Franz M. Jansen (1885 - 1958)
1885 Franz M. Jansen erblickt am 4.2.1885 in Köln als ältestes von insgesamt
9 Kindern des Ehepaars Peter Franz Jansen (1855 - 1924) und seiner Frau
Maria Margaretha Jansen, geborene Manstetten (1856 - 1931) das Licht der
Welt. Der Vater ist von Beruf Kaufmann und unterhält im Erdgeschoß des
Hauses Friedensstraße 36-39 in Köln ein eigenes Geschäft. Die Familie
wohnt in der Etage unmittelbar über dem Geschäft. Man führt ein mittel-
ständisches und - typisch für den Kölner Mittelstand - gut bürgerlich-katho-
lisch geprägtes Leben. Der Vater - Peter Franz Jansen - hat eher konserva-
tiv-wertbewahrende Ansichten, ist auf seinen guten Ruf, Ansehen und Ehre
bedacht. Sein erstgeborene Sohn wird auf den Namen Franz Lambert
Jansen getauft.
Abb. links: Abb. rechts:
Die Eltern Peter Franz und Maria Franz Lambert Jansen (mitte) im Kreis
Margarethe Jansen geb. Manstetten von fünf seiner acht Geschwister
1887 Mit der Geburt von Franz Lamberts Schwester Margarete am 17.12.1886
wird die Wohnung in der Kölner Friedensstraße zu klein. Die Familie bezieht
am Kölner Hansaring 45 ein eigenes, neuerbautes Haus. Das mehrstöckige
Wohnhaus existiert heute nicht mehr. Es wurde im 2. Weltkrieg zerstört und
brannte aus.
1891 Franz Lambert wird in die katholische Volksschule "Klingelpütz" eingeschult.
Er ist ein eher schmächtiger Junge, der aber - ganz im Sinne seines Vaters -
"gute Noten nach Hause bringt".
1894 Nach bestandener Aufnahmeprüfung wechselt Franz Lambert zum "Katho-
lischen Gymnasium an Marzellen". Mit seiner rund 565-jährigen Geschichte
ist das heutige Dreikönigsgymnasium (Gründung 1450) eine der ältesten
Schulen im Rheinland und die älteste Schule in Köln. Franz Lamberts Vater
sieht es als Auszeichnung, dass sein Sohn dort angenommen wird. Er be-
zahlt gerne das "nicht geringe Schulgeld". Franz Lamberts schulische Leis-
tungen nehmen in der Folge aber nach und nach ab.
1901 Als eine erneute Klassenwiederholung
droht, geht Franz Lambert mit dem "Einjäh-
rigen" (mittlere Reife) von der Schule ab.
Ein Foto aus jener Zeit zeigt einen für da-
malige Verhältnisse mit relativ langen,
lockigen Haaren ausgestatteten jungen
Mann, dem man - möglicherweise noch
pubertierend - den Wunsch nach mehr
Freiheit - insbesondere nach einer Ab-
lösung aus dem väterlich-geprägten Haus-
halt unterstellen kann. Die Familie Jansen
zählt zu diesem Zeitpunkt bereits 10 Per-
sonen. Franz Lambert fühlt sich "zum
Künstler berufen", muss aber gegenüber
dem Vater diesen Wunsch zurückstellen.
Dieser bestimmt, dass sein ältester Sohn
"Architekt" werden solle. Als Vorausset-
zung für diesen Beruf muss nicht zwin-
gend ein Abitur vorliegen, vielmehr reicht auch die "Mittlere Reife" in Ver-
bindung mit einer fachpraktischen Ausbildung (Lehre) und/oder ein Prak-
tikum bei einem anerkannten Baumeister und der parallele Besuch einer
Berufsfachschule (Baugewerksschule). Franz Lambert beginnt darauf-
hin eine Lehre im Maurerhandwerk.
1903 Die "Maloche am Bau" fordert Franz Lambert Jansens ganze Kraft. Als Lehr-
ling lernt er handfest die Praxis des Mauerns, die mit künstlerischer Gestal-
tung - wie sich schnell herausstellt - faktisch nichts zu tun hat. Die Lehre er-
weist sich für den kunstsinnigen (ehemaligen) Gymnasiasten als "hartes Los".
Er besucht regelmäßig den berufsbegleitenden Unterricht in der "Königlichen
Baugewerkschule zu Cöln". Nach zwei Jahren ist es ihm möglich, aus der
täglichen Praxis des Maurerlehrlings in ein aus seiner Sicht anpruchsvolleres
Praktikum (Volontariat) in das Büro des Kölner Architekten, Bildhauers und
Malers Franz Brantzky (1871- 1945) zu wechseln. Brantzky ist in Köln
"gut vernetzt". Unter anderem ist er in jener Zeit künstlerisch-architektonisch
für das Erscheinungsbild des Kölner Karnevals verantwortlich. Das verschafft
Beziehungen. Brantzky nimmt Franz Jansen "als Schützling unter seine Fittiche". Bei ihm macht Franz 1905 seinen Abschluß als Geselle und hat
damit das notwendige Testat in der Hand, um Architektur studieren zu
können.
1905 Franz Lambert Jansen ist gerade 20 Jahre alt, als er aus seinem Elternhaus
auszieht und sich an der TH Karlsruhe für ein Architekturstudium einschreibt.
Drei Semester lang studiert er Architektur und Kirchenbau bei Prof. Carl
Schäfer (1844-1908), einem Vertreter der späten Neugotik in Deutschland,
der seine Aufgabe darin sieht, "Kunst und Handwerk im Form von Bauhütten
und Werkstätten miteinander zu verschmelzen". Maßgeblichen Einfluß auf
Franz Lambert Jansens Entwicklung hat auch Professor Max Laeuger (1871
- 1952). Max Laeuger ist zum damaligen Zeitpunkt bereits ein weithin aner-
kannter Keramiker und Glasmaler, der in Karlsruhe Gartenarchitektur lehrt
und für komplexe Terassenanlagen mit raffinierten Brunnen- und Wasser-
spielen bekannt ist.
1906 Mit Erreichen der Volljährigkeit (ab dem 21. Lebensjahr) hält es Franz nicht
mehr in Karlsruhe. Er will hinaus, will Neues erkunden, die Welt sehen "und
endlich auf eigenen Beinen stehen". Sein Vater unterstützt ihn finanziell -
sicherlich nicht ohne Stolz - dass sein erstgeborener Sohn auf dem Wege zu
einem vermeindlich soliden Architekten ist. Franz Jansen zieht nach Wien um,
schreibt sich formal an der Akademie der Künste in Wien ein und berichtet
seinem Vater, dass er Schüler des berühmten Otto Kolomann Wagner (1841
-1918) sei und neben dem Studium bereits eigenes Geld in dessen Wiener
Stadtplanungsatelier verdiene. Zahlreiche öffentlich-repräsentative Gebäude
stammen planerisch aus Wagners Atelier, in dem dieser ein ganzes "Heer
von Architekturstudenten", darunter auch Franz Lambert Jansen, beschäftigt.
Otto Kolomann Wagner ist "Baulöwe", Künstler und Lebemann in einem. Sein
Lebensstil imponiert dem angehenden Architekten. Mit dem Geld, das er bei
Otto Wagner verdient und einem Stipendium, unternimmt er Reisen, die ihn
nach Ungarn, Bosnien, Montenegro, Dalmatien, nach Italien und in die
Schweiz führen. Doch in der Architekturklasse der Wiener Kunstakademie ist
er nur einer von vielen Studenten. Um am Ball zu bleiben, muß Franz viel
büffeln. Das frustriert ihn - zumal er mehr und mehr das Leben eines
studentischen Bohemien in Wien führt. Innerlich reift sein Entschluß, sich
mehr der Malerei zuzuwenden. Er möchte kreativer sein, fühlt, dass in der
Auseinandersetzung mit der zeitgenössischen Malerei ein ungleich höheres
künstlerisches Potenzial steckt, als in der Baukunst.
Tatsächlich ist Wien - um 1906 herum - ein Schmelztiegel für malerische
Experimente. Gustav Klimts Bilder erwecken Aufsehen. Der "Jugendstil" -
beeinflußt durch den in Paris lebenden Tschechen Alfons Mucha -
beherrscht weitgehend das malerische Umfeld, klingt aber bereits wieder ab.
Ideal für den malerischen Autodidakten Franz Jansen, der sich durch
Nachahmung und Adaption den "Jugendstil" systematisch aneignet.
Formal belegt der Architekturstudent weiterhin die einschlägigen Archi-
tekturkurse an der Wiener Kunstakademie. Sein Herz gehört aber der
Malerei. Er fühlt sich (zum Künstler) berufen, versteckt dies aber vor
seinem Vater. In Wien führt er ein ungebunden-freies Leben. Er geht
diversen "Amouren" nicht aus dem Weg, schwängert ein hübsches tsche-
chisches Aktmodell und wäre wahrscheinlich bei ihr "hängengeblieben",
wenn ihr gemeinsames Kind nicht tot geboren worden wäre.
1908 Als Franz Lambert Jansen seine Familie in Köln besucht - Vater, Mutter, zwei
Schwestern und - außer ihm - sechs jüngere Brüder - richtet er sich in der
Mansarde des elterlichen Wohnhauses am Kölner Hansaring 45 ein Atelier
ein. Wohl um seinem Vater mit seiner Malkunst zu imponieren, erstellt er
ein großes Triptychon "Familienbild", auf dem er - ganz im Jugendstil ge-
halten - seine Familie portraitiert. Das Bild ist auf Papier und Leinen als
konturierte Zeichnung mit durchgängiger Colorierung in Aquarell- , Gouache-
und Ölfarben gefertigt. Möglicherweise sollten die drei einzelnen Teile ur-
sprünglich zur Anfertigung eines Paravents dienen. Solche drei- oder
vierflügeligen Paravents kamen damals sowohl in New York, wie in Paris
und Wien "groß in Mode" und wurden dort als Kunstobjekte meist über
Galerien vertrieben.
Franz Lambert Jansen lernt zum Jahresende 1908/1909 auf einem Ball in
der Kölner Südstadt die 17-jährige Mathilde Kreutzer, eine Tochter des
Oberstudiendirektors Dr. Johannes Peter Kreutzer und seiner Gemahlin
Bertha Kreutzer, geborene Höfken, kennen. Man schließt Freundschaft und
korrespondiert in der Folgezeit immer öfter miteinander. Franz vertraut
Mathilde Kreutzer sein "Seelenheil" an und findet bei ihr tiefes Verständnis
und Bestätigung seiner Einstellungen.
Auch Mathilde Kreutzer ist künstlerisch
tätig, auch sie bildet sich autodidaktsch
weiter. Beim standesgemäßen Besuch
der "höheren Töchterschule" hat sie das
Sticken erlernt und erhebt es in der Fol-
gezeit zu einer eigenen Kunstform.
Ihre ersten Stickbilder verkauft sie inner-
halb der Verwandtschaft und als eine
ihrer Tanten darüber anmerkte, sie sei
ein wahrer "Pfiffikus", ist ihr Spitzname
"Fifi" geboren. Fortan wird sie nur noch
"Fifi" gerufen.
Eines ihrer Stickbilder, ein etwa 100 x
300 cm (h x b) großes Wandfries wird
später - wegen seiner expressionis-
tischen Motiv- und Farbauffassung mehr-
fach ausgestellt. Fifi behält dieses Früh-
werk "Drachentöter" zeitlebens in eige-
nem Besitz.
1909 Im Laufe des Jahres wendet sich Franz Lambert Jansen in Wien mehr und
mehr der Malerei zu. Die Architektur verliert zunehmend an Reiz. Franz fühlt
sich - wie viele seiner Mitstudenten auch - von Otto Kolomann Wagner ausge-
nutzt. Er fordert sie, kritisiert sie und übernimmt doch deren Resultate in
eigene Entwürfe. Das ist üblich und das gutes Recht eines Professors, aber
"irgendwie kratzt das Absaugen studentischer Kreativität" am Selbstwertgefühl
der Studierenden. Wie anders ist da die Malerei! Sie bildet einen eigenen
kreativen Kosmos, in dem man sich "austoben" und seine eigene Handschrift
entwickeln kann. Während in der Architektur einem kreativen Entwurf durch
Materialwahl, Konstruktion und Statik deutliche Fesseln angelegt sind, ist
die Malerei völlig frei. Motive und Bildinhalte sind in Gestalt, Form, Farbe und
Grafik prinzipiell frei gestaltbar. Stilistische Vorgaben von Professoren kann
man autodidaktisch umgehen. Das hat aber seinen Preis: Auf einen formalen
Studienabschluß - wie er bei Architekten üblich ist - muß man in der freien
Kunst - insbesondere in der Malerei - gegebenenfalls verzichten können.
Das tut Franz Lambert Jansen. Er gibt Ende 1909 sein Architekturstudium
ohne Abschluß auf und kehrt nach Köln in sein Elternhaus zurück, um sich
ganz der Malerei zu witmen. Aus dieser Zeit stammt wohl auch das frühe
Ölgemälde "Totenmaar /Weinfelder Maar", das ein damals geradezu "klassi-
sches Motiv" nahezu aller zeitgenössischen Eifelmaler aufnimmt (Siehe dazu
auch das Künstlerprofil von Carl Nonn). Im Gegensatz zu seinen naturalis-
tisch arbeitenden Künstlerkollegen, "erprobt" Franz Lambert Jansen bereits
früh eine neue Maltechnik, die von der Auflösung der linearen Motivkontur
durch "nebeneinandergesetzte Farbflächen" und einer grob "ineinander ver-
wischten Pinselführung" auf der Leinwand ausgeht. Obwohl sich Franz Lambert
Jansen die neue Maltechnik weitgehend autodidaktisch beibringt, erreicht er
schon bald eine erstaunliche Fertigkeit darin, Motive in dieser sehr eigenen,
überwiegend auf Farbkontrasten aufbauenden Sicht- und Malweise umzu-
setzen.
Franz Lambert Jansen: Erprobung einer neuen Maltechnik mit Auflösung linearer Motivkonturen und "Ersatz" durch nebeneinandergesetzte Farbkontrast- und Farb-Strukturfelder (kontrastie-
rende Pinselführung, pastöser Farbauftrag und Farbvermischung auf der "nassen" Leinwand etc.)
Sammlung: Michael Hümmer: Sammlungsnummer: 2017. 043.
Nach dieser Phase der künstlerischen "Farberprobungen und Farbexperimen-
te" verlegt sich Franz Lambert Jansen wieder auf das Linear-Konturhafte. Er
erkennt, dass er zunächst "die Linie als Basiselement jedes Motivs voll und
ganz beherrschen muß", ehe er sich "an die Farbe wagen" kann. Konsequent
erweitert er sein Atelier in der Mansarde des elterlichen Wohnhauses um ein
kleines Druckatelier, in dem er eine Rollenpresse für (kleinformatige) Radie-
rungen aufstellt. In der Folgezeit übt er sich in der Technik der Radierkunst
und dem Abzug von Kaltnadelradierungen sowie von Holz- und Linolschnitten.
Seine diesbezüglichen Experimente sind vielversprechend. Schon bald ver-
fügt er über einen ersten Fundus an vorzeigbaren graphischen Blättern.
Zunehmend läd er Malerfreunde, Galeristen und Kunstkritiker - darunter
überwiegend Literaturkritiker - in sein Atelier ein. Vielen Besuchern bleibt
Jansens Kölner Atelier am Hansaring 47 vor allem wegen seiner komplett
gelben Raumfarbe in Erinnerung.
Frühwerk: Linolschnitte zu Gedichten von Walter Laue 1912
1910 Nicht ohne Kalkül tritt Franz Lambert Jansen dem kurz zuvor gegründeten
Kölner Künstlerbund - zunächst als Gastkünstler - bei. Das hat seinen Grund.
Das Gereonshaus in Köln (Gereonsstraße 18-32) befindet sich nach dem
Rohbau gerade in der Ausbauphase. Neben Büros und Vertretungen für
rund einhundert Firmen sollen im Erdgeschoss des repräsentativ-großzügig
geplanten Gebäudekomplexes u.a. Ausstellungsflächen und im Hinterhaus-
gebäude einige Künstlerateliers für Mitglieder des Kölner Künstlerbundes
bereitgestellt werden. Tatsächlich ist die Malerin und Holzschnittkünstlerin
Olga Oppenheimer (1886-1941) eine der ersten Mieterinnen eines Ateliers
im Gereonshaus. Ihr Vater - der Bankier Oppenheimer - finanziert den Bau
des Gereonshauses. Olga richtet Ende 1910 in ihrem neuen Atelier eine Mal-
schule ein, die sie zusammen mit ihrer Freundin Emmy Worringer betreibt.
Franz Lambert Jansen macht die Bekanntschaft beider Künstlerinnen, die
Gründungsmitglieder des Kölner Künstlerbundes sind. Olga Oppenheimers
späterer Schwager - Emmy Worringers Bruder - Wilhelm Worringer ist ein
bekannter Kölner Kunsthistoriker, der in Köln bestens vernetzt ist. Er orga-
nisiert die ersten Ausstellungen des Kölner Künstlerbundes. Jansen macht
seine Bekanntschaft und nimmt daraufhin (als Gastkünstler) an der 2. Aus-
stellung des Kölner Künstlerbundes im Kölnischen Kunstverein teil.
Über Olga Oppenheim lernt Jansen den Bonner Maler August Macke kennen.
Dieser sammelt damals einen Kreis von Kölner Maler und Malerinnen um sich.
Unter der Leitung von August Macke finden im Gereonshaus ab 1910 regel-
mäßige wöchentliche "Jour fixe"-Künstlertreffen im Atelier von Olga
Oppenheimer statt, bei denen man Trends und Tendenzen in der zeitgenös-
sischen Kunst analysiert, bespricht und diskutiert.
1911 Vom Erfolg der "Jour-fixe" Künstlertreffen in Olga Oppenheimers Atelier im
Gereonshaus ermutigt, gründet Franz Lambert Jansen mit Olga Oppenheimer,
deren Freundin Emmy Worringer und Wilhelm Worringer den "Kölner
Gereonsklub". Schon bald finden sich einflußreiche Kölner Gönner, Förderer
und Kunstsammler, so dass "der Klub" in eigene Räumlichkeiten umziehen
kann. Damit zur Institution in Avantgarde-Kreisen geworden, ziehen die
Samstagsveranstaltungen bald auch Museumsdirektoren aus Düsseldorf,
Frankfurt und Dresden an. Ein übriges tut August Macke, der mit seinen
vielfältigen Kontakten in die Münchner Kunstszene in den Folgejahren Wilhelm
Worringer dabei behilflich, Ausstellungen von Franz Marc (1911) und der
Gruppe "Blauer Reiter" (1912), von Paul Klee (1912) und Robert Delaunay
(1913) in Köln zu organisieren. Im Gereonsklub trifft Franz Jansen auf den
jungen Kölner Museumsdirektor Dr. Hagelstange, der als Ausstellungskurator
und "Kunstpräzeptor" einen "besonderen Riecher" für zeitgenössische Kunst-
strömungen beweist. Er ist es auch, der die vom Düsseldorfer Sonderbund
geplante große Kunstausstellung - nach zwei vorherigen Jahresausstellungen
in Düsseldorf - schließlich nach Köln zieht und zu der berühmten "Ausstellung
am Aachener Tor" ausbaut. Franz Jansen nimmt an den beiden Jahresaus-
stellungen des Sonderbundes in Düsseldorf ebenso wie an der Kölner Sonder-
bund- Ausstellungen mit ausgewählten grafischen Arbeiten/Plakaten teil.
1912 Kölner Sonderbund-Ausstellung
Dr. Hagelstange setzt mit Unterstützung anderer namhafter Kuratoren und
Künstler unter Federführung von August Macke durch, dass die Maler der
"Brücke" (Berlin) und des "Blauen Reiters" (München) in Köln Berücksich-
tigung finden. Und so sollte es eine wahrhaft epochemachende Ausstellung
avantgardistischer Strömungen werden, die 1912 in Köln stattfindet.
Die Ausstellung schockiert und wird - wohl aus allgemeinem Unverständnis
vor allem Ungewohnten und Neuen - in weiten Kreisen der Bevölkerung
abgelehnt. Letztendlich aber vereinigt die Kölner Sonderbund-Ausstellung
von 1912 in Deutschland alles, was später Rang und Namen hat: van
Gogh, Degas, Gauguin, Cesanne, Picasso, Matisse, Munch, Liebermann und
Dix, Kirchner, Heckel, Kokoschka, Kandinsky, Nolde, Marc, Macke, Pechstein
und viele andere mehr (Siehe dazu auch das Künstlerprofil des "vergesse-
nen" Bonner Malers Eugen Kerschkamp).
Franz Lambert Jansen ist mitten drin, umgeben von den "Impulsträgern
der Modere"! Er kommentiert im Gereonsklub: "Welch ein Umbruch, welch
eine Revolution! Der absolute Kontrast zur "Scheinmonumentalität" des
(Kaiser-)Reiches draußen".
In der "Kölner Sezession" - die Franz Jansen 1911 mitgründet - später auch
in der "Berliner Sezession" - der Franz Jansen im Herbst 1912 beitritt - finden
sich die Avantgardisten organisatorisch zusammen.
Sechs Tage aus dem Leben eines Knaben (Linolschnitte)
Auszug: 4 von 8 kolorierten Linolschnitten (nach einer spukhaften Träumerei)
links oben: "Träume" Linolschnitt, koloriert, 17 x 22.3 cm
links unten: "Krankheit" Linolschnitt, koloriert, 16 x 21,3 cm
rechts oben: "Hoffnungen" Linolschnitt , koloriert, 21,2 x 23,9 cm
rechts unten: "Begräbnis" Linolschnitt, koloriert, 15,6 x 18,9 cm
1913 Franz Lambert Jansen eigene künstlerische Entwicklung ist im wesentlichen
durch seine Wahl des künstlerischen Ausdrucksmittels - der Radierung sowie
dem Holz- und Linolschnitt vorgegeben. Zwar versucht er sich in dieser Zeit
auch an Ölgemälden (u.a. gewinnt er die silberne Medaille der Stadt Köln für
sein Panoramabild "Am Rhein"), doch sind es vor allem seine frühen grafi-
schen Mappenwerke und Zyklen, die ihn bekannt machen. In kurzer Zeit
entsteht der Zyklus: "6 Tage aus dem Leben eines Knaben" (8 Linolschnitte),
dann - anläßlich einer Reise nach Italien, die ihn 1913 nach Venedig führt, der
Zyklus: "Die schwarzen Gondeln" (16 Radierungen). Schließlich die Mappe:
"Die Industrie" (7 Radierungen) und die Mappe: "Der einserne Rhein" (10
Radierungen). Die beiden letztgenannten Mappen entstehen bei dem
befreundeten, gleichaltrigen Maler Ernst Isselmann (1885- 1916) in dessen
Atelier im Brückenturm der Ruhrort-Homberger Rheinbrücke in Duisburg.
Franz Lambert Jansen wohnt einige Zeit bei Ernst Isselmann, der ein begeis-
teter Segler ist. Sie unternehmen "so manche Tour" gemeinsam.
Die Schwarzen Gondeln Kaltnadelradierungen nach Venedigmotiven
Auszug: 4 von 16 Kaltnadelradierungen (nach Motiven aus Venedig)
links oben: "Kleiner Kanal" Kaltnadelradierung, 17,1 x 14,3 cm
links unten: "Phantasien II" Kaltnadelradierung, 15,3 x 20,5 cm
rechts oben: "Totengondeln" Kaltnadelradierung, 17,1 x 14,2 cm
rechts unten:"Spaziergang am Kanal, Kaltnadelradierung, 14,3 x 17,2 cm
Die Industrie Kaltnadelradierungen (nach Duisburger Motiven)
Mappe mit 7 Kaltnadelradierungen von Franz M. Jansen und 7 lithographischen Arbeiten von Ernst Isselmann. Der Mappe wurden 2 x 7 (14) Gedichte aus den
"Eisernen Sonetten" von Josef Winkler zugefügt. Jansen und Isselmann legten
zudem jeder verkauften Mappe je eine individuelle Handzeichnung bei.
Ausstellung "Rheinische Expressionisten"
August Macke läd Franz Jansen zu einer Beteiligung an der inzwischen legen-
dären Ausstellung "Rheinische Expressionisten" im Kunstsalon Friedrich Cohen
in Bonn ein. August Macke wollte mit dieser Ausstellung einen Kontrapunkt zu
dem "Blauen Reiter" sowie zur Berliner "Brücke" setzen und gleichzeitig auf
den rheinischen Raum als eigenständige Kunstregion aufmerksam machen.
Jansen sieht sich selbst zu dieser Zeit nicht als stilreinen Expressionisten. Im
Gegenteil. Aber seine Art, die Welt zu sehen, wird von August Macke als eine
individuelle Form von Expressionismus gedeutet. Jansen bewundert August
Macke wegen dessen ungeheurer Eloquenz und künstlerischer Überzeugungs-
kraft. "Ich habe nie einen anderen Maler kennengelernt, der eine solche phy-
sische und psychische Präsenz ausstrahlt" schreibt Franz Jansen damals. Er
nimmt die Einladung dankend an und gilt seither als rheinischer Expressionist.
1914 Franz Lambert Jansen ist sich bewußt, dass sein Bekanntheitsgrad als Künstler
in nicht unerheblichen Maße von seiner Präsenz in Kunstausstellungen sowie
von der wohlwollend-verständnisvollen Rezeption seiner Werke durch andere
Künstler, Kunstkritiker und Sammler abhängig ist. Er weitet sein Beziehungs-
geflecht systematisch aus, wird 1913 Mitglied im Deutschen Künstlerbund,
erhält im Januar 1914 eine eigene Einzelausstellung im Wallraff-Richartz-
Museum Köln, gründet in Köln die "Rheinische Künstlervereinigung" und
schließt sich der Künstlergruppe: "Werkleute auf Haus Nyland" an. Im Sep-
tember 1914 fällt August Macke an der Westfront - gerade mal 6 Wochen,
nachdem er eingezogen worden war. Franz Jansen wird 1915 - wohl aufgrund
seiner (abgebrochenen) Architektenausbildung zum Militär-Bauamt einge-
zogen. Für drei Jahre (bis zum Kriegsende 1918) wird Koblenz sein Stand-
ort sein. Koblenz ist genügend weit von der Kampffront entfernt. Hier ent-
steht der 22-teilige Linolschnittzyklus: "Der Krieg" sowie einige Farblitho-
graphien. Die Abzüge macht er auf der Druckpresse in seinem Kölner Atelier.
Seine Künstlerkontakte hält er - soweit dies in den Kriegszeiten möglich ist -
aufrecht. Er arbeitet 1916 an einem neuen Radier-Zyklus, den er "Ein
Prophet" nennt.
Heirat mit Mathilde (Fifi) Kreutzer
1917 Gegen den Widerstand seiner Eltern heiratet Franz Lambert Jansen am 3.
Februar 1917 Mathilde (Fifi) Kreutzer. Mit diesem Tag wird aus Franz Lambert
Jansen Franz M. Jansen (wobei M. für den Vornamen seiner Frau Mathilde
steht). Um den elterlichen Vorhaltungen aus dem Weg zu gehen, gibt Franz
sein Dachatelier im elterlichen Wohnhaus auf. Sie ziehen in das Dorf
Winterscheid (im Siegkreis). Franz bleibt in Koblenz kaserniert. Das Ehepaar
sieht sich in der Folgezeit nicht sehr oft. So bleiben nur die Wochenende, an
denen das Paar meist Wanderungen an Rhein und Mosel unternimmt. Fifi
Kreutzer ist eine naturverbundene junge Frau. Ihre Wohnung in Winterscheid
ist ungeheizt, ohne Wasser und Strom und sehr kärglich eingerichtet. Aber
das scheint Fifi nichts auszumachen. Sie ist ebenfalls künstlerisch tätig,
stellt aber sich und ihre eigene Kreativität selbstgenügsam hinter der ihres
Mannes zurück. Der "Gasthof Linke" in Felderhofenbrücke wird noch zu
Kriegszeiten ein Zufluchtsort für Literaten und Maler aus dem rheinischen
und sauerländischen Bereich. Hier trifft man sich und führt die Tradition der
wöchentlichen Künstlertreffen des inzwischen aufgelösten Gereonklubs in
Köln fort. Mit dem Ende des 1. Weltkrieges wird Franz M. Jansen (Ende 1918)
aus dem Militärdienst entlassen. Er ist wieder Zivilist. Als Künstler - und das
bleibt trotz der Notzeiten unverrückbar Franz M. Jansens Profession - sieht er
seine Aufgabe darin, kritisch-analytisch die Entwicklung der bürgerlichen Ge-
sellschaft und der Arbeiter zu hinterfragen, gesellschaftliche Modelle und
- wo nötig - auch Utopien für ein soziales Zusammenleben zu entwickeln,
politisch aktiv, ja agitativ zu werden. Er ist kein Radikaler, predigt keinen Um-
sturz, keine Revolution. Wohl aber das Primat des Kulturellen! Jansen hält
einen Vortrag auf dem "Gesamtdeutschen Aktivistenkongress" 1919 in Berlin.
Er steht dem "Politischen Rat geistiger Arbeiter" unter dem Vorsitz von Kurt
Hiller nahe, den er seit 1917 kennt. Er sieht sich als "geistiger Arbeiter"
- eben als Künstler! Sein Arbeitsergebnis besteht nicht aus handwerklichen
oder industriellen Produkten, sondern aus zeitgenössisch-kulturbildenden
Objekten, wie sie von Literaten, Malern, Bildhauern und Architekten erzeugt
und hergestellt werden. Seit seiner Entlassung aus dem Militärdienst lebt
Franz M. Jansen mit seiner Frau Fifi Kreutzer in sehr ärmlichen Verhältnissen
in der Wohnung in Winterscheid. Er findet seine Eltern in Köln als deutlich
gealterte und inzwischen gebrechlich gewordene Personen vor. Sie können
keinen weiteren Beitrag zu seinem Unterhalt mehr leisten. In Winterscheid
fällt dem Ehepaar Jansen "die Decke auf den Kopf". Man ist arg weit weg
vom Schuß! Vor allem Franz braucht "Stadtluft", braucht den Austausch und
die Auseinandersetzung mit anderen Künstlern. Man beschließt - auf Ein-
ladung des Literaten Richard Dehmel - einen neuen Anfang in Hamburg zu
machen.
1920 Der mit großen Erwartungen begonnene Neuanfang in Hamburg mißrät.
Bereits nach einem halben Jahr müssen Franz und Fifi Hamburg wegen
"chronischen Geldmangels" wieder verlassen. Richard Dehmel, sein Freund
und Gönner, erkrankt schwer und verstirbt am 8. Februar 1920. Franz stellt
den Holzschnitt-Zyklus: "Die Großstadt" - bestehend aus 26 Blättern - sowie
den Zyklus: "Industrie" (10 Radierungen) fertig. Ein kommerzieller Erfolg ist
damit nicht verbunden. Franz M. Jansen versucht sich als Schriftsteller, hält
Kontakt zu den Redaktionen verschiedener Kulturzeitschriften und liefert
unter anderem für den "Sturmreiter" einen Nachruf auf Richard Dehmel,
der im März 1920 erscheint. Danach bereitet Franz M. Jansen - inzwi-
schen übergangsweise mit seiner Frau Fifi zu deren Eltern nach Köln, später
dann aber wieder nach Winterscheid zurückgezogen - zusammen mit dem
"Arbeiter-Dichter" Christoph Wieprecht und dem Poeten Carl Maria Weber -
eine zweite Vortragsreihe für den "Gesamtdeutschen Aktivistenkongress"
vor. Wieprecht, Weber und Jansen gründen zusammen den "Bund für schöp-
ferische Arbeiten". Sie "touren" mit ihren Vorträgen durch Bayern und
Thüringen.
1921 Franz M. Jansen versteht sich als interdiszipinär arbeitender Künstler. Er ist
Schriftsteller und zugleich auch Bildender Künstler und Grafiker.
Zweifellos hat er ein besonderes Faible für die zeitgenössische Dichtkunst. Mit
den Jahren hat er sich ein beachtlich, sehr fundiertes Hintergrundswissen an-
geeignet. Er liest viel, liebt Lyrik, analysiert und "erlebt" Dichtung fast intuitiv.
Es sind unter anderem die Poeme bekannter oder unbekannter Dichter, die ihn
zu seinen Radierungen anregen. Besonderen Raum nimmt für ihn die neue
Gattung der "Industriedichtung" ein. Poeme, die in ihrem sprach-bildne-
rischem Kontext die körperliche Arbeit der Menschen an Maschinen zum
Thema haben, die die gegenseitige Beeinflussung von Natur- und Indus-
trielandschaften aufzeigen oder nur einfach eine Phänomenbeschreibung
bespielsweise von Technik, Kraft, Wucht, Impuls und Geschwindigkeit liefern.
In solchen Texten "sieht" Franz M. Jansen Bilder, die er in Radierungen sowie
in seinen Holz- und Linolschnitten einzufangen sucht. Er verbindet auf diese
Art Lyrik und Bildende Kunst. Viele seiner Zyklen und Mappenwerke bein-
halten gleichrangig nebeneinander Gedichte und Grafiken. Doch vom Verkauf
der verhältnismäßig kleinauflagigen Editionen kann der Künstler nicht leben.
Daher - und wer will ihm das verübeln - "produziert" er als "geistiger
Arbeiter" eben auch Verkaufbares: Reisebeschreibungen, Kommentare und
Feuilleton-Beiträge für Zeitschriftenredaktionen, illustriert mit eigenen Bildern,
meist Radierungen (Strichätzungen) von typischen Landschafts-Idyllen und
Sehenswürdigkeiten.
Die Kölner Galerie Goyert richtet im Herbst 1921 eine Einzelausstellung seiner
Werke aus.
1922 Franz M. Jansen und seine Frau Fifi ziehen nach Felderhofbrücke in die Nähe
des "Gasthofs Linke" (heute Bröleck im Siegkreis) um. Walter Linke und seine
Frau Helene nehmen das Künstlerpaar "unter ihre Fittiche". Der "Baas", wie
Franz seinen Förderer und Mäzen Walter Linke nennt, läßt ein Stallgebäude
in Felderhofbrücke zu einem Wohn- und Atelierhaus ausbauen, das er kosten-
und logisfrei den beiden Künstlern zur Verfügung stellt. Die laden andere
Künstler und Künstlerinnen, Dichter, Maler und Bildhauer zu sich ein und
sorgen so dafür, dass der Gasthof Linke weiterhin einer der Treffpunkte der
künstlerischen Boheme aus dem Raum Köln/Bonn, dem rheinischen und dem
siegerländischen Bereich wird (respektive bleibt).
1923 In der Folgezeit hält es Franz M. Jansen kaum an einem Ort. Er ist nun viel-
fach als Reiseschriftsteller tätig, besucht in Begleitung seines "meisterlichen
Lichtbildners Peter" - unter diesem Decknamen verbirgt sich seine damalige
Geliebte Sophie Gerl - die Regionen Frankens, Süddeutschlands, Österreichs,
Jugoslawien und Oberitaliens.
Sophie Gerl (1891-1969) ist eine ausgebil-
dete Fotografin, Schülerin und Assistentin
von August Sander. Später absolviert sie
die angesehene "Münchner Fotoschule".
Auf Sanders Vermittlung hin begleitet sie
den Reiseschriftsteller Jansen mit ihrer
Kamera, fotografiert Land, Leute, Kultur
und Kunstwerke. Ihre "Illustrationsfotos"
bietet sie den Reisebuchverlagen an, für
die Franz M. Jansen arbeitet. Die gemein-
same Arbeit schweißt die beiden zusam-
men. Sofie wird Franz Geliebte.
Auch seine Frau Fifi nimmt sich eine "Aus-
zeit von der Ehe". Sie geht eine Liason mit
dem Sohn von Walter und Helene Linke,
ihren Gastgebern und Gönnern ein. Wie
offen die Ehe der Jansens war, kann man
daran ermessen, dass Sophie Gerl fortan
bei ihnen wohnt und bis zu ihrem Lebensende 1969 eine enge Freundin von
Fifi Kreutzer ist und bleibt. Sophie dokumentiert fotografisch das Bohemien-
Leben in Felderhofbrücke, fotografiert die Gäste, Maler und Dichter, Literaten
und Kunstkritiker (samt ihrer Frauen), die im "Gasthof Linke" ein "offenes
Haus für jede Form von Kunst" finden, für Dichterlesungen und szenische
Spiele, für Vorträge, Mal- und Zeichenausflüge, für zünftige Künstlerfeiern,
vor allem aber für Gespräche und Diskussionen über die Trends und Strö-
mungen in der zeitgenössischen (Avantgarde-)Kunst.
Auf den Reisen von Franz M. Jansen entstehen in dieser Zeit eine Reihe von
Radierungen mit dem Titel: "Österreichische Landschaften" (1923) und
"Zeitgenossen" (1923), dann der große, 32 Radierungen umfassende Zyklus:
"Der Rhein" (1924/1925), schließlich die "Dalmatinischen Radierungen"
(1929) und weitere grafische Mappenwerke.
Ölgemälde
Immer wieder versucht sich Franz M. Jansen an großen Ölgemälden und hat
damit Erfolg. Insbesondere für seine großen, musealen Landschaftsgemälde
- meist mit rheinischen Motiven (Bröhltallandschaft etc.) - erhält er offizielle
Kunstpreise und Auszeichnungen. In den Zwanziger Jahren häufen sich die
Ausstellungen, an denen er beteiligt ist. Die Presse berichtet über ihn. Sein
Name wird bekannt. Franz M. Jansen erhält nun zunehmend Aufträge,
arbeitet erstmals "auf Bestellung" und kann gut davon leben. Auch "Fifi" hat
in seinem "Schlepptau" Erfolg, ordnet sich und ihren Erfolg aber stets ihrem
Mann und seinen Plänen unter.
Franz M. Jansen nimmt in seinen Ölgemälden die stilistischen Anregungen von
seinen Freunden und Künstlerkollegen auf und "erprobt" deren Wirkung in der
Anwendung auf eigene Motive. Neben dem damals vorherrschenden Natura-
lismus "adaptiert" er (stilrein) die expressionistische Malweise, erprobt den
"Surrealismus" und den damals aufkommenden Stil der "transzendentalen
Ätherik". Letztendlich läßt er sich aber nicht auf einen spezifischen Malstil
festlegen.
1933 Mit Hitlers Machtergreifung ändern sich die Rahmenbedingungen für "deutsche
Kunst". Franz M. Jansen und Mathilde (Fifi) Jansen stellen einen Antrag auf
Mitgliedschaft in der Reichkulturkammer und werden (gemeinsam) noch im
selben Jahr "ohne Beanstandungen" in die Reichskammer der Bildenden
Künste in Berlin aufgenommen. Das sichert dem Künstlerehepaar in den
Folgejahren Aufträge der öffentlichen Hand. Immerhin soviel, dass sie im
nahen Büchel ein freistehendes, mehrstöckiges Haus "in freier Natur" planen
und erbauen können.
Neben einer "völkisch-nationalen" Kunst propagieren die Nationalsozialisten
auch Motive aus der Arbeiterwelt, die im Sinne einer stets vorbildlich "schaf-
fenden Heimat" dargestellt werden sollen. Franz M. Jansen 1933 neuentstan-
dener Radierzyklus mit dem Titel "IG-Farben - Leverkusen" kommt diesen
Vorstellungen bereits sehr entgegen.
1937 Als im Zuge der Eliminierung entarteter Kunst die "NS Künstler-Kommis-
sion" (bekannt geworden nach ihrem Leiter als "Ziegler-Kommission") ein
unbeschränktes Sichtungs-, Zugangs- und Zugriffsrecht auf alle in öffent-
licher Hand befindlichen Museums-, Depot- und Lagerbestände in Deutschland
erhält, werden insbesondere die von vielen Museumsleitern vorsorglich in die
Museumsdepots ausgelagerten "undeutschen" Kunststücke konfisziert und be-
schlagnahmt. Darunter auch einige Werke von Franz M. Jansen aus seiner
frühen (expressionistischen) Zeit.
Dies gereicht dem Künstler aber nicht zum Nachteil, da die NS-Gauleitung in
Köln in der Konfiszierung eine "leider notwendige (volkserzieherische) Maß-
nahme" zur "Glättung des Lebenslaufes" eines ansonsten anerkannten und
verdienstvollen deutschen Kunstschaffenden sieht und den "Mantel des
Schweigens" über seine frühere "Verirrungen" ausbreitet. Immerhin hat Franz
Jansen ab 1933 namhafte Werke im öffentlichen Raum entworfen und reali-
siert, so unter anderem das Wandbild "Rheinlandschaft" für den Neubau der
Kölner Universität, Wandbilder für die Wehrmachtskasernen in Lüdenscheid
und Aachen, für die Kölner Markthallen und für das Foyer des Opernhauses
in Köln.
1944 Bis zur Endphase des zweiten Weltkrieges bleibt Franz M. Jansen in seinem
Haus in Büchel weitgehend unbehelligt. Um finanziell "über die Runden zu
kommen", hat "Fifi" ihre rentenempfangsberechtigte Mutter zur Pflege zu sich
genommen. Man rückt notgedrungen zusammen, teilt das Haus in mehrere
Atelierwohnungen auf und vermietet diese.
Im Garten baut man etwas Gemüse an und tauscht dieses gegen Lebens-
mittel - vor allem aber gegen Farben und Malmittel ein. Aus frisch geschla-
genem Holz fügt man Bretter für Druckstöcke (Holzschnitte) zusammen, die
aber schon nach kurzer Zeit krumm werden und reißen und damit nur noch
zum Feuermachen zu gebrauchen sind.
Dann wird Franz M. Jansen - inzwischen fast 60-jährig - zum "Volkssturm"
eingezogen. Es gilt, die Heimat zu verteidigen!
1945 Es sind niederschmetternde Kriegserlebnisse, die der "überalterte Soldat
Jansen" während seines Einsatzes im Volkssturm traumatisieren: Er fürchtet
alliierte Tiefflieger, die einfach auf alles schießen, was sich vor ihnen auf
Straßen, Wegen und Pfaden bewegt. Er fürchtet die unheimlich gleißenden
"Christbäume", die nachts die Zielgebiete für Spreng- und Brandbomben
illuminieren und einen elenden, vieltausendfachen Tod der Bevölkerung
ankündigen. Er fürchtet die vorrollenden Panzer, die auf Wiederstandsnester
in Schützengräben zufahren, über ihnen drehen und alles Leben unter ihren
Ketten "zermalmen". Und er fürchtet den sinnlosen finalen Häuserkampf, zu
dem sie aufgefordert werden und in dem von einer auf die andere Sekunde
der Kamerad neben einem durch Granaten und Kugeln regelrecht zerfetzt
wird. Der Künstler hält dies psychisch nicht durch. Er rastet aus, wird sedi-
tiert, schließlich dauerkrank und in ein Lazarett eingeliefert. Lange ist unklar,
ob er überleben wird.
Als er schließlich aus dem Lazarett entlassen wird, ist er pysisch und psy-
chisch ein "gebrochener" Mann. Der Lazarettarzt rät ihm, zur allmählichen
Überwindung seiner traumatischen Erlebnisse zu schreiben und zu malen.
"Sie sind doch Dichter und Maler in einer Person! Machen Sie was daraus!
Sie können das!"
1946 Zurückgekehrt nach Büchel, "vergräbt" sich Franz M. Jansen zunächst für
einige Zeit in seinem Atelier. Fifi läd Freunde, Bekannte und künstlerische
Wegbegleiter ihres Mannes in ihr Haus ein. Auf den Zusammenbruch muss
einfach ein neuer Anfang folgen! Mit vereinten Kräften gelingt es ihr und
seinen Künstlerfreunden, ihren Mann wieder aufzurichten und ihm neue
"Perspektiven" aufzuzeigen. Er wird gebraucht. Und so initiiert Franz M. Jansen
mit tatkräftiger Unterstützung seiner Frau Fifi die Gründung des rheinisch-
bergischen Künstlerkreises. Franz M. Jansen wird dessen Vorsitzender und
nimmt in dieser Eigenschaft schon bald Kontakt zu anderen, sich neu organi-
sierenden Künstlerverbänden auf. Sein Engagement bleibt nicht ohne Wirkung.
Noch im selben Jahr wird er in den Vorstand des Landesberufsverbandes der
bildenden Künstler Nordrhein-Westfalens gewählt.
Auf intensive Zusprache des Bonner Historien- und Kirchenmalers Willy M.
Stucke (sen.) tritt Franz M. Jansen - zumindest informatorisch - dem "Bonner
Künstlerbund" bei. Willy M. Stucke hat diesen Künstlerbund unmittelbar nach
dem Krieg wieder aufleben lassen, merkt aber schnell, dass er bei der Stadt
Bonn nur dann auf Unterstützung (Raumbereitstellung für Ausstellungen)
hoffen kann, wenn er einen grösseren Kreis - wenn nicht sogar alle profes-
sionellen bildenden Künstler in Bonn repräsentiert. So initiiert er die "Arbeits-
gemeinschaft Bonner Künstler", in der auch Franz M. Jansen Vollmitglied wird.
Tatsächlich gelingt es der "Arbeitsgemeinschaft Bonner Künstler" bereits
1947, eine erste offizielle Kunstausstellung (provisorisch im Rohbau der 3.
Etage des Bonner Kaufhofes), später auf der Kegelbahn des Bonner Bürger-
vereins und in der während der Semesterferien freigeräumten Mensa der
Universität Bonn zu organisieren.
Nach den Aufzeichnungen der organisatorisch nachfolgenden "Künstlergruppe
Bonn" nimmt Franz M. Jansen ab 1949 bis 1957/58 regelmäßig an deren
Sommer-/Herbstausstellungen mit eigenen Werken teil.
1947 Der Kölner Kunstverein witmet Franz M. Jansen eine Einzelausstellung in sei-
nen Räumlichkeiten, die einen retrospektiven Überblick über "Das Graphische
Werk" des Künstlers gibt. Franz M. Jansen zieht sich danach (zur kreativen
Arbeit) wieder in sein Atelier nach Büchel zurück. Er liest viel und kapselt sich
zunehmend ab. Vor Ort arbeitet er an der Holzschnittreihe "Wieder einmal"
(5 Holzschnitte) und bemüht sich um eine Wiederauflage seiner 18-teiligen
Holzschnittreihe "Menschen von Gestern", die im Kunstverlag von Michael
Hertz in Bremen nach seinen alten, in Büchel eingelagerten Druckstöcken von
1928 entsteht. Franz M. Jansen "positioniert" sich damit als ein scharf beob-
achtender Menschenbildner und früher Kritiker des bürgerlichen Selbstbe-
wußtseines der 20-er und 30-er Jahre, das nach seiner Meinung "in das
Desaster des 1000-jährigen Reiches" geführt hat.
Wiederauflage der Holzschnittreihe: "Menschen von Gestern" von 1928
Auszug: 9 von insgesamt 18 Holzschnitten, die Franz M. Jansen bereits 1928
zum Thema "Menschen von Gestern" angefertigt hatte.
1950 Franz M. Jansen beginnt die Arbeit an seiner Holzschnitt-Reihe "Der Schrei".
Er subsummiert darin seine Ängste und seine aufkommenden Depressionen.
Die Reihe - bestehend aus insgesamt 12 Holzschnitten - schließt er 1952 ab.
Franz M. Jansens Gesundheit ist angeschlagen. Resignierend gesteht er sich
ein, dass er - obwohl er geachtet und ob seines berufständigen Engagements
in Künstlerkreisen durchaus akzeptiert ist - stets auf externe finanzielle Unter-
stützung angewiesen sein wird. Seine Kunst verkauft sich einfach nicht! Hätten
sie nicht dauernd "Gäste" im Haus, die während ihres Aufenthaltes Miete und
Logis zahlen, würden beide - Franz und Fifi - nur noch "von der Hand im Mund
leben". Die Illusion von der großen Künstlerkarriere, die in jedem "Vollblut-
künstler" angelegt ist, ist dahin. Es ist kein großartiges, sondern ein sehr
ärmliches und sehr bescheidenes Leben, das die beiden Künstler in Büchel
führen.
1955 Franz M. Jansens Werke werden in einer Doppelausstellung im Städtischen
Kunstmuseum Bonn sowie im Städtischen Museum Leverkusen, Schloß
Morsbroich ausgestellt. Befeuert von diesem Erfolg beginnt Jansen seine
letzte große Werkreihe: "Der Strom". Die Mappe besteht aus 25 Radierungen.
1957 schließt er dieses Werk ab.
1958 Franz M. Jansen erleidet einen Schlaganfall, an dessen Folgen er am 21. Mai
1958 in seinem Haus in Büchel verstirbt. Seine Frau, "Fifi" Kreutzer-Jansen,
verwaltet in den Folgejahren den Nachlass ihres Mannes, bis auch sie infolge
eines Sturzes im Altersheim von Broscheid am 29. 12. 1977 stirbt. Beide
liegen nebeneinander auf dem Friedhof von Hermerath begraben. Das Grab
ist inzwischen eingeebnet.
Selbstportraits Franz M. Jansen
Hätte der "Verein August Macke Haus, Bonn" nicht im Rahmen seiner Schrif-
tenreihe zum Wirken der Rheinischen Expressionisten seine Forschungen zu
den Biografien von Franz M. Jansen und Fifi Kreutzer veröffentlicht, wären
beide Künstler sicherlich in Vergessenheit geraten und würden - wie so
viele andere Künstler auch - zur mittlerweile "vergessenen" Generation
Bonner Künstler zählen.
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