Joseph Schnorrenberg - Künstlerischer Werdegang
Autor: Michael E. Hümmer (Status: 12.08.2017)
"Ein Künstler ist nur dann ein exemplarischer Mensch, wenn man an seinen Werken erkennen kann, wie das Leben verläuft. Er muss durch drei, vier, zeitweise qualvolle Verwandlungen gehen." (Peter Handke, 2007)
Kindheit und Jugend
Joseph Schnorrenberg - von seinen Freunden „Hans“ oder „Schnorri“ genannt - wurde am 16.11.1951 als ältester von drei Söhnen des Ehepaares Heinrich und Inge Schnorrenberg (1932-2017), in der Bonner Ellerstraße 64 geboren. Die Schnorrenbergs sind nach eigenem Bekunden - eine „Urbonner Familie“ und stammen aus einer seit 1550 im Rheinland nachweisbaren Familie. Joseph Schnorrenbergs Vater Heinrich (1929-2014) war bis zu seiner Pensionierung als technischer Angestellter und Personalrat im Bundesinnenministerium (BMI) in der Rheindorfer Straße tätig.
Joseph verbrachte seine Kindheit in der Ellerstraße, welche die Verbindung zwischen dem damaligen „Ellerbahnhof“ und dem alten „Erzeuger-Großmarkt“ darstellte. Der Erzeuger-Großmarkt galt insbesondere in den 50er und 60er Jahren als zentraler Umschlagplatz für Obst und Gemüse aus dem Großraum Bonn und wurde sowohl über die „Vorgebirgsbahn“ als auch über die „Rheinuferbahn“, die beide am Ellerbahnhof hielten, durchgängig an allen Wochentagen beliefert.
Mit 6 Jahren wurde Joseph in die katholische Karlschule in der Bonner Nordstadt eingeschult.
Ende der 50er Jahre zog die Familie in das Haus von "Tante Gretchen" nach Bonn-Lengsdorf und später von dort wegen der größeren Nähe zum Bundesinnenministerium in die Herseler Straße nach Bonn-Rheindorf. Joseph besuchte im Weiteren die Gottfried-Kinkel-Realschule, die sich vormals noch in der Nähe des Rheinufers in der Bonner Innenstadt (die damalige Hundsgasse) befand. Im Fach „Kunst und Werken“ erhielt Joseph Schnorrenberg „bei Lehrer Frisch“ – nach eigenem Bekunden- „eine glatte Fünf !“ Das führte der Leidgeprüfte seinerseits „auf für mich persönlich recht uninteressante künstlerische Herausforderungen“ zurück.
Er begann, während des Unterrichts „Saurier-Rennen“ zu malen, in dem er eine Unzahl kleiner, vierbeiniger Figuren hintereinander auf schmale Papierstreifen zeichnete, diese aufrollte und „unter der Bank immer wieder wie einen Film abspielte“.
Er hatte somit seine ureigenste Form von Comics geschaffen und schnell festgestellt, dass diese bei seinen Schulfreunden und Mitschülern „reißenden Absatz“ fanden. Bei Deutsch-lehrer Karl Berger durfte er fortan anfallende Strafarbeiten in Form von kleinen Zeichnungen abliefern.
links: Auf dem Weg zum Rosenmontagszug 65 rechts:Joseph mit Schulfreund
Joseph, Mutter Inge, Brüder Dieter und Horst Hentschel (links) und
Norbert (im Kinderwagen) Bruder Dieter (unten), 1968
Nach der Realschule sollte Joseph im Sinne der Familie „etwas Handfestes lernen“ und die Laufbahn eines Kaufmanns einschlagen. Er wechselte auf die Höhere Handelsschule Bonn, stellte aber schon bald fest, dass ihm Zahlen „doch nicht so sehr liegen“ und seine Saurier-Comics - wie überhaupt das Zeichnen - einen „ungleich höheren Attraktivitätsgrad“ für ihn hatten. Nach einem kurzen Intermezzo in der Bonner Kommune 1 absolvierte er an den Kölner Werkschulen eine mehrtägige Aufnahmeprüfung und schreibt sich zum Wintersemester 1970 bei den Kölner Werkschulen für das Studium der freien Kunst ein.
Das Studium an den Kölner Werkschulen begann für alle Studenten obligatorisch mit der Grundausbildung, die neben der zeichnerischen Befähigung (Naturstudien, Portrait- und Aktzeichnen) die Kompositionslehre (Darstellungstechnik, Motivaufbau, Motivteilung und Symmetrien) sowie die Farblehre umfasste. Schon im Grundstudium legte man großen Wert auf eine solide handwerkliche Ausbildung, die je nach Fachrichtung das grundlegende gestalterische Know-how sowohl in der Theorie als auch in der fachpraktischen Anwendung in den einzelnen Werkstätten der Kölner Werkschulen vermittelte (u.a. Holz-, Stein-, Metall-, Keramik-, Textil-, Kunststoff-, Foto- und Druckwerkstatt).
Der Schwerpunkt der Fachrichtung „Freie Kunst“, die Joseph Schnorrenberg gewählt hatte, lag im bildnerisch-kreativen Bereich. In der „Malerwerkstatt“ (Malsaal) wurden die Grundlagen der Malerei, in den Werkstätten nebenan grafische Darstellungstechniken gelehrt und „eingeübt“. Joseph Schnorrenbergs Grundausbildung „besorgten“ die Professoren Schaffmeister, Koller, Will und Kohlscheen-Richter.
An das Grundstudium schloss sich das eigentliche Fachstudium an. Dieses zielte darauf ab, in den Studenten durch Anleitung zur eigenständigen Arbeit eine „künstlerische Prägung und ein Eigenprofil“ heranreifen zu lassen, „damit Designstudenten zu Designern und Kunststudenten zu Künstlern“ werden.
Künstlerische Prägung
Nun ist die „künstlerische Prägung“, die im Falle von Joseph Schnorrenberg durch die Professoren Karl Marx, Provoslav Sovak, Daniel Spoerri und den Kunsthistoriker Paul Bender erfolgte, eine durchaus zweischneidige Sache: Vielfach dominiert der Meister seinen Schüler, bis dieser ein anerkannter „Meisterschüler“ (und damit in Stil und Duktus ein „Epigone") ist, oder aber, der in der Formenwelt seines Lehrers heranwachsende Künstler rebelliert und positioniert sich, antithetisch, gegen seinen Meister.
1969 war mit „Woodstock“ der Höhepunkt der weltweiten Hippie-Bewegung bereits gelaufen. Auch die Pop-Art mit den „Altmeistern“ Jasper Johns und Robert Rauschenberg hatte Anfang der 70er Jahre zusammen mit den jüngeren amerikanischen Pop-Art Künstlern Andy Warhol und Roy Lichtenstein sowie den englischen Pop-Art Kollegen David Hockney und Allen Jones bereits ihre „ultimative künstlerische Ausformung“ erreicht und teilweise sogar überschritten.
Francis Bacon zählte mit seiner im wahrsten Sinne des Wortes „ungewöhnlich eigenartigen“, blutig-zerrissen anmutenden, figuralen Malerei zu den führenden avangardistischen Malern, war aber - immerhin Jahrgang 1909 – auch bereits 62 Jahre alt, als er 1971 an die erste Stelle der Rangliste der weltweit bedeutendsten lebenden Künstler seiner Zeit rückte. Sicherlich war sein expressiver Malstil für die Generation der "Neuen Wilden" richtungsweisend. Doch Joseph hatte als angehender freier Künstler anderes im Sinn.
Im benachbarten Düsseldorf machte Joseph Beuys Schlagzeilen, in dem er – damals Lehrstuhlinhaber für Monumentalplastik an der Kunstakademie Düsseldorf - kurzerhand alle Kunst zur „sozialen Plastik“ erklärte und als ausgewiesener „Monumentalplastiker“ ein für damalige Verhältnisse völlig neues Gedankengut in die Kunstszene einbrachte:
„Kunst hat nichts Elitäres, ist ohne Unterschied für alle Menschen relevant. Kunst kennt keine bestimmte Form und muss weder schön noch ästhetisch sein.
Kunst ist im Kern die Essenz eines sozialen Zusammenlebens und somit pures Konzept! Alles kann demnach Kunst sein und folgerichtig kann jeder Mensch auch ein Künstler sein.“
Studienzeit
Die frühen 70er Jahre hatten es - im wahrsten Sinne des Wortes - in sich. Allerorts rumorte es unter den Kunststudenten. Mag es die Unzufriedenheit mit den verkrusteten Ausbildungs- und Studieninhalten, mag es der Unmut über die sozialen, innen- und außenpolitischen Unterdrückungsstrukturen (Vietnamkrieg, Notstandsgesetze, Springer-Presse) oder die Ablehnung der reaktionär-autokratischen Meinungsmonopole von Staatsrepräsentanten, Politikern und Professoren gewesen sein („Unter den Talaren, Muff von tausend Jahren“) – überall brodelte der studentische Widerstand. Die „68-er Revolte“ hatte sicherlich sehr unterschiedliche Ausprägungen. Neben der APO (außerparlamentarische Opposition) formierte sich die hedonistische Linke, die freie „Gegenentwürfe“ zu den „von Sitte und Moral“ geprägten Lebenseinstellungen erprobten. In studentischen Wohngemeinschaften und Kommunen wurden fast ohne Beschränkung sogenannte Go-Ins, Sit-Ins, Teach-Ins, Sleep-Ins und Love-Ins veranstaltet. „Wer zweimal mit derselben pennt, gehört schon zum Establishment!“ Solche Parolen kamen bei den ohnehin auf ihre künstlerischen Freiheiten fokussierten Kunststudenten – auch wenn sie sich im Einzelnen vielleicht nicht alle ganz so freizügig gaben, doch gut an. Aber eine gewisse flapsig-antiautoritäre Freizügigkeit, demonstrativ laute „Urwald-Musik“ (Beat, Soul etc.), schulterlange Haare, Flower-Power, „Pop-UPs“ und andere Rauschmittel gehörten zum betont individualistisch geprägten Bild eines Teils der heranwachsenden neuen Künstlergeneration („In-Generation“).
Natürlich stieß Joseph Beuys mit einer solch „populistischen“ Kunstdefinition auf erheblichen Widerstand. Er provozierte mit seinen konsequent durchgezogenen „Kunst-Aktionen“ das kunstsinnige Establishment, forderte Empörung und Ablehnung geradezu heraus. Beuys hielt sich konsequent an seine Maxime: „Alles ist Kunst und alle sind Künstler“ und nahm beispielsweise in seine Kurse ausnahmslos alle externen Bewerber und Bewerberinnen, die sich bei ihm einschrieben auf. Auch – und das provozierte natürlich besonders – solche Studenten und Studentinnen, die vorher im Rahmen der künstlerischen Eignungsprüfung als Bewerber/innen offiziell von der Kunstakademie Düsseldorf abgelehnt worden waren. Die von Beuys als „Kunst-Aktion“ deklarierte Konfrontation eskalierte alsbald, führte zu polizeilichen Räumungsaktionen und in der Folge zu entsprechenden Gegenaktionen der Studenten. „Es rumorte mächtig im Gebälk!“
Vor allem hatten die Beuys’chen Kunstaktionen eine immense Solidarisierung unter den Kunststudenten – insbesondere auch unter den Studenten der Kölner Werkschulen – zur Folge. Viele fuhren nach Düsseldorf und schrieben sich bei Beuys ein. Doch das neue, revolutionär erscheinende Gedankengut wollte auch inhaltlich verarbeitet und künstlerisch umgesetzt sein! Wie – so die Kernfrage unter den damaligen Künstlern – lässt sich die „Essenz eines sozialen Zusammenlebens“- wie lässt sich „Kunst als individuelles Lebenskonzept“, darstellen, transportieren und einem größeren Rezipientenkreis näherbringen? Wie kann man Raum- und Zeiterfahrungen in die bildende Kunst integrieren und sie als elementaren Teil einer „sozialen Plastik“ begreifbar machen? Sicherlich nicht – das wurde Joseph Schnorrenberg und seinem damaligen Freund und Studienkollegen Helmut Auer schnell klar - auf traditionellem Wege, in dem man „den Malerpinsel in die Hand nimmt und artig schöne Bilder malt.“ Die beiden beschritten schon während des Studiums in Anlehnung an die Beuys’chen Kunstaktionen erste, eigene Wege, in dem sie – sicherlich beeinflusst durch Beuys und ermutigt durch Daniel Spoerri – mit den klassischen Kunstbegriffen „aufräumten“ und ihre Form eines zeitgemäßen "Kunstwollens" zum Ausdruck brachten:
Statt mit dem Zeichenstift einen Vorentwurf zu skizzieren, galt es „Original-Vorlagen“ per Photokopierer, später per Scanner und/oder Polaroidkamera zu erfassen. "Der Kopierapparat wurde mein Zeichenstift" stellte Schnorrenberg fest. Ein paar Jahre später galt es dann „digitale Images“ der Originale in Form von Datenfiles mittels Softwarewerkzeugen zu manipulieren. An die Stelle der künstlerischen Bildkomposition rückte das elektronische Collagieren, das Freistellen und Verfremden von Bildschirm- und Screeninhalten. Der Einsatz von Filtern, Shapes und Füllungen tat ein Übriges, das jeweilige Endprodukt im Sinne einer wieder erkennbaren künstlerischen Handschrift zu individualisieren.
„Wer die elektronischen Werkzeuge beherrscht, hat damit das Instrumentarium in der Hand, das ursprüngliche Original soweit zu verändern, dass dessen „konzeptioneller Kern“ – das eigentliche künstlerische Artefakt - zum Vorschein kommt!“
Ganz offensichtlich wurde dies beim (Kunst-)Video, das als Medium zur damaligen Zeit immer größere Bedeutung erhielt und bevorzugt dazu eingesetzt wurde, Kunstaktionen und künstlerische Performances ad hoc aufzuzeichnen und in ihrer zeitlichen und räumlichen Abfolge zu dokumentieren. Fotos, Filme und Videos waren letztendlich die einzigen Relikte, die neben den „genutzten und verbrauchten Utensilien“ von einer Kunstaktion übrig blieben. „Kunst – so die neue Maxime - realisiert sich nicht im Endprodukt, einem schönen Bild oder einer schönen Plastik, sondern einzig und alleine im künstlerischen Entstehungsprozess!“ Eben dort, wo Kreativität, Idee und Formung als Handlungskonzept unmittelbar sichtbar werden.
Was von einer Kunstaktion übrig bleibt, sind höchstens „Spuren“ des eigentlichen Kunstprozesses. Der Prozess selber ist nicht reversibel und nachträglich für den Kunstinteressierten auch nicht mehr erfahrbar.
In logischer Konsequenz dieses Gedankengangs postulierten Joseph Schnorrenberg und Helmut Auer in ihrem gemeinsamen „Konzept Art- Manifest", „nie mehr einen Pinsel in die Hand zu nehmen“ sondern sich ganz „auf die Entwicklung und Umsetzung von künstlerischen Konzepten zur Raum- und Zeiterfahrung“ zu konzentrieren.
1972 wurden die Kölner Werkschulen per Erlass der NRW-Landesregierung in die Fachhochschule Köln integriert. Damit unterlag der neue Fachbereich „Kunst und Design“ derselben Prüfungsordnung wie alle anderen Disziplinen. Zwar hielt man (ausnahmsweise) ein 8-semestriges Studium - aufgeteilt in Grund- und Hauptstudium – bei Künstlern bei, doch wurden alle Semester- und Studienabschlüsse nunmehr einem Notensystem unterworfen und statt der Meisterschülerprüfung wurde nun ein Diplom-Abschluss für Künstler eingeführt. Für eine gewisse Übergangszeit erlaubte man den Kunststudenten in den höheren Semestern, ihre Studienleistungen weiterhin in Form von Semesterausstellungen und „öffentliche Sichtungen“ ihrer Arbeiten zu belegen, statt – wie im sonstigen Hochschulbetrieb üblich - Klausuren und Seminarreferate zu schreiben.
Joseph Schnorrenberg Studienzeit fiel genau in diese Übergangsphase, so dass er seine (Lern-)Leistungen weiterhin durch Semesterausstellungen nachweisen durfte.
1973 stellt er seine erste umfassende Werkreihe - „Hong Kong Suite“- aus.
Detailaufnahme links: Detailaufnahme rechts:
im Watt ausgelegte Aktionsstücke im Watt versenkte Aktionsstücke
(Dokumentation der Bestattungszeremonie: "Das Feuilleton wird dem Meer übergeben" aus der Kunstaktion West aan Zee, 1976)
Mit Beginn des Hauptstudiums erhielt Joseph Schnorrenberg – zusammen mit seinem Freund und Studienkollegen Helmut Auer – einen festen Atelierplatz in einem separaten Raum der Werkschule zugewiesen. Hier konnte er sich „häuslich“ einrichten, wozu außer Tisch, Stuhl und Staffelei auch Sofa, Radio, Plattenspieler und Lautsprecherboxen gehörten. Gleich nebenan versuchte Wolfgang Niedeggen - ebenfalls ein Studienkollege von Joseph – den „richtigen“ Sound – auf seiner Gitarre zu treffen und spielte dazu die Alben von Bob Dylan „in voller Lautstärke rauf und runter“. Überhaupt waren die damaligen „Jungkünstler“ schon ein recht eigenes Völkchen: Joseph Schnorrenberg erinnert sich: „Da waren die Herren Heinz Zolper und Theo Lambertin, die immer zu zweit auftraten. Der eine betrieb "wunderbare Bonbonmalerei“ (von der wohl auch Herr Niedeggen inspiriert war) der andere, Theo Lambertin, bezeichnete sich selbst gerne als „Sprücheklopfer“. Lambertin hängte damals eine Leinwand auf mit folgendem Spruch: "Es ist ein Brauch von alters her, wer malen kann, der malt nicht mehr!" Dann der "berühmte" HEPP, der seine Text-Leinwände neben das Atelier von Herrn Prof. Jäckel aufhing und sich über den "wunderbaren Duft der Zigarren des Herrn Jäckel" ausließ. HEPP war eine der tragischen Figuren meiner Studienzeit. Er erhängte sich an der Türklinke unseres Klassenateliers. Ich werde nie vergessen, wie einmal genau diese Tür sich öffnete und mehrere kleine Leinwandsäckchen mit der Aufschrift "HEPP" (sein Markenzeichen) in den Raum sprangen. Er hatte die Säckchen mit den Mechanismen von aufziehbaren Blechfröschen versehen. Ansonsten rahmte er selbstgezüchtete Pilzkulturen.
Auch der "informelle" Kollege Joachim Szymczak ist mir lebhaft in Erinnerung geblieben. Ich habe ein-, zweimal mit ihm zusammen ausgestellt."
Joseph Schnorrenbergs Diplomarbeit zum Abschluss seiner Studienzeit lautete:
„Der Einzelne und die Masse“. In dieser mehrteiligen Arbeit stellt er in konventioneller Mischtechnik unterschiedliche Aspekte der „Vereinzelung des Menschen“ in einer zunehmend inhomogenen Umwelt dar. Wesentlichen Anteil an der thematischen Auslegung der Arbeit hatte der marxistische Soziologe Leo Kofler sowie der Kunsthistoriker Paul Bender, deren Vorlesungen Joseph Schnorrenbergs Denken -nach eigenem Bekunden – „stark beeinflusst und geprägt“ haben. Die Diplomarbeit wurde künstlerisch von Frau Prof. Kohlscheen-Richter und den Professoren Karl Marx, und Pravoslav Sovak betreut und mit "sehr gut" ausgezeichnet. Der Kunsthistoriker Paul Bender schlägt Schnorrenberg als ersten Fachhochschulabsolventen für die "Studienstiftung des Deutschen Volkes" vor.
Joseph Schnorrenbergs Lehrer in Köln
Karl Marx
Kölner Maler, 1929 – 2008; Studium an den Kölner Werkschulen, dort von 1959 bis 1986 Dozent, Professor und Dekan des Fachbereiches: „Freie Kunst“; künstlerisch der Stilrichtung des deutschen Expressionismus sowie dem „Neo-Fauvismus“ zugerechnet, dem er eine eigene Prägung gab. „Vollblut-Lehrer“ und Wegbereiter vieler junger Maler u.a. für die Gruppe der „Neuen Wilden“ in Köln.
Pravoslav Sovak
Zeichner und Grafiker, geboren 1926 in Mysoke-Myto / Tschechien; Studium Kunst, Ästhetik und Philosophie an der Palacky Universität in Olomouc, beschäftigt sich zeitlebens mit medienrezeptiven Fragen. Sovak entwickelte die klassische Kaltnadelradierung weiter, vermischte sie mit komplexen Ätztechniken und Fotogravüre-Elementen und galt schon bald als „Meister einer zeichnerisch-poetischen Verwandlung von Wirklichkeit“. Pravoslav Sovak lebt und arbeitet in der Schweiz.
Spoerri, Daniel
alias Daniel Isaac Feinstein, Schweizer Künstler, geb. 1930 in Galati (Rumänien), bekannt für seine „Fallenbilder“ (Tableaux pièges). Hauptvertreter des „Nouveau Realisme“; in den 70er Jahren gemeinsame Fluxus-Kunstaktionen mit Joseph Beuys, Robert Filliou, Dieter Roth, Ben Vautier und Emmett Williams; kreierte u.a. die „Eat Art“ in Düsseldorf; lebt und arbeitet in Wien.
Erste Ausstellungen: Hasenbrote, Installationen & Kunstaktionen
Nach erfolgreichem Studienabschluss richten sich Joseph Schnorrenberg, Helmut Auer und Monika Lange-Borgböhmer ein gemeinsames Atelier in einer Doppelgarage in Bonn-Holzlar ein.
Joseph Schnorrenberg arbeitet an einer Reihe von relativ kleinformatigen, aus reprografischen Elementen (Zeitungstexten, Fotoausschnitten, Flächen-, Zahlen- und Buchstabenfragmenten) bestehenden Collagen, die er „Hasenbrote“ benennt. Mit „Hasenbrot“ wird im rheinischen Sprachgebrauch ein schon etwas älteres Butterbrot bezeichnet, das eigentlich als Pausenbrot dem Vater zur Arbeit mitgegeben wurde, von diesem aber nicht komplett gegessen sondern – weil offensichtlich von „Hasen angenagt“- wieder heimgebracht wird. „Hasenbrote“ sind bei nahezu allen Kindern - eben weil damit deren Phantasie angesprochen wird - sehr kostbar und wertvoll. Sie schmecken, obwohl schon etwas hart, besonders gut. Schnorrenbergs Collagen lösen beim Betrachter ein ähnliches Empfinden aus. Man hat offensichtlich ein etwas älteres, aus verschiedenen „Schnipseln“ zusammengesetztes Artefakt in Händen, das aber als kleines „Kunststück“ durchaus kostbar und wertvoll ist.
Die Reihe der „Hasenbrote“ wird anlässlich des Bonner Kunstmarktes erstmals ausgestellt. Helmuth Eichner (DER EICHNER) lädt Joseph Schnorrenberg zu einer gemeinsamen Ausstellung in der Bonner Galerie STUDIO 1 ein.
Rezension zur Ausstellung "Hasenbrote" in der Galerie Studio 1, Bonn
"Joseph Schnorrenberg benutzt in seinen einfallsreich kollagierten Arbeiten zum Teil auch Überreste aus älteren Versuchen oder kombiniert das objet trouve, etwa ein Pariser Straßenverzeichnis, mit Elementen aus Natur und Technik, mit Sandigem, Grasigem, qualifizierenden ordnenden Symbolen und Figuren, baut sie überraschend auf zu einer Art "Gedankenwürfel", einer Meditations-Kaaba, die den zagen Annäherungsversuch des Betrachters auf einen behutsam nachsinnigen Weg des Denkens schickt. Noten- und Partiturenbilder, beispielsweise im vorigen Jahrhundert bei Schott in Mainz verlegte Märsche, stellen den ironisch-nostalgischen Hintergrund bereit für ein tastendes Ausloten des rätselhaften Ineinandergreifens chaotischer und harmonischer, mithin kosmischer Parameter, wie sie dem musikalischen Schöpfungsprozeß - und wohl jedem kreativen Akt - eigen sind..."
(Hans Gerd Tuchel, Bonner Generalanzeiger vom 30.12.1975)
Im Folgejahr 1976 beteiligt sich Joseph Schnorrenberg mit einer mehrteiligen Installation am großen Kunstpreis der Stadt Kassel, der er "einen Maibaum setzen"
will. Schnorrenbergs konzeptionelle Arbeit nimmt Bezug auf das Wahrzeichen der Stadt, eine monumentale Herkulesstatue, die eine der ungewöhnlichsten Residenz-anlagen Deutschlands, das Schloss Wilhelmshöhe, weithin sichtbar überragt. Joseph Schnorrenberg "zitiert" in seiner Arbeit altgriechische Textfragmente, welche die Taten des Herakles – der in der römischen Fassung Herkules genannt wird - be-
schreiben.
Details aus Schnorrenbergs Herakles/Herkules Installation im Kunstverein Kassel:
Collagierte Artefakte , Bild- und Textdokumente in Form von Photokopien und die "Überbleibsel" der vor Ort durchgeführten Kunstaktion.
1977 wird die „Hommage a Cassel“-Installation in Kassel ausgestellt. Ein wesentliches Element des Werkes besteht aus einer Birke, die in Bonn-Hoholz mit Wurzelstumpf ausgegraben und nach Kassel expediert wird. Vor Ort – in Kassel – wird die Birke zu einem Machtsymbol „umgeformt“: Die Krone wird abgesägt, die Wurzeln beschnitten, der Stamm soweit gekürzt, dass der verbleibende Stumpf im Rahmen der Installation die „Keule – und damit die Macht und die Stärke – des Herkules“ symbolisiert.
In gewisser Weise nimmt Joseph Schnorrenberg mit seiner Installation 1977 eine spektakuläre Kunstaktion seines Namensvetters (Joseph Beuys) vorweg, die dieser zur Dokumenta 7 realisierte. Auch diese beschäftigt sich mit dem Verhältnis von Natur und Macht. „Stadtverwaldung statt Stadtverwaltung“ nannte Beuys seine 1982 begonnene Kunstaktion plakativ. Fünf Jahre lang, von 1982 bis 1987 sollte es dauern, bis er sich gegen die Kasseler Stadtverwaltung durchgesetzt hatte und 5000 Eichenbäume im gesamten Kasseler Stadtgebiet gesetzt waren.
Im November 1977 präsentieren Joseph Schnorrenberg und Helmut Auer auf dem Bonner Kunstmarkt: "Frau McNelly". Rauminstallationen, welche die Besucher des Kunstmarktes aktiv einbeziehen.
Vorbesprechung der Rauminstallation "Frau McNelly" auf dem Bonner Kunstmarkt 1977
Titel: "Neue Impulse für Bonn. Kunstszene in Bewegung geraten"
"... Bewährt haben sich auch die jungen Künstler, die in den vergangenen Jahren den gewohnten Rahmen sprengten wie Schnorrenberg, Szymczak, Burges, Petermann, von Hasselbach und andere.
... Mit Freude wird man feststellen dürfen, dass während des Kunstmarktes die Künstler Schnorrenberg und Auer Aktionen zeigen werden, welche Kunst als plastischen Prozess visualisieren."
(Annelie Pohlen im Bonner Generalanzeiger vom 26./27. November 1977)
Joseph Schnorrenberg intensiviert in der Folgezeit seine künstlerische Arbeit. Basierend auf den Erfahrungen, die er bei seinen Kunstaktionen gesammelt hat, optimiert er deren Abläufe - vor allem aber deren "Überbleibsel und Relikte", die er zunehmend als eigenständige Ausstellungsobjekte am "Kunsttatort Galerie" begreift.
1978 und 1979 folgen Kunstaktionen und Ausstellungen von Joseph Schnorrenberg in:
Galerie Studio 1, Bonn; Titel: „Gestellte Bilder“
Galerie Studio 1, Bonn; Titel: „ZEITschichtUNG“
Galerie Raum 1, Godesberg; Titel: „Gestellte Bilder / Frau McNelly II“
Galerie Hennemann, Bonn; Titel: „MailArt“ (Gruppenausstellung)
Kunstaktion: ZEITschichtUNG
Künstler: Joseph Schnorrenberg
Tatorte: Bonner Kunstmarkt 1977
Galerie STUDIO 1, Bonn 1978 (Fragmente)
Intention: Durch tägliches Kaufen, Lesen und Ablegen der
Tageszeitung (photographisch dokumentiert)
entsteht eine kontinuierlich wachsende Plastik.
Die übereinandergestapelten Informationsträger
bilden eine Art "Datenspeicher" der in seiner
Masse das Anwachsen von Zeit in der
Aufeinanderfolge von Politischem und Kulturellem,
von Internationalem und Lokalem, von Aktuellem
und Überholten, von Neuem und Alten an einer
einzigen "Maßschnur" aufzeigt, dem
Vergilbungsgrad des Trägermaterials, der Patina.
Während der Ausstellung zerstörte ein Hobbymaler,
der sich heute mit dem Etikett "Beuys-Schüler"
schmückt, das Kunstwerk. Was hätte wohl der
Meister dazu gesagt?
Joseph Beuys: "Ja Ja Ja Ne Ne Ne" Youtube-Video (1968)
Achtung: Dieses (Ton-)Dokument einer Happening-Aktion ist 64 Minuten
und 55 Sekunden lang!
Start: Bitte auf den zentalen Button im Bild klicken
Stop: Symbol ll (auf der Bildleiste links unten) drücken
1979 Joseph Schnorrenberg startet seine Kunstaktion "Ashtray". Den Verlauf dieser
Kunstaktion protokolliert er in Form von Kontaktabzügen.
"...ich habe über mehrere Stunden Zigaretten geraucht, im Aschenbecher
ausgedrückt, mit Zigarettenstummeln Figuren in die Asche gemalt und das
Ganze mittels Stativkamera im Minutentakt dokumentiert ..."
1981 wird das gemeinsame „Garagen-Atelier“ von Schnorrenberg und Auer in
Bonn-Holzlar aufgelöst. Beide Künstler gehen getrennte Wege.
1982 "Schwarze Gedanken in Weißer Nacht". 111 Postkarten, auf 111 Holztafeln
montiert, beschriftet und mit schwarzer Teerfarbe übermalt.
Familiäres Intermezzo
Joseph Schnorrenberg lernt seine spätere Frau Doris Bolduan kennen und bewirbt sich im Zuge der Familiengründung um eine Festanstellung als Konzeptioner / Grafiker in der CD-Werbeagentur in Troisdorf-Spich. Er zieht nach Wesseling. Seine Töchter Stefanie (1984) und Sabrina (1987) werden geboren. Joseph Schnorrenberg unterbricht für nahezu fünf Jahre seine künstlerische Tätigkeit.
Nach einem zweijährigen Studium an der Werbefachlichen Akademie Köln wechselt Joseph Schnorrenberg als Kommunikationsfachwirt in die Werbeabteilung des Bonner Elektrokonzerns Klöckner- Moeller. Dort betreut er in enger Verbindung mit dem „Vertrieb“ die Großhandelswerbung des Unternehmens. Der Job ist stressig. Die Arbeit steht permanent unter Zeitdruck und unterliegt ständigen Umorganisationen. Josephs Ehe mit Doris Bolduan gerät in die Krise. Das Paar trennt sich und lässt sich später scheiden. Die Kinder verbleiben - alimentiert vom Vater - bei der Mutter.
Internetprojekte und Werkreihen
Bei Klöckner-Moeller zuständig für die Großhandelswerbung kommt Joseph Schnorrenberg schon früh mit PC-gestützten elektronischen Informationsmedien - insbesondere mit elektronischen Katalogen und interaktiven Bestellsystemen - in Kontakt. Er erkennt schon früh die Bedeutung des Internets als mögliche neue Kunst-Plattform und als zunehmend wichtigeren Distributions- und Verteilerkanal für jede Form von medialer Kunst. Joseph beginnt privat mit den neuen Medien zu experimentieren und richtet (sich) nach entsprechenden Vorversuchen den Prototypen einer eigenen, interaktiven Galerie („Galerie im Netz“) ein. Inhaltlich startet er auf dieser Plattform sein Projekt „Missing Artists“.
„Missing Artists“ ist ein narrativ-erzählendes Kunstprojekt, das - generell im Abschluss offen - bis heute Schnorrenbergs Lebensweg begleitet . Im Kern kreist das Projekt um einen Künstler namens Frank Nitty, dessen Lebenslauf - zumindest bis zum Missing-Artists Projektstart - frappierende Ähnlichkeit mit Joseph Schnorrenbergs eigenem Werdegang aufweist. Dieser Frank Nitty begegnet im Laufe der Zeit anderen virtuellen Künstlern im Netz, so einem Johnny Havanna, einem Max vom Berg, dem Künstlerpaar Paul und Paula Vouzelle sowie einem gewissen Hans Muff. Alle diese Künstler leben im Netz – gelten zwar augenblicklich als vermisst – doch ab und zu taucht einer von Ihnen für kurze Zeit wieder auf.
2005 "Realisation" des virtuellen
Missing-Artist-Künstlers
hier: "Selbstportrait" des
Malers (mit Bild) am Ufer
der Seine, gefunden auf
einem Pariser Flohmarkt
Die Geschichten rund um die „missing artists“ wurden und werden von anderen Netzbesuchern ständig weiter gesponnen und aktualisiert. Da gibt es einige, die den Künstlern persönlich begegnet sein wollen, andere haben einen Namenseintrag im Übernachtungsverzeichnis eines Pariser Hotels gefunden oder wissen angeblich, auf welchem Friedhof das Grab eines der Künstler zu finden ist. Es gibt Gerüchte, dass ein Johnny Havanna 1994 in einem Szenelokal der Bonner Altstadt ausgestellt habe und in der Liste der Goncourtskribenten findet man das Künstlerpaar Vouzelle wieder. Auch Frank Nitty scheint schon mehrfach seine Werke ausgestellt zu haben. So schwören einige Netzbesucher "bei ihrer Ehre", sie hätten namentlich signierte Werke dieses Künstlers schon in diversen Blogs abgebildet gesehen.
Aus den „virtuellen“ Künstlern der GALERIE IM NETZ werden so nach und nach echte Persönlichkeiten. Die ursprünglich fiktiven Lebensläufe erhalten Hintergrund, werden mit realen Vorkommnissen verknüpft und „flattern“ zwischen offensichtlich ange-
nommenen und wahren Realitätsebenen ständig hin und her.
Beispiel: Auszug aus dem Internetauftritt der DNS*² (Deutsche Nitty Stiftung):
Neue Materialien zu Frank Nitty entdeckt!
Zwischen kopierten Zeichnungen von Palladio und einer alten Ausgabe von
Giorgio Vasari´s
"Le vite de´più eccelenti pittori, scultori et architettori" finden DNS-Mitarbeiter 27 Kontakt-
abzüge. Nach Ansicht von Hans Muff handelt es sich hierbei um die, von Nitty in den 70er
Jahren kreierte Schrift „ASHTRAY“. In seinen Notizen "Mittelachse und kompositioneller
Bewegungsausgleich" erwähnte Nitty nachweislich mehrmals seine „ASHTRAY“ –Arbeiten.
Auszug (Fußnote zur DNS)
*² Hans Muff rief 1997 die "Deutsche-Nitty-Stiftung" (DNS) ins Leben. Die "Bausteine zur Stigmatisation" wurden im Gründungsmanifest verankert. Muff wird erster Vorsitzender der DNS. Erste Maßnahmen sind die PLANUNG einer GRUPPEN-AUSSTELLUNG und die EINRICHTUNG einer Datenbank zur SAMMLUNG und ARCHIVIERUNG aller Fundstücke, Bild- und Textmaterialien, die in Nitty´s und Havanna´s Atelier gefunden wurden.
1989 nimmt Joseph Schnorrenberg seine künstlerisch-bildnerischen Aktivitäten
wieder auf. Die Werkreihe: „Tristan & Isolde“ entsteht.
1992 stellt Joseph Schnorrenberg unter dem Pseudonym "Frank Nitty" den
ersten Teil der Werkreihe „Tristan & Isolde“ in der Galerie HICOG in
Bad Godesberg aus.
Bis 1993 entstehen eine Vielzahl weiterer Werke innerhalb dieser Serie.
Einzelblatt aus der Serie: Tristan und Isolde (1989 -1993)
Auszug aus der Werkreihe: "Tristan & Isolde". Rechts unten: Einladung zur Ausstellung der Werkreihe in der Galerie HICOG in Bad Godesberg.
Rezension zur Ausstellung "Tristan & Isolde" in der Galerie HICOG, Bad Godesberg
"Auffallend an den kleinformatigen Kompositionen von Frank Nitty ist die konsequente formal-inhaltliche Gestaltung: Seine Arbeiten weisen fast durchweg das gleiche Format auf, die sparsam eingesetzte Farbskala ist reduziert auf Rot-, Grün-Blau; Schwarz-Weiß und Goldtöne. Weiche Pastellkreideschraffur kontrastiert mit Goldtupfeneffekten und "Tipp-Ex"-Schlieren. Schwarz-Weiß-Fotos, die vom PC ausgedruckt werden, bilden das "Raster" für sein Hauptthema: Die Paar-Beziehung.
... Die Beschränkung auf nur eine Bildgröße, die konsequent durchgehaltene Konzentration auf einen Komplementärkontrast und die Wahl eines einzigen Motivkreises, eben Frau & Mann, geben
den Arbeiten von Frank Nitty, bei allen abwechslungsreichen thematischen Variationen und bei aller Originalität einen Gesamteindruck von stilistischer Einheitlichkeit und inhaltlicher
Geschlossenheit.
(Eva Maria Severin, Bonner Generalanzeiger vom 11./12.04.1992)
1994 - 2004 Missing Artists in der GALERIE IM NETZ (in Überarbeitung)
Werkreihen "Chinese Kitchen Gods", "toilet men", "Red Hats"
Bilder, Texte, Ausstellungen in Überarbeitung Siehe auch: Archiv MH
Pariser Tage oder die Rückkehr zum Tafelbild
2006 Ausstellung "letters & postcards" im Analogue, Bonn
Bilderzyklus "letters & postcards" (Auswahl)
Auszug aus dem Einführungsvortrag von Michael E. Hümmer
Zur künstlerischen Handschrift:
"Joseph Schnorrenberg ist einfach Joseph Schnorrenberg und als solcher in allen seinen Bildern wiederzuerkennen.
Nicht zuletzt deshalb, weil er für sich über lange Jahre hinweg eine ganz eigene, ungebrochen-durchgängige Arbeitsweise und Arbeitstechnik entwickelt hat, die charakteristisch für ihn ist und seine künstlerische Handschrift, seinen künstlerischen Stil ausmacht."
Zur Arbeitstechnik:
"Joseph Schnorrenberg sammelt Versatzstücke seiner Umwelt. Er legt diese Versatzstücke, Originalfotos, Vorlagen (und Fundstücke aus seiner berühmten „Fotokiste“) auf einen Scanner. Er digitalisiert die Vorlagen, beschneidet und montiert die digitalen Datensätze dann am Rechner in einem neuen Sinnzusammenhang um.
Die neuen, noch fragmentarischen Abbilder seiner Umwelt druckt er auf einem Farbdrucker aus, übermalt sie mit Temperafarben, Öl- oder Pastellkreide und „behandelt“ das Ganze anschließend mit TIPP-EX , Wachs und Siegellack.
Die Bilder verlieren mehr und mehr ihre ursprüngliche Authentizität, werden subjektiver, offener und damit auch deutlich „interpretationsanfälliger“.
Doch damit nicht genug.
Die überarbeiteten Drucke werden anschließend erneut digitalisiert, übermalt und in einem 3. und 4. Arbeitsschritt noch weiter individualisiert bis ... – ja bis genau jener Punkt erreicht ist, zu dem das ursprüngliche Motiv komplett ambivalent wird und völlig andere Interpretationen möglich werden.
Die Einladung zur Vernissage zeigt ein solches Beispiel: Je nachdem, wie der Betrachter „disponiert“ ist, erkennt er in der Abbildung einen Ruderer auf einem See oder umgedreht: ein Flugzeug (im Luftkampf) in den Wolken oder er folgt dem ursprünglichen Motiv und erkennt einen gesiegelten, mit Farbflecken „beschmutzten“ Briefumschlag.
2009 Joseph Schnorrenberg
Bilderzyklus
"Die Schussverletzungen in gerichtlich-medizinischer Beziehung an
der Hand der in der Literatur niedergelegten Erfahrungen der
Kriegszeit"
2011 Joseph Schnorrenberg
Ausstellung im Kurfürstlichen
Gärtnerhaus zu Bonn mit
Motiven aus der Serie:
"Pariser Skizzenbücher" und
"Die ungespielten Noten"
Dr. Heidrun Wirth schreibt über den Zyklus
"Die ungespielten Noten":
... "Erst auf den zweiten Blick sind Musik-
notationen in einem quirligen Informel zu
ahnen... ein dichter, geradezu rauschhafter
Bilderzyklus."
(Bonner Rundschau vom 5. Mai 2011)
Bildzyklus: "Pariser Skizzenbücher" (Auswahl)
Die ungespielten Noten
"Paris im Spätsommer 2006: In Gedanken bei Delacroix flaniere ich nach dem Besuch seines Ateliers über die Rue de Furstenberg. Im Louvre hatte ich ein paar seiner Blumen gepflückt. Und wieder
einmal kommt mir die Geschichte der Notenblätter in den Sinn.
Bonn, Kaiserbrunnen 1969: Soweit ich mich erinnere, war es in jenem Jahr als ich ihn zum ersten Mal sah. Noch heute habe ich das Bild einer Gruppe junger Leute vor mir, in deren Mitte eine imposante
Gestalt mit feuerroten Haaren steht. Umringt von in grünen Parkas und Feincordhosen gekleideten Menschen trug er Krawatte und einen dunkelblauen Anzug. Er spielte Beethoven auf seiner Geige und ich
hörte, wie sie ihn BlueBoy nannten. Wochen später ging das Gerücht um, auf den an der Kaiserstraße gelegenen Bahngleisen sei ein fürchterliches Unglück passiert.
1999, dreißig Jahre später: Vor einem Straßencafé in der Bonner Brüdergasse genoss ich nach einem schwülen Sommertag die Blaue Stunde. Die Terrasse des Cafés war gut besucht. Ein Rollstuhlfahrer
näherte sich. Der Mann hatte beide Beine und den rechten Arm verloren. Er fragte mich, ob an meinem Tisch noch ein Platz frei sei. Ich nickte und ein paar Minuten später kamen wir ins Gespräch. Aus
Sorge, dass man ihren Sohn in den Vietnamkrieg schicken könnte, hatten seine Mutter und er 1968 die USA verlassen. Er war Musiker. Er komponierte. Er liebte Beethoven. Früher, vor seinem Unfall über
den er nie sprach, hatte er Geige gespielt. Und spätestens jetzt sah ich wieder das Bild vom Kaiserbrunnen vor mir. Er war BlueBoy, der Junge im dunkelblauen Anzug. Als ich den Namen erwähnte,
lächelte er mich an. Später haben wir uns dann öfter in jenem Café getroffen und geplaudert.
Um einmal eine seiner Kompositionen zu hören, die er selbst nicht mehr in der Lage war zu spielen, kamen wir bei einem unserer Gespräche auf die Idee, BlueBoy´s Noten einem Musiker an die Hand zu
geben. Ein paar Tage später überreichte er mir ein Bündel mit Notenblättern, welches ich für ihn kopierte und einem mir bekannten Bonner Geigenspieler vorlegte. Nach Durchsicht der Kopien winkte
dieser jedoch kopfschüttelnd ab. BlueBoy´s Notenblätter waren mit Korrekturen und hieroglyphenartigen Zeichen übersät und auch für einen geübten Berufsmusiker nicht mehr zu entziffern.
Herbst 2006: Aus Paris zurückgekehrt, erhalte ich die Nachricht, dass BlueBoy an einem Hirnschlag verstorben ist. Als ich auf meinem PC die Kopien seiner Noten finde, beschließe ich, die ungespielten
Noten auf meine Art zum Klingen zu bringen."
Für BlueBoy
Joseph Schnorrenberg, 2010
Zur Arbeitsweise des Künstlers
"Joseph Schnorrenbergs Kunst ist eine „narrative Kunst“. Mit den ihm eigenen künstlerischen Ausdrucksmitteln pflegt und kultiviert er eine erzählende Kunstform, die durch eine Unmenge von Chiffren – visuelle Zitate, literarische Texte und sehr persönliche „Erinnerungsfetzen“ - in den hier ausgestellten Werken insbesondere an seine Aufenthalte in Paris- geprägt ist. Er zitiert Jean Antoine Watteau, Eugene Delacroix oder auch Claude Monet. Ein Beispiel: Mir erzählte Joseph einmal, er habe „im Louvre Blumen gepflückt“. Wieso „Blumen gepflückt“? Die Erklärung ist einfach. Das Ergebnis sieht man hier: In den „Pariser Skizzenbüchern“ und auf dem Rahmen seiner Werkreihe: „Die ungespielten Noten“ findet man beispielsweise exakt die Blumendarstellung wieder, die Delacroix in dem gewebten Gewand einer Dame in seinem berühmten Bild: „Die Frauen von Algier“ verwendet hat. Als „Pariser Flaneur“ sucht und sammelt Joseph Schnorrenberg solche bildnerisch-visuellen Details. Er konserviert seine „Fundstücke“, Originalfotos, Buch- und Gedichtpassagen (Heine, Baudelaire), Text- und Bildvorlagen, indem er sie auf einen Scanner legt, sie digitalisiert , neu montiert und ausdruckt. Die Montagen übermalt er mit Tempera, Pastellkreide und TIPP-EX. Die Ursprungsmotive verlieren durch die Übermalungen mehr und mehr ihre Authentizität, werden subjektiver, offener und damit auch deutlich „interpretationsanfälliger“. Doch damit nicht genug: Die übermalten Vorlagen werden anschließend erneut digitalisiert, ausgedruckt und noch weiter „individualisiert“ bis … - ja bis genau jener Punkt erreicht ist, zu dem das ursprüngliche Motiv (hier beispielsweise die Notenblätter von „Blueboy“ komplett ambivalent werden und völlig andere Interpretationen ermöglichen. Erinnern einige der „Notenblätter“ nicht an Claude Monets berühmte Seerosenbilder, in denen die Seerosen als impressionistische Farbinseln auf dem Wasser zu schweben scheinen?"
(Auszug aus dem Einführungsvortrag von Michael E. Hümmer)
Pressekritik im Bonner Generalanzeiger vom 04.05.2011
Fortsetzung siehe nachfolgendes Kapitel:
(Glanzbilder & Sammelbilder 2012-2017)
Zur Navigation bitte zum Anfang dieser Seite zurückkehren und die nebenstehende (grau hinterlegte) Kapitelanwahl benutzen oder klicken Sie die rot unterstrichenen Stichworte in den Texten an.