil) Vogler, der von
1864 bis 1867 Bürgermeister von Aschaffenburg war.
Wahrscheinlich wird der kleine Bernhard 1936 oder 1937 in die örtliche
katholische Volksschule eingeschult. Schon als zwölfjähriges Kind - so wird
überliefert - soll er geäußert haben, später einmal Bildschnitzer werden zu
wollen, um ähnlich schöne Marienfiguren, wie in der "Muttergottespfarr-
kirche", der ältesten Kirche der Stadt (erbaut im 12. Jahrhundert) erschaffen
zu können. Sein Talent zur handwerklichen Gestaltungsarbeit stellt sich schon
früh heraus. Eines seiner frühesten Schnitzwerke ist ein Cruzifix, das vom
Klassenlehrer für einige Zeit über der Tür des Lehrerzimmer aufgehangen
wurde. Bernhard nimmt es später mit in sein Atelier.
Die Schrecken des Krieges bekommt Bernhard Vogler als Jugendlicher bei
der weitgehenden Zerstörung der Altstadt von Aschaffenburg durch die
alliierten Bombenangriffe 1944/45 mit. Auch die Muttergottespfarrkirche wird
getroffen. Unter anderem stürzt die gesamte Kirchenraumdecke ein.
1945 Nach 8 Schuljahren schließt Bernhard Vogler die katho-
lische Volksschule ab und beginnt gleich darauf eine
Lehre als Holzbildhauer bei dem Bildhauermeister Hans
Gehring im heimischen Aschaffenburg. In dessen Hand-
werksbetrieb erlernt er "von der Pike auf" die Kunst
der Holzbearbeitung und insbesondere des Figuren-
schnitzens. Hans Gehrings größter Kunde sind die
katholischen Krchen im regionalen Aschaffenburger
Umland. Bernhard schnitzt übungshalber vor allem
Krippenfiguren - Maria, Josef, das Christuskind und die
"Heiligen Drei Könige", heimische kleine Wildtiere wie
Waldkauz, Eichhörnchen, Hasen sowie Devotionalien-
artikel (Marienköpfe, Kopien von Dürer's "Betenden
Händen", Cruzifixe etc.). Er sammelt dafür altes Eichenholz ein, das er in den
Ruinen zerstörter Aschaffenburger Altstadt-Fachwerkhäuser findet.
1947 Im Februar 1947 werden in Darmstadt die "Lehrwerkstätten für Bildende
Kunst - Künstlerkolonie Darmstadt" gegründet. Sie sind provisorisch im "Hoch-
zeitsturm", in den Ausstellungshallen auf der Mathildenhöhe, im Glückert-
Haus, in der Oetinger Villa und im Jagdschloss Kranichstein untergebracht.
Rund 120 Schüler finden sich ein und bilden - übergreifend über alle Kunst-
zweige - eine lockere Studiengemeinschaft. Bernhard Vogler zieht von
Aschaffenburg nach Darmstadt und schreibt sich bei dem Bildhauer Fritz
Schwarzbeck (1902-1989) ein. Aus den "Lehrwerkstätten für Bildende Kunst"
geht Anfang der 50-er Jahre die Werkkunstschule Darmstadt hervor. Während
seines insgesamt 10-semestrigen Bildhauerstudiums (1947 -1952) belegt
Bernhard Vogler auch Kurse im parallel angebotenen Töpferei- und Keramik-
Studium bei Prof. Friedrich Schröder. Fortan teilt sich seine "künstlerische
Interessenslage" auf. Da ist einerseits die "spanend-abtragende" Holzschnitz-
technik bzw. die Steinbildhauerrei. Jeder Schlag muß sitzen und ist unumkehr-
bar. Und da ist andererseits die "modellierend-auftragende" Keramik-Technik
die - solange das Material noch nicht gebrannt ist - verändert und im Ausdruck
optimiert werden kann. Bernhard Vogler kann sich nicht entscheiden und so
erlernt er beides (und bringt die jeweilige Technik zur künstlerischen Perfek-
tion). 1952 schließt er sein Studium an den inzwischen zur Werkkunstschule
Darmstadt umgewandelten "Lehrwerkstätten für Bildende Kunst" ab.
1953 Bernhard Vogler will die Welt sehen und Auslandserfah-
rungen sammeln. Er bereist Frankreich und Italien. Für
knapp zwei Jahre wechselt er nach England und volon-
tiert bei der Töpferei Crowan Pottery von Harry und
May Davis in Cornwall. Harry Davis (1910 -1986) ist
ein gebürtiger Neuseeländer. Ein ausgebildeter Maler,
der mit seiner Frau zunächst nach Ghana ging, dort
örtlich eine Töpferei-Industrie mit vor Ort gefundenem
neuartigem Glasurmaterial aufbaute und dann - zu-
rückgekehrt nach South Kensington (London) ein
Geschäft für kunstgewerbliche Artikel einrichtete. Nach
dessen Verkauf gründete er die Crowan Pottery in
Cornwall, ehe er mit seiner Frau schließlich zurück
nach Neuseeland geht, um dort zu lehren und eine
"Galerie für Töpferei und Malkunst" zu betreiben. Ihre "Steingut"- Erzeugnisse
sind heute in vielen brittischen Museen vertreten.
1954 Bernhard Vogler kehrt nach Aschaffenburg zurück und
ist dort in den folgenden zwei Jahren als freischaffender
Künstler tätig. Er hält engen Kontakt mit seinen Kollegen
und Kolleginnen aus der gemeinsamen Studienzeit in
Darmstadt. 1955 beteiligt er sich an einem Kunstwettbe-
werb in Aschaffenburg. Sein Entwurf und das Vormodell
für eine über 2 m hohe Steinfigur aus Muschelkalk ge-
winnt den 1. Preis und er erhält den Auftrag zur bild-
hauerischen Ausführung dieser Plastik. Die Figur zeigt
bereits die für Vogler-Arbeiten typische Stilistik: klare,
linear sauber abgegrenzte Flächen ohne Ausprägung
individueller Gewanddetails oder individueller Gesichts-
züge. Vogler-Figuren sind keine konkret wiedererkenn-
baren "Abbildungen" von Modellen, sondern "arche-
typische" Menschenbilder. Das Honorar für seine erste
öffentliche Auftragsarbeit verwendet Bernhard Vogler,
um sich 1956 in Düdelsheim /Oberhessen in das Wohn-
haus des Scheid' schen Bauernhofes einzukaufen.
1956 Bernhard Vogler errichtet in Düdels-
heim, einem Stadtteil von Büdingen im
Wetteraukreis am Fuße des Vogelsberg
zusammen mit dem Keramiker-Künst-
lerpaar Karl und Ursula Scheid sowie
Beate Kuhn im Scheid`schen Hof
(Hauptstraße 10) die Düdelsheimer
Künstlerkolonie. Über Jahrzehnte hin-
weg arbeiten die ehemaligen Studien-
kollegen aus der Keramikklasse der
Darmstädter Werkkunstschule eng
zusammen. Im Hofgebäude arbeitet
Bernhard Vogler, der zunächst noch
täglich aus Aschaffenburg anreist,
sowohl an Keramikobjekten wie an
seinen Schnitz- und Steinskulpturen. Sein täglicher Arbeitsablauf und sein
Arbeitspensum ist in der Tradition (mittel-)alterlicher Handwerkersmeister
klar und übersichtlich geregelt. "Alles muß seine gute Ordnung haben".
Als Künstler ist und bleibt er bodenständig. Ein ungezügeltes Leben mit
großer individueller künstlerischer Freiheit kommt für ihn nicht in Betracht.
1957 Bernhard Vogler zieht nach Düdels-
heim in die Künstlerkolonie und richtet
seinen ständigen Wohnsitz im Hauptge-
bäude des Scheid`schen Hofes ein.
Er erhält erste öffentliche Aufträge
zur Errichtung von Ehrenmalen für
die Gefallenen der beiden Weltkriege.
Bernhard legt sie eher schlicht und
unpathetisch an - wohl auch deshalb,
weil er ein durch und durch pazifis-
tischer Mensch und tiefgläubiger Christ
ist, dem alles Martialische ein Greuel ist.
1961 Heirat mit Marga Schädlich, verwitwete Baum. Marga bringt ihre Kinder in die
Ehe ein und Bernhard ist ihnen ein guter und treusorgender Vater. Der Scheid'
sche Hof ist alsbald mit familiärem Leben erfüllt. Insgesamt zieht das Ehepaar
vier Kinder hoch.
Zwischen 1956 und 1965 findet Berhard Vogel zu seinem unverwechselbaren
eigenen Gestaltungsstil. In dieser Zeit entstehen neben den öffentlichen
Aufträge eine Vielzahl von kleineren, künstlerisch in Ausdruck, Gestik und
Präsenz hochgradig durchgearbeiteten Holzfiguren, die sich - und darauf
muß Bernhard Vogler als Familienoberhaupt durchaus achten - relativ gut
verkaufen lassen. Er selbst - sagt er später einmal - kann sich seine Skulp-
turen finanziell gar nicht leisten. Neben Eichenholz nutzt er Teak- und Pali-
sanderholz, aber auch heimisches Obstbaumholz wie Apfel-, Birnen- und
Nussbaumholz für seine Skulpturen. Jede der Holzstatuetten stellt in sich ein
werthaltiges solitäres Einzelkunstwerk dar, doch zeigt sich insbesondere
bei Ausstellungen, dass alle seine Skulpturen harmonisch zusammenpassen
und somit "betuchte Mitbürger" zur Gruppenbildung und damit zum Sammeln
angeregt werden.
Solitäre Holzstatuetten
(Zur Vergrößerung bitte in die jeweiligen Abbildungen klicken)
Entsprechend der schon in seiner Lehrzeit eingeübten Tradition der Herstellung
geschnitzter Krippenfiguren, bemalt Bernhard Vogler viele seiner Holzstatuet-
ten, arrangiert sie zu Gruppen und präsentiert sie dann gerne in einem situa-
tiven - häufig häuslichen oder familiären - Zusammenhang.
Jahresplaketten
1966 Bernhard Vogler stellt zu Weihnachten 1966 die erste seiner Jahresplaketten
vor. Die Kunstgießerei Buderus in Hirzenhain ist auf seine Arbeiten aufmerk-
sam geworden und fragt einen Entwurf für ihre eigene Jahresplaketten-
produktion bei ihm an. Bernhard Vogel erstellt einen Entwurf, der aber - wohl
wegen des ungewöhnlichen Formats und der dadurch notwendigen anders-
artigen Geschenk- und Versandverpackung nicht zur Ausführung gelangt. Als
Entschädigung für seine Entwurfsarbeit bietet man ihm an, 10 Exemplare
seines Entwurfes als Eisenfeingußplaketten kostenfrei zu produzieren.
Damit startet Bernhard Voglers exklusiv seine eigene Jahresplakettenreihe.
Thematisch nimmt Bernhard Vogel in den folgenden Zeiten aktuelle politische
und soziale Entwicklungen eines jeden Jahres zum Anlaß, um entsprechende
Textstellen aus der heiligen Schrift in kleiner, überschaubaren Form zu visua-
lisieren. In der Regel bietet also jede seiner Plaketten einen christlichen Inter-
pretationshintergrund für die jeweilige politische oder gesellschaftliche Situa-
tion, ist Botschaft, Wegweiser und Verständigungshilfe in einem und darüber
hinaus ein rares und sehr persönliches Geschenk für Freunde und Kunden des
Künstlers. Sicherlich haben Bernhard Voglers Künstlerkollegen aus der Künst-
lerkolonie Düdelsheim - insbesondere das Keramiker-Ehepaar Karl und Ursula
Scheid sowie Beate Kuhn - einen nicht unerheblichen gestalterischen und pro-
duktionstechnischen Anteil an der Entstehung der Jahresplaketten. Doch der
eigentliche Ideengeber, der mit den Plaketten seine Sicht der Dinge, seine
biblichen Analogien und gleichzeitig auch sein immenses Wissen in der Art der
grafisch-visuellen Gestaltung wie auch der Modellierung der Plaketten beweist,
ist und bleibt Bernhard Vogler.
1967 Die erste Porzellan-Jahresplakette entsteht 1967 in
einer Auflage von 8 Exemplaren mit Hilfe einer von
Karl Scheid entwickelten pastösen Porzellanmasse.
Sie ist im Stil einer Steg-Emailarbeit angelegt, wobei
die formbildenden Stege nicht aus Draht gebogen,
sondern negativ in eine Gipsform eingeritzt sind.
Diese Gipsform wird dann mit der noch weichen
Porzellanrohmasse gefüllt, die in den weiteren Ar-
beitsschritten vorsichtig als Positivabdruck aus der
Form entnommen, getrocknet und schließlich im
Ofen gebrannt wird. Dies ist ein sehr aufwändiges,
manuelles Verfahren (mit relativ hoher Ausschuß-
rate), mit dem Bernhard Vogler maximal 4 Pla-
kettenrohlinge pro Tag erzeugen kann.
Bernhard Vogler: "Rosenkranzgeheimnisse"; Folge von vier Eisenfeinguss-
plaketten zur Erprobung der neuer auf Eisengrund haften-
der Farbglasuren.
Bernhard Vogler experimentiert, versucht die Ge-
staltungstechnik von Emailarbeiten auf die Pla-
kettengestaltung zu übertragen. Letztendlich bleibt
das keramische Ergebnis aber unbefriedigend und
so läßt Bernhard Vogler von seinen vier Emailent-
würfen aus der Reihe "Rosenkranzgeheimnisse"
jeweils noch drei Stück als Feingussplaketten her-
stellen. Ihm schwebt vor, die freien Flächen mit
eigenentwickelten Glasuren zu füllen. Im Folge-
jahr 1968 gibt er noch einmal eine Jahresplakette
unter Anwendung der Stegtechnik auf Keramik-
basis heraus. Dannach gibt er diesen Gestaltungsstil ganz auf und konzentriert
sich unter tätiger Mithilfe von Karl Scheid auf die Entwickung geeigneter flüs-
siger Keramikmassen, mit denen er ab 1974 im Gießverfahren seine Plaketten
ausformen kann. Realisierte er bis 1974 Auflagen von 30 Exemplaren, so ist er
nun in der Lage, bis zu 100 Exemplare (ab 1988) respektive 120 Exemplare (ab
1985) mit vertretbarem kunsthandwerklichem Aufwand zu produzieren. Damit
jede Jahresplakette ein solitäres Einzelstück bleibt, variiert er die Grundeinfär-
bungen seiner Keramikmassen und variiert auch die Einbrennglasuren, die je
nach Brenntemperatur in Farbe und Oberflächenstruktur unterschiedlich aus-
fallen. Sein 1979 neu angeschaffter keramischer Ofen schafft Brenntempera-
turen über 1350°C.
Keramische Jahresplaketten 1969 bis 1995 im Überblick (nur s/w)
Farbvarianten der Jahresplaketten durch individuelle Keramikglasuren
1975 Berhard Vogler gestaltet für die Firma Buderus Hirzenheim deren Weih-
nachtsplakette 1975. Neben der Jahresplakette produziert Buderus auch eine
Version ohne Jahreszahl, die 40 Jahre lang - bis zum endgültigen "Aus" des
Unternehmens im Jahre 2016 - von Buderus immer wieder neu aufgelegt und
über den unternehmenseigenen Museumsshop verkauft wurde. Mit Sicherheit
ist die Plakette "Europa perficienda" damit Bernhard Voglers auflagenstärkstes
und weit verbreitetstes Werk.
Abb. oben: Bernhard Vogler: "Europa perficienda" Feineisenguss, 13 cm,
Giesserei: Buderus Hirzenhain, Sammlung M. Hümmer (G4.2)
Sammlungsnr.: 420-024 bzw. 420-024b (ohne Jahreszahl)
Weder der Verkauf der Holzstatuetten noch die in aller Regel an Freunde und
Kunden zu Weihnachten verschenkten Keramik-Jahresplaketten bringen genü-
gend ein, um alleine mit Bernhard Voglers künstlerischer Arbeit als mehr-
köpfige Familie "über die Runden" zu kommen. Bernhard Vogler bemüht sich
um Aufträge, erhält im zweijährigen Rhythmus auch Aufträge zur bildhaue-
risch-plastischen Ausgestaltung von Pfarreikirchen (1965 Kirche in Remlingen
1967 Kirche in Üttingen, 1969 Kirche in Oberdürrbach), aber auch das reicht
nicht aus, um die Familie finanziell nachhaltig zu sichern.
1970 Bernhard Vogler baut zusätzlich zu seiner Bildhauerwerkstatt eine eigene
"Werkstatt für Gebrauchskeramik" in Düdelsheim auf. Hier produziert er in den
Folgejahren baukeramische Objekte - als "Brot und Butter-Geschäft" Boden-
und Wandfliesen, Gebrauchsgeschirr sowie Lampenfüße für einen regionalen
Leuchtenhersteller. Schon bald spricht sich herum, dass man bei ihm auf
Bestellung auch individuelle Pflanzgefäße und großformatige Bodenvasen
erhalten kann. Die "Werkstatt für Gebrauchskeramik" floriert.
Vereinzelt fertigt Bernhard Vogler individuell in alte Bausubstanz einzupas-
sende "Restaurierungselemente" an. Neben der Rekonstruktion von kera-
mischen Formsteinen, Säulenkapitelen, defekten Brunnenschalen und Was-
serspeiern wird er mit der Reparatur großflächiger Kachelbilder beauftragt.
Gesprungene Kacheln aus den wandfüllenden Bildern zu lösen, neu anzu-
fertigen, einzupassen und diese so zu bemalen und zu glasieren, dass sie
sich harmonisch in das Gesamtbild wieder einfügen, zeugt von Bernhard
Voglers besonderem restauratorischen Talent und seinem ausgeprägten
kunsthandwerklichen Können.
1972 Zusammen mit seinem ehemaligen Darmstädter Werkkunstschul-Lehrer, dem
Bildhauer Fritz Schwarzbeck, stellt Berhard Vogler seine baukeramischen
Objekte in der Galerie Deisenroth in Fulda aus.
Abb. links: Bernhard Vogler: Zusammenstellung großer Bodenvasen im Hof vor
seinem Keramikatelier in Düdelsheim (Höhe bis 108 cm)
rechts: Bernhard Vogler: Große Zapfenvase (Höhe: 82 cm) 1972
1973 Das erzbischöfliche Ordinariat in Mainz wird auf Berhard Voglers Befähigung
aufmerksam. Man nimmt seitens des bischöflichen Bauamtes Kontakt zu ihm
auf. Die durch das 2. Vatikanische Konzil (1962 -1965) vor allem in Europa
wirksam gewordene Liturgiereform in der Katholischen Kirche führt zu der
Forderung, dass sich der Klerus stärker dem Volke zuwendet. Die lateinische
Sprache in der Messe wird durch (verständliche) Landessprache ersetzt, die
Altäre sollen gedreht werden. Statt mit dem Rücken zum Kirchenvolk soll die
heilige Messe nun frontal - dem Kirchenvolk zugewandt - gefeiert werden.
Dies hat in der Folge beträchtliche Auswirkungen auf die architektonische
Gestaltung der Altarräume insbesondere auf die Position und die Ausführung
der Altäre. In dieser Situation ist Bernhard Voglers Rat zur Ausgestaltung der
Kirchen gefragt. In enger Zusammenarbeit mit dem bischöflichen Bauamt er-
halten zahlreiche Kirchen und Kapellen im oberhessischen Raum - basierend
auf Bernhard Voglers Vorschlägen - umgearbeitete - zum Teil auch völlig neu-
konzipierte Altarräume.
Kirchenraumgestaltungen
Bernhard Vogler Beispiele für Kirchenraumgestaltungen (1973 bis 1990)
Abb. oben: Altarraumgestaltung Rüsselsheim-Königstätten mit großem
hängendem Keramik-Kruzifix 1975-77
unten links: 7 m hohe Kreuzstele in St. Peter, Offenbach, Keramik 1981
unten rechts: Detailgestaltung Bronze-Reliefs am Tabernakel Bad Nauheim 1979
Szenarische Schnitzwerke
Zwischen seinen Aufträgen zur Um- und Ausgestaltung katholischer Pfarr-
kirchen und Kapellen arbeitet Bernhard Vogler auch wieder an freien Arbeiten
als Holzschnitzer. Seine Schnitztechnik ist inzwischen komplexer geworden.
Die vorherigen solitären Holzstatuetten (s.o) werden nun zu dreidimensionalen
Szenarien sowohl mit profanen als auch religiösen Themenstellungen zusam-
mengebunden. Das Baummotiv (Baum der Erkenntnis; Apfelbaum im Garten
Eden, Baum der Ruhe, Wurzelbaum, Totenbaum etc.) tritt nun immer häufi-
ger in Voglers Oeuvre auf und bietet dem Künstler Gelegenheit, seine Figuren
überaus kunstvoll miteinander zu verschlingen und in Beziehung zu setzen.
Bernhard Vogler bei der Arbeit: Im Schnitzbock eingespanntes
Werk "Baum der Erkenntnis", Eichenholz ca. 65 cm
1984 Für die 1095 gegründete Benediktinerabtei Neresheim, deren hochbarocke
Kirche von Baltasar Neumann stammt, schnitzt Bernhard Vogler eine fast
einen Meter hohe Wandskulptur aus Eichenholz, die sicherlich zu den heute
berühmtesten und anerkanntesten Meisterwerken zeitgenössischer Schnitz-
kunst gehört: "Wurzel Jesse". Die dreidimensional mit komplexen Hinter-
schneidungen aus einem Stück gefertigte Skulptur "beherrscht" die kom-
plette Wand des Andachtsraumes der Abtei. Aus der Seite des Ahnherrn
"Jesse" wächst ein Lebensbaum, dessen Stamm vom gekreuzigten Jesus
verdeckt wird. Unter seinen ausgebreiteten Armen ist (links) der Sündenfall
(Adam und Eva im Paradies) und auf der rechten Seite die Verkündigungs-
szene (Maria mit dem Engel) dargestellt. Neben und über dem Christuskopf
nisten Friedenstauben im Geäst des Lebensbaumes, Symbol für die Stämme
Israels oder für die sieben "Heiligen Gaben" des Christentums. Wie der Abt
der Benediktinerabtei - Norbert Stoffels - in einer Festschrift schreibt, ent-
wickelte Bernhard Vogler das Motiv ohne jede Vorgabe, ganz aus sich und
seinem reichen theologischen Wissen heraus. Ein in jeder Hinsicht originäres
Werk!
Bernhard Vogler: "Wurzel Jesse", Abtei Neresheim (1984)
1992 Im Alter von 62 Jahren beginnt Bernhard Voglers intensive Zusammenarbeit
mit den Restaurierungswerkstätten der Benediktinerinnen-Abtei im Kloster
Engelthal. Insbesondere die Möglichkeiten zur Herstellung und Bearbeitung
größerer Keramikteile als in seinem Düdelsheimer Atelier reizen den Künstler.
Im Gegenzug vermittelt der stets zurückhaltend und sehr bescheiden auf-
tretende Künstler sein über Jahre angesammeltes Restaurierungs-Knowhow
insbesondere im Architektur- und Baukeramik-Bereich an die kirchlich getra-
gene Institution, die als Zentrum für individuelle Nachmodellierung von
kirchenarchitektonischen Bauteilen (Formsteine, Formdekore, Wasserspeier,
(Weih-)Wasserbecken, Rinnsteine und Brunnenelemente) gilt.
2004 Nach und nach läßt die individuelle Sehkraft des Künstlers nach. Die unauf-
haltsame schleichende Erblindung läßt viele Dinge deutlich schwieriger
werden, die vorher für Bernhard Vogler einfach integral zu seiner Arbeit
dazu gehörten - wie beispielsweise das stille Erfassen einer "Raumstimmung",
die zur Anpassung, Ausgestaltung oder Neukonzeption von kirchlichen Ge-
bets-, Andachts- und Altarräumen elementar wichtig ist. Künstlerisch bleibt er
aber unverändert aktiv.
2010 Aus Anlaß seines 80. Geburtstages organisiert die Stadt Aschaffenburg eine
große Retrospektive mit Bernhard Voglers Werken und stellt dafür das
Schloßmuseum Johannesburg in Aschaffenburg zur Verfügung. Der Künstler
fühlt sich geehrt, lächelt und gibt - durchaus hintergründig - den Kommentar
zu Protokoll: "Einen echten Vogler - wie heute hier - bekomme ich nur noch
ganz selten zu Gesicht".
2013 Nach über 50-jähriger aktiven Zusammenarbeit gibt Bernhard Vogler sein
langjähriges Domizil in der Düdelsheimer Künstlerkolonie auf und zieht mit
seiner Frau Marga zurück in seine Geburtsstadt Aschaffenburg in ein
Seniorenwohnheim. Er selbst - wie auch seine Frau Marga - sind beide
pflegebedürftig. Der Künstler- inzwischen fast vollständig erblindet- kann sich
ohne fermde Hilfe kaum noch irgendwohin bewegen. Freunde und Bewunderer
seiner Kunst haben ein regelmäßiges Treffen als Künstlerstammtisch im
Cafè Hench in der Sandgasse in Aschaffenburg in's Leben gerufen. Hier ist
Bernhard Vogler regelmäßig mittwochs anzutreffen. Frisch im Geist erzählt er
von seinen künstlerischen Erlebnissen und den Hintergründen jeder einzel-
nen Plakette seiner privaten Keramikedition.
2016 Beispielsweise sucht er zur Zeit noch nach einer passenden Bibelstelle zur
Untermalung des aktuellen Jahresthemas 2016 - die sogenannte "Flüchtlings-
krise". Ihm stehen bereits einige geeignete Textstellen "vor Augen", aus
denen er seinen visuellen Kommentar zur Situation ableiten kann.
Entschieden hat er sich noch nicht. Er arbeitet dran!
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