Expertiseobjekt Alfons Mucha
Ausführliches Künstlerprofil Alfons Mucha (bitte anklicken)
Eigenhändiger Mucha-Entwurf für COCORICO (Expertiseobjekt)
Hintergrund
Alfons Muchas gezeichnete Sujets wurden über Avantgarde-Zeitschriften
wie dem Pariser „Cocorico“ Szenemagazin veröffentlicht.
COCORICO Ersterscheinung Dezember 1898
monatliche Erscheinungsweise + Sonderausgaben
Herausgeber: Paul Emile Boutigny
Preis: 15/30 Centines /Ausgabe
insgesamt erschienen 63 Ausgaben
Alfons Mucha war mit dem Herausgeber des Blattes, Paul Emile
Boutingny als Künstlerkollege persönlich bekannt und befreundet.
Auf Boutingnys Bitte hin gestaltete er die beiden ersten Covertitel
des Cocorico und positionierte das durchaus satirisch angelegte
Magazin damit in den Bereich des Jugendstils, respektive des "Art
Nouveau". Später entwarf Mucha auch noch weitere Covertitel für
seinen Freund. Das Editorialsignet, das in allen regulären Ausgaben
stets auf dem Kopf des Innentitels (oder des Abspanns) gedruckt
wurde, stammt ebenfalls aus Muchas Hand.
Abb. links oben: Abb. rechts oben:
COCORICO-Cover COCORICO-Editorial-Seite
Ausgabe Nr 1 Ausgabe Nr 1
Abb. links unten: Abb, rechts unten:
COCORICO-Cover COCORICO-Editorial Seite
Ausgabe Nr 2 Ausgabe Nr 2
Zur Arbeitsweise von Alfons Mucha
Mucha war ein begnadeter, virtuoser Zeichner, der geradezu akri-
bisch jedes seiner Druckwerke vorbereitete. Häufig dienten ihm
Photographien, die er in seinem Studio mit eigenem Equipement
aufnahm, als Studienvorlage für seine Frauengestalten.
Er zeichnete in der Regel seine Motive mit Bleistift, Farbstift oder
mit Pastellstiften in einem übersichtlichen Format auf Zeichenpapier
oder leinenkaschiertem Karton vor, bis er mit allen Details der Kom-
position – insbesondere mit dem Faltenwurf der Gewänder, den
Haaren und dem Kopfschmuck - zufrieden war.
Von fast allen Bildern existieren daher mehrere zeichnerische
Skizzen, Vorentwürfe und Varianten.
In Einzelfällen führte er zu Studienzwecken sogar farbige Vorent-
würfe in Aquarellfarben oder mit Buntstiften aus.
Abbildungen links: Abbildungen rechts:
gedruckte Cover der farbige angelegte
Cocorico-Hefte 1 und 2 Vorentwürfe des Motivs
Die Farbstudien dienten Mucha dazu, beispielsweise den späteren Schattenverlauf in Haaren und Gewändern exakt festlegen zu können (auch dann, wenn später keine farbige Druckversion vor-
gesehen war). War er mit einem Entwurf zufrieden, vergrößerte er seine gezeichnete Vorlage in die wahre Größe auf transparentem Pauspapier. Die Strichzeichnung auf dem Pauspapier übertrug er dann per Durchreiben auf den Lithostein. Von der Lithovorlage ließ er sich in der Regel mehrere einfarbige Abzüge machen. Die ein-
farbigen Abzüge kolorierte er dann per Hand, bis er mit einer der Varianten restlos zufrieden war.
Erst dann wurden von der Druckerei nach seinem handkoloriertem Original die Vorlagen für die drucktechnischen Farbauszüge, die Korrekturbögen und schließlich die endgültigen Drucke auf Papier,
feinem Leinen oder Seide erstellt.
Letztendlich ist also bei diesem Arbeitsablauf ein hand-
kolorierter, einfarbiger Andruck vom Lithostein das eigentliche Druckoriginal.
Um das finale Druckoriginal zu kennzeichnen, signierte Mucha es
in aller Regel rückseitig und gab es damit auch für den Druck frei.
(Die frontseitige Signatur (im Stein) ist in aller Regel bereits in
dem einfarbigen Erstabzug vorhanden und somit kein Beleg dafür,
dass das jeweils (nur) vorderseitig signierte Blatt das eigentliche
Druckoriginal ist).
Anmerkung:
Ein ähnliches System von Pauszeichnungen wendete Mucha
später auch bei den Entwürfen seiner Monumentalgemälde an.
Bildanalyse / Bilddetails
In Muchas Unterlagen ist eine
kleine Vorskizze - wohl auf
Transparentpapier gezeichnet-
erhalten geblieben, in der er
offensichtlich die Positionierung
der vorgebeut sitzenden weib-
lichen Figur mit einem Hahn auf
ihrer Schulter noch ohne die
Einbettung in den ebenfalls von
ihm entworfenen Schriftzug
COCORICO erprobt. Die wesent-
lichsten Linienzüge überträgt er
auf Pauspapier, mit dessen Hilfe
er mehrere Vorlagen für detailreichere Vorentwürfe auf leinenkaschiertem Karton anfertigt. Einer dieser Entwürfe - allerdings noch nicht der entgültige Entwurf - wurde später gesondert gerahmt und liegt dieser Expertise zugrunde (siehe Abblildung oben). Es handelt sich - wie gesagt - um einen Vorentwurf für die spätere Druckvorlage. Deutlich sind an einigen Stellen noch die ursprünglichen Paus-Linien (rote Pfeile) zu erkennen, die mit einem Tuschestift per Hand nachgezogen sind. Auch die von Alfons Mucha gerne testweise angewandte Technik einer Vorkolorierung - hier mit Farbstiften - ist deutlich zu sehen (gelbe Pfeile) - selbst wenn die spätere Druckvorlage nur in Schwarz-Weiß ausgeführt wird.
In der Gegenüberstellung des Druckvorentwurfes (oben) und der später endgültig benutzten Schwarz-Weiß-Druckvorlage (unten) erkennt man den weiteren De-
tailierungsgrad im Gefieder des Hahns, im Faltenwurf der Bekleidung der jungen
Frau sowie in den "Assessoires". Während die linke Hand der Frau im Druckvorentwurf noch leer ist, hält sie in der entgültigen Druckvorlage einen Stock in ihrer linken Hand, an dessen Ende Alfons Mucha einen Narrenkopf als (versteckte) Anspielung auf den satirischen Charakter der Zeitschrift gezeichnet hat.
Die Druckvorlage ist im Druckstock unten
links mit Muchas (seriell mitgedrucktem)
Signet versehen, der Druckvorentwurf
dagegen trägt - etwas höher und größer -
Muchas individuellen Original-Schriftzug.
Mucha hat sein Namenssignet mit einem
Tuschestift ausgeführt. Deutlich ist der
nach oben begenzende Querstrich auf
dem "h" zu erkennen, der typisch für
Muchas Schriftzug ist.
Auf der Rückseite des Druckvorentwurfes
ist in Alfons Muchas Handschrift zu lesen:
"Design for frontispiece of Cocorico"
(Entwurf des Titelbildes von Cocorico).
Der englisch gehaltene Titel ist wohl da-
durch zu erklären, dass Alfons Mucha von
1904 bis 1906 in Amerika gelebt hat und
wahrscheinlich erst kurz nach seiner Rück-
kehr dieses Werk zur Rahmung gegeben
hat.
Expertise-Ergebnis
Zeifelsfrei handelt es sich bei dem Druckvorentwurf für die Editorialseite der Pariser Zeitschrift COCORICO um ein Originalwerk aus der Hand von Alfons Mucha.
Dies wird auch durch den Aufkleber und die handschriftliche Unterschrift von Jules Feral auf der Rahmenrückseite belegt. Jules Feral vermerkt unter seiner Unterschrift das Jahr 1910. Jules Feral (1874-1944) war zum damaligen Zeitpunkt eine bekannte Persönlichkeit in den Künstlerkreisen von Paris. Er arbeitete unter anderem als Gemäldespezialist und Taxator für die angesehene Galerie Charpentier in Paris, aus der später die Pariser Dependance von Sotheby's hervorging. Möglicherweise stammt die Rahmung aus seinem 1910 in der Rue Saint-Georges 7 unterhaltenem Geschäft.
Auszug der Editorialseiten aus den ersten 57 Cocorico-Monatsmagazinen, die mit
dem von Alfons Mucha gestalteten Namensschrifzug versehen sind. Insgesamt erschienen 6 zusätzliche Sonderhefte, die jeweils zu Jahresende sowie zu Jubi-
läumsterminen herausgegeben wurden. Nach der 57. Ausgabe wurde das
Cocorico-Magazin eingestellt.
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