Franz M. Jansen (1885 - 1958)

1885     Franz M. Jansen erblickt am 4.2.1885 in Köln als ältestes von insgesamt

             9 Kindern des Ehepaars Peter Franz Jansen (1855 - 1924) und seiner Frau

             Maria Margaretha Jansen, geborene Manstetten (1856 - 1931) das Licht der

             Welt. Der Vater ist von Beruf Kaufmann und unterhält im Erdgeschoß des 

             Hauses Friedensstraße 36-39 in Köln ein eigenes Geschäft. Die Familie

             wohnt in der Etage unmittelbar über dem Geschäft. Man führt ein mittel-

             ständisches und - typisch für den Kölner Mittelstand - gut bürgerlich-katho-

             lisch geprägtes Leben. Der Vater - Peter Franz Jansen - hat eher konserva-

             tiv-wertbewahrende Ansichten, ist auf seinen guten Ruf, Ansehen und Ehre

             bedacht. Sein erstgeborene Sohn wird auf den Namen Franz Lambert

             Jansen getauft.

Abb. links:                                                   Abb. rechts:

Die Eltern Peter Franz und Maria                    Franz Lambert Jansen (mitte) im Kreis

Margarethe Jansen geb. Manstetten               von fünf seiner acht Geschwister

1887    Mit der Geburt von Franz Lamberts Schwester Margarete am 17.12.1886

            wird die Wohnung in der Kölner Friedensstraße zu klein. Die Familie bezieht

            am Kölner Hansaring 45 ein eigenes, neuerbautes Haus. Das mehrstöckige

            Wohnhaus existiert heute nicht mehr. Es wurde im 2. Weltkrieg zerstört und

            brannte aus.

1891    Franz Lambert wird in die katholische Volksschule "Klingelpütz" eingeschult.

            Er ist ein eher schmächtiger Junge, der aber - ganz im Sinne seines Vaters -

           "gute Noten nach Hause bringt". 

1894   Nach bestandener Aufnahmeprüfung wechselt Franz Lambert zum "Katho-

           lischen Gymnasium an Marzellen". Mit seiner rund 565-jährigen Geschichte

           ist das heutige Dreikönigsgymnasium (Gründung 1450) eine der ältesten

           Schulen im Rheinland und die älteste Schule in Köln. Franz Lamberts Vater

           sieht es als Auszeichnung, dass sein Sohn dort angenommen wird. Er be-

           zahlt gerne das "nicht geringe Schulgeld". Franz Lamberts schulische Leis-

           tungen nehmen in der Folge aber nach und nach ab.

Franz Lambert Jansen (16 Jahre alt)

1901   Als eine erneute Klassenwiederholung

           droht, geht Franz Lambert mit dem "Einjäh-

           rigen" (mittlere Reife) von der Schule ab.

           Ein Foto aus jener Zeit zeigt einen für da-

           malige Verhältnisse mit relativ langen,

           lockigen Haaren ausgestatteten jungen

           Mann, dem man - möglicherweise noch

           pubertierend - den Wunsch nach mehr

           Freiheit - insbesondere nach einer Ab-

           lösung aus dem väterlich-geprägten Haus-

           halt unterstellen kann. Die Familie Jansen

           zählt zu diesem Zeitpunkt bereits 10 Per-

           sonen. Franz Lambert fühlt sich "zum

           Künstler berufen", muss aber gegenüber

           dem Vater diesen Wunsch zurückstellen.

           Dieser bestimmt, dass sein ältester Sohn

          "Architekt" werden solle. Als Vorausset-

           zung für diesen Beruf muss nicht zwin-

           gend ein Abitur vorliegen, vielmehr reicht auch die "Mittlere Reife" in Ver-

           bindung mit einer fachpraktischen Ausbildung (Lehre) und/oder ein Prak-

           tikum bei einem anerkannten Baumeister und der parallele Besuch einer

           Berufsfachschule (Baugewerksschule). Franz Lambert beginnt darauf-

           hin eine Lehre im Maurerhandwerk.

1903   Die "Maloche am Bau" fordert Franz Lambert Jansens ganze Kraft. Als Lehr-

           ling lernt er handfest die Praxis des Mauerns, die mit künstlerischer Gestal-

           tung - wie sich schnell herausstellt - faktisch nichts zu tun hat. Die Lehre er-

           weist sich für den kunstsinnigen (ehemaligen) Gymnasiasten als "hartes Los".

           Er besucht regelmäßig den berufsbegleitenden Unterricht in der "Königlichen

           Baugewerkschule zu Cöln". Nach zwei Jahren ist es ihm möglich, aus der 

           täglichen Praxis des Maurerlehrlings in ein aus seiner Sicht anpruchsvolleres

           Praktikum (Volontariat) in das Büro des Kölner Architekten, Bildhauers und

           Malers Franz Brantzky (1871- 1945) zu wechseln. Brantzky ist in Köln

          "gut vernetzt". Unter anderem ist er in jener Zeit künstlerisch-architektonisch

           für das Erscheinungsbild des Kölner Karnevals verantwortlich. Das verschafft

           Beziehungen. Brantzky nimmt Franz Jansen "als Schützling unter seine            Fittiche". Bei ihm macht Franz 1905 seinen Abschluß als Geselle und hat

           damit das notwendige Testat in der Hand, um Architektur studieren zu

           können.

1905   Franz Lambert Jansen ist gerade 20 Jahre alt, als er aus seinem Elternhaus

           auszieht und sich an der TH Karlsruhe für ein Architekturstudium einschreibt.

           Drei Semester lang studiert er Architektur und Kirchenbau bei Prof. Carl

           Schäfer (1844-1908), einem Vertreter der späten Neugotik in Deutschland,

           der seine Aufgabe darin sieht, "Kunst und Handwerk im Form von Bauhütten

           und Werkstätten miteinander zu verschmelzen".  Maßgeblichen Einfluß auf

           Franz Lambert Jansens Entwicklung hat auch Professor Max Laeuger (1871

           - 1952). Max Laeuger ist zum damaligen Zeitpunkt bereits ein weithin aner-

           kannter Keramiker und Glasmaler, der in Karlsruhe Gartenarchitektur lehrt

           und für komplexe Terassenanlagen mit raffinierten Brunnen- und Wasser-

           spielen bekannt ist.

1906   Mit Erreichen der Volljährigkeit (ab dem 21. Lebensjahr) hält es Franz nicht

           mehr in Karlsruhe. Er will hinaus, will Neues erkunden, die Welt sehen "und

           endlich auf eigenen Beinen stehen". Sein Vater unterstützt ihn finanziell -

           sicherlich nicht ohne Stolz - dass sein erstgeborener Sohn auf dem Wege zu

           einem vermeindlich soliden Architekten ist. Franz Jansen zieht nach Wien um,

           schreibt sich formal an der Akademie der Künste in Wien ein und berichtet

           seinem Vater, dass er Schüler des berühmten Otto Kolomann Wagner (1841

           -1918) sei und neben dem Studium bereits eigenes Geld in dessen Wiener

           Stadtplanungsatelier verdiene. Zahlreiche öffentlich-repräsentative Gebäude

           stammen planerisch aus Wagners Atelier, in dem dieser ein ganzes "Heer

           von Architekturstudenten", darunter auch Franz Lambert Jansen, beschäftigt.

           Otto Kolomann Wagner ist "Baulöwe", Künstler und Lebemann in einem. Sein

           Lebensstil imponiert dem angehenden Architekten. Mit dem Geld, das er bei

           Otto Wagner verdient und einem Stipendium, unternimmt er Reisen, die ihn

           nach Ungarn, Bosnien, Montenegro, Dalmatien, nach Italien und in die

           Schweiz führen. Doch in der Architekturklasse der Wiener Kunstakademie ist

           er nur einer von vielen Studenten. Um am Ball zu bleiben, muß Franz viel

           büffeln. Das frustriert ihn - zumal er mehr und mehr das Leben eines

           studentischen Bohemien in Wien führt. Innerlich reift sein Entschluß, sich

           mehr der Malerei zuzuwenden. Er möchte kreativer sein, fühlt, dass in der

           Auseinandersetzung mit der zeitgenössischen Malerei ein ungleich höheres

           künstlerisches Potenzial steckt, als in der Baukunst.

           Tatsächlich ist Wien - um 1906 herum - ein Schmelztiegel für malerische

           Experimente. Gustav Klimts Bilder erwecken Aufsehen. Der "Jugendstil" -

           beeinflußt durch den in Paris lebenden Tschechen Alfons Mucha -

           beherrscht weitgehend das malerische Umfeld, klingt aber bereits wieder ab.

           Ideal für den malerischen  Autodidakten Franz Jansen, der sich durch

           Nachahmung und Adaption den "Jugendstil" systematisch aneignet.

           Formal belegt der Architekturstudent weiterhin die einschlägigen Archi-

           tekturkurse an der Wiener Kunstakademie. Sein Herz gehört aber der

           Malerei. Er fühlt sich (zum Künstler) berufen, versteckt dies aber vor

           seinem Vater. In Wien führt er ein ungebunden-freies Leben. Er geht

           diversen "Amouren" nicht aus dem Weg, schwängert ein hübsches tsche-

           chisches Aktmodell und wäre wahrscheinlich bei ihr "hängengeblieben",

           wenn ihr gemeinsames Kind nicht tot geboren worden wäre.      

Franz Lambert Jansen: Familienbildnis (Triptychon, colorierte Zeichnung im Jugendstil)

 1908   Als Franz Lambert Jansen seine Familie in Köln besucht - Vater, Mutter, zwei

           Schwestern und - außer ihm - sechs jüngere Brüder - richtet er sich in der

           Mansarde des elterlichen Wohnhauses am Kölner Hansaring 45 ein Atelier

           ein. Wohl um seinem Vater mit seiner Malkunst zu imponieren, erstellt er

           ein großes Triptychon "Familienbild", auf dem er - ganz im Jugendstil ge-

           halten - seine Familie portraitiert. Das Bild ist auf Papier und Leinen als

           konturierte Zeichnung mit durchgängiger Colorierung in Aquarell- , Gouache-

           und Ölfarben gefertigt. Möglicherweise sollten die drei einzelnen Teile ur-

           sprünglich zur Anfertigung eines Paravents dienen. Solche drei- oder

           vierflügeligen Paravents kamen damals sowohl in New York, wie in Paris

           und Wien "groß in Mode" und wurden dort als Kunstobjekte meist über

           Galerien vertrieben. 

           Franz Lambert Jansen lernt zum Jahresende 1908/1909 auf einem Ball in

           der Kölner Südstadt die 17-jährige Mathilde Kreutzer, eine Tochter des

           Oberstudiendirektors Dr. Johannes Peter Kreutzer und seiner Gemahlin

           Bertha Kreutzer, geborene Höfken, kennen. Man schließt Freundschaft und

           korrespondiert in der Folgezeit immer öfter miteinander. Franz vertraut

           Mathilde Kreutzer sein "Seelenheil" an und findet bei ihr tiefes Verständnis

           und Bestätigung seiner Einstellungen.

Franz Lambert Jansen und Mathilde Kreuzer

           Auch Mathilde Kreutzer ist künstlerisch

           tätig, auch sie bildet sich autodidaktsch

           weiter. Beim standesgemäßen Besuch

           der "höheren Töchterschule" hat sie das

           Sticken erlernt und erhebt es in der Fol-

           gezeit zu einer eigenen Kunstform.

           Ihre ersten Stickbilder verkauft sie inner-

           halb der Verwandtschaft und als eine

           ihrer Tanten darüber anmerkte, sie sei

           ein wahrer "Pfiffikus", ist ihr Spitzname

          "Fifi" geboren. Fortan wird sie nur noch

          "Fifi" gerufen.

           Eines ihrer Stickbilder, ein etwa 100 x

           300 cm (h x b) großes Wandfries wird

           später - wegen seiner expressionis-

           tischen Motiv- und Farbauffassung mehr-

           fach ausgestellt. Fifi behält dieses Früh-

           werk "Drachentöter" zeitlebens in eige-

           nem Besitz.

1909  Im Laufe des Jahres wendet sich Franz Lambert Jansen in Wien mehr und

          mehr der Malerei zu. Die Architektur verliert zunehmend an Reiz. Franz fühlt

          sich - wie viele seiner Mitstudenten auch - von Otto Kolomann Wagner ausge-

          nutzt. Er fordert sie, kritisiert sie und übernimmt doch deren Resultate in

          eigene Entwürfe. Das ist üblich und das gutes Recht eines Professors, aber

         "irgendwie kratzt das Absaugen studentischer Kreativität" am Selbstwertgefühl

          der Studierenden. Wie anders ist da die Malerei! Sie bildet einen eigenen

          kreativen Kosmos, in dem man sich "austoben" und seine eigene Handschrift

          entwickeln kann. Während in der Architektur einem kreativen Entwurf durch

          Materialwahl, Konstruktion und Statik deutliche Fesseln angelegt sind, ist

          die Malerei völlig frei. Motive und Bildinhalte sind in Gestalt, Form, Farbe und

          Grafik prinzipiell frei gestaltbar. Stilistische Vorgaben von Professoren kann

          man autodidaktisch umgehen. Das hat aber seinen Preis: Auf einen formalen

          Studienabschluß - wie er bei Architekten üblich ist - muß man in der freien

          Kunst - insbesondere in der Malerei - gegebenenfalls verzichten können.

          Das tut Franz Lambert Jansen. Er gibt Ende 1909 sein Architekturstudium

          ohne Abschluß auf und kehrt nach Köln in sein Elternhaus zurück, um sich

          ganz der Malerei zu witmen. Aus dieser Zeit stammt wohl auch das frühe

          Ölgemälde "Totenmaar /Weinfelder Maar", das ein damals geradezu "klassi-

          sches Motiv" nahezu aller zeitgenössischen Eifelmaler aufnimmt (Siehe dazu

          auch das Künstlerprofil von Carl Nonn). Im Gegensatz zu seinen naturalis-

          tisch arbeitenden Künstlerkollegen, "erprobt" Franz Lambert Jansen bereits

          früh eine neue Maltechnik, die von der Auflösung der linearen Motivkontur

          durch "nebeneinandergesetzte Farbflächen" und einer grob "ineinander ver-

          wischten Pinselführung" auf der Leinwand ausgeht. Obwohl sich Franz Lambert

          Jansen die neue Maltechnik weitgehend autodidaktisch beibringt, erreicht er

          schon bald eine erstaunliche Fertigkeit darin, Motive in dieser sehr eigenen,

          überwiegend auf Farbkontrasten aufbauenden Sicht- und Malweise umzu-

          setzen.

Franz Lambert Jansen (um 1910): Frühe autodidaktische Themenbearbeitungen. Hier: "Totenmaar/Weinfelder Maar, Schalkenmehren, Eifel" nach Motiven klassischer Eifelmaler aus dem Umkreis der Düsseldorfer Landschaftsmaler um Fritz von Wille.

Franz Lambert Jansen: Erprobung einer neuen Maltechnik mit Auflösung linearer Motivkonturen und "Ersatz" durch nebeneinandergesetzte Farbkontrast- und Farb-Strukturfelder (kontrastie-

rende Pinselführung, pastöser Farbauftrag und Farbvermischung auf der "nassen" Leinwand etc.)

Sammlung: Michael Hümmer: Sammlungsnummer: 2017. 043.

          Nach dieser Phase der künstlerischen "Farberprobungen und Farbexperimen-

          te" verlegt sich Franz Lambert Jansen wieder auf das Linear-Konturhafte. Er

          erkennt, dass er zunächst "die Linie als Basiselement jedes Motivs voll und

          ganz beherrschen muß", ehe er sich "an die Farbe wagen" kann. Konsequent 

          erweitert er sein Atelier in der Mansarde des elterlichen Wohnhauses um ein

          kleines Druckatelier, in dem er eine Rollenpresse für (kleinformatige) Radie-

          rungen aufstellt. In der Folgezeit übt er sich in der Technik der Radierkunst

          und dem Abzug von Kaltnadelradierungen sowie von Holz- und Linolschnitten.

          Seine diesbezüglichen Experimente sind vielversprechend. Schon bald ver-

          fügt er über einen ersten Fundus an vorzeigbaren graphischen Blättern.

          Zunehmend läd er Malerfreunde, Galeristen und Kunstkritiker - darunter

          überwiegend Literaturkritiker - in sein Atelier ein. Vielen Besuchern bleibt

          Jansens Kölner Atelier am Hansaring 47 vor allem wegen seiner komplett

          gelben Raumfarbe in Erinnerung.

Frühwerk: Linolschnitte zu Gedichten von Walter Laue 1912

1910  Nicht ohne Kalkül tritt Franz Lambert Jansen dem kurz zuvor gegründeten

          Kölner Künstlerbund - zunächst als Gastkünstler - bei. Das hat seinen Grund.

          Das Gereonshaus in Köln (Gereonsstraße 18-32) befindet sich nach dem

          Rohbau gerade in der Ausbauphase. Neben Büros und Vertretungen für

          rund einhundert Firmen sollen im Erdgeschoss des repräsentativ-großzügig

          geplanten Gebäudekomplexes u.a. Ausstellungsflächen und im Hinterhaus-

          gebäude einige Künstlerateliers für Mitglieder des Kölner Künstlerbundes

          bereitgestellt werden. Tatsächlich ist die Malerin und Holzschnittkünstlerin

          Olga Oppenheimer (1886-1941) eine der ersten Mieterinnen eines Ateliers

          im Gereonshaus. Ihr Vater - der Bankier Oppenheimer - finanziert den Bau

          des Gereonshauses. Olga richtet Ende 1910 in ihrem neuen Atelier eine Mal-

          schule ein, die sie zusammen mit ihrer Freundin Emmy Worringer betreibt.

          Franz Lambert Jansen macht die Bekanntschaft beider Künstlerinnen, die

          Gründungsmitglieder des Kölner Künstlerbundes sind. Olga Oppenheimers

          späterer Schwager - Emmy Worringers Bruder - Wilhelm Worringer ist ein

          bekannter Kölner Kunsthistoriker, der in Köln bestens vernetzt ist. Er orga-

          nisiert die ersten Ausstellungen des Kölner Künstlerbundes. Jansen macht

          seine Bekanntschaft und nimmt daraufhin (als Gastkünstler) an der 2. Aus-

          stellung des Kölner Künstlerbundes im Kölnischen Kunstverein teil.

          Über Olga Oppenheim lernt Jansen den Bonner Maler August Macke kennen.

          Dieser sammelt damals einen Kreis von Kölner Maler und Malerinnen um sich.

          Unter der Leitung von August Macke finden im Gereonshaus ab 1910 regel-

          mäßige wöchentliche "Jour fixe"-Künstlertreffen im Atelier von Olga

          Oppenheimer statt, bei denen man Trends und Tendenzen in der zeitgenös-

          sischen Kunst analysiert, bespricht und diskutiert.

1911  Vom Erfolg der "Jour-fixe" Künstlertreffen in Olga Oppenheimers Atelier im

          Gereonshaus ermutigt, gründet Franz Lambert Jansen mit Olga Oppenheimer,

          deren Freundin Emmy Worringer und Wilhelm Worringer den "Kölner

          Gereonsklub". Schon bald finden sich einflußreiche Kölner Gönner, Förderer

          und Kunstsammler, so dass "der Klub" in eigene Räumlichkeiten umziehen

          kann. Damit zur Institution in Avantgarde-Kreisen geworden, ziehen die

          Samstagsveranstaltungen bald auch Museumsdirektoren aus Düsseldorf,

          Frankfurt und Dresden an. Ein übriges tut August Macke, der mit seinen

          vielfältigen Kontakten in die Münchner Kunstszene in den Folgejahren Wilhelm

          Worringer dabei behilflich, Ausstellungen von Franz Marc (1911) und der

          Gruppe "Blauer Reiter" (1912), von Paul Klee (1912) und Robert Delaunay

          (1913) in Köln zu organisieren. Im Gereonsklub trifft Franz Jansen auf den

          jungen Kölner Museumsdirektor Dr. Hagelstange, der als Ausstellungskurator

          und "Kunstpräzeptor" einen "besonderen Riecher" für zeitgenössische Kunst-

          strömungen beweist. Er ist es auch, der die vom Düsseldorfer Sonderbund

          geplante große Kunstausstellung - nach zwei vorherigen Jahresausstellungen

          in Düsseldorf - schließlich nach Köln zieht und zu der berühmten "Ausstellung

          am Aachener Tor" ausbaut. Franz Jansen nimmt an den beiden Jahresaus-

          stellungen des Sonderbundes in Düsseldorf ebenso wie an der Kölner Sonder-

          bund- Ausstellungen mit ausgewählten grafischen Arbeiten/Plakaten teil.

1912   Kölner Sonderbund-Ausstellung

           Dr. Hagelstange setzt mit Unterstützung anderer namhafter Kuratoren und

           Künstler unter Federführung von August Macke durch, dass die Maler der

           "Brücke" (Berlin) und des "Blauen Reiters" (München) in Köln Berücksich-

           tigung finden. Und so sollte es eine wahrhaft epochemachende Ausstellung

           avantgardistischer Strömungen werden, die 1912 in Köln stattfindet.

           Die Ausstellung schockiert und wird - wohl aus allgemeinem Unverständnis

           vor allem Ungewohnten und Neuen - in weiten Kreisen der Bevölkerung

           abgelehnt. Letztendlich aber vereinigt die Kölner Sonderbund-Ausstellung

           von 1912 in Deutschland alles, was später Rang und Namen hat: van

           Gogh, Degas, Gauguin, Cesanne, Picasso, Matisse, Munch, Liebermann und

           Dix, Kirchner, Heckel, Kokoschka, Kandinsky, Nolde, Marc, Macke, Pechstein

           und viele andere mehr (Siehe dazu auch das Künstlerprofil des "vergesse-

           nen"  Bonner Malers Eugen Kerschkamp).

           Franz Lambert Jansen ist mitten drin, umgeben von den "Impulsträgern

           der Modere"!  Er kommentiert im Gereonsklub: "Welch ein Umbruch, welch

           eine Revolution! Der absolute Kontrast zur "Scheinmonumentalität" des

           (Kaiser-)Reiches draußen".

           In der "Kölner Sezession" - die Franz Jansen 1911 mitgründet - später auch

           in der "Berliner Sezession" - der Franz Jansen im Herbst 1912 beitritt - finden

           sich die Avantgardisten organisatorisch zusammen.

Sechs Tage aus dem Leben eines Knaben (Linolschnitte)

Auszug: 4 von 8 kolorierten Linolschnitten (nach einer spukhaften Träumerei)

         links oben:    "Träume"  Linolschnitt, koloriert, 17 x 22.3 cm

         links unten:   "Krankheit"  Linolschnitt, koloriert, 16 x 21,3 cm

         rechts oben:  "Hoffnungen" Linolschnitt , koloriert, 21,2 x 23,9 cm

         rechts unten: "Begräbnis"  Linolschnitt, koloriert, 15,6 x 18,9 cm

1913  Franz Lambert Jansen eigene künstlerische Entwicklung ist im wesentlichen

          durch seine Wahl des künstlerischen Ausdrucksmittels - der Radierung sowie

          dem Holz- und Linolschnitt vorgegeben. Zwar versucht er sich in dieser Zeit

          auch an Ölgemälden (u.a. gewinnt er die silberne Medaille der Stadt Köln für

          sein Panoramabild "Am Rhein"), doch sind es vor allem seine frühen grafi-

          schen Mappenwerke und Zyklen, die ihn bekannt machen. In kurzer Zeit

          entsteht der Zyklus: "6 Tage aus dem Leben eines Knaben" (8 Linolschnitte),

          dann - anläßlich einer Reise nach Italien, die ihn 1913 nach Venedig führt, der

          Zyklus: "Die schwarzen Gondeln" (16 Radierungen). Schließlich die Mappe:

         "Die Industrie" (7 Radierungen) und die Mappe: "Der einserne Rhein" (10

          Radierungen). Die beiden letztgenannten Mappen entstehen bei dem

          befreundeten, gleichaltrigen  Maler Ernst Isselmann (1885- 1916) in dessen

          Atelier im Brückenturm der Ruhrort-Homberger Rheinbrücke in Duisburg.

          Franz Lambert Jansen wohnt einige Zeit bei Ernst Isselmann, der ein begeis-

          teter Segler ist. Sie unternehmen "so manche Tour" gemeinsam.

Die Schwarzen Gondeln  Kaltnadelradierungen nach Venedigmotiven

Auszug: 4 von 16 Kaltnadelradierungen (nach Motiven aus Venedig)

          links oben:   "Kleiner Kanal"  Kaltnadelradierung, 17,1 x 14,3 cm

          links unten:  "Phantasien II"  Kaltnadelradierung, 15,3 x 20,5 cm

          rechts oben: "Totengondeln"  Kaltnadelradierung, 17,1 x 14,2 cm

          rechts unten:"Spaziergang am Kanal, Kaltnadelradierung, 14,3 x 17,2 cm

Die Industrie  Kaltnadelradierungen (nach Duisburger Motiven)

Mappe mit 7 Kaltnadelradierungen von Franz M. Jansen und 7 lithographischen Arbeiten von Ernst Isselmann. Der Mappe wurden 2 x 7 (14) Gedichte aus den 

"Eisernen Sonetten" von Josef Winkler zugefügt. Jansen und Isselmann legten

zudem jeder verkauften Mappe je eine individuelle Handzeichnung bei.

          Ausstellung "Rheinische Expressionisten"

          August Macke läd Franz Jansen zu einer Beteiligung an der inzwischen legen-

          dären Ausstellung "Rheinische Expressionisten" im Kunstsalon Friedrich Cohen

          in Bonn ein. August Macke wollte mit dieser Ausstellung einen Kontrapunkt zu

          dem "Blauen Reiter" sowie zur Berliner "Brücke" setzen und gleichzeitig auf

          den rheinischen Raum als eigenständige Kunstregion aufmerksam machen.

          Jansen sieht sich selbst zu dieser Zeit nicht als stilreinen Expressionisten. Im

          Gegenteil. Aber seine Art, die Welt zu sehen, wird von August Macke als eine

          individuelle Form von Expressionismus gedeutet. Jansen bewundert August

          Macke wegen dessen ungeheurer Eloquenz und künstlerischer Überzeugungs-

          kraft. "Ich habe nie einen anderen Maler kennengelernt, der eine solche phy-

          sische und psychische Präsenz ausstrahlt" schreibt Franz Jansen damals. Er

          nimmt die Einladung dankend an und gilt seither als rheinischer Expressionist.

1914  Franz Lambert Jansen ist sich bewußt, dass sein Bekanntheitsgrad als Künstler

          in nicht unerheblichen Maße von seiner Präsenz in Kunstausstellungen sowie

          von der wohlwollend-verständnisvollen Rezeption seiner Werke durch andere

          Künstler, Kunstkritiker und Sammler abhängig ist. Er weitet sein Beziehungs-

          geflecht systematisch aus, wird 1913 Mitglied im Deutschen Künstlerbund,

          erhält im Januar 1914 eine eigene Einzelausstellung im Wallraff-Richartz-

          Museum Köln, gründet in Köln die "Rheinische Künstlervereinigung" und

          schließt sich der Künstlergruppe: "Werkleute auf Haus Nyland" an. Im Sep-

          tember 1914 fällt August Macke an der Westfront - gerade mal 6 Wochen,

          nachdem er eingezogen worden war.  Franz Jansen wird 1915 - wohl aufgrund

          seiner (abgebrochenen) Architektenausbildung zum Militär-Bauamt einge-

          zogen. Für drei Jahre (bis zum Kriegsende 1918) wird Koblenz sein Stand-

          ort sein. Koblenz ist genügend weit von der Kampffront entfernt. Hier ent-

          steht der 22-teilige Linolschnittzyklus: "Der Krieg" sowie einige Farblitho-

          graphien. Die Abzüge macht er auf der Druckpresse in seinem Kölner Atelier.

          Seine Künstlerkontakte hält er - soweit dies in den Kriegszeiten möglich ist -

          aufrecht. Er arbeitet 1916 an einem neuen Radier-Zyklus, den er "Ein

          Prophet" nennt.

Heirat mit Mathilde (Fifi) Kreutzer

Franz Lambert Jansen: Bildnis seiner jungen Frau Mathilde (Fifi) Kreutzer (Hochzeitspräsent)

1917  Gegen den Widerstand seiner Eltern heiratet Franz Lambert Jansen am 3.

          Februar 1917 Mathilde (Fifi) Kreutzer. Mit diesem Tag wird aus Franz Lambert

          Jansen Franz M. Jansen (wobei M. für den Vornamen seiner Frau Mathilde

          steht). Um den elterlichen Vorhaltungen aus dem Weg zu gehen, gibt Franz

          sein Dachatelier im elterlichen Wohnhaus auf. Sie ziehen in das Dorf

          Winterscheid (im Siegkreis). Franz bleibt in Koblenz kaserniert. Das Ehepaar

          sieht sich in der Folgezeit nicht sehr oft. So bleiben nur die Wochenende, an

          denen das Paar meist Wanderungen an Rhein und Mosel unternimmt. Fifi

          Kreutzer ist eine naturverbundene junge Frau. Ihre Wohnung in Winterscheid

          ist ungeheizt, ohne Wasser und Strom und sehr kärglich eingerichtet. Aber

          das scheint Fifi nichts auszumachen. Sie ist ebenfalls künstlerisch tätig,

          stellt aber sich und ihre eigene Kreativität selbstgenügsam hinter der ihres 

          Mannes zurück. Der "Gasthof Linke" in Felderhofenbrücke wird noch zu

          Kriegszeiten ein Zufluchtsort für Literaten und Maler aus dem rheinischen

          und sauerländischen Bereich. Hier trifft man sich und führt die Tradition der

          wöchentlichen Künstlertreffen des inzwischen aufgelösten Gereonklubs in

          Köln fort. Mit dem Ende des 1. Weltkrieges wird Franz M. Jansen (Ende 1918)

          aus dem Militärdienst entlassen. Er ist wieder Zivilist. Als Künstler - und das

          bleibt trotz der Notzeiten unverrückbar Franz M. Jansens Profession - sieht er

          seine Aufgabe darin, kritisch-analytisch die Entwicklung der bürgerlichen Ge-

          sellschaft und der Arbeiter zu hinterfragen, gesellschaftliche Modelle und

          - wo nötig - auch Utopien für ein soziales Zusammenleben zu entwickeln,

          politisch aktiv, ja agitativ zu werden. Er ist kein Radikaler, predigt keinen Um-

          sturz, keine Revolution. Wohl aber das Primat des Kulturellen! Jansen hält

          einen Vortrag auf dem "Gesamtdeutschen Aktivistenkongress" 1919 in Berlin.

          Er steht dem "Politischen Rat geistiger Arbeiter" unter dem Vorsitz von Kurt

          Hiller nahe, den er seit 1917 kennt. Er sieht sich als "geistiger Arbeiter"

          - eben als Künstler! Sein Arbeitsergebnis besteht nicht aus handwerklichen

          oder industriellen Produkten, sondern aus zeitgenössisch-kulturbildenden

          Objekten, wie sie von Literaten, Malern, Bildhauern und Architekten erzeugt

          und hergestellt werden. Seit seiner Entlassung aus dem Militärdienst lebt

          Franz M. Jansen mit seiner Frau Fifi Kreutzer in sehr ärmlichen Verhältnissen

          in der Wohnung in Winterscheid. Er findet seine Eltern in Köln als deutlich

          gealterte und inzwischen gebrechlich gewordene Personen vor. Sie können

          keinen weiteren Beitrag zu seinem Unterhalt mehr leisten. In Winterscheid

          fällt dem Ehepaar Jansen "die Decke auf den Kopf". Man ist arg weit weg

          vom Schuß! Vor allem Franz braucht "Stadtluft", braucht den Austausch und

          die Auseinandersetzung mit anderen Künstlern. Man beschließt - auf Ein-

          ladung des Literaten Richard Dehmel - einen neuen Anfang in Hamburg zu

          machen.

1920   Der mit großen Erwartungen begonnene Neuanfang in Hamburg mißrät.

           Bereits nach einem halben Jahr müssen Franz und Fifi Hamburg wegen

          "chronischen Geldmangels" wieder verlassen. Richard Dehmel, sein Freund

           und Gönner, erkrankt schwer und verstirbt am 8. Februar 1920. Franz stellt

           den Holzschnitt-Zyklus: "Die Großstadt" - bestehend aus 26 Blättern - sowie

           den Zyklus: "Industrie" (10 Radierungen) fertig. Ein kommerzieller Erfolg ist

           damit nicht verbunden. Franz M. Jansen versucht sich als Schriftsteller, hält

           Kontakt zu den Redaktionen verschiedener Kulturzeitschriften und liefert

           unter anderem für den "Sturmreiter" einen Nachruf auf Richard Dehmel,

           der im März 1920 erscheint. Danach bereitet Franz M. Jansen - inzwi-

           schen übergangsweise mit seiner Frau Fifi zu deren Eltern nach Köln, später

           dann aber wieder nach Winterscheid zurückgezogen - zusammen mit dem

          "Arbeiter-Dichter" Christoph Wieprecht und dem Poeten Carl Maria Weber -

           eine zweite Vortragsreihe für den "Gesamtdeutschen Aktivistenkongress"

           vor. Wieprecht, Weber und Jansen gründen zusammen den "Bund für schöp-

           ferische Arbeiten". Sie "touren" mit ihren Vorträgen durch Bayern und

           Thüringen.

1921  Franz M. Jansen versteht sich als interdiszipinär arbeitender Künstler. Er ist

          Schriftsteller und zugleich auch Bildender Künstler und Grafiker.

          Zweifellos hat er ein besonderes Faible für die zeitgenössische Dichtkunst. Mit

          den Jahren hat er sich ein beachtlich, sehr fundiertes Hintergrundswissen an-

          geeignet. Er liest viel, liebt Lyrik, analysiert und "erlebt" Dichtung fast intuitiv.

          Es sind unter anderem die Poeme bekannter oder unbekannter Dichter, die ihn

          zu seinen Radierungen anregen. Besonderen Raum nimmt für ihn die neue

          Gattung der "Industriedichtung" ein. Poeme, die in ihrem sprach-bildne-

          rischem Kontext die körperliche Arbeit der Menschen an Maschinen zum

          Thema haben, die die gegenseitige Beeinflussung von Natur- und Indus-

          trielandschaften aufzeigen oder nur einfach eine Phänomenbeschreibung

          bespielsweise von Technik, Kraft, Wucht, Impuls und Geschwindigkeit liefern.

          In solchen Texten "sieht" Franz M. Jansen Bilder, die er in Radierungen sowie

          in seinen Holz- und Linolschnitten einzufangen sucht. Er verbindet auf diese

          Art Lyrik und Bildende Kunst. Viele seiner Zyklen und Mappenwerke bein-

          halten gleichrangig nebeneinander Gedichte und Grafiken. Doch vom Verkauf

          der verhältnismäßig kleinauflagigen Editionen kann der Künstler nicht leben.

          Daher - und wer will ihm das verübeln - "produziert" er als "geistiger

          Arbeiter" eben auch Verkaufbares:  Reisebeschreibungen, Kommentare und

          Feuilleton-Beiträge für Zeitschriftenredaktionen, illustriert mit eigenen Bildern,

          meist Radierungen (Strichätzungen) von typischen Landschafts-Idyllen und

          Sehenswürdigkeiten.

          Die Kölner Galerie Goyert richtet im Herbst 1921 eine Einzelausstellung seiner

          Werke aus.     

1922  Franz M. Jansen und seine Frau Fifi ziehen nach Felderhofbrücke in die Nähe

          des "Gasthofs Linke" (heute Bröleck im Siegkreis) um. Walter Linke und seine

          Frau Helene nehmen das Künstlerpaar "unter ihre Fittiche". Der "Baas", wie

          Franz seinen Förderer und Mäzen Walter Linke nennt, läßt ein Stallgebäude

          in Felderhofbrücke zu einem Wohn- und Atelierhaus ausbauen, das er kosten-

          und logisfrei den beiden Künstlern zur Verfügung stellt. Die laden andere

          Künstler und Künstlerinnen, Dichter, Maler und Bildhauer zu sich ein und

          sorgen so dafür, dass der Gasthof Linke weiterhin einer der Treffpunkte der

          künstlerischen Boheme aus dem Raum Köln/Bonn, dem rheinischen und dem

          siegerländischen Bereich wird (respektive bleibt).      

v.l.n.r: Leopold Jansen, Fifi Kreutzer, Walter Linke ("Der Baas"), Helene Linke; Franz M. Jansen

1923  In der Folgezeit hält es Franz M. Jansen kaum an einem Ort. Er ist nun viel-

          fach als Reiseschriftsteller tätig, besucht in Begleitung seines "meisterlichen

          Lichtbildners Peter" - unter diesem Decknamen verbirgt sich seine damalige

          Geliebte Sophie Gerl - die Regionen Frankens, Süddeutschlands, Österreichs,

          Jugoslawien und Oberitaliens.

Franz M. Jansen: Portrait Sophie Gerl

          Sophie Gerl (1891-1969) ist eine ausgebil-

          dete Fotografin, Schülerin und Assistentin

          von August Sander. Später absolviert sie

          die angesehene "Münchner Fotoschule". 

          Auf Sanders Vermittlung hin begleitet sie

          den Reiseschriftsteller Jansen mit ihrer

          Kamera, fotografiert Land, Leute, Kultur

          und Kunstwerke. Ihre "Illustrationsfotos"

          bietet sie den Reisebuchverlagen an, für

          die Franz M. Jansen arbeitet. Die gemein-

          same Arbeit schweißt die beiden zusam-

          men. Sofie wird Franz Geliebte.

          Auch seine Frau Fifi nimmt sich eine "Aus-

          zeit von der Ehe". Sie geht eine Liason mit

          dem Sohn von Walter und Helene Linke,

          ihren Gastgebern und Gönnern ein. Wie

          offen die Ehe der Jansens war, kann man

          daran ermessen, dass Sophie Gerl fortan

          bei ihnen wohnt und bis zu ihrem Lebensende 1969 eine enge Freundin von

          Fifi Kreutzer ist und bleibt. Sophie dokumentiert fotografisch das Bohemien-

          Leben in Felderhofbrücke, fotografiert die Gäste, Maler und Dichter, Literaten

          und Kunstkritiker (samt ihrer Frauen), die im "Gasthof Linke" ein "offenes

          Haus für jede Form von Kunst" finden, für Dichterlesungen und szenische

          Spiele, für Vorträge, Mal- und Zeichenausflüge, für zünftige Künstlerfeiern,

          vor allem aber für Gespräche und Diskussionen über die Trends und Strö-

          mungen in der zeitgenössischen (Avantgarde-)Kunst.

          Auf den Reisen von Franz M. Jansen entstehen in dieser Zeit eine Reihe von

          Radierungen mit dem Titel: "Österreichische Landschaften" (1923) und

          "Zeitgenossen" (1923), dann der große, 32 Radierungen umfassende Zyklus:

          "Der Rhein" (1924/1925), schließlich die "Dalmatinischen Radierungen"

          (1929) und weitere grafische Mappenwerke.

 

Ölgemälde

Franz M. Jansen: Blick auf die Erpelerley

          Immer wieder versucht sich Franz M. Jansen an großen Ölgemälden und hat

          damit Erfolg. Insbesondere für seine großen, musealen Landschaftsgemälde

          - meist mit rheinischen Motiven (Bröhltallandschaft etc.) - erhält er offizielle

          Kunstpreise und Auszeichnungen. In den Zwanziger Jahren häufen sich die

          Ausstellungen, an denen er beteiligt ist. Die Presse berichtet über ihn. Sein

          Name wird bekannt. Franz M. Jansen erhält nun zunehmend Aufträge,

          arbeitet erstmals "auf Bestellung" und kann gut davon leben. Auch "Fifi" hat

          in seinem "Schlepptau" Erfolg, ordnet sich und ihren Erfolg aber stets ihrem

          Mann und seinen Plänen unter.

          Franz M. Jansen nimmt in seinen Ölgemälden die stilistischen Anregungen von

          seinen Freunden und Künstlerkollegen auf und "erprobt" deren Wirkung in der

          Anwendung auf eigene Motive. Neben dem damals vorherrschenden Natura-

          lismus "adaptiert" er (stilrein) die expressionistische Malweise, erprobt den

          "Surrealismus" und den damals aufkommenden Stil der "transzendentalen

          Ätherik". Letztendlich läßt er sich aber nicht auf einen spezifischen Malstil

          festlegen.

1933  Mit Hitlers Machtergreifung ändern sich die Rahmenbedingungen für "deutsche

          Kunst". Franz M. Jansen und Mathilde (Fifi) Jansen stellen einen Antrag auf

          Mitgliedschaft in der Reichkulturkammer und werden (gemeinsam) noch im

          selben Jahr "ohne Beanstandungen" in die Reichskammer der Bildenden

          Künste in Berlin aufgenommen. Das sichert dem Künstlerehepaar in den

          Folgejahren Aufträge der öffentlichen Hand. Immerhin soviel, dass sie im

          nahen Büchel ein freistehendes, mehrstöckiges Haus "in freier Natur" planen

          und erbauen können.       

Wohn- und Atelierhaus von Franz M. Jansen und Fifi Kreutzer in Büchel

          Neben einer "völkisch-nationalen" Kunst propagieren die Nationalsozialisten

          auch Motive aus der Arbeiterwelt, die im Sinne einer stets vorbildlich "schaf-

          fenden Heimat" dargestellt werden sollen. Franz M. Jansen 1933 neuentstan-

          dener Radierzyklus mit dem Titel "IG-Farben - Leverkusen" kommt diesen 

          Vorstellungen bereits sehr entgegen.

1937  Als im Zuge der Eliminierung entarteter Kunst die "NS Künstler-Kommis-

          sion" (bekannt geworden nach ihrem Leiter als "Ziegler-Kommission") ein

          unbeschränktes Sichtungs-, Zugangs- und Zugriffsrecht auf alle in öffent-

          licher Hand befindlichen Museums-, Depot- und Lagerbestände in Deutschland

          erhält, werden insbesondere die von vielen Museumsleitern vorsorglich in die

          Museumsdepots ausgelagerten "undeutschen" Kunststücke konfisziert und be-

          schlagnahmt. Darunter auch einige Werke von Franz M. Jansen aus seiner

          frühen (expressionistischen) Zeit.

          Dies gereicht dem Künstler aber nicht zum Nachteil, da die NS-Gauleitung in

          Köln in der Konfiszierung eine "leider notwendige (volkserzieherische) Maß-

          nahme" zur "Glättung des Lebenslaufes" eines ansonsten anerkannten und

          verdienstvollen deutschen Kunstschaffenden sieht und den "Mantel des

          Schweigens" über seine frühere "Verirrungen" ausbreitet. Immerhin hat Franz

          Jansen ab 1933 namhafte Werke im öffentlichen Raum entworfen und reali-

          siert, so unter anderem das Wandbild "Rheinlandschaft" für den Neubau der

          Kölner Universität, Wandbilder für die Wehrmachtskasernen in Lüdenscheid

          und Aachen, für die Kölner Markthallen und für das Foyer des Opernhauses

          in Köln.          

1944  Bis zur Endphase des zweiten Weltkrieges bleibt Franz M. Jansen in seinem

          Haus in Büchel weitgehend unbehelligt. Um finanziell "über die Runden zu

          kommen", hat "Fifi" ihre rentenempfangsberechtigte Mutter zur Pflege zu sich

          genommen. Man rückt notgedrungen zusammen, teilt das Haus in mehrere

          Atelierwohnungen auf und vermietet diese.

          Im Garten baut man etwas Gemüse an und tauscht dieses gegen Lebens-

          mittel - vor allem aber gegen Farben und Malmittel ein. Aus frisch geschla-

          genem Holz fügt man Bretter für Druckstöcke (Holzschnitte) zusammen, die 

          aber schon nach kurzer Zeit krumm werden und reißen und damit nur noch

          zum Feuermachen zu gebrauchen sind.

          Dann wird Franz M. Jansen - inzwischen fast 60-jährig - zum "Volkssturm"

          eingezogen. Es gilt, die Heimat zu verteidigen!

 

1945  Es sind niederschmetternde Kriegserlebnisse, die der "überalterte Soldat

          Jansen" während seines Einsatzes im Volkssturm traumatisieren: Er fürchtet

          alliierte Tiefflieger, die einfach auf alles schießen, was sich vor ihnen auf

          Straßen, Wegen und Pfaden bewegt. Er fürchtet die unheimlich gleißenden

         "Christbäume", die nachts die Zielgebiete für Spreng- und Brandbomben

          illuminieren und einen elenden, vieltausendfachen Tod der Bevölkerung

          ankündigen. Er fürchtet die vorrollenden Panzer, die auf Wiederstandsnester

          in Schützengräben zufahren, über ihnen drehen und alles Leben unter ihren

          Ketten "zermalmen". Und er fürchtet den sinnlosen finalen Häuserkampf, zu

          dem sie aufgefordert werden und in dem von einer auf die andere Sekunde

          der Kamerad neben einem durch Granaten und Kugeln regelrecht zerfetzt

          wird. Der Künstler hält dies psychisch nicht durch. Er rastet aus, wird sedi-

          tiert, schließlich dauerkrank und in ein Lazarett eingeliefert. Lange ist unklar,

          ob er überleben wird.

          Als er schließlich aus dem Lazarett entlassen wird, ist er pysisch und psy-

          chisch ein "gebrochener" Mann. Der Lazarettarzt rät ihm, zur allmählichen

          Überwindung seiner traumatischen Erlebnisse zu schreiben und zu malen.

         "Sie sind doch Dichter und Maler in einer Person! Machen Sie was daraus!

          Sie können das!"

1946  Zurückgekehrt nach Büchel, "vergräbt" sich Franz M. Jansen zunächst für

          einige Zeit in seinem Atelier. Fifi läd Freunde, Bekannte und künstlerische

          Wegbegleiter ihres Mannes in ihr Haus ein. Auf den Zusammenbruch muss

          einfach ein neuer Anfang folgen! Mit vereinten Kräften gelingt es ihr und

          seinen Künstlerfreunden, ihren Mann wieder aufzurichten und ihm neue

         "Perspektiven" aufzuzeigen. Er wird gebraucht. Und so initiiert Franz M. Jansen

          mit tatkräftiger Unterstützung seiner Frau Fifi die Gründung des rheinisch-

          bergischen Künstlerkreises. Franz M. Jansen wird dessen Vorsitzender und

          nimmt in dieser Eigenschaft schon bald Kontakt zu anderen, sich neu organi-

          sierenden Künstlerverbänden auf. Sein Engagement bleibt nicht ohne Wirkung.

          Noch im selben Jahr wird er in den Vorstand des Landesberufsverbandes der

          bildenden Künstler Nordrhein-Westfalens gewählt.     

Der Rheinisch-Bergische Künstlerkreis bei einem Treffen in Büchel: von links: Franz M. Jansen, Karl Heinz Bodensiek, Bertha Kreutzer, Fifi Kreutzer etc.

          Auf intensive Zusprache des Bonner Historien- und Kirchenmalers Willy M.

          Stucke (sen.) tritt Franz M. Jansen - zumindest informatorisch - dem "Bonner

          Künstlerbund" bei. Willy M. Stucke hat diesen Künstlerbund unmittelbar nach

          dem Krieg wieder aufleben lassen, merkt aber schnell, dass er bei der Stadt

          Bonn nur dann auf Unterstützung (Raumbereitstellung für Ausstellungen)

          hoffen kann, wenn er einen grösseren Kreis - wenn nicht sogar alle profes-

          sionellen bildenden Künstler in Bonn repräsentiert. So initiiert er die "Arbeits-

          gemeinschaft Bonner Künstler", in der auch Franz M. Jansen Vollmitglied wird.

          Tatsächlich gelingt es der "Arbeitsgemeinschaft Bonner Künstler" bereits

          1947, eine erste offizielle Kunstausstellung (provisorisch im Rohbau der 3.

          Etage des Bonner Kaufhofes), später auf der Kegelbahn des Bonner Bürger-

          vereins und in der während der Semesterferien freigeräumten Mensa der

          Universität Bonn zu organisieren.

          Nach den Aufzeichnungen der organisatorisch nachfolgenden "Künstlergruppe

          Bonn" nimmt Franz M. Jansen ab 1949 bis 1957/58 regelmäßig an deren

          Sommer-/Herbstausstellungen mit eigenen Werken teil. 

1947  Der Kölner Kunstverein witmet Franz M. Jansen eine Einzelausstellung in sei-

          nen Räumlichkeiten, die einen retrospektiven Überblick über "Das Graphische

          Werk" des Künstlers gibt. Franz M. Jansen zieht sich danach (zur kreativen

          Arbeit) wieder in sein Atelier nach Büchel zurück. Er liest viel und kapselt sich

          zunehmend ab. Vor Ort arbeitet er an der Holzschnittreihe "Wieder einmal"

          (5 Holzschnitte) und bemüht sich um eine Wiederauflage seiner 18-teiligen

          Holzschnittreihe "Menschen von Gestern", die im Kunstverlag von Michael

          Hertz in Bremen nach seinen alten, in Büchel eingelagerten Druckstöcken von

          1928 entsteht. Franz M. Jansen "positioniert" sich damit als ein scharf beob-

          achtender Menschenbildner und früher Kritiker des bürgerlichen Selbstbe-

          wußtseines der 20-er und 30-er Jahre, das nach seiner Meinung "in das

          Desaster des 1000-jährigen Reiches" geführt hat.

Wiederauflage der Holzschnittreihe: "Menschen von Gestern" von 1928

Auszug:  9 von insgesamt 18 Holzschnitten, die Franz M. Jansen bereits 1928

          zum Thema "Menschen von Gestern" angefertigt hatte.

1950  Franz M. Jansen beginnt die Arbeit an seiner Holzschnitt-Reihe "Der Schrei".

          Er subsummiert darin seine Ängste und seine aufkommenden Depressionen.

          Die Reihe - bestehend aus insgesamt 12 Holzschnitten - schließt er 1952 ab.

          Franz M. Jansens Gesundheit ist angeschlagen. Resignierend gesteht er sich

          ein, dass er - obwohl er geachtet und ob seines berufständigen Engagements

          in Künstlerkreisen durchaus akzeptiert ist - stets auf externe finanzielle Unter-

          stützung angewiesen sein wird. Seine Kunst verkauft sich einfach nicht! Hätten

          sie nicht dauernd "Gäste" im Haus, die während ihres Aufenthaltes Miete und

          Logis zahlen, würden beide - Franz und Fifi -  nur noch "von der Hand im Mund

          leben". Die Illusion von der großen Künstlerkarriere, die in jedem "Vollblut-

          künstler" angelegt ist, ist dahin. Es ist kein großartiges, sondern ein sehr

          ärmliches und sehr bescheidenes Leben, das die beiden Künstler in Büchel

          führen.   

1955  Franz M. Jansens Werke werden in einer Doppelausstellung im Städtischen

          Kunstmuseum Bonn sowie im Städtischen Museum Leverkusen, Schloß

          Morsbroich ausgestellt. Befeuert von diesem Erfolg beginnt Jansen seine

          letzte große Werkreihe: "Der Strom". Die Mappe besteht aus 25 Radierungen.

          1957 schließt er dieses Werk ab.

1958  Franz M. Jansen erleidet einen Schlaganfall, an dessen Folgen er am 21. Mai

          1958 in seinem Haus in Büchel verstirbt. Seine Frau, "Fifi" Kreutzer-Jansen,

          verwaltet in den Folgejahren den Nachlass ihres Mannes, bis auch sie infolge

          eines Sturzes im Altersheim von Broscheid am 29. 12. 1977 stirbt. Beide 

          liegen nebeneinander auf dem Friedhof von Hermerath begraben. Das Grab

          ist inzwischen eingeebnet.

Selbstportraits Franz M. Jansen

          Hätte der "Verein August Macke Haus, Bonn" nicht im Rahmen seiner Schrif-

          tenreihe zum Wirken der Rheinischen Expressionisten seine Forschungen zu

          den Biografien von Franz M. Jansen und Fifi Kreutzer veröffentlicht, wären

          beide Künstler sicherlich in Vergessenheit geraten und würden - wie so

          viele andere Künstler auch - zur mittlerweile "vergessenen" Generation

          Bonner Künstler zählen.

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