G7 Porzellan-Sammlung
Zur Herstellung von Porzellanobjekten
Im September 1983 veröffentlichte die renommierte deutsche Kunstzeitschrift art
unter dem Titel "Formgefühl im Feuer gehärtet" einen lesenswerten Artikel zum künstlerischen Umgang mit dem Werkstoff Porzellan. Eine Zusammenfassung daraus soll an dieser Stelle die "Historie" und den Gestehungsprozess von zeitgemäßer künstlerischer Plastik aus dem Werkstoff Porzellan anhand eines Beispiels - hier eines Wandobjektes von Günter Ferdinand Ris (1928-2005) - erläutern. Das Wandobjekt wurde 1983 als Rosenthal-Jahresobjekt in einer limitierten Auflage von 500 Stück hergestellt und innerhalb der Reihe studio-line auf Vorbestellung über
die Rosenthal-Studios an Interessenten verkauft. Eines der Exemplare (415/500) befindet sich in meiner Skulpturensammlung (Sammlungsnummer G6.3 200-019)
Sammlungsnr: G6.3 200-019
Titel: ohne Titel (Wandrelief)
Künstler: Günter Ferdinand Ris
(1928 -2005)
Ausführung: Dreiteiliges Porzellanrelief,
weiß, in Teilen hartglasiert
und auf einer schwarz lackier-
ten gestuften Vollholzplatte
montiert.
Abmaße: Relief: ca. 30 x 30 cm
Holzmontur: 42 x 42 cm
Rahmen: 60 x 60 x 12 cm il luce-Objektrahmen, Plexiglas
Edition: Rosenthal Jahresobjekt 1983,
Herkunft: Auktionsangebot, erworben
2024 aus einem Nachlass
Auflage: limitiertes Exemplar 415/500
Artikelzusammenfassung: "Formgefühl in Feuer gehärtet"
Unmittelbar nach dem zweiten Weltkrieg kam Porzellan als Werkstoff für ernstzuneh-mende Kunstwerke ziemlich in Verruf. Kitsch- und Nippesware, darunter viele anmutige nackte weiße Mädchen oder Jünglinge, aber auch springende Pferde, Rehe, Hirsche, Hunde und Katzen sowie eine Unmenge von Devotionalien, wie Marien-statuetten, Heiligenportraits und die berühmten betenden Hände (von Dürer) wurden
in Mengen produziert und zur Dekoration der heimischen Wohn- und Schlafzimmer verkauft. Zudem prägten Nachahmungen fürstlicher Tafelaufsätze und Ess-Service,
die früher in den berühmten Porzellanmanufakturen in Meissen und bei KPM in Berlin
entworfen, gefertigt und manuell aurwändig bemalt wurden, das Bild der Zeit. Auch Puten und Weihnachtsengel - inzwischen per "Abziehbildchen" (statt per Handmalerei) dekoriert, sorgten dafür, dass dem Werkstoff Porzellan der Ruch des Niedlichen und
damit auch Kitschigen anhaftete. Kaum einer der angesehenen modernen Bildhauer des 20. Jahrhunderts war gewillt, sich ernsthaft mit dem Gestaltungsmaterial Porzellan auseinanderzusetzen. Mit Porzellan lässt sich - so die allgemeine Meinung damals - keine Kunst - im besten Fall höchstens so etwas wie Kunsthandwerk gestalten!
Das änderte sich Mitte der 60er Jahre, als Arnold Bode (1900 -1977) - seines Zeichens Initiator und erster Leiter der documenta in Kassel - die Idee des "Multiple" aus der Dada-Bewegung aufnahm und für bildende Künstler und Bildhauer ein Anrecht auf größere Auflagen, Verbreitung und Präsenz ihrer Kunstwerke in der Öffentlichkeit postulierte. Damit schlossen sich Holz, Stein oder Bronze - schon wegen der aufwändigeren Reproduzierbarkeit und der damit verbundenen Kosten -als skulptural-plastisches Künstlermaterial aus. Arnold Bode legte den "Großen der Zeit" erstmals Porzellan als modernes, zeitgemäßes "Auflagen"-Material nahe und begeisterte den Porzellanunternehmer Philip Rosenthal, der künstlerischen Skulptur zu einer Renaissance zu verhelfen. Philip Rosenthal nahm die Anregung Bodes eloquent auf, trat auf Empfehlung von Museumsleitern, Galeristen und Ausstellungs-
kuratoren in Kontakt mit einigen der international bedeutendsten zeitgenössischen Künstlern und bot ihnen objektbezogene Arbeitsverträge, Mitarbeiterunterstützung und teilweise sogar Atelierkapazitäten vor Ort in seiner Porzellanfabrik in Selb an.
Einzige Bedingung: Die Porzellanobjekte sollten in seinem Haus produziert und über
die zu diesem Zweck eigens eingerichteten Rosenthal-Studiohäuser auf dem Markt
angeboten werden. Rosenthal setzte sich damit marketingtechnisch von seinen Konkurrenten im hart umkämpften deutschen Porzellanmarkt als Premiummarke ab.
Viktor Vasarely, Henry Moor, Roy Lichtenstein, Tom Wesselmann, Lucio Fontana, Marcello Morandini, Joannis Avramidis, Ernst Fuchs, Friedensreich Hundertwasser, Günther Uecker, HAP Grieshaber, Herbert Hajek, Erich Hauser, Herbert Bayer und - last but not least - Günter Ferdinad Ris nahmen (bis 1983) das Angebot an. Die realisierten Entwürfe waren streng limitiert, von den Künstlern signiert und per entsprechender Firmenurkunde zertifiziert. In der Regel betrug die Auflage zwischen 100 bis 150 Exemplare. In Abhängigkeit von der Größe und der Komplexität der Vorlagen sowie der Höhe der reservierten Kundenvorbestellungen in den Rosenthal-Studiohäusern variierten allerdings später die einmalig produzierten Kunstobjekte zwischen 6 und 500 Exemplaren. Die Preise für die vorbestellbaren Porzellan-Kreationen lagen 1983 zwischen 1.500 und 25.000 Mark.
Der Produktionsprozess in Bildern
(am Beispiel des Rosenthal-Jahresobjektes 1983 von Günter Ferdinand Ris)
Abb. links: Von den 3 Einzelteilen der Künstler-Orginalvorlage wird jeweils eine Posi-
tivform (= Unterteil) gegossen. Hier sieht man das Mittelteil der Original-
vorlage auf der Positivform liegend. Dieses wird gerade mit einem Trenn-
mittel bestrichen, damit sich später die Negativform leichter lösen läßt.
Abb. rechts: Um die Negativform (Oberteil) produzieren zu können, wird ein Gips-
kasten aus Holz rund um das Unterteil gebaut.
Abb. links: Der Holzkasten wird mit Gips aufgefüllt. Nach etwa einer halben Stunde ist
der Gips trocken
Abb. rechts: Der Holzkasten wird entfernt, der verbleibende Gipsklotz, hier mit dem
oberen Teil der Mutterform wird sauber nachgearbeitet.
Abb. links: Die obere Mutterform wird von der Vorlage gelöst. Eine Noppenreihe rechts
und links gewährleistet, dass Ober- und Unterteil der Mutterform exakt
aufeinander passen.
Abb. rechts: Zusammenfügung der Mutterform. Der Zwischenraum zwischen Ober- und
Unterteil entspricht exakt der Modellvorlage (hier Mittelteil des späteren
Reliefs).
Abb. links: Um Blasen und Schlieren zu vermeiden, wird die flüssige Porzellan-Grund-
masse (= Schlicker) langsam und gleichmäßig in die Mutterform eingefüllt.
Abb. rechts: Nach dem Anhärten (ca. 10 min) wird der überflüssige Schlicker entfernt.
Die Mutterform kann (ohne Verschleiß) bis zu 100 mal wiederverwendet
werden.
Abb. links: Die Mutterform wird geöffnet und das abgegossene Teil (= Scherbe) - hier
im Bild ein weiteres der drei Teile der Originalvorlage - freigelegt. Im
angehärteten Zustand ist das abgegossene Teil (Scherbe) noch weich und
nicht formstabil. Es wird daher auf einer "Bomsen"-genannten Negativform
abgelegt.
Abb.rechts: Scherben und Bomsen kommen zusammen in den Brennofen, wo die
Scherben bei ca. 1000 Grad Celsius erstmalig gebrannt werden (Glüh-
brand).
Abb. links: Die Teiloberflächen, die später nicht glasiert werden sollen, werden mit
einer roter Abdeckfarbe bestrichen.
Abb.rechts: Das präparierte Rohteil wird kurz in ein Glasurbad getaucht. Bei einem an-
schließenden Zweitbrand härtet die glasierte Oberfläche aus und erthält
ein glänzendes Aussehen.
Die vorher aufgetragene Abdeckfarbe wird wieder abgetragen. Alle abge-
deckten Teile der Porzellanform bleiben unglasiert und somit offenporig.
Im Kontrast zur Glasur wirken diese Oberflächen rauh und eher stumpf
(Bisquitporzellan).
Abb. links: Ein vollbeladener Brennwagen wird in den Ofen zum Zweitbrand (Glattbrand)
geschoben. Beim Glattbrand schrumpft das Porzellan allseitig um rund 15
Prozent.
Abb.rechts: Der Zweitbrand im Ofen dauert ca. 16 Stunden bei einer Höchsttemperatur
von rund 1400 Grad Celsius. Um die Formstabilität zu wahren und
Spannungsrisse zu vermeiden, muss das Porzellangut anschließend lang-
sam abkühlen. Dieser Vorgang kann teilweise mehrere Tage dauern.
Abb. links: Aus den drei Einzelteilen wird das Porzellanrelief nach der Vorgabe des
Künstlers zusammenmontiert.
Abb.rechts: In einer seitlichen Ansicht läßt sich die stilistische Ähnlichkeit des Porzellan-
reliefs mit den Lichtwänden und Lichtfeldern erkennen, die der Künstler
Günter Ferdinand Ris in den 70er und 80er Jahren als Metallplastiken in
architektonisch großem Maßstab im Rahmen seiner "Kunst am Bau"-
Aktivitäten realisierte.
In eigener Sache:
Im November 2015 hatte das Kapitel "G7 Porzellan-Sammlung" die darstellbare Kapazitätsgrenze erreicht. Somit blieb nichts anderes übrig, als mit relativ großem
redaktionellen Aufwand neue Unterkapitel einzurichten. Leider ist es - wohl aus
datenbank-organisatorischen Gründen - nicht möglich, die Inhalte aus Hauptkapiteln "einfach so" in Unterkapitel zu übertragen.
Zukünfig wird das Kapitel "G7 Porzellan-Sammlung" zunächst folgende Unterkapitel
umfassen:
G 7.1 Geschirre und Tafelobjekte
G.7.3 Porzellanvasen und Figuren
G 7.4.1 Kaiser Historie/Marken
G 7.6.1 Lindner Historie/Marken
G7.9.1 Edelstein Historie/Marken
G.7.10 Exklusivsammlung Künstlerunikate Manfred Frey
G 7.11 Nierentisch-Design s/w (firmenübergreifend)
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